Protokoll der Sitzung vom 19.07.2007

(Abstimmungsliste siehe Anlage)

Wir fahren in der Rednerliste fort. Nächste Wortmeldung: Kollege Dr. Thomas Beyer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fügung wollte es so, dass am Ende der ersten Halbzeit des Sitzungsjahres ein sehr wichtiges, aber wenig emotionalisierendes Thema steht.

Vorbehaltlich deines Auftrittes, Kollege Magerl, glaube ich, dass wir ohne Krach in die Sommerpause gehen. Aber das sollte uns nicht daran hindern, uns noch einmal intensiv mit dieser Fragestellung zu beschäftigen. Ich kann Ihnen gleich sagen, dass wir diesem Dringlichkeitsantrag zustimmen werden, auch wenn er im Detail einige Ungenauigkeiten enthält und noch einige Klarstellungen erforderlich sind.

Die SPD begrüßt die Unterzeichnung der Vertragswerke, die im Antrag genannt sind, insbesondere des BrennerMemorandums, aus den genannten Gründen, nämlich im Hinblick auf das Bekenntnis zur Finanzierung. Wir sagen auch: Es ist richtig, die EU hinsichtlich der Finanzierung mit in der Pfl icht zu sehen. Der Brenner ist ein europäisches Projekt, Teil des transeuropäischen Netzes. Von anderen Dingen, die im Antrag aufgeführt werden, wie dem Transrapid kann man das nun wahrlich nicht behaupten. Aber beim Brenner ist es sicherlich richtig. Es ist auch ein Fortschritt, der dringend erforderlich ist, um die stetig wachsenden Güterverkehrsströme in den genannten Relationen zu bewältigen, ohne den Personenverkehr zu vernachlässigen.

Ein erstes Aber muss ich nennen: Es ist nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss in der Verkehrspolitik, wenn Sie im Zusammenhang mit dem Thema des alpenquerenden Verkehrs die NEAT und die Elektrifi zierung der Strecke München – Lindau im Antrag nicht erwähnen. Herr Kollege Rotter, ich danke Ihnen – wir haben das gestern noch einmal besprechen können – dafür, dass Sie dieses Thema aus der Begründung in Ihren heutigen Vortrag mit hineingenommen haben.

In diesem Zusammenhang begrüßen wir die Bereitschaft von Bundesverkehrsminister Tiefensee, die von der Schweiz angebotene Lösung zur Elektrifi zierung aufzugreifen.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Hildegard Krona- witter (SPD))

Wir fordern Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der CSU und auch die Staatsregierung auf, jetzt Ihrerseits in die Puschen zu kommen und das Erforderliche zu tun, damit dieses Projekt umgesetzt werden kann.

Ich möchte also für das Protokoll festhalten, dass wir unsere Zustimmung zu diesem Antrag mit einer entsprechend positiven Haltung zur Elektrifi zierung der Strecke München – Lindau verbinden.

(Beifall bei der SPD)

Das dritte Gleis zwischen Freilassing und Salzburg ist überfällig. Insofern bin ich sehr dankbar, dass dieses Abkommen zustande gekommen ist. Das dritte Gleis ist überfällig, um die Lebensader dieser Region zu stärken. Ich verweise auf den großen, viele Bedenkenträger überraschenden Erfolg der grenzüberschreitenden S-Bahn zwischen Salzburg, Freilassing und Berchtesgaden. Ich

bedauere an dieser Stelle ausdrücklich, dass die Bayerische Eisenbahngesellschaft durch ihre Ausschreibungspraxis in der Zukunft diesen für beide Länder positiven Erfolg infrage stellt. Ich bedauere, dass dafür gerade die Haltung der örtlichen CSU in der Region verantwortlich ist. Das, meine Damen und Herren, zeigt, dass Sie manchmal die Chancen Europas nicht erkennen wollen und sich doch wieder gerne innerhalb der bayerischen Grenzen einmauern.

Ich habe eines vermisst, nämlich den Hinweis, dass das Projekt „Drittes Gleis“ erst durch die rot-grüne Bundesregierung und den rot-grünen Bundesverkehrswegeplan wirklich in Gang gekommen ist.

(Beifall bei der SPD)

Darauf kann man verweisen. Die Strecken München – Rosenheim – Kiefersfelden – Grenze Deutschland/Österreich – Zulaufprojekt sind nach dem Bundesverkehrswegeplan 2003 ein internationales Projekt mit Investitionskosten in Höhe von 1,57 Milliarden Euro. Ich zitiere den Bundesverkehrswegeplan:

Zum Ausbau der Strecken ist es daher erforderlich, eine Vereinbarung mit dem jeweiligen Nachbarland zu treffen sowie die Wirtschaftlichkeit des Ausbaus nachzuweisen.

Wir unterstützen alle Bemühungen, die erforderlichen Maßnahmen rasch in Angriff zu nehmen, wenngleich schon nach dem Staatsvertrag vom Mai 2004 der Zeithorizont bis 2015 – Kollege Rotter hat es zu Recht gesagt – als ambitioniert zu gelten hatte. Herr Dr. Wiesheu von der Bahn hat am vergangenen Dienstag bei dem sehr konstruktiven Arbeitsfrühstück unwidersprochen mit dem Zeithorizont 2020 bis 2025 operiert. Das heißt aber nicht, dass wir die Hände in den Schoß legen dürfen. Auch Kollege Rotter hat darauf hingewiesen: Der alpenquerende Verkehr ist vorhanden, und er nimmt zu. Trotz der jetzt noch bestehenden Kapazitätsreserven müssen wir etwas tun. Als wir vor einem Jahr darüber diskutiert haben, hat Kollege Dr. Magerl zu Recht darauf hingewiesen.

Zur Frage des politischen Ziels: Sie können es manchmal nicht ganz lassen, auch dieser Antrag suggeriert wieder – Sie sind aber deutlich moderater als noch vor genau einem Jahr, weil Sie sich näher damit beschäftigt haben –, dass es in Berlin nicht richtig voranginge. Ich frage Sie heute wieder: Was haben denn der Freistaat Bayern und die Staatsregierung dazu beigetragen? – Wenig bis nichts. Im Mai 2004 schreibt die „Süddeutsche Zeitung“, der Freistaat Bayern habe vom Termin des Abschlusses des Staatsvertrags damals mehr oder weniger durch Zufall erfahren – Zitat –, „was ein bezeichnendes Licht auf die lückenhafte Koordinierung der politischen Aktivitäten zur Realisierung des Tunnelbaus wirft“. Ich halte fest: Sie sind nicht die Treiber dieses Projekts, Kolleginnen und Kollegen von der CSU.

(Beifall bei der SPD – Franz Josef Pschierer (CSU): Aber Sie auch nicht!)

Im neuen Landesentwicklungsprogramm 2006 – LEP –, das Sie und Herr Huber unbedingt haben mussten, fi ndet sich die Strecke wiederum nur ganz allgemein als Ausbauvorhaben.

(Dr. Hildegard Kronawitter (SPD): Nicht präzisiert!)

Kollege Wörner hat mehrfach zu Recht kritisiert, dass jede weitere projektbezogene Angabe fehlt. Bedenken Sie, welchen Affentanz Sie im LEP um den Transrapid machen; jede Kurve der Trasse ist dort festgelegt. Beim Zulauf zum Brennerbasistunnel interessiert Sie das einen feuchten Kehricht. So kümmern Sie sich um den Zulauf zum Brennerbasistunnel!

(Beifall bei der SPD)

Hören Sie also auf, hier Berlin Vorhaltungen zu machen.

Es ist hochinteressant, Kollege Rotter, vor Kurzem haben Sie noch wiederholt gesagt, Berlin blockiere. Heute haben Sie exakt die richtige Reihenfolge benannt. Wir müssen abschließend wissen, wie die Österreicher die Wirtschaftlichkeit einschätzen. Dann können wir überlegen, was bei uns wirtschaftlich ist, Stichwort „internationales Projekt“. Da müssen wir die denkbaren Varianten prüfen. Herr Rotter, Sie haben sie heute alle genannt, bis hin zur Güterverkehrsumfahrung, einschließlich Landshut, Hochgeschwindigkeitsstrecke, Frage Grenztunnel Kiefersfelden – Innsbruck und all dem, was man dann erst sinnvoll prüfen kann. Das ist eben nun einmal die Abfolge.

Ich fi nde es gut, dass Sie in diesem Antrag deutlich einen Gang zurückschalten. Sie versuchen aber trotzdem zu suggerieren, man könnte den dritten Schritt vor dem ersten tun. Nein, bleiben wir in der richtigen Reihenfolge.

Wir müssen die Voraussetzungen für die Ausbaustrecke schnell schaffen. Deshalb unterstützen wir heute in groben Zügen diesen Antrag, damit wir zu den konkreten Planungsschritten kommen. Ich sage aber auch eines: Wenn wir hier neu planen, dann müssen wir eine schwierige Aufgabe bewältigen; denn wir müssen mehr Verkehr mit weniger Belastung für die Menschen im Inntal kombinieren. Das ist das Entscheidende: weniger Lärm und vielleicht durch eine leistungsfähigere Schienengütertransportmöglichkeit weniger Belastungen durch LkwVerkehr.

Frau Kollegin Dr. Kronawitter hat mich darauf hingewiesen, dass der Koordinator van Miert, als er im April 2007 hier gesprochen hat, mitgeteilt hat, er habe am 24. Mai mit dem Ministerpräsidenten – damals Edmund Stoiber – verabredet, dass zur Zulaufproblematik und zum Lärmschutz Gutachten gemeinsam erstellt und fi nanziert werden können. Ich hoffe, dass uns Kollege Huber

noch sagen kann, dass die Staatsregierung diese Möglichkeiten im Interesse der Menschen im Inntal nutzen wird.

(Dr. Hildegard Kronawitter (SPD): Bald nutzen wird! – Beifall der Abgeordneten Johanna WernerMuggendorfer (SPD))

Und dass er sie vor allem bald nutzt.

Die Landtagsfraktion der Sozialdemokratischen Partei begrüßt die Aussicht, dass beide Projekte, die da genannt werden, in ein konkretes Realisierungsszenario eingebunden werden. Wir brauchen einen konkreten Beitrag, wir brauchen eine Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur im Interesse der Steigerung der wirtschaftlichen Entwicklungsfähigkeit Bayerns zur Bewältigung der massiv angestiegenen Verkehrsströme. Ich hoffe sehr, Kollege Magerl, dass auch Sie von den GRÜNEN uns im Anschluss unterstützen können. Eine zögerliche Haltung der GRÜNEN bei diesem Punkt wäre mir völlig unverständlich; denn wir haben hier sehr viele Anträge der GRÜNEN betreffend kleine Stellschrauben beim Klimaschutz behandelt. Eine sehr große Stellschraube bei Klimaschutz und Verkehr ist es, den Verkehr massenhaft auf die Schiene zu bringen. Gerade bei der Alpenquerung brauchen wir das. Ich bitte auch wegen des positiven Beitrags zur CO2-Bilanz, dass die GRÜNEN aktiv mit ins Boot steigen.

(Christine Stahl (GRÜNE): Das müssen Sie uns nicht erzählen!)

Wir stimmen den Anträgen der CSU trotz dieser erforderlichen Korrekturen und Klarstellungen zu. Wir stimmen zu, weil wir von der SPD das große Ganze sehen und nicht das kleine Karo tragen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Genossinnen und Genossen, Freunde von den GRÜNEN, ich wünsche uns allen danach, nach einer weisen Abstimmung, schöne Ferien und ein Wiedersehen in Gesundheit.

(Beifall bei der SPD – Prof. Dr. Hans Gerhard Stockinger (CSU): Das waren schöne Schlussworte!)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Magerl.

Dr. Christian Magerl (GRÜNE) (vom Redner nicht au- torisiert): Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich werde als letzter Redner jetzt nicht für einen Sommerkrach sorgen. Ein paar Anmerkungen zu diesem Antrag und zu einer gewissen Euphorie, die ich hier verspüre, seien mir aber gestattet.

(Franz Josef Pschierer (CSU): Was heißt „gewisse“? – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich habe mir beim Herfahren heute früh überlegt, wie oft ich schon zum Thema „Brennerbasistunnel“ in den letzten

20 Jahren hier im Hohen Haus oder im zuständigen Ausschuss geredet habe.

(Henning Kaul (CSU): Deshalb können Sie es kurz machen!)

Nicht ganz, das kann man nicht.

Mich betrübt, dass immer wieder versucht wird, die tatsächlichen Probleme des Alpentransits mit einem riesigen Projekt zu lösen. Man verschließt dabei die Augen vor realen Problemen, die teilweise sofort gelöst werden könnten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Menschen im Inntal entlang der Trasse der Eisenbahn sowie der Autobahn, aber auch die Menschen im Wipptal in Tirol werden seit 20 Jahren damit vertröstet, dass man ihnen sagt: Wir lösen eure Probleme, indem wir den Brennerbasistunnel bauen. Auf diesem Weg ist letztlich zu wenig geschehen.

Grundsätzlich begrüßen wir den Brennerbasistunnel, aber wir haben aus derzeitiger Sicht dahinter noch etliche große Fragezeichen zu setzen. Deshalb können wir Ihre Euphorie nicht teilen.

(Beifall des Abgeordneten Thomas Mütze (GRÜNE))

Die vorliegende Kostenschätzung geht von 6 Milliarden Euro aus. Das hat auch Herr Wiesheu, als er am Dienstag hier vor den beiden Ausschüssen gesprochen hat, erheblich infrage gestellt. Damit steht die Finanzierung dieses Projektes momentan noch in den Sternen, aber nicht nur, weil die Schätzung mit 6 Milliarden Euro nicht stimmt. Diese 6 Milliarden Euro sind noch nicht fi nanziert. Ich teile die Forderung, die EU soll mitfi nanzieren, es ist ein europäisches Projekt. Speziell Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, fordern für all Ihre Projekte wie die Strecken Nürnberg – Erfurt, Stuttgart – Ulm – München, München – Mühldorf – Freilassing – Salzburg bis hin zum unsinnigen Transrapid TEN-Mittel. Der Topf der TEN-Mittel ist in den letzten Jahren geschrumpft, die Projekte sind nicht kleiner geworden. Man darf die Augen vor der Wirklichkeit nicht verschließen.