Protokoll der Sitzung vom 24.10.2002

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Vielen Dank, Herr Staatsminister. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung, die in namentlicher Form erfolgen soll.

Die entsprechend gekennzeichneten Urnen sind bereits aufgestellt worden. – Die Ja-Urne steht auf der Seite der CSU-Fraktion, die Nein-Urne auf der Oppositionsseite und die Urne für die Enthaltungen steht auf dem Stenografentisch.

Mit der Abstimmung kann begonnen werden. Hierfür stehen 5 Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 17.09 Uhr bis 17.14 Uhr)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Liebe Kollegen, die Abstimmung ist abgeschlossen. Das Ergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ausgezählt und von mir später bekannt gegeben.

Die restlichen Dringlichkeitsanträge werden in die Ausschüsse verwiesen.

Ich rufe nun auf, wie zwischen den Fraktionen vereinbart:

Tagesordnungspunkt 20

Antrag der Abgeordneten Riess, Dinglreiter, Dr. Bernhard und anderer (CSU)

BAB-Südring München (Drucksache 14/9746)

Hierzu hat die SPD-Fraktion um das Wort zur Geschäftsordnung gebeten. Ich erteile deshalb Frau Kollegin Radermacher das Wort.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir beantragen, diesen Tagesordnungspunkt so lange abzusetzen, bis die Petitionen behandelt sind, da es wohl wenig Sinn macht, erst den Antrag zu beschließen und dann die Petition zu beraten und die Petenten zu hören.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Gegenrede vonseiten der CSU-Fraktion? – Herr Kollege Lode.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beantrage für die CSU-Fraktion, den Antrag auf Absetzung abzulehnen. Der Antrag auf Drucksache 14/9746 wurde bereits in drei Ausschüssen beraten. Dabei gab es unterschiedliche Voten. Erstaunlich aber ist, dass gestern im Innenausschuss die SPD dem Antrag mehrheitlich zugestimmt hat. Die angekündigten Petitionen werden im weiteren Beratungsverfahren ausführlich behandelt. Aber auch dafür ist eine aussagefähige Bewertungsgrundlage über die Machbarkeit notwendig. Deshalb ist der vorliegende Antrag heute zu beraten und zu entscheiden.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Ich lasse jetzt über den Geschäftsordnungsantrag der SPD-Fraktion, der die Absetzung des aufgerufenen Tagesordnungspunktes zum Ziel hat, abstimmen. Wer dem Geschäftsordnungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind große Teile der Fraktion der SPD und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, Kollege Hartenstein (fraktionslos) und Kollege Kupka (CSU). Gegenstimmen? – Das sind die Fraktion der CSU und Kollege Prof. Dr. Gantzer (SPD). Stimmenthaltungen? – Das sind Kollege Heckel (CSU) und Kollegin Narnhammer (SPD). Der Geschäftsordnungsantrag ist damit abgelehnt.

Ich eröffne jetzt die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 20. Die Redezeit beträgt pro Fraktion 15 Minuten. Herr Lode, bitte.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Es wäre ein Fehler, ausschließlich über den Südring München zu diskutieren. Aus meiner Sicht wäre dies zu kurz gesprungen. Der Antrag, die Realisierung des Südrings um München in einer Machbarkeitsstudie zu untersuchen, ist die Folge des Gesamtverkehrsaufkommens im Großraum München und unmittelbar in der

Stadt München. Dazu folgende Fakten: München ist ein zentraler, nationaler und internationaler Verkehrsknotenpunkt. Nur um Stichworte zu nennen: Boom-Region München und Oberbayern, Hauptreiseverkehrsverbindung von Nord nach Süd und umgekehrt, Europäischer Binnenmarkt, EU-Osterweiterung, Ausbau Terminal München II, Messe München, neues Fußballstadion, Verkehrsanbindung und künftige Verkehrswirksamkeit der verstärkt belasteten Autobahn A 94.

Das Autobahnkreuz München-Nord ist ebenso wie der Autobahnring A 99 schon heute überlastet. Die Belastungszahlen bewegen sich zwischen 140000 bis über 190000 Fahrzeuge pro Tag. Schon heute ist dieses Verkehrsaufkommen nur mit größter Problematik zu bewältigen. Immer wieder eingeleitete und begleitende Baumaßnahmen sind nur für einen kurzen Zeitraum Notlösungen. Die Bahn wird zur Bewältigung dieser Verkehrsaufkommen nur einen marginalen Beitrag leisten können. Jeder zusätzliche Fahrgast und jede Tonne Frachtgut auf der Schiene wäre zur Minderung der Gesamtentwicklung schon ein Gewinn. Entlastungsmaßnahmen, wie etwa die Isarspange und die Flughafentangente Ost, werden kaum wirksam, da sie schon heute benötigt werden.

Schon heute läuft ein Großteil des lokalen Verkehrs auf dem nachgeordneten Straßennetz. Die Städte und Gemeinden des Umlandes im Münchner Norden und Osten sind besonders davon betroffen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, im Interesse der Verkehrssicherheit und der Flüssigkeit des Verkehrs muss der Durchgangsverkehr auf den Autobahnen gebündelt werden. Alle Verkehrsprognosen sehen bis zum Jahre 2015 Steigerungen des Verkehrsaufkommens beim Pkw-Verkehr um 50% und beim Lkw-Verkehr um 64% vor. Diese Prognosen werden ernsthaft von niemandem bestritten. Für diese Verkehrsaufkommen sind die vorhandenen Fahrbahnquerschnitte unzureichend. Sie müssen erweitert werden, wie zum Beispiel jetzt am A-99-Ostring in den Spitzenzeiten bis auf acht Spuren, dann möglicherweise bis auf zehn oder gar zwölf Spuren. Man kann zur Lösung aber auch Alternativen suchen. Dies ginge wohl ganz großräumig für halb Süddeutschland oder, wie ich meine, vernünftigerweise möglichst stadtnah wegen der vielen Entlastungseffekte auch für den Stadtraum München selbst. Daher ist der Antrag, den Ausbau des BAB Südrings ernsthaft zu diskutieren, sachgerecht. Dazu war bereits 1973 ein Raumordnungsverfahren eingeleitet worden. Dieses wurde wegen diverser Problemlagen im Jahre 1980 nicht weiter verfolgt, sodass der Südring aus dem damaligen Bundesverkehrswegeplan gestrichen wurde. Diese Entscheidung wurde seinerzeit wohl auch aufgrund der Überlegung getroffen, dass sich das Verkehrsaufkommen nicht so enorm entwickeln würde – eine eklatante Fehleinschätzung, wie wir heute wissen.

Der Bundesverkehrswegeplan wird derzeit von der Bundesregierung fortgeschrieben. Der Freistaat hat angesichts der genannten Problemlage das Projekt vorsorglich zur Aufnahme in die Fortschreibung angemeldet. Der heutige Beschluss soll ermöglichen, dass die Schließung des Autobahnrings um München, dass das Projekt

BAB-Südring München mit der Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan verbindlich festgestellt und einer erneuten Bewertung unterzogen wird. Diese Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan ist auch deswegen notwendig, um eine entsprechende Kostenbeteiligung des Bundes für eine umfangreiche Machbarkeitsstudie zu erhalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie bei jedem größeren Investitionsvorhaben, vor allem natürlich bei jedem großen Verkehrsprojekt sind mir die Schwierigkeiten bewusst. Die bisherigen Diskussionen und auch die bisherigen Reaktionen auf den Antrag haben die Schwierigkeiten schon gezeigt. Es macht aber auch keinen Sinn, den Projekteinstieg jetzt um Jahre zu verschieben. Die eingangs geschilderte Situation ist die Realität von heute. Dass die Machbarkeitsstudie selbstverständlich alle Parameter, die Betroffenheit der Menschen, die Verkehrswirksamkeit für die Stadt und das Umland, die Raumwirksamkeit und die Ökologie umfasst, ist Geschäftsgrundlage. Es wird sich zeigen, ob die ingenieurtechnischen Möglichkeiten ausreichen, die sich in den letzten Jahrzehnten auch weiter entwickelt haben, ob es also eine technische Chance zur Realisierung gibt. Daran denke ich vor allem, weil erhebliche Teile der Strecke im Tunnel oder untertunnelt geführt werden müssen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird sich zeigen, welcher finanzielle Aufwand dafür erbracht werden muss und ob er sich volkswirtschaftlich auch rechnet. Darüber können wir heute natürlich prächtig diskutieren, aber ohne festgelegte Trasse, ohne profunde Erkenntnisse über die Verkehrswirksamkeit und ohne einen verwertbaren Kostenrahmen werden wir zu keinem abschließenden Ergebnis kommen.

Erst das Ergebnis der Machbarkeitsstudie wird also zeigen, ob der Autobahnring um München geschlossen werden kann. Seine Realisierung – dessen bin ich mir sicher –, wird einen langfristigen Zeitraum umfassen müssen; ich denke an die Jahre 2015 bis 2020. Bis dahin, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden noch Tausende Schritte notwendig sein, aber wir müssen einmal beginnen. Dafür haben wir heute einen ersten Schritt zu tun. Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Schläger.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! 42 CSU-Abgeordnete fordern, die Schließung des Autobahnrings in München im Süden in den Bundesverkehrswegeplan aufzunehmen. Uns stört dabei, dass nicht zuerst Untersuchungen angestellt werden, ob dies überhaupt machbar ist. Meine Damen und Herren, dilettantisch ist auch die Aussage im Antrag, dass eventuell notwendige Eingriffe durch – man höre und staune – Ersatzpflanzungen ausgeglichen werden. Wer das Projekt kennt, um das es hier geht, wird auf jeden Fall zu dem Ergebnis kommen, dass die Ersatzpflanzungen Tausende von Hektar umfassen müssten; denn es geht darum, dass 500 Hektar Bannwald, Landschaftsschutzgebiet und Naturschutzgebiete gerodet werden müss

ten. Eine solche Maßnahme wäre einmalig in Bayern. Woher nehmen Sie in Oberbayern 1000 Hektar?

Eingangs ist schon gesagt worden, dass auch Petitionen gegen das Projekt laufen, die erst einmal diskutiert werden müssen. Die gesamte Angelegenheit wird seit Jahrzehnten diskutiert. Es ist auch gesagt worden, dass das Projekt in der Zwischenzeit abgesetzt worden ist. Es gab auch das Gutachten des international anerkannten Gutachters und Verkehrsexperten Karl Klühspies aus den Siebzigerjahren, das beweist, dass es verkehrstechnisch keineswegs zwingend ist, Städte durch geschlossene Autobahnringe zu erschließen und zu entlasten, sondern dass auch tangentiale Verkehrsführungen in Verbindung mit regionalen Verbesserungen zum Ziel führen können.

Wie gesagt: Bei einer Realisierung würden 500 Hektar Wald, größtenteils Bannwald, Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete zerstört. Der Erholungsraum Süd für München und viele Wasserversorgungsanlagen würden ebenfalls zerstört bzw. gefährdet. Meine Damen und Herren, jetzt kommt die Schnapsidee: Dem könnte man entgegenwirken, indem man circa 30 Kilometer Tunnel baut. Darüber kann man sich nur wundern, wenn man weiß, wie sich die Staatsregierung woanders auf dem flachen Land beharrlich weigert, wenn es einmal um 300 Meter Tunnel im Rahmen einer Bundesstraße, einer Autobahn usw. geht. Die Tunnellösung brachte Staatsminister Dr. Beckstein bereits vor eineinhalb Jahren auf die schriftliche Anfrage der Kollegin Hirschmann ins Gespräch – das kann man dort alles nachlesen. Auf der anderen Seite gibt es auch die Poinger Erklärung zum Ringschluss der Bundesautobahn 99, in der sich Bürgermeister aus der Region für diesen Ringschluss stark machen. Ganz anders der Münchner Oberbürgermeister Ude und andere betroffene Bürgermeister, die dafür plädieren, auf den Ringschluss der A 99 im Süden von München zwischen Autobahnkreuz Süd und A 96 wegen gravierender Eingriffe in Natur und Landschaft zu verzichten. Ein weiterer Grund ist die nur bescheidene Entlastung des Ostrings.

Schauen wir uns noch einmal die Geschichte an. 1980 wurde das Raumordnungsverfahren eingestellt und in die damalige Fortschreibung des Bedarfsplanes nicht mehr aufgenommen. Es ist bezeichnend, dass die Staatsregierung das Projekt für die Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans für das nächste Jahr in ihrem Katalog nicht aufgenommen hat. Grund war laut Aussage der Staatsregierung, dass eine Entscheidung für die Schließung des Autobahnrings im Süden von München – ich zitiere wortwörtlich – wegen der bekannten Konfliktintensität der weiteren Verkehrsentwicklung vorbehalten werden sollte. Dies kann man auch alles nachlesen. Weitere Zitate der Staatsregierung:

All diese Fragen bedürfen intensiver Untersuchungen.

Aus diesem Grunde und um zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen zu können, hält die Staatsregierung die Vergabe einer umfassenden Machbarkeitsstudie für den A-99-Ringschluss für sinnvoll.

Natürlich soll man das untersuchen. Dagegen hat niemand etwas. Die Oberste Baubehörde führt zum A-99-Ringschluss derzeit keine Untersuchungen durch. Das spricht doch Bände. Eigentlich stehen sowohl die Autobahndirektion als auch die Oberste Baubehörde dem Projekt äußerst kritisch gegenüber. Deshalb ist es auch nicht in den Katalog der Staatsregierung für die Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans aufgenommen worden. Der Hauptverkehr fließt über die NordSüd-Route München – Nürnberg – Salzburg und wird die Stadt auch weiterhin im Osten umfahren.

Der Präsident der Autobahn-Direktion Süd, Günter Woltereck, hält den Direktverkehr zwischen Lindau und der Salzburger Autobahn für überschaubar. Wer vom Allgäu nach Italien will, bevorzugt den Fernpass oder Pfändertunnel. Somit bleibt nur die A 8 aus Stuttgart. Diese ist über einen erträglichen Umweg an den Ostring angebunden. Der Anschluss der „Ausflugsautobahn“ A 95 Garmisch an den Fernverkehr gilt allseits als unerwünscht. Die Strecke führt als Landstraße über den Zirler Berg nach Österreich und Italien. Ein Autobahnbau ist dort nicht vorgesehen.

Aus gesamtbayerischer Sicht ist anzumerken, dass es wichtigere Projekte als die A 99 Süd gibt. Deshalb ist die Aufnahme dieses Projekts in den Bundesverkehrswegeplan, was mit diesem Antrag gefordert ist, voreilig und schafft nur trügerische Hoffnungen. Dieses Projekt würde mindestens eine Milliarde Euro oder mehr kosten. Somit ist es auf absehbare Zeit weder durchführbar noch finanzierbar. Im Übrigen könnte der Verkehr um München stark entlastet werden, wenn wir den Schluss der Autobahn A 93 zwischen der Inntal-Autobahn bei Rosenheim und Regensburg schnell realisieren würden.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege Schläger, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dinglreiter?

Nein. Mir läuft die Zeit weg. Herr Kollege Dinglreiter, Sie können sich noch einmal zu Wort melden. Der gesamte Verkehr Richtung Salzburg, Innsbruck oder Italien, der aus Nordostbayern oder den neuen Bundesländern kommt, verläuft heute zu 90% über den Autobahn-Nord– und Ostring bei München. Wenn wir die Strecke, die ich gerade genannt habe, ausbauen würden, würde dieser Verkehr nicht mehr auf das Ballungszentrum zurollen, sondern rechtzeitig über Niederbayern und Ostoberbayern fließen. Dadurch würden auch die Staus auf der A 9 geringer.

Wenn es sich beim CSU-Antrag nur um einen Prüfantrag und die Forderung nach Untersuchungen handeln würde, könnten wir diesem Antrag zustimmen. Da die CSU aber im ersten Absatz knallhart die Aufnahme des Projekts in den Bundesverkehrswegeplan fordert, kann ein verantwortungsbewusster Politiker dem Antrag in dieser Form nicht zustimmen. Da wir aber sinnvolle und ergänzende Untersuchungen befürworten, werden wir uns, wie im Wirtschaftsausschuss, der Stimme enthalten.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Kollege Dr. Runge.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diesen Antrag ins Plenum gezogen, weil wir – –

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Entschuldigen Sie, Herr Dr. Runge. Ich möchte noch bekanntgeben – –

Frau Präsidentin, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir nicht mitten in den Satz fahren würden.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das müssen Sie mir schon gestatten.

Frau Präsidentin, ich gestatte Ihnen eigentlich alles, aber nicht, dass Sie den Rednern der SPD und der GRÜNEN immer mitten in den Satz hineinreden.