Protokoll der Sitzung vom 18.10.2007

Eine zweite Nachfrage: Frau Kollegin Kamm.

Die Besetzungen sind jetzt schon so gering, dass es teilweise zu nächtlichen Schließungen der Polizeiinspektionen kommt. Wann kehren Sie zu einer kontinuierlichen Einstellungspolitik zurück? Wenn die Einstellungszahlen so bleiben wie bisher, werden wir in sechs Jahren 2000 Beamte weniger haben als heute.

Welche Folgen wird die Reform der Bundespolizei auf die Sicherheitsstruktur in Bayern haben? Ist Bayern mittler

weile in die Reformüberlegungen von Bundesinnenminister Schäuble eingebunden? Gibt es Überlegungen, im Gegenzug zum Erhalt von Bundespolizeistandorten der Bundespolizei mehr Kompetenzen bei der Fahndung einzuräumen, was noch schwierige Abgrenzungen zwischen Landes- und Bundespolizei mit sich bringen wird? Ist es denkbar, dass, wenn am 14.12. die Grenzkontrollen in Görlitz wegfallen, auch die Grenzkontrollen nach Tschechien wegfallen und Bayern bezüglich der Bundespolizeireform vor vollendete Tatsachen gestellt wird, wenn es bis dahin keine verbindlichen Regelungen mit der Bundesebene gibt?

Herr Staatsminister.

Vor vollendete Tatsachen werden wir insofern nicht gestellt, als Bayern dies nicht unvorbereitet trifft.

(Lachen des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE) – Zurufe von den GRÜNEN)

Der Wegfall der Grenzkontrollen zu Tschechien wird seit langer Zeit diskutiert.

(Christine Kamm (GRÜNE): Die Polizeireform auch!)

Frau Kollegin, heute befindet sich eine Reihe von Mitarbeitern der Polizeiführung Tschechiens zu Gesprächen in München, um darüber zu reden, inwieweit nach dem Wegfall der Grenzkontrollen beiderseits der Grenzen die Schleierfahndung vermehrt bzw. überhaupt erst eingeführt werden soll. Es ist eine gute Entwicklung und zeigt die Richtigkeit des bayerischen Weges, dass Tschechien erklärt hat, dass es auf seiner Seite beabsichtigt, die Schleierfahndung einzuführen. Auf jeden Fall wird kein einziger Polizeibeamter abgezogen, was für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger entscheidend ist. Die Polizeibeamten sind nicht mehr unmittelbar an der Grenze, sondern sie sind einige Kilometer dahinter. Alle Polizeibeamten, die schon heute in den Grenzregionen Bayerns Dienst tun, werden das auch in Zukunft tun. Das ist entscheidend. Ich bin sicher, dass es gelingen wird, den hohen Sicherheitsstandard zu gewährleisten, wie das nach dem Wegfall der Grenzkontrollen zu Österreich auch geschafft wurde. Tschechien stellt allerdings eine besondere Herausforderung dar.

Der frühere Innenminister Beckstein machte nie einen Hehl daraus, dass es wünschenswert wäre, die Grenzkontrollen nach Tschechien erst später zu beseitigen. Das wird aber auf Bundesebene entschieden. Wir stellen uns darauf ein. Wir werden mit den Kräften der Bundespolizei gut zusammenarbeiten, und wir werden alles dafür tun, damit die Sicherheit entlang der tschechischen Grenze im vollen Umfang aufrechterhalten bleibt.

Frau Kollegin, Ihre Möglichkeiten der Fragestellung sind jetzt ausgeschöpft.

Die Hauptfrage für die CSU-Fraktion stellt nun Herr Kollege Peterke.

Herr Staatsminister, ich frage Sie eingangs, wie Sie das Thema der heutigen Ministerbefragung angesichts der Tatsache bewerten, dass sich die Polizeireform bereits weitgehend in der Umsetzung befindet, in den Fachausschüssen und Arbeitskreisen sowie in allen berufsständischen Vertretungen seit Jahren um die Inhalte gerungen und diskutiert wird und der Gesetzentwurf zur Polizeireform jetzt in die parlamentarische Beratung kommt.

Ich möchte Sie weiterhin nach dem Thema „Führungsverantwortung“ fragen, das ein wichtiges Element der Polizeireform ist. Was halten Sie im Zusammenhang damit davon, dass die Führungsverantwortung deutlich nach unten zur Führungsbasis verlegt werden soll?

Ich erweitere meine Frage auf den Bereich der Erfahrungen mit dem Probelauf und dem Echtbetrieb in anderen Regierungsbezirken: Wie haben sich nach dem Probelauf und den bisherigen Erfahrungen die Einsatzreaktionszeiten dargestellt? Sind sie besser oder schlechter geworden?

Herr Minister.

Herr Kollege Peterke, mich wundert es nicht, dass die Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN üblicherweise häufiger Schlachten der Vergangenheit schlagen, als Fragen der Zukunft zu diskutieren.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Hier geht es doch um eine Frage des parlamentarischen Selbstverständnisses. Der Gesetzentwurf zur Umsetzung der Polizeiorganisationsreform ist hier schon vor einer ganzen Weile zur Ersten Lesung eingebracht worden. Im Moment befindet er sich in der Fachberatung der Ausschüsse. Im Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit hat die Erste Lesung vor drei Wochen stattgefunden. Angesichts dessen, dass der Ausschuss schon fachlich beraten und einen Mehrheitsbeschluss gefasst hat, hier in der Ministerrunde zu fragen, ob beabsichtigt sei, die ganze Reform über den Haufen zu werfen, ist schon absurd.

Natürlich bestätige ich Ihnen heute gern, dass ich nicht beabsichtige, die Reform auf den Kopf zu stellen. Schon in der nächsten, der übernächsten und der überübernächsten Woche werden die weiteren Fachausschüsse dieses Hauses den Gesetzentwurf beraten. Dann entscheidet – das sage ich deutlich – dieses Hohe Haus mit Mehrheit darüber, ob die Polizeiorganisationsreform in Bayern stattfindet oder nicht. Hier handelt es sich nicht um etwas, was mit einem einfachen Federstrich durch das Ministerium erledigt wird, sondern das Parlament entscheidet per Gesetz darüber, ob diese Polizeiorganisationsreform stattfindet. Ich bin sicher, dass wir da auf einem guten Weg sind.

Dazu hat Kollege Peterke die konkrete Frage nach der Einsatzreaktionszeit gestellt. Die Polizeiorganisationsreform hat damit begonnen, dass wir einen Testlauf in Unterfranken durchgeführt haben. Er begann im Frühjahr 2006. Natürlich liegen dazu konkrete Erfahrungsberichte vor. Darüber hat der frühere Innenminister Beckstein im Fachausschuss ganz konkret berichtet.

Statistisch gemessen gibt es eine Senkung der Reaktionszeiten. Damit ist die Zeit der Disposition von der Alarmierung oder vom Anruf der Bürger, die nach einem Polizeieinsatz verlangen, bis zum Eintreffen der Kräfte gemeint. Nach der Statistik von Unterfranken ist diese Zeit von rund elf auf rund neun Minuten reduziert worden.

Ich sage ganz deutlich: Man darf die Reaktionszeiten auf keinen Fall verschlechtern. Aber ich kann bei dieser Reform nicht generell dafür garantieren, dass alles wesentlich schneller ablaufen wird. Die Inspektionsebene, die eigentliche Basis der Polizei, bleibt durch diese Reform ja unverändert. Im Einzelfall kann, wie wir es jetzt in München-Riem vorhaben, noch eine zusätzliche Inspektion eingerichtet werden. Im Großen und Ganzen bleibt die Basis jedenfalls unverändert.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Entschuldigung, hören Sie doch erst einmal zu!

Ich werde zwar die Alarmierungszeiten durch die optimale Gestaltung der Einsatzzentralen reduzieren, aber am Weg von der Inspektion bis zum Einsatzort ändert sich durch die Reform natürlich gar nichts. Wenn der Weg von der Inspektion zu dem Ort, wo in einen Laden eingebrochen worden ist oder ein Verkehrsunfall stattgefunden hat, 15 Kilometer beträgt, dann bleibt diese Entfernung auch nach der Reform bestehen.

(Christine Kamm (GRÜNE): Das alles nützt nichts, da die Inspektionen zusammengelegt werden!)

Auf diesen Zwischenruf gehe ich gern ein. Denn Sie haben schon vorhin die Inspektionszusammenlegung erwähnt. Inspektionszusammenlegungen finden in wenigen Einzelfällen statt. Sie haben als Beispiel Bamberg genannt. Aber ich will mich da gar nicht so weit festlegen. Zusammenlegungen werden nur dort diskutiert, wo Inspektionen ganz eng beieinander liegen, die sowieso im gleichen Ort sind und wo es eine Effizienzverbesserung bedeutet, wenn die Inspektionen unter einer Führung in einem Haus zusammengelegt werden.

Ich sage Ihnen aber klipp und klar: Es gibt keine Zusammenlegung von Inspektionen in den Landkreisen, wo meinetwegen in einem Abstand von 30 Kilometern zwei Inspektionen bestehen. Solche Zusammenlegungen gibt es nicht. Dafür werden Sie kein einziges Beispiel finden können. Sie haben vorhin nur Beispiele dafür genannt, dass Zusammenlegungen innerhalb großer Städte stattgefunden haben, die zur Effizienzsteigerung geführt haben.

Ich sage noch einmal: Die Basisnähe der Polizei besteht nicht darin, dass innerhalb weniger Straßenzüge an verschiedenen Häusern Polizeischilder hängen.

Als nächsten Fragesteller rufe ich Herrn Kollegen Ettengruber auf.

Herr Staatsminister, Sie haben bereits ausgeführt, dass mit der Polizeireform eine Stärkung der Inspektionen einhergeht und damit die Präsenz der Polizei vor Ort, vor allem in den ländlichen Gebieten, gestärkt wird. Ergänzend frage ich: Welche sonstigen Verbesserungen hat die Polizeireform gebracht? Ich denke da zum Beispiel an den Kriminaldauerdienst.

Zum Zweiten frage ich: Wie wirkt sich die Einrichtung der neuen Einsatzzentralen aus, für die jetzt modernste Technik in jedem Regierungsbezirk und jedem Polizeipräsidium eingeführt wird? Wie wirkt sie sich auf den Einsatzplan, das heißt auf den Personaleinsatz vor Ort, aus, und wie wirkt sie sich auf die Qualität der Einsatzbearbeitung aus?

Herr Minister.

Zunächst zum Kriminaldauerdienst. Kriminaldauerdienste hatten wir bislang unter anderem in München und Nürnberg. Das heißt, dass dort von Montag bis Sonntag rund um die Uhr entsprechende Kräfte der Kriminalpolizei unmittelbar im Dienst waren und sofort zur Verfügung standen, wenn es beispielsweise galt, eine schwere Straftat aufzunehmen, Spuren in einem Mordfall sicherzustellen etc.

Durch die Polizeiorganisationsreform werden wir schrittweise in jedem Präsidialbereich, in dem die Reform umgesetzt wird, einen Kriminaldauerdienst einrichten. Das wird dadurch ermöglicht, dass wir Stellen im Führungs- und Verwaltungsbereich einsparen und einen Teil der eingesparten Stellen zur Verstärkung der kriminalpolizeilichen Arbeit verwenden. Wenn die Polizeiorganisationsreform in ganz Bayern umgesetzt ist, wird es also in jedem Präsidiumsbereich rund um die Uhr und an jedem Tag der Woche einen Kriminaldauerdienst geben.

Das bedeutet nicht nur eine Stärkung der Kriminalpolizei, sondern dabei muss man immer auch im Blick haben, dass dadurch letztlich die Polizeiinspektionen vor Ort entlastet werden.

In dem Moment, wo die Spurensicherung der Kriminalpolizei am Tatort ist, kann ich in der Regel, von Ausnahmen abgesehen, die Einsatzkräfte der normalen Polizeiinspektion sofort reduzieren oder alsbald abziehen, wenn keine Gefahr mehr vorhanden ist. Ich erreiche damit sofort wieder eine Verstärkung der allgemeinen Polizeipräsenz für andere Arbeiten im Bereich der Inspektionen. Das ist ein ganz klares Plus für die unmittelbare Polizeieinsatzarbeit vor Ort.

Ich habe mich in den letzten zwei Jahren sowohl in Unterfranken als auch in Mittelfranken, wo die Reform begonnen hat, intensiv informiert. Die hochtechnologische neue Ausstattung unserer Polizeipräsidien verbessert natürlich die Steuerungs- und Einsatzfähigkeit und damit eben auch die Möglichkeiten, die vorhandenen Polizeikräfte bestmöglich einzusetzen, weil im Präsidium, zum Beispiel in Unter- und Mittelfranken, ein kompletter Überblick über das momentane Einsatzgeschehen im ganzen Regierungsbezirk und für die Dislozierung der verschiedenen Polizeieinsatzkräfte vorhanden ist. Damit kann ich sie optimal steuern. Ich sehe vom Präsidium aus, wo die Prioritäten sind.

Natürlich haben Personengefährdungen eine höhere Priorität als die Aufnahme eines Verkehrsunfalls mit Blechschaden und dergleichen. Das kann von dieser zentralen Einheit aus besser gesteuert werden, als wenn nur vor Ort entschieden wird. Ich glaube, das ist eine echte Verbesserung. Das wird über kurz oder lang auch von der ganz großen Mehrheit der Bevölkerung im Alltag als eine echte Verbesserung, eine Optimierung der Polizeieinsatzarbeit gefühlt und verstanden werden.

Erste Hauptfrage für die SPDFraktion: Herr Kollege Schuster.

Sehr geehrter Herr Minister, vor genau vier Jahren hat der damalige Ministerpräsident Dr. Stoiber in seiner Regierungserklärung auch zum Erstaunen Ihres Amtsvorgängers verkündet, dass die Polizei in Zukunft dreistufig geführt wird. Die SPD-Fraktion hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie aus sachlichen Gründen gegen diese Polizeireform ist. Wir sind hier in guter Gesellschaft mit Polizeiführungskräften, zum Beispiel dem ehemaligen Polizeipräsidenten von Schwaben, Herrn Endres, oder dem ehemaligen Vizepräsidenten der Bereitschaftspolizei sowie mit den Polizeigewerkschaften.

In der Zwischenzeit bestätigt sich unsere seit Jahren geäußerte Kritik vor allem dahin gehend, dass kein zusätzlicher Polizist mehr auf der Straße Dienst tun wird. Im Gesetzentwurf steht, dass durch die Polizeireform 600 Stellen frei werden. 180 Stellen wurden vom Finanzminister gleich einmal eingezogen, verbleiben also 420 Stellen. Diese sollen laut Gesetzentwurf – Sie haben es schon erläutert – für die polizeiliche Schutz- und kriminalpolizeiliche Basisarbeit verbleiben.

Was wir nicht ganz nachvollziehen können, ist die Schaffung von drei komplett neuen Präsidien in Niederbayern, Oberbayern und Schwaben, die ausreichend Personal benötigen. Uns wurde in Schwaben bestätigt, dass allein für das neue Präsidium Schwaben-Süd mit Sitz in Kempten 100 zusätzliche Planstellen erforderlich sind.

Ich frage Sie daher: Woher nimmt das Innenministerium diese zusätzlich erforderlichen Polizeikräfte für die drei neuen Polizeipräsidien, wenn die durch die Abschaffung der Polizeidirektionen gewonnenen 420 Planstellen laut Gesetzentwurf angeblich für die Basisarbeit verwendet

werden sollen? Sehen Sie darin nicht wie wir einen Widerspruch?

Außerdem haben Sie auf die Frage meiner Kollegin Kamm nicht geantwortet. Dass in den nächsten Jahren Planstellen bei der Polizei abgeschafft werden, sieht man schon daran, dass die Einstellungszahlen verringert werden. Bisher wurden pro Jahr 750 Polizeianwärterinnen und -anwärter eingestellt. In der Zwischenzeit sind es pro Jahr noch 200 bis 250. Weil aber die Pensionszahlen in den nächsten Jahren nach oben gehen, werden sich die Planstellen bei der Polizei um circa 2000 reduzieren. Wie wollen Sie damit umgehen?

Herr Minister, Sie sind neu im Amt. Ihr Vorgänger hat schon immer gesagt: Wir haben den höchsten Personalstand bei der Polizei seit Jahren. Das ist von den Stellen her natürlich richtig. Aber die Bevölkerung ist natürlich auch gewachsen.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Wir haben inzwischen 12 Millionen Einwohner, und pro Einwohner haben wir nicht mehr den höchsten Personalstand sondern einen geringeren.