Protokoll der Sitzung vom 24.10.2002

Frau Präsidentin, ich gestatte Ihnen eigentlich alles, aber nicht, dass Sie den Rednern der SPD und der GRÜNEN immer mitten in den Satz hineinreden.

(Sackmann (CSU): Regen Sie sich nicht so auf!)

Im Übrigen hätte ich genau das Gleiche gesagt, was Sie sagen wollten. Wir haben diesen Antrag ins Plenum gezogen, weil wir die mehrheitliche Zustimmung für einen schweren Fehler halten. Weil uns dieses Thema sehr wichtig ist, beantragen wir eine namentliche Abstimmung. Dann haben die Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit, sich klar zu positionieren.

Während des Redebeitrags des Herrn Kollegen Schläger dachte ich, die SPD hätte sich besonnen und würde diesen Antrag ebenfalls ablehnen. Herr Kollege Schläger, im Übrigen ist dieser Antrag kein Antrag der CSU. Dieser Antrag existiert mit einer Drucksachennummer in zwei Versionen, einmal mit der SPD und einmal ohne die SPD. Ich habe gedacht und gehofft, die SPD würde mehrheitlich gegen diesen Antrag stimmen und diese verheerende Entwicklung einbremsen. Dem scheint aber nicht so zu sein, wie das der letzte Satz des Herrn Kollegen Schläger belegt hat.

Die Staatsregierung hat im Frühjahr 2001 aus guten Gründen den A-99-Südring, also den Ringschluss, nicht in ihre Meldeliste zum Bundesverkehrswegeplan aufgenommen. Sie hat damals nicht mehr und nicht weniger als 362 Straßenbauprojekte zur Bewertung angemeldet. 291 Maßnahmen standen zur Neubewertung auf der Liste 2, 71 Maßnahmen, die noch nicht im alten Bundesverkehrswegeplan enthalten waren, wurden zur Bewertung neu angemeldet, also Liste 3. Diese Meldeflut war völlig überzogen. Der letzte Bundesverkehrswegeplan litt unter einer Unterfinanzierung im Umfang von 90 Milliarden DM. Ich habe diesen Plan immer als „Utopie pur“ bezeichnet. Trotz dieser Flut von 362 Neuanmeldungen war der Ringschluss vor einem Jahr nicht dabei. Ich habe gesagt: Aus guten Gründen. Der erste Grund ist der zweifelhafte verkehrspolitische Nutzen, der zweite Grund sind immens hohe Kosten und der dritte Grund sind die unverantwortlichen Umwelteingriffe.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Schläger, Sie haben bereits das 1973 eingeleitete Raumordnungsverfahren angesprochen. Dieses Verfahren ist wegen „enormer Sachprobleme“ nicht abgeschlossen worden. Diese Worte stammen von dem zuständigen Staatsminister Dr. Beckstein. Meine Damen und Herren von der CSU und Herr Staatsminister Dr. Beckstein, die Sachprobleme sind doch jetzt nicht kleiner geworden, sondern mindestens genauso groß geblieben.

Zu den Umwelteingriffen: Durch dieses Projekt drohen 500 Hektar Wald zerstört zu werden. Dieser Wald ist sehr wertvoll, zum Teil handelt es sich um Bannwald. Vom Perlacher Forst im Osten über den Forstenrieder Park bis hin zum Kreuzlinger Forst. Außerdem würden Eingriffe in Flusstäler, zum Beispiel ins Isartal, also FFHGebiet, ins Würmtal oder ins Gleißental erfolgen. Bedroht wäre wertvoller Naherholungsraum, der gerade für die Münchner wichtig ist. Ich habe heute Herrn Staatsminister Dr. Schnappauf bei seiner Rede zum Umwelthaushalt sehr genau zugehört. Als oberste Ziele hat er den Bodenschutz und den Schutz vor Flächenfraß genannt. Jetzt stellt die CSU diesen Antrag, der genau das Gegenteil zur Folge haben würde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Momentan wird die famose Idee des Ringschlusses im Tunnel diskutiert. Diese Diskussion ist nicht überzeugend. Nur eine Frage: Wer soll den 30 bis 40 KilometerTunnel finanzieren? Dieser Tunnel soll durch das tief eingeschnittene Isartal führen. Wer die Situation kennt, weiß, wieviel das kosten würde. Mir graust schon vor den Transrapid-Plänen, bei denen man an zwei Stellen in das Tertiär hineingehen will. Dazu kann ich Ihnen nur viel Spaß wünschen. Ein Tunnelbau in dieser Dimension würde unheimliche Eingriffe in Natur und Umwelt zur Folge haben. Das kann letztlich keine Lösung sein.

Damit bin ich beim verkehrspolitischen Nutzen angelangt. Zurzeit gibt es auf dem Ostring ganz, ganz viel Ziel- und Quellverkehr, ebenso auf den Durchgangsstraßen im Norden und im Osten. Es ist einfach ein Trugschluss, wenn man sich von einer Schließung des Ringes Entlastung für die Ost-, die Nordgemeinden und die Landeshauptstadt München erwartet. Beim Argument der Entlastung vom Stadionverkehr und vom Flughafenverkehr kann ich einfach nur lachen. Jeder Verkehrswissenschaftler wird Ihnen genau sagen, was passiert: Die Straßen laufen sofort wieder voll. Kosten- und Nutzenuntersuchungen zeigen genau, was bei diesen Bewertungen passiert.

Herr Beckstein, als zuständiger Minister werden Sie ein bisschen Ahnung haben: Wie ist denn zur Zeit die Situation des Nadelöhrs Kreuz München Süd, was früher das berühmte Brunntaldreieck war? Der Druck darauf wird noch stärker sein. Damit werden Sie die Wirkung dieses Nadelöhrs noch verschärfen.

Jetzt sagt man verharmlosend, man mache nur eine Anmeldung für die Liste für den weiteren Bedarf; die Machbarkeitsstudie solle dann zeigen, ob eine Meldung

in die Liste für den vordringlichen Bedarf angesagt sei. Herr Lode hat aber ehrlicherweise schon signalisiert, dass die CSU mehrheitlich wohl diesen Ringschluss haben will. Er hat auch schon Angaben gemacht, wann das realisiert werden sollte.

Nun spreche ich über die Gefahr der Machbarkeitsstudie. Wir wissen alle, wie dabei gearbeitet, gedehnt, getrickst wird. Das zeigt auch die Machbarkeitsstudie zum Transrapid. Jetzt wird Herr Beckstein gleich sagen: Das war doch das Bundesverkehrsministerium. Das wissen wir auch. Wir wissen zugleich, wer die Grundlagen liefert, auf welchen Zahlen und Grundlagen solche Machbarkeitsstudien basieren. Das Ergebnis für den Südring lautet genauso wie im Falle des Transrapid: München.

Deswegen werden wir uns auf dieses Spiel überhaupt nicht einlassen. Wir wollen die Fehlentwicklung möglichst zu Beginn ausbremsen. Ich richte an alle Damen und Herren in der CSU und in der SPD meine herzliche Bitte: Lehnen Sie diesen Antrag ab. Es gibt sehr gute Gründe dafür – Umweltschutz, immense Kosten, zweifelhafter verkehrspolitischer Nutzen –, um dieses Spiel nicht weiterzumachen. Sonst wird immer sehr gerne auf hohe Kostenbelastungen verwiesen; auch das sollte man an dieser Stelle ansprechen. Ich bitte Sie daher um Ablehnung dieses Antrags in der folgenden namentlichen Abstimmung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat nun Herr Haedke.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben soeben eine beispielhafte Darstellung grüner und auch roter Kopf-in-denSand-Politik erlebt. Sie verschließen sich einfach der Wirklichkeit und neueren Entwicklungen.

(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie denken, dass der Strom aus der Steckdose kommt, und genauso denken Sie beim Verkehr.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und die Kinder vom Storch! – Heiterkeit)

So kann man mit den Verkehren und den Menschen nicht umgehen. Sie bezwecken genau das Gegenteil dessen, was Sie eigentlich behaupten.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Woher haben Sie diese Erkenntnis?)

Meine Damen und Herren, heute geht es nicht um einen Baubeginn. Sie tun so, als würden wir schon mit der Schaufel dastehen. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir wollen hier eine Machbarkeitsstudie initiieren, wir wollen darüber nachdenken, ob wir vielleicht noch ein Strässchen bauen können. Ja ist es denn auch schon nicht mehr erlaubt zu untersuchen, ob das möglich ist

und ob man das unter den gegebenen ökologischen Voraussetzungen erreichen kann?

(Starzmann (SPD): Oh mei, oh mei!)

Wenn es nach Ihnen ginge, würde überhaupt keine Straße mehr gebaut, würden wir uns allen verkehrlichen Entwicklungen in Bayern verschließen. Ihnen ist auch egal, ob die Menschen vor Ort im Verkehr versinken bei all den Fehlkonstruktionen aus den siebziger Jahren, die es noch gibt. Das kann nicht sein. Es muss erlaubt sein, darüber nachzudenken und eine Machbarkeitsstudie in München und andernorts in Bayern durchzuführen.

(Schläger (SPD): Das wollen wir doch!)

Der Kollege von den GRÜNEN will das überhaupt nicht. Der will am liebsten überhaupt nicht nachdenken, auch nicht über die kleinste Straße, weil vielleicht ein Grashalm geknickt werden könnte.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Die Redezeit ist leider zu kurz; ansonsten würde ich das gerne machen.

(Lachen bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Starzmann (SPD): Sie müssen sonst nachdenken, das wäre schlecht!)

Meine Damen und Herren, Sie haben dargestellt, dass es um zweifelhafte Verkehrsentwicklungen ginge. Genau darum geht es ja nicht, sondern es soll untersucht werden. Sie nehmen schon das Ergebnis vorweg. Wir wollen das untersuchen lassen. Es soll in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen werden, damit wir unseren Etat für die Staatsstraßen nicht belasten und der Bund das Ganze zahlt; sonst müssten wir eine Million bezahlen, und das wollen wir nicht.

(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen muss das angemeldet und auf Kosten des Bundes untersucht werden. Das ist auch richtig so. Für dieses Geld bauen wir lieber eine Straße in Bayern.

(Zahlreiche Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Unruhe)

Jetzt beruhigen Sie sich doch wieder ein bisschen. – Wir müssen auch einmal über die Situation in München sprechen. Sie haben gesagt: Da gibt es kaum Verkehre. Ich empfehle Ihnen, einmal in eine Wohnung in der Tegernseer Landstraße in Giesing zu ziehen. Da fahren jeden Tag 150000 Autos vorbei. Dann sehen Sie einmal, was da für ein Dreck ist und dass die Verkehre, die Sie wegreden wollen, in Wirklichkeit existieren. Sie sehen dann, wie viele Leute im Stau stehen und darunter leiden. Es ist auch Umweltschutzpolitik, wenn man an die Menschen denkt, die hier Schaden nehmen, und zwar täglich.

(Beifall bei der CSU)

Man darf auf keinen Fall übersehen, wie sich die Verkehre in Zukunft entwickeln werden. München ist ein Drehkreuz. Es hat schon seinen Grund, dass sich gerade schwäbische Abgeordnete, auch Abgeordnete der SPD, im Ausschuss für das Projekt ausgesprochen haben. Ich muss mich schon wundern: Über Nacht haben sich das einige Kollegen der SPD anders überlegt. Herr Prof. Gantzer, Sie sind weiterhin dafür, aber alle anderen, die gestern noch dafür waren, wurden über Nacht auf Enthaltung getrimmt. Das ist wohl politisches Kalkül, und der Sachverstand scheint über Nacht verloren gegangen zu sein. Es geht aber um die Menschen; es geht darum, etwas zu überprüfen und nachzudenken.

(Zuruf von der SPD: Das machen wir ja!)

Wir wollen überall in Bayern nachdenken und überprüfen, ob wir etwas tun können, damit die Verkehrssituation und Umweltsituation besser wird. Staus produzieren Abgase. Diese Umgehung um München ist kein Ring, sondern da ist ein Loch im Ring.

(Zahlreiche Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie können niemandem erzählen, dass es verkehrs- und umweltfreundlich ist, wenn man um die ganze Stadt herumfährt.

(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, einmal eine Studie zu machen und darüber nachzudenken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, noch ein Wort zu den Finanzen. Sie sagen, das kostet unwahrscheinlich viel. Wenn man als bayerischer Abgeordneter jede Investition hier bekämpft, unterstützt man damit nur solche Investitionen in anderen Bundesländern. Damit befinden Sie sich mit dieser Formulierung wieder einmal an der Seite derer, bei denen Sie nicht sein sollten. In Wirklichkeit verraten Sie Ihre eigenen Wähler. Es darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein, dass wir Geld in Bayern investieren.

(Lebhafter Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist richtig, Geld in Bayern zu investieren und Geld hierher zu holen. Dagegen können Sie sich nicht immer wieder wenden. Das ist gegen das Interesse bayerischer Wähler. Deswegen fordere ich Sie dazu auf, darüber nachzudenken. Das würde Ihnen gut tun.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, dass wir hier im Hause eine Mehrheit dafür finden, dass eine Machbarkeitsstudie gemacht werden kann. Nicht mehr und nicht weniger wollen wir. Das ist für Bayern auch sinnvoll.

(Beifall bei der CSU – Starzmann (SPD): Die Zukunft der CSU hat gesprochen! – Heiterkeit)