Protokoll der Sitzung vom 18.07.2007

Wir haben gehört: Es gibt keinen Bedarf, aber wir planen trotzdem. Über Ihre Gefühle möchte ich gar nicht spekulieren, aber gespürter Bedarf, gespürte Prognosen: Halten wir uns doch an das, was wir wissen. Wir wissen alle: In den letzten Jahren gab es Prognosen, die alle durch die Realität widerlegt worden sind. Die Verkehrszahlen in diesen Gebieten nehmen ab. Sie mögen woanders zunehmen – zum Beispiel auf der A 6 –, aber keinesfalls im Fichtelgebirge. Wir sollten alles dafür tun, dass das so bleibt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben das Kosten-Nutzen-Verhältnis angesprochen. Ihnen müsste bekannt sein, dass auf der Grundlage falscher Fakten gearbeitet wird. Das ist mittlerweile durch das Verkehrsministerium bestätigt. Durch einen Übertragungsfehler – ich bin nicht so böse zu unterstellen, dass der nicht zufällig war, obwohl man das gut meinen könnte – in den Unterlagen von Bayern an den Bund wurde dieser Kosten-Nutzen-Faktor soeben einmal verdoppelt. Nur deshalb ist es gelungen, das überhaupt in den weiteren Bedarf aufzunehmen. Stellen Sie das endlich richtig und dann müssen wir hier über gar nichts mehr diskutieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Staatssekretär, bitte.

Frau Kollegin Gote, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weise das ausdrücklich zurück. Das, was Sie hier machen, hat mit realer, vernünftiger und ehrlicher Politik nichts mehr zu tun. Sie arbeiten mit Unterstellungen. Die rot-grüne Bundesregierung hat am 20. Januar 2005 ein Gesetz erlassen. So schnell haben sich die Daten, Frau Kollegin Gote, wahrlich nicht geändert. Sie drehen die Fakten so hin, wie Sie sie brauchen. Sie ändern Ihre Argumentation so, dass es Ihnen passt. Sie können doch dem Hohen Hause nicht erzählen, dass sich die Verkehrssituation von 2005 bis 2007 so verändert hat, dass es jetzt andere Prognosen gibt. Sie haben die Prognosen damals gehabt und haben aufgrund der Prognosen beschlossen. Jetzt nehmen Sie die Zahlen, die Ihnen passen. Das ist keine ehrliche und saubere Politik, Frau Kollegin Gote.

(Beifall bei der CSU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.

Es wurde namentliche Abstimmung beantragt. Die Urnen stehen bereit. Ich bitte, die Stimmkarten einzuwerfen. Fünf Minuten sind dafür vorgesehen. Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen nur darauf hinweisen: bitte gehen Sie nicht zu weit weg, es folgen mehrere namentliche Abstimmungen.

(Namentliche Abstimmung von 16.59 bis 17.04 Uhr)

Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Es wird außerhalb des Saales ausgezählt. Wir fahren zwischenzeitlich mit der Tagesordnung weiter. Ich darf ankündigen, dass demnächst zwei weitere namentliche Abstimmungen folgen werden.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 23 auf:

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen.

Antrag der Abg. Susann Biedefeld, Christa Steiger, Wolfgang Hoderlein u. a. (SPD) Unabhängige Studie zur geplanten 380-kV-Hochspannungsleitung/Südwestkuppelleitung Halle – Schweinfurt – Altenfeld – Redwitz (Drs. 15/7692)

In die Beratung einbezogen wird auf Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN die Nummer 10 der Antragsliste. Es handelt sich um den

Antrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Alternativen zum Neubau der 380-kV- Hochspannungsleitung durch Thüringen und Bayern („Süd- westkuppelleitung“) prüfen (Drs. 15/7772)

Ich eröffne die Aussprache. Die Redezeit beträgt nach Vereinbarung im Ältestenrat für beide Anträge gemeinsam fünf Minuten je Fraktion. Erste Wortmeldung: Frau Kollegin Biedefeld.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Fichtelgebirgs-Autobahn in Oberfranken ist das nächste große Projekt, das wieder Oberfranken trifft, die 380-kV-Hochspannungsleitung. Die Vattenfall Europe Transmission GmbH und die Eon Netz GmbH planen den Bau einer 380-kV-Hochspannungsleitung durch Thüringen über den Rennsteig nach Bayern, nach Redwitz in Oberfranken. Die Freileitung in Bayern und in erster Linie hier in Oberfranken ist 60 Kilometer lang.

Der Widerstand ist groß, und der Widerstand wird immer größer. Wir greifen die Forderungen und Ängste, Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger auf und fordern als SPD-Landtagsfraktion die Staatsregierung auf, eine unabhängige Studie zu der geplanten 380-kV-Hochspannungsleitung/Südwestkuppelleitung Halle – Schweinfurt – Altenfeld – Redwitz in Auftrag zu geben. Das ist unsere Forderung.

Im Rahmen einer groß angelegten Netzstudie wurden die notwendigen Neubaumaßnahmen im Bundesgebiet ermittelt. Die Zweifel an der sogenannten Dena-Netzstudie, die Sie ins Feld führen, die uns und den Bürgerinnen und Bürgern, die Widerstand leisten, bekannt ist, beruhen darauf, dass diese Studie vom Verband der Netzbetreiber und der Energiebranche – man höre – mitfi nanziert und mit ausgearbeitet wurde. Die Studie „Energiewirtschaftliche Planung für die Netzintegration von Windenergie in Deutschland an Land und Offshore bis zum Jahr 2020“ wurde von einem Konsortium erstellt, dem unter anderem Eon Netz, RWE Transport Netzstrom und Vattenfall Europe Transmission angehören. Diese haben die

Studie mitfi nanziert und mit ausgearbeitet. Man kann also klar nachvollziehen, dass die Zweifel an dieser Studie groß sind. Deshalb wollen wir eine unabhängige Studie haben.

Wir hoffen, dass die CSU ein Stück weit Glaubwürdigkeit beweist. Ich knüpfe an das an, was Staatssekretär Schmid soeben gesagt hat. Viele der Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, die in den Bürgerinitiativen sowohl in Thüringen als auch in Bayern, insbesondere in Oberfranken engagiert sind, sind CSU-Kommunalpolitiker und -Kommunalpolitikerinnen. Sie sagen vor Ort zu Hause, sie werden massiv gegen das Projekt vorgehen. Sie wollen sich nicht auch noch dieses Projekt vor die Nase setzen lassen, wie die A 73 oder die ICE-Trasse. CSU-Kommunalpolitikerinnen und -Kommunalpolitiker führen dies aus. Sie sind teilweise sogar Vorsitzende dieser Bürgerinitiativen, die diese Forderungen ins Feld führen. Wenn das glaubwürdig sein soll, müssen Sie dem Antrag zustimmen, ansonsten läuft es so, wie es Staatssekretär Schmid gemacht hat und worin Sie Spezialisten sind, dass Sie nämlich vor Ort etwas ganz anderes erzählen, was unterwegs nach München verloren geht, und Sie in München anders abstimmen, als Sie vor Ort geäußert haben.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, bei fünf Minuten Redezeit geht das nicht.

Es geht also auch um die Glaubwürdigkeit. Im Antrag ist aufgeführt, was wir wollen. Wir wollen die grundsätzliche energiewirtschaftliche Notwendigkeit und den Nachweis der geplanten Leitung im Untersuchungsauftrag berücksichtigt haben, und wir wollen die sogenannte Null-Lösung überprüft haben. Wir wollen wissen, ob die Trasse überhaupt erforderlich ist. Wir wollen mit einer unabhängigen Studie die Dringlichkeit der geplanten Trasse überprüft haben, und es sollen auch die Alternativen geprüft werden wie die Optimierung bestehender Leitungssysteme und/oder der Ausbau und die Nutzung vorhandener Leitungen; denn es gibt ein Leitungsnetz, das aufgestockt werden könnte.

Wenn eine neue 380-kV-Leitung nicht nötig ist, wollen wir auch die Erdverkabelung überprüft haben. Sie wird von den Energie-Monopolisten aus wirtschaftlichen Aspekten abgelehnt, weil sie teurer ist. Das geben wir zu. Die Menschen wissen das. Bei den Umsatz- und auch Gewinnsteigerungen, die die großen Energie-Monopolisten einfahren, ist es nicht in Ordnung die Erdverkabelungen aus wirtschaftlichen Aspekten abzulehnen.

Wir akzeptieren das nicht. Auch das wollen wir in der unabhängigen Studie untersucht haben. Wir wollen auch die Alternativenprüfung der Erdverkabelung aus technischer wie fi nanzieller Sicht in einer Machbarkeitsstudie. Ich kann Sie nur dazu auffordern: Zeigen Sie, dass Sie die

Ängste, Sorgen und Nöte der Menschen ernst nehmen, dass Sie auch die Natur ernst nehmen und nicht länger allein die Partikularinteressen von Energiemonopolisten vertreten. Wir wissen, warum die 380-kV-Leitung kommen soll. Sie wäre nämlich nichts anderes als eine Lizenz zum Gelddrucken. Das lehnen wir ab, weil das zulasten der Bürgerinnen und Bürger und auch der Menschen in Oberfranken geht.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner: Herr Kollege von Lerchenfeld.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Wir erleben hier wirklich eine Posse.

(Susann Biedefeld (SPD): Das ist eine Unverschämtheit gegenüber den Menschen, die das betrifft!)

Die SPD fordert in ihrem Antrag eine unabhängige Studie zur geplanten Hochspannungsleitung durch Thüringen bis Bayern über den Rennsteig, in der die energiewirtschaftliche Notwendigkeit der Leitung, die Dringlichkeit der Trasse, die Prüfung von Alternativen, zum Beispiel einer Erdverkabelung, und die Verträglichkeit der geplanten Leitung mit anderen Infrastrukturmaßnahmen in diesem Raum berücksichtigt werden sollen. In der Begründung verweisen die Antragsteller auf den Widerstand in der Bevölkerung und die Bedenken gegen die Zerstörung des Landschaftsbildes, des fränkischen Urlaubs- und Naherholungsgebietes, die Wertminderung von Immobilien in der Nähe der Trasse, die Beeinträchtigung des Ökosystems Wald, die tödliche Gefährdung für die dort vorhandenen Großvögel und auf mögliche Beeinträchtigungen elektrosensibler Personen.

(Susann Biedefeld (SPD): Das ist menschenverachtend!)

Die GRÜNEN fordern ebenfalls ein ergänzendes Gutachten mit einer ähnlichen Begründung.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, an diesen beiden Anträgen wird wieder einmal die Glaubwürdigkeit der Opposition in diesem Hause wirklich deutlich.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Man fordert auf der einen Seite den Ausbau der Windkraft auch in Bayern, ohne dabei Rücksicht auf die betroffene Bevölkerung zu nehmen. Auswirkungen auf Landschaft, Denkmalschutz, Naturschutz, Urlaubs- und Naherholungsgebiete und auf die Schönheit der bayerischen Heimat spielen dabei ebenso wenig eine Rolle wie die in diesem Antrag angeführte Beeinträchtigung elektrosensibler Personen. Wenn sich andererseits irgendwo in einem Raum Widerstand gegen eine Maßnahme formiert, wie hier gegen die Hochspannungsleitungen, dann

sichert man den Gegnern dieser Maßnahme vollmundig Unterstützung gegen die bösen Netzbetreiber zu.

(Susann Biedefeld (SPD): Das sind Ihre Kollegen auf kommunaler Ebene!)

Es geht Ihnen doch gar nicht um die Natur; es geht Ihnen nicht um die Landschaft und um die Menschen, sondern Sie wollen den Bau der Leitung verzögern, weil Sie glauben, daraus politisches Kapital schlagen zu können.

(Beifall bei der CSU – Susann Biedefeld (SPD): Das ist ein Schlag ins Gesicht der Menschen dort!)

Die Leitung ergibt sich ganz klar als energiepolitische Konsequenz aus dem Ausbau der Windenergie. In der Dena-Studie wurde eindeutig nachgewiesen, dass wir für die Menge an Strom aus Windenergie, die im Norden erzeugt wird, neue Leitungen und den Ausbau bestehender Leitungen benötigen. Sie stellen die Dena-Studie infrage, indem Sie behaupten, sie wäre ein Gefälligkeitsgutachten für die Netzbetreiber. Das ist wirklich eine Frechheit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, an dieser Studie haben neben Netzbetreibern vor allem die Betreiber von Windkraftanlagen und deren Verbände und alle damaligen rot-grünen Bundesministerien mitgearbeitet. Das Ganze ist unter der Federführung des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln als seriöses, unabhängiges und objektives Gutachten erstellt worden.

Die Studie stellt diese Auswirkung der Stromerzeugung aus Windenergie vollkommen klar dar. Der massiv forcierte Ausbau der Windkraft an der Küste macht es notwendig, das dort erzeugte Stromüberangebot weiträumig abzuleiten. In Ihrem Antrag fordern Sie die Staatsregierung auf, den betroffenen Bürgern mit einer neuen Studie zu beweisen, dass ihr deren Ängste und Sorgen ebenso wie auch die Natur wichtig sind und nicht die Partikularinteressen von Energiemonopolisten. Meine Damen und Herren, das ist wirklich eine Frechheit.

(Zuruf der Abgeordneten Susann Biedefeld (SPD))

Erklären Sie doch den betroffenen Bürgern vor Ort einmal, warum diese Hochspannungsleitung gebaut werden muss. Erklären Sie ihnen doch, dass der von der rot-grünen Bundesregierung so stark forcierte Ausbau der Windkraft dafür verantwortlich ist. Erklären Sie ihnen doch, dass die verfehlte Energiepolitik von Rot-Grün dafür ver antwortlich ist. Seien Sie den betroffenen Bürgern gegenüber doch einmal ehrlich, anstatt hier im Hohen Hause solche unglaubhaften Anträge zu stellen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Eine Zwischenfrage lasse ich nicht zu. – Zu der von Ihnen