Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 106. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.
Ich möchte zunächst die Modalitäten in Erinnerung rufen. Jeder Fraktion stehen eine Haupt- und eine Nachfrage zu. Dem ersten Fragesteller stehen für seinen Redebeitrag zwei Minuten zur Verfügung, dem zweiten Fragesteller nicht mehr als eineinhalb Minuten. Beide Fragen werden nacheinander abgearbeitet. Die Fraktion, die das Thema der Ministerbefragung bestimmen kann, erhält das Recht einer zusätzlichen dritten Frage, deren Dauer ebenfalls auf eineinhalb Minuten beschränkt ist. Diese kann sofort im Anschluss an die Beantwortung der ersten Nachfrage oder auch später gestellt werden.
Klarstellen möchte ich insbesondere, dass die jeweilige Fragestellerin bzw. der Fragesteller im Rahmen der zulässigen Redezeit auch kurze Erläuterungen zum Thema der Ministerbefragung abgeben kann, die aber letztendlich mit einer Frage an das für die Beantwortung zuständige Kabinettsmitglied verbunden sein müssen.
Für die heutige Ministerbefragung hat die vorschlagsberechtigte Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN als Thema „Polizeireform revidieren: Mehr Bürgernähe und Sicherheit vor Ort.“ benannt.
Ich darf darauf hinweisen: In der gestrigen Ältestenratssitzung haben wir klargestellt, dass die Zwischenfragen von den Mikrofonen aus gestellt werden. Soweit sie vorzeitig gemeldet und für uns erkennbar sind, werden wir die Redner jeweils bitten, am Rednerpult zu bleiben, sodass die Dialogsituation eher gegeben ist.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr neuer Innenminister! Jahr für Jahr werden weniger Polizeianwärter eingestellt als Polizeibeamte in den Ruhestand gehen. Stimmen Sie der Aussage zu, dass die Sicherheit und das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger vor allen Dingen von der Präsenz der Polizei vor Ort abhängen, und, wenn ja, wie werden Sie dem Abbau von Polizeikräften entgegenwirken?
Weiter möchte ich Sie fragen: Sind Sie bereit, die derzeit geplante Polizeireform, die insbesondere bei den
Teilungspräsidien zu zusätzlichem Stellenbedarf auf den Verwaltungsebenen führt, zu revidieren, um zu verhindern, dass die Polizei vor Ort immer weiter ausgedünnt wird?
In welchem Umfang werden durch die Polizeireform sowie durch den Mangel an zur Verfügung stehenden Polizeikräften Inspektionen ganz geschlossen, zwischen kreisfreien Städten und Landkreisen zusammengelegt bzw. nachts geschlossen?
Eine weitere Frage betrifft die Infrastruktur. Die Polizeireform kostet über 80 Millionen Euro an Investitionsmitteln. Der Investitionsstau bei PCs, bei Ausrüstungsgegenständen und bei den Fahrzeugen liegt bei über 100 Millionen Euro. Wie werden Sie diesen Investitionsstau abbauen?
Die nächste Frage betrifft den Beförderungsstau. Lange Wartezeiten über viele, viele Jahre bis zu einer ausstehenden Beförderung sind demotivierend. Der Beförderungsstau bei der bayerischen Polizei betrifft derzeit über 5000 Stellen. In welchem Zeitraum ist geplant, diesen Beförderungsstau abzubauen?
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin, erstens. Ja, das Sicherheitsgefühl der Menschen in unserem Land hängt, neben anderen Punkten, natürlich auch von der starken Präsenz der Polizei vor Ort ab. Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land müssen Polizeibeamtinnen und -beamte auch unmittelbar immer wieder im eigenen Umfeld sehen und erleben können. Die Polizei muss vor Ort präsent sein. In Bayern ist das der Fall. Die Statistiken belegen: Die Menschen in Bayern fühlen sich wohl. Gerade dies trägt dazu bei, dass in Deutschland Menschen nirgendwo lieber leben als in Bayern. Das Sicherheitsgefühl der Menschen in Bayern spielt dabei eine ganz entscheidende Rolle.
Wir haben im Moment den höchsten Mitarbeiterbestand bei der Polizei, den es jemals in der Geschichte Bayerns gab. Insofern, denke ich, haben wir da nicht die geringsten Defizite – ganz im Gegenteil. Das gute Sicherheitsgefühl kommt aber nicht von ungefähr. Ich sage auch ganz deutlich: Natürlich ist das Sicherheitsgefühl nicht nur davon abhängig, ob in dem einen oder anderen Landkreis fünf Beamte mehr oder weniger im Einsatz sind, sondern es kommt eine Vielzahl weiterer Faktoren hinzu, die heute jedoch nicht Gegenstand der Diskussion sind. Klar ist jedenfalls, dass die Polizeiorganisationsreform das Ziel hat, mehr Beamte unmittelbar für den Dienst am Bürger zur Verfügung zu stellen. Es ist gerade das Ziel dieser Reform,
dass die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nur in den Führungs- und Verwaltungsbereichen der Direktionen und Präsidien tätig sind, reduziert wird und dafür mehr Polizeikräfte unmittelbar im Einsatz sein können.
(Margarete Bause (GRÜNE): Das Gegenteil ist der Fall! – Maria Scharfenberg (GRÜNE): Die Präsenz sinkt!)
Wir hatten bisher im Bereich der Führungsstellen bei den Präsidien und Direktionen circa 1900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei im Einsatz; diese Zahl reduziert sich künftig auf circa 1300. Von den 600 Stellen werden 420 unmittelbar für schutz- und kriminalpolizeiliche Basisarbeit zusätzlich zur Verfügung stehen. Das heißt, es werden gerade mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer bayerischen Landespolizei in Zukunft zum Dienst für die Bürger zur Verfügung stehen.
Sie haben die nächtliche Schließung von Polizeidienststellen angesprochen; dabei handelt es sich um Missverständnisse. Ich will noch einmal deutlich machen, was in Unterfranken und Mittelfranken erprobt wird. Nehmen Sie beispielsweise die Situation, dass eine Dienststelle nachts mit fünf Kolleginnen und Kollegen besetzt ist, dass zwei Streifen schon im Einsatz sind, der Einsatzleiter noch in der Inspektion sitzt und ein dritter Alarm eingeht. Das heißt, es besteht Bedarf, dass eine weitere Streife ausrückt. Die neue Organisationsform hat den Vorteil, dass durch die Leitzentrale beim Präsidium sofort erkannt werden kann, ob sich in der Nähe eine Streife aus einem anderen Inspektionsbereich befindet, die schnell eingesetzt werden kann. Wenn dies nicht der Fall ist, dann soll, wenn zuvor die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen worden sind,
auch entgegen den bisherigen Vorgaben der letzte Beamte in der Inspektion nach eigener Abwägung der Lage die Möglichkeit haben, zu sagen: Es ist jetzt wichtiger, dass ich da draußen im Einsatz bin, als dass ich hier im Haus verbleibe.
Er muss die Möglichkeit haben, die Türe hinter sich zuzusperren und zum Einsatz zu gehen. Das funktioniert erst dann, wenn die technischen Voraussetzungen geschaffen wurden.
Das bedeutet, dass beispielsweise alle Telefonanrufe an die nächste Inspektion weitergeleitet werden und sich an der Außentüre eine Sprechstelle für die Bürgerinnen und Bürger befindet, die direkt zur Inspektion kommen und Hilfe suchen. Von der generellen Schließung von Dienststellen kann also überhaupt nicht die Rede sein.
Letzte Bemerkung: Der Finanzbedarf. Zunächst wird wegen der Umorganisation in den neuen Präsidien und den neuen Einsatzzentralen eine neue Ausstattung nach dem modernsten Standard erforderlich sein, die über kurz oder lang in der einen oder anderen Dienststelle ohnehin notwendig gewesen wäre. Die Ausstattung einer neuen Einsatzzentrale mit modernster Technik ist also nicht nur die Folge der Reform, sondern die Umorganisation gibt die Möglichkeit, die neu gestalteten Präsidien bestmöglich auszustatten. Es ist gar keine Frage, dass wir darüber hinaus weiteren Finanzbedarf für die bayerische Polizei haben. Ich werde für den Nachtragshaushalt 2008 dem neuen Finanzminister eine Reihe von Vorschlägen unterbreiten, auf welche Weise er sinnvoll Geld in die bayerische Polizei investieren kann. Wir werden darüber in den nächsten Wochen und Monaten Gespräche führen, und das Hohe Haus wird darüber zu beraten haben.
Zur nächtlichen Schließung der Polizeidienststellen: Es geht das Gerücht um, dass demnächst über 150 Polizeidienststellen nachts geschlossen werden sollen, wenn die entsprechenden Alarmierungseinrichtungen geschaffen worden sind. Das geht zulasten des Sachaufwands der Inspektionen vor Ort, wie dies teilweise auch die Polizeireform tut. Der große Investitionsstau in den Inspektionen hat damit zu tun, dass die Polizeireform aus den Präsidien selbst finanziert werden muss. Polizeiinspektionen in Regensburg und Augsburg sollen zusammengelegt werden. Es droht – wie bei der Polizeireform in Unterfranken –, dass in Landkreisen und kreisfreien Städten, wie das in Bamberg geschehen ist, Inspektionen zusammengelegt werden. Wir werden aufgrund der Polizeireform weniger Inspektionen vor Ort haben.
Erstens. Es gibt keine Planung für die generelle nächtliche Schließung von Inspektionen. Das ist grober Unfug.
Das wird es nicht geben. Ich sage hier definitiv, dass es keine nächtlichen Schließungen von Inspektionen geben wird.
Wir wollen erreichen, dass der diensthabende Beamte vor Ort in einer konkreten Situation die Möglichkeit hat, den letzten Polizeibeamten ausrücken zu lassen und die Türe zu schließen. Es wird aber keine generellen nächtlichen Schließungen geben – jedenfalls nicht mit mir.
Zweitens. Das betrifft die Investitionen. Die neuen Einsatzzentralen in Würzburg und Nürnberg sind mit den allerneuesten, modernsten technischen Standards ausgerüstet. Das ist gut so. Würden wir das nicht jetzt machen, müssten wir später den technologischen Standard der Einsatzzentralen der bisherigen Direktionen deutlich verbessern; denn auf Dauer muss überall und ständig technisch erneuert werden, weil wir auf keinen Fall auf dem Stand von vor zehn oder zwanzig Jahren bleiben können. Richtig ist, dass dort investiert wird, was der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande zugutekommt.
Wir müssen aber auch die anderen Dinge aufarbeiten. Mein Vorgänger, Minister Dr. Beckstein, hat in den letzten eineinhalb Jahren dafür gesorgt, dass die Fahrzeugausstattung verbessert wurde. Daran und an der Verbesserung der informationstechnologischen Ausstattung aller Polizeidienststellen muss weitergearbeitet werden. Diese Dinge wollen wir angehen.
Ein Letztes zum Beförderungsstau: Ich werde Vorschläge machen, wie der Beförderungsstau reduziert werden kann. Ich will aber betonen, dass in keinem anderen Bereich der gesamten öffentlichen Verwaltung in Bayern die Beförderungschancen insgesamt so groß sind wie bei der bayerischen Polizei.
Wir haben das getan, um der besonderen Belastung und Herausforderung der Polizei Rechnung zu tragen. Dennoch wartet bei der Polizei eine Vielzahl von Kolleginnen und Kollegen auf die Beförderung. Diesen muss man zum Beförderungsstau allerdings sagen, dass die Kolleginnen und Kollegen in der allgemeinen inneren Verwaltung und in allen anderen Ressorts in Bayern seit jeher langsamer befördert werden als die bei der Polizei.
Es ist klar, dass der Finanzminister darauf achten muss, dass es insgesamt eine gewisse Balance gibt.