Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Ausführungen zum Thema G 8 stelle ich unter das Motto: Bayern braucht bessere Bildung und keine Überraschungen!
Ich glaube, die erste Überraschung hat anscheinend den Herrn Ministerpräsidenten ereilt, als er zwischen den Monaten September und November gemerkt hat, dass Baden-Württemberg im nächsten Jahr ein achtjähriges Gymnasium einführt.
Von da an ging es nach dem Motto: Nichts Genaues weiß man nicht. Wir wissen nichts Genaues, die CSU-Fraktion weiß nichts Genaues; denn in Bayern regiert weder der Landtag noch die CSU-Fraktion, sondern einzig und allein Herr Stoiber.
Ich schildere jetzt nochmals den Ablauf, weil der aus meiner Sicht beweist, dass meine soeben vorgetragene Behauptung richtig ist, dass Sie ohne Rücksicht auf die Schüler und Schülerinnen Bayerns einzig und allein den Wünschen des Ministerpräsidenten bedingungslos nachkommen.
Nach der Regierungserklärung im November hat die Bildungskommission Anfang Dezember ihren Bericht abgegeben. Herr Stoiber und Frau Hohlmeier haben die Vorschläge wohlwollend entgegengenommen und versprochen, sie zu berücksichtigen. Selbst eine neue Abgeordnete wie ich hat den Versprechen nicht geglaubt, und das war auch richtig so; denn noch am gleichen Tag hat der Arbeitskreis Bildung der CSU sein so genanntes Konzept für das achtjährige Gymnasium vorgelegt.
Meine Damen und Herren, ich glaube, Herr Schneider ist ein willfähriger Erfüllungsgehilfe seines Herrn, der die Wünsche des Ministerpräsidenten einfach brav technokratisch ausgeführt hat. Herr Schneider kann rechnen – das kann ihm jeder
bescheinigen -, aber seine Aufgabe war auch leicht: Er hat lediglich die Stundenzahl einer Jahrgangsstufe auf die Klassen fünf mit zehn heruntergerechnet, das Ganze noch ein bisschen mit Intensivierung angereichert und zwei Seminarfächer hinzugefügt. Ich glaube, dass das alles Makulatur ist. Das ist nicht der pädagogische Clou, zumal eine Aussage über die zusätzlichen Lehrerstellen, die man hierfür bräuchte, fehlt. In den Tagen nach dem Dezember haben sich in Bayern alle gefragt, wo denn das Konzept bleibt. Inzwischen hatte das Kultusministerium mehr Zeit gehabt, und am 19.12. wurde brieflich verkündet: Wir beginnen im Jahr 2004, die Jahrgangsstufen fünf und sechs fangen an. Herr Müller vom Kultusministerium hat am Donnerstag im Ausschuss berichtet und dabei diese Aussage wieder infrage gestellt. Der gegenwärtige Stand ist der, dass das diskutabel sei, dass die jetzigen fünften Klassen beginnen, man wolle ihnen auf jeden Fall eine Teilnahme ermöglichen.
Frau Hohlmeier führte am 19.12. brieflich aus, dass der neue Lehrplan um 50 % gekürzt und im Frühjahr vorgelegt werde. In Kreuth hat Herr Stoiber von 60 % gesprochen, und Dr. Müller hat am Donnerstag im Ausschuss den Zeitpunkt für die Vorlage des neuen Lehrplans vom Frühjahr auf den Frühsommer verlegt.
Frau Kollegin, ich muss Sie noch einmal unterbrechen. Ich bitte darum, die diversen Gespräche einzustellen, und zwar von rechts außen bis links außen. Das ganze Haus ist anderweitig beschäftigt. Das ist eine Zumutung für die Rednerin und dem Thema nicht angemessen.
Das ist eigentlich eine Missachtung der Leute, denen das G 8 am Herzen liegt. Ich nehme das nicht persönlich.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bin nicht die einzige, die Hunderte von Briefen von Eltern, Schülern und Schülerinnen und Lehrern bekommen hat, die uns ihre Bedenken mitgeteilt haben. Ich habe unzählige Podiumsdiskussionen bestritten, in denen die Bedenken noch einmal deutlich wurden. Bei diesen Podiumsdiskussionen habe ich auch die Aussagen meiner Kolleginnen und Kollegen der CSU erlebt. Sie gingen von „Wir haben kein Konzept“ bis zum Verlesen des soeben genannten Briefes von Frau Hohlmeier. Mehr scheint es auch nicht zu geben.
eine Kerze in eine dunkle Turnhalle stellen. Ich gestatte mir außerdem anzumerken, dass die Mitglieder des Landtags erstmalig am vergangenen Donnerstag informiert wurden. Diese Tatsache spricht für sich und zeigt die Arroganz der Macht einer Zweidrittelmehrheit.
Frau Schieder hat es in der letzten Ausschusssitzung schon angemahnt: Man wollte die Sitzung des Bildungsausschusses mit der Argumentation verschieben, es gäbe nichts auf der Tagesordnung.
Ich will noch einige Bedenken aufgreifen, die auch durch den Bericht vom vergangenen Donnerstag nicht ausgeräumt werden konnten. Schüler und Schülerinnen, die im kommenden Schuljahr an das Gymnasium wechseln wollen, kennen die Rahmenbedingungen nicht genau. Die Fünftklässler im Gymnasium sind verunsichert und wissen nicht, was auf sie zukommt. Die Kommunen als Sachaufwandsträger stellen gerade ihre Haushalte auf und überlegen, welche Kosten auf sie zukommen und ob die Mittel ausreichen, die man vom Bund abziehen will. Klar ist auch nicht, ob die Mittel alle nur für das Gymnasium ausgegeben werden sollen. Das ist eine ganz wichtige Frage.
Kommen wir nun also zum Lehrplan, der im Schuljahr 2003/2004 eingeführt wurde mit, wie ich mir habe sagen lassen, viel Geld- und Personalaufwand. Dieser Lehrplan ist nicht erprobt, und mir haben einige Lehrer und Lehrerinnen gesagt, sie könnten die darin angegebenen Zeitpläne wohl nicht einhalten.
Die nächste Frage lautet: Nach welchen qualitativen Kriterien wird dieser Lehrplan abgespeckt? – Ich habe von verschiedenen Mitgliedern der alten Lehrplankommission gehört, dass die einzige Maßgabe gewesen sei, es dürften nicht mehr als vier Seiten pro Jahrgangsstufe sein. Eine solche Maßgabe ist dem Zweck nicht dienlich.
Nun zu den Modellversuchen, die mit dem Lehrplan seit 2002 laufen: Es war ein guter Ansatz, dass Sie zwei Versuche gewagt haben, nämlich die so genannte Normalform und die Ganztagsschule. Die Ergebnisse sind nicht ausgewertet. Ein Problem kann ich schon benennen – das ist der wesentliche Punkt –, nämlich die Intensivierungsstunden. Mir wurde berichtet, dass die Intensivierungsstunden nicht zur Intensivierung des Stoffs dienen, sondern dazu, den Stoff nachzuholen.
Das ist die Befürchtung, die CSU richte eine TurboPaukschule ein, in die man, wie beim Nürnberger Trichter, oben viel hineinschüttet und aus der unten nicht viel herauskommt. Wenn eine derartige Lernfabrik Priorität bekommt, befürchten viele einen Rückgang der Abiturienten um 20 bis 30 %. Dieses so genannte Konzept produziert nicht das, was die Wirtschaft braucht. Die Wirtschaft braucht kreative Köpfe, die Ideen haben, die wissen, wie man sich Detailwissen aneignet, die im Team arbeiten und dazu fähig sind, die erarbeiteten Ergebnisse zu präsentieren.
Mit 19 % haben wir in Bayern die niedrigste Abiturientenquote in Deutschland bei gleichzeitig sehr hohen Kosten. Das ist nicht wirtschaftlich und wird unseren Schülern und Schülerinnen nicht gerecht.
Die GRÜNEN halten ein G 8 für möglich, aber die genannten Bedenken erscheinen uns als berechtigt. Deswegen wollen wir keine Einführung der G 8 im Schuljahr 2004/2005.
Wir sollten aber die Chancen nutzen, welche die derzeitige Debatte bietet. Deswegen orientieren wir uns im Gegensatz zur SPD nicht am Zeitablauf, sondern an den vorliegenden Aufgaben. Das bayerische Bildungswesen braucht, um zukunftsfähig zu sein, insgesamt eine Reform; beim Gymnasium könnten wir anfangen.
Wir haben jetzt die Chance, ein neues, den Anforderungen der modernen Welt angemessenes pädagogisches Konzept zu diskutieren und einzuführen. Grundlage dieses Konzepts muss die Vermittlung von Fachwissen sein. Daneben soll es unsere Schüler und Schülerinnen in die Lage versetzen, das Lernen zu lernen. Dieses pädagogische Konzept muss darüber hinaus Möglichkeiten schaffen, Schlüsselqualifikationen zu trainieren, und muss die individuelle Förderung in den Mittelpunkt stellen. Wir haben jetzt die Chance, den Lehrplan abzuspecken. Dazu bedarf es aber ein wenig mehr Zeit als bis zum Frühsommer.
Wir müssen die Modellversuche auswerten. Dabei werden wir sehr genau schauen, ob mit der Normalform oder mit der Ganztagsschule bessere Erfahrungen gemacht wurden. Es wurden Work
shops initiiert. Auch deren Ergebnisse gehören meiner Meinung nach dazu. Leider geht aber auch hier das Ungeschick der Kultusministerin weiter. Wie wichtig sie den Dialog nimmt, hat sie in Kempten gezeigt, wo sie drei Stunden zu spät kam. Ich hätte nicht gewartet. Eine Schülersprecherin hat gesagt: Wir haben jede Menge Fragen gestellt, konkrete Antworten haben wir nicht erhalten. Sie müssen die richtigen Fragen stellen, und aus all den Antworten auf diese Fragen ergibt sich dann die Struktur.
Die Struktur ergibt sich unter anderem aus dem Personalaufwand. Die Lehrerinnen und Lehrer brauchen aber Zeit, um sich auf ein verändertes Konzept vorzubereiten. Wir brauchen darüber hinaus Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und Psychologinnen und Psychologen, um das Konzept sinnvoll abzurunden.
Intensivierungsstunden in drei Gruppen stellen andere Anforderungen an ein Raumkonzept. Darüber muss nachgedacht werden. Auch die Mittagsbetreuung und andere ganz banale Angebote wie ein Mittagessen müssen geklärt werden.
Unsere Maßgabe lautet auch, dass den Kommunen keine zusätzlichen Kosten entstehen dürfen; denn ihnen wurde schon genug aufgebürdet.
Ein G 8 ist auch mit abgespecktem Lehrplan eine Schule, die nicht bereits um 13 Uhr endet. Viele Eltern haben damit ein Problem. Sie möchten ihre Kinder mittags zu Hause haben, weil sie ihr Erziehungsrecht wahrnehmen wollen. Diesem Anliegen tragen wir Rechnung, indem wir fordern, das neunjährige Gymnasium bestehen zu lassen und das G 8 zusätzlich anzubieten. Die Eltern können sich dann gemeinsam mit ihren Kindern entscheiden, welche Form sie für sich selbst wählen. Ich glaube daran, dass Eltern und Schülerinnen und Schüler selbst bestimmen können, ab wann sie der Sozialversicherung und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen wollen. Dazu brauchen wir nicht das Zwangsdiktat des Bayerischen Ministerpräsidenten.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, moderne Organisationen machen bei neuen Vorhaben einen Plan und versehen ihn mit Zeitangaben. Die notwendigen Schritte finden Sie in unserem Antrag. Diesen müssen Sie nur abschreiben. Setzen Sie ihn um, und alle Lehrerinnen und Lehrer, Eltern, Schülerinnen und Schüler haben verlässliche Angaben. Ein verlässlicher Plan ist der erste Schritt, um verloren gegangenes Vertrauen wiederzugewinnen und allen Beteiligten einen verlässlichen Rahmen zu geben. Das wäre professionell.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Bayerns Bildungswesen hat nicht nur am Gymnasium Professionalität verdient. Wir können hier aber anfangen. Sie haben heute die Chance dazu. Sie müssen sie jetzt nur noch nutzen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf dem Hohen Haus bekannt geben, dass für beide Dringlichkeitsanträge auf Drucksache 15/209 und Drucksache 15/214 namentliche Abstimmung beantragt worden ist. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Schieder.