Protokoll der Sitzung vom 24.10.2002

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses Gesetz ist notwendig, zukunftsgerichtet und für die politische Kultur in unserem Lande wichtig. Inzwischen ist das Gesetz gut geworden. Wenn der Gesetzentwurf in der Fassung des Entwurfs vom Frühjahr 2001 in Kraft getreten wäre, wäre diese positive Wirkung nicht möglich gewesen. Wir beraten heute, glaube ich, über die sechste Fassung. Das ist gut so.

An dieser Verbesserung haben viele Personen mitgewirkt. Viele dieser Personen arbeiten außerhalb dieses Parlaments – oder auch hier wie beim Hearing. Die Verbesserungen sind aber auch ein Ergebnis der kollegialen Zusammenarbeit zwischen den Fraktionen des Bayerischen Landtags. Herr Kollege Dr. Spaenle und Frau Kollegin Köhler, herzlichen Dank für diese Zusammenarbeit. Wir haben hier gezeigt, dass wir auch interfraktionell zu guten Ergebnissen kommen können.

Bei diesem Gesetz geht es nicht nur um organisatorische und finanzielle Fragen und Verhaltensregeln. Ein besonderer Schwerpunkt dieses Gesetzes ist seine moralische Ausstrahlung. Deshalb bin ich froh, dass der Zweck des Gesetzes, der in Artikel 2 Absatz 1 festgeschrieben ist, nie in Frage stand. Hier geht es um Orte der Trauer und des Gedenkens. Dies sind Lernorte für künftige Generationen, Orte, die zeigen, dass Zivilcourage erforderlich ist, damit sich solche fürchterlichen Ereignisse in Zukunft nicht wiederholen. In unserer Gesellschaft gibt es immer wieder Phasen, wo das Gedenken in Frage gestellt wird. Man braucht dabei nur an den letzten Wahlkampf zu denken, wobei ich ausdrücklich hervorheben möchte, dass ich keine der in diesem Hause vertretenen Fraktionen damit meine.

In der Vergangenheit war nicht unbedingt zu erwarten, dass ein Gesetz mit dieser Zielrichtung entstehen würde. Damals drohten das Verdrängen und das Vergessen. Dazu ist es dank der ehemaligen Häftlinge nicht gekommen, für die es oft sehr belastend war, sich der Erinnerung zu stellen. Es ist aber auch gerade den vielen jungen Menschen zu verdanken, die sich vor Ort – oft seit Jahrzehnten – dieser Erinnerungsarbeit verschrieben haben. Dies war und ist keine leichte Aufgabe. Als Vereinsvorsitzender zur Förderung der internationalen Jugendbegegnung in Dachau habe ich sieben Jahre lang miterlebt, wie schwierig diese Aufgabe vor Ort aber auch überörtlich ist. Dieser Einsatz hat sich gelohnt. Er sollte auch künftig unterstützt werden, damit das Ziel mit Leben erfüllt wird. Herr Staatssekretär Freller, ich begrüße, was Sie soeben gesagt haben: Wir brauchen eine breite gesellschaftliche Beteiligung und Unterstützung. Dies sollte in den Gremien zum Ausdruck kommen, zum Beispiel bei der Gestaltung des Kuratoriums. Der Landtag sollte dazu im Gesetzestext noch konkretere Vorgaben beschließen.

Dieses Gesetz wurde in wesentlichen Punkten verbessert. Die Gedenkstätten werden jetzt ausdrücklich „KZ

Gedenkstätten“ genannt. Die Außeneinrichtungen werden einbezogen. Der Streit um die Gleichheit konnte beigelegt werden. Jeder dieser Orte hat seine eigene Würde, auch wenn es nur die kleine Stieler-Schule an der Theresienwiese ist, bei der in jedem Monat 30 Häftlinge zum Bombenräumen eingesetzt wurden, von denen am Ende des Monats oft nur noch zwei lebten. Wir haben die Internationalität verstärkt. Wir haben dafür gesorgt, dass im Stiftungsrat Häftlingsvertreter dabei sind. Ursprünglich war vorgesehen, keinen Häftlingsvertreter zu entsenden. Dann waren zwei Vertreter im Gespräch, die ausgesucht werden sollten. Inzwischen sind drei Häftlingsvertreter vorgesehen, die autonom benannt werden können. Vielleicht können wir auch noch auf vier kommen. Außerdem ist die Nachfolge der unmittelbaren Häftlingsgeneration geregelt.

Wir haben darüber hinaus in der letzten Phase sichergestellt, dass die Organe, also das Kuratorium und der wissenschaftliche Beirat, ihre Vorsitzenden selbst wählen. Diese Vorsitzenden haben im Stiftungsrat eine beratende Stimme. Das heißt, sie können auch Anträge stellen. Sie haben also eine große Einwirkungsmöglichkeit. In der letzten Fassung ist das Zwischenorgan „Ständiger Ausschuss“ gestrichen worden. Wir haben sichergestellt, dass die Mitbestimmungsrechte des Comité International de Dachau – CID – fortbestehen. Man kann noch darüber verhandeln, was geändert werden kann.

Der Anschein, als würde von oben eine Änderung der Verträge mit dem CID gewünscht, ist durch die Streichung des Artikels 12 Satz 3 weg.

Wir haben über den Stiftungsdirektor diskutiert. Es wurde kein Stiftungsdirektor bei einer Behörde festgeschrieben, was bei einer staatsfernen Stiftung kontraproduktiv wäre. Wir haben festgestellt, dass diese Frau oder dieser Mann selbstständig und unabhängig wirken soll. Das sollte auch personell zum Ausdruck kommen. Lösungen wie: Halbtagsstelle und Abteilungsleitung in einem Landratsamt einerseits und Geschäftsführer eines Zweckverbandes andererseits würden dem Geist dieses Gesetzes wohl nicht entsprechen.

Wir sollten diese Gemeinsamkeit auch bei der Diskussion von Einzelheiten in den Ausschussberatungen beibehalten; dann hat dieses Gesetz draußen eine größere Resonanz. Ich bin mir dessen sicher, dass wir diesen Weg finden werden. Dieses Gesetz kann aus meiner Sicht zu einem hervorragenden Eckpunkt in der Gesetzgebungsarbeit der gesamten Legislaturperiode werden. Besten Dank, und helfen Sie dabei bitte mit.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Spaenle, bitte.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf wird sich tief ins kollektive Gedächtnis unseres Landes einprägen. In den Todeszellen und Folterkammern der Konzentrationslager wurde die Keimzelle für die zweite

Demokratie auf deutschem Boden gelegt. Vertreter aller politischen Parteien, wichtiger gesellschaftlicher Gruppen, von Minderheiten und derer, die wegen ihrer Abstammung verfolgt wurden, sind auf deutschem, auf bayerischem Boden aufgrund ihrer Überzeugung, ihrer Herkunft und ihrer religiösen Zugehörigkeit gequält, gefoltert und getötet worden.

Der Umgang mit der eigenen Geschichte ist der Ausweis für die Zukunftsfähigkeit eines Volkes. Mit den schönen Seiten der eigenen Geschichte umzugehen, ist einfach. Mit den Lasten der eigenen Geschichte umzugehen, erfordert Mut, erfordert dauerhaftes Engagement und erfordert auch Bekennermut. Mit den schlimmsten Seiten der eigenen Geschichte vor der Haustüre konfrontiert zu werden, ist nicht einfach. Das kann man mit schlechtem Gewissen bewältigen; das kann man mit Verdrängen bewältigen.

Ich glaube, dass wir in Bayern seit 1946 einen Weg eingeschlagen haben, der bei allen Schwierigkeiten, heute an einem wichtigen Meilenstein angekommen ist. Die Bereitschaft des Hohen Hauses, die KZ-Gedenkstätten Bayerns mit einer eigenen Stiftung dauerhaft abzusichern, ist ein wichtiges politisches Signal, das über die Alltagsgeschäfte weit hinausreicht. Es geht darum, die feinen Wurzeln der zweiten Demokratie auf deutschem Boden zu sichern, die in Dachau, die in Flossenbürg ausgebildet wurden. Ich darf nur den Namen Dietrich Bonhoeffer im Zusammenhang mit Flossenbürg erwähnen. Wir könnten da lange Listen aufmachen. Wir leisten mit diesem langfristig angelegten Erinnern einen Beitrag zur politischen Kultur und zur Absicherung des demokratischen Grundkonsenses in unserem Land.

Deswegen war es uns allen so wichtig, das Erinnern am Ort des Geschehens und gleichzeitig das Lernen vom Erinnern am Ort des Geschehens als die zwei Grundsäulen der Gedenkstättenarbeit auch im Stiftungszweck dieses Gesetzes festzulegen. Es war beeindruckend, die Zeitzeugen, die Opfer bei der Anhörung, die vor wenigen Tagen im Bayerischen Landtag stattgefunden hat, vor sich zu sehen. Wir alle können das Geschehen Gott sei Dank nur aufgrund von Erzählungen oder durch das Erleben des Ortes nachvollziehen. Besonders beeindruckend ist es aber, die Authentizität des Geschehens dadurch nachzuvollziehen, dass man diese Menschen persönlich erlebt. Wir können den ehemaligen Häftlingen mit diesem Gesetzentwurf gegenübertreten, der für unsere demokratische Kultur und für die Offenheit des Aufarbeitens und Umgehens mit dieser Phase deutscher und bayerischer Geschichte spricht.

Nur einige wenige Anmerkungen zur Ausformung: Es hat sich als richtig und wichtig erwiesen, den Stiftungsrat – ich habe schon gesagt: Das ist eine Art Aufsichtsrat – breit anzulegen. Natürlich liegt die finanzielle Verantwortung auch weiterhin beim Staat. Die Wertschätzung, die diese Stiftung im öffentlichen Bewusstsein erreichen soll, drückt sich in der Übernahme des Vorsitzes durch den jeweiligen Kultusminister oder die jeweilige Kultusministerin aus. Den Vorschlag, den Präsidenten des Bayerischen Landtags mit Sitz und Stimme in diesem Stiftungsrat zu verankern, halte ich für ein ganz wichtiges Symbol. Wenn der Präsident der Volksvertretung in

diesem Stiftungsrat sitzt, hat das eine hohe Außensymbolik. Das zeigt die ganz enge Verbindung des Souveräns mit diesem Teil unserer Geschichte.

Wir haben heftig darum gerungen, in welcher Weise die Häftlingsorganisationen in diesem Gremium Sitz und Stimme finden sollen. Wir haben gut daran getan, diese Frage immer wieder zu erwägen. Es war auch wichtig – das sage ich an dieser Stelle ausdrücklich –, eine gleichberechtigte Vertretung beider Gedenkorte vorzusehen: von Dachau, das aufgrund seiner – in diesem Punkt negativen – Symbolkraft international bekannt ist, und von Flossenbürg, das sich seit Jahrzehnten intensiv mit dieser Seite seiner Geschichte auseinander setzt.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Das war auch ein wichtiges Anliegen der Häftlingsverbände. Ich möchte einen Begriff gebrauchen, den Sie bitte nicht falsch verstehen mögen. Unter den Ehemaligen kam unterschwellig die Stimmung auf: Sind denn die Häftlinge von Dachau mehr wert als die von Flossenbürg? – Das konnten wir ausräumen. Mit dieser Gleichwertigkeit soll die Gedenkarbeit in beiden Orten unsere politische Anerkennung finden.

Bei den Vorbereitungen der Stiftung ist etwas deutlich geworden, was im öffentlichen Bewusstsein wenig existiert, das auch uns, die sich mit diesem Thema befasst haben, gar nicht bewusst war: dass es Abertausende von Häftlingen gibt, die sich in quer über das Land verstreuten Außenlagern der Repression dieses verbrecherischsten Regimes, das je auf deutschem Boden existierte, ausgesetzt sahen. Auch dem wollen wir Rechnung tragen. Es gab weit über 250 Orte mit Außenlagern, an denen gearbeitet wurde. Der dritte Sitz, den wir den Häftlingsorganisationen im Stiftungsrat geben wollen, auch verbunden mit dem Zielland Israel, soll ein weiterer starker Ausdruck der besonderen Verbindung zwischen Deutschland und Israel in dieser wichtigen Frage sein.

Das Kuratorium und der wissenschaftliche Beirat waren in einem früheren Entwurf zusammengefügt. Wir tun gut daran, dass wir die fachwissenschaftliche Betreuung der Gedenkstättenarbeit in Bayern in einem eigenen Gremium zusammenfassen. Die Fachwissenschaft hat einen anderen Zugang zu diesem wichtigen Bereich, als ihndas Kuratorium und die dort vertretenen Gruppierungen, Institutionen, Verbände und Einrichtungen haben sollen. Das Kuratorium ist – ich bitte, das nicht falsch zu verstehen – das emotionale Herz dieses Gesetzes. Das soll eine Institution für all diejenigen sein, die sich mit der Gedenkstättenarbeit, der Erinnerungs- und Lernarbeit qua Amt oder – das ist uns sehr wichtig – aus ehrenamtlichem Engagement heraus befassen, auch für weitere Opfergruppen – jüdische Vertreter, Sinti und Roma –, die auch beim besten Willen nicht im Gremium Stiftungsrat vertreten sein konnten.

Mit dem Verhältnis zum Comité International de Dachau haben wir eine sehr gute Lösung gefunden, die langfristig tragen wird. Damit stellen wir die gewachsene, inzwischen vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den ehemaligen Häftlingen auf eine gute Grundlage.

Ich darf zum Schluss ein Wort des Dankes an beide Gemeinden richten. Der Erste Bürgermeister der Gemeinde Flossenbürg und der Oberbürgermeister der Stadt Dachau sollen aus gutem Grund Sitz und Stimme in diesem Stiftungsrat erhalten. Die Bürgerschaften dieser beiden Gemeinden Bayerns tragen stellvertretend für das bayerische Volk in ihrem Alltag seit Jahrzehnten die Bewältigung dieser Phase unserer Geschichte. Das ist nicht immer einfach und ist oft mit schwierigen Phasen der Bewältigung verbunden. Ich glaube, dass wir an beide Gemeinden ein Signal des Dankes und der Ermunterung richten sollten. Wir alle, die mit dem Gesetz befasst waren, haben uns vor Ort davon überzeugt, wir sind auf einem guten Weg, ob es die Neuanlage in Flossenbürg ist oder ob es das Jugendgästehaus in Dachau ist oder die Neugestaltung der Gedenkstätte in Dachau. Wir sollten diesen politischen aber auch geschichtlichen Dank notwendigerweise auch in diesem Hohen Hause aussprechen. Es ist einfach, zu fragen: „Was ist denn da in Dachau? Wie gehen die in Flossenbürg damit um? Das wäre bei uns ganz anders“.

Ich möchte nicht wissen, wie andere Gemeinden mit einer solchen historischen Verantwortung umgehen würden. Ich glaube, dass wir die Bewältigung und die Verankerung dieses Teils unserer Geschichte im demokratischen Bewusstsein unseres Landes mit diesem Gesetzentwurf ein großes Stück nach vorne bringen können.

(Beifall)

Frau Kollegin Köhler.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Tatsache, dass die KZ-Gedenkstättenarbeit in Bayern nun in einem eigenen Stiftungsgesetz verankert werden soll, ist zu begrüßen. Dass zur Realisierung dieses Vorhabens bereits mehrere Entwürfe – Herr Hahnzog hat gesagt, es waren sechs Entwürfe – erarbeitet wurden, macht deutlich, dass es auch heute noch nicht einfach ist, das Anliegen, Erinnerung an einen Holocaust wach zu halten und der Opfer zu gedenken, in eine Form zu bringen, die allen Beteiligten gerecht wird.

Es macht aber auch deutlich – und das sage ich durchaus auch anerkennend zur Mehrheit in diesem Haus –, dass man sich bemüht, auf Einwände und Verbesserungsvorschläge einzugehen. Dieses Thema, so sagt Herr Uri Chanoch, ein Vertreter der ehemaligen Häftlinge der Außenlager des KZ Dachau bei der Anhörung, habe eine hohe Sensibilität, und man brauche viel Zeit, um über dieses Thema genügend Wissen zu erwerben, um es zu verstehen.

Herr Dr. Jack Terry, ein ehemaliger Häftling aus Flossenbürg, führte aus, die früheren Konzentrationslager und heutigen Gedenkstätten sollten nicht als offene Wunden betrachtet werden, sondern als Orte der historischen Wahrheit, vor der man nicht davonlaufen kann. Wer vor dieser Wahrheit davonläuft, wird dafür einen hohen Preis zu zahlen haben. Weiter sagte er:

Diese Orte der dunkelsten Verbrechen sollten Zentren der Erziehung zum Wohle der Zivilisation und der Menschheit werden. Diese Orte sollten als Symbole dafür stehen, was passiert, wenn der Tyrannei nicht Einhalt geboten wird.

Daraus ziehe ich den Schluss: Die Erinnerung an den Holocaust soll nicht pflichtmäßig verwaltet werden, sondern soll ermöglichen, die Ursachen zu erforschen, die in diese Katastrophe führten, um daraus Lehren für unser heutiges Leben zu ziehen.

Die Debatten, die wir heute immer wieder führen, zum Beispiel über den weltweiten Einsatzes der Bundeswehr oder über die Wehrmachtsausstellung, zeigen, dass der Nationalsozialismus, seine Niederlage und die Aufarbeitung dieses Teils unserer Geschichte den demokratischen Diskurs und Prozess auch heute noch wesentlich mitbestimmen.

Gerade weil die Zeitzeugen, die uns eindrucksvoll das ihnen zugefügte Unrecht vermitteln können, immer mehr wegsterben, kommen den Erinnerungsorten und Erinnerungsritualen sowie der medialen Vermittlung besondere Bedeutung zu.

Bei der Anhörung kam auch sehr deutlich zutage, dass das Stiftungsgesetz dem internationalen Charakter der Lager gerecht werden muss. Herr Chanoch sagte zum Beispiel ganz deutlich: Dies ist keine nationale Stiftung.

Der Vertreter des DGB führte aus:

Die internationale Bedeutung der Stiftung, die Bedeutung der Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg ergibt sich schon durch die Funktion des KZ Dachau als erstes in seiner Art und zeigt sich auch am hohen Anteil ausländischer Besucher und Besucherinnen.

Einer der Hauptstreitpunkte in diesem Stiftungsgesetz ist die Zusammensetzung des Stiftungsrates. Da setzt auch nach wie vor meine Kritik an. Der Stiftungsrat ist eindeutig exekutivlastig. So entsendet zum Beispiel jedes mit der Stiftung befasstes Ministerium – das Kultusministerium, das Wissenschaftsministerium und das Finanzministerium – jeweils einen Vertreter. Die beiden großen Kirchen sind vertreten, die Bürgermeister von Dachau und Flossenbürg, Vertreter des Bundes und der Präsident des Bayerischen Landtages.

Ursprünglich – das hat Herr Dr. Hahnzog ausgeführt – sollte von den Häftlingsorganisationen überhaupt niemand vertreten sein. Ich sage: Wenn es darum geht, die ehemaligen Häftlinge und deren Organisationen zu bedenken, dann wird das – und so habe ich es in der Anhörung erlebt – mit dem Argument abgewehrt, dass der Stiftungsrat zu groß werden würde. Das kann ich schon deshalb nicht nachvollziehen, weil es wesentlich den ehemaligen Häftlingen und deren Organisationen zu

verdanken ist, dass die Gedenkstätten überhaupt entstanden sind.

Für eine lebendige Erinnerungsarbeit ist die Einbeziehung der ehemaligen Häftlinge und deren Organisationen unabdingbar. Wenn es darum geht, eine angemessene Form des Mahnens und Erinnerns zu entwickeln, ist die Mitwirkung dieses Personenkreises unentbehrlich. Der Hinweis, dass dies im Kuratorium zu geschehen habe, sticht meines Erachtens nicht, denn der Stiftungsrat entscheidet über wesentliche Dinge, wie die Besetzung der Stelle des Stiftungsdirektors, Haushalts- und Stellenpläne, Erwerb von Grundstücken usw. Das sind sehr wohl gewichtige Entscheidungen, die den Charakter der Gedenkstätten massiv beeinflussen.

Warum man hier – aus meiner Sicht doch recht kleinkariert – herumfeilscht, ist für mich nicht nachvollziehbar. Die jetzt gefundene Lösung mit drei Mitgliedern ist nicht befriedigend. Den Vorschlag des Vertreters der Evangelischen Kirche in der Anhörung, vier Mitglieder aus den Häftlingsorganisationen aufzunehmen, halte ich für angemessener, vor allem auch deshalb, um Dachau, Flossenbürg und die Außenlager, die deutschen und die nichtdeutschen Opferorganisationen zu berücksichtigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nicht befriedigend ist auch die Finanzierung. Es ist sehr bedauerlich, dass es anscheinend nicht möglich war, ein Stiftungsvermögen bereitzustellen, durch das die Stiftung von der aktuellen Haushaltslage des Staates unabhängig gemacht wird. Auch sollten die bei der Anhörung insbesondere von Herrn Benz, vom Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin, geforderten Anforderungen an den Leiter der Stiftung bei der Besetzung berücksichtigt werden. Er sprach sich dafür aus, eine unabhängige Persönlichkeit mit gedenkstättenfachlicher und moralischer Autorität zu suchen und nicht einfach jemanden aus der Staatsverwaltung mit der Aufgabe zu betrauen.

Ich hoffe, dass sich in den Ausschussberatungen an der einen oder anderen Stelle doch noch etwas bewegt, um bei diesem Gesetz zu einem breiten Konsens zu kommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Aussprache ist geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport als federführendem Ausschuss zu überweisen. Damit besteht Einverständnis. Dann ist das so beschlossen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die heutige Sitzung und wünsche einen schönen Abend.

(Schluss: 20.00 Uhr)