Protokoll der Sitzung vom 12.02.2004

Jetzt kommen wir zur Fortschreibung des Sozialberichts von 1999. Wir müssen uns gerade vor dem Hintergrund der schwierigen finanziellen Situation sehr genau überlegen, was wir uns tatsächlich zurzeit noch leisten können. Wir müssen alle öffentlichen Ausgaben exakt hinterfragen, auf den Prüfstand stellen und Schwerpunkte setzen. Wir können nicht auf das unbedingt Notwendige verzichten, aber durchaus Wünschenswertes zurückstellen. Bei der Schwerpunktsetzung für die Ausgaben in meinem Haushalt habe ich den Sozialbericht als „Wünschenswertes“ eingestuft. Die Kosten wurden hier schon genannt: eine halbe Million Euro. Diese Zahl ist aber nur eine Fortschreibung der Kosten im Jahr 1999. Im Landtag wurden ja noch zusätzliche Ausgaben beschlossen; ich erinnere an die Kinder- und Jugendhilfe. Dahinter steckte eine hervorragende wissenschaftliche Arbeit. Wir müssen die Qualität erhalten. Wir haben uns auch überlegt, ob wir einen einfacheren Sozialbericht erstellen sollen. Einen solchen Bericht hätte ich dem Bayerischen Landtag aber ungern vorgelegt; der wäre auch angegriffen worden. Deshalb ist es wichtig, dass zusätzlich zu den Sozialdaten in Bayern eine wissenschaftliche Ausarbeitung vorliegt. Der Sozialbericht wäre daher schon teurer geworden.

Zur Forderung, den Bericht bis zum Jahr 2006 vorzulegen, stelle ich fest: Wir befinden uns gerade mitten in einem Umbruch in der Sozialgesetzgebung. Ich denke dabei nur an die Grundsicherung, an die Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe, an die Kürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes von 18 Monaten auf 12 Monate. Wenn wir einen Sozialbericht in dieser Umbruchsituation in der Sozialgesetzgebung erstellen würden, könnten wir Ihnen gar keine belastbare n Ergebnisse liefern. Das ist doch der eigentliche Hintergrund. Sie können doch nicht behaupten, dass das zurzeit notwendig und möglich ist. Warten wir doch ab, bis wir tatsächlich belastbare Ergebnisse erzielen können.

Das ist der eigentliche Hintergrund, weil es keinen Sinn hat, in dieser Umbruchsituation einen Sozialbericht in Auftrag zu geben, der doch mit immensen Kosten verbunden ist. Ich halte es für wichtiger, dass die Mittel im Einzelplan 10 den Menschen zugute kommen, die sie brauchen, und nicht an Berichten hängen bleiben.

(Beifall bei der CSU)

Sie haben einen jährlichen Zwischenbericht gefordert. Wollen Sie in der heutigen Zeit wirklich allen Ernstes neue Berichtspflichten einfordern, da wir doch wissen, dass wir unsere Mittel zielgenau ausgeben müssen?

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Woher wissen Sie, was zielgenau ist?)

Das kann doch nicht wirklich Ihr Ernst sein. Sie wollen das doch tatsächlich noch mit Hilfe der Beauftragung Dritter bewerkstelligen.

(Thomas Kreuzer (CSU): Mit Beratern!)

Das steckt in Ihrem Antrag. Da frage ich mich wirklich nach dem Sinn dieses Antrags. Deswegen bin ich der festen Überzeugung, dass ein Sozialbericht bis zum Jahr 2006 nicht machbar ist.

(Beifall bei der CSU)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Frau Ackermann hat das Wort.

Ich möchte einen Vorschlag machen. Ich meine, wir sollten uns vielleicht einmal mit der Bundesregierung in Verbindung setzen, damit diese – das sind doch Lieblingsformulierungen in Ihren Anträgen – auf die Bahn AG Einfluss nimmt, in Zukunft die Fahrpläne abzuschaffen. Ich finde Fahrpläne überflüssig. Jeder Bürger kann doch selbst sehen, wann ein Zug fährt. Wieso muss man denn das nachlesen? Wieso muss man vorher wissen, wann der Zug fährt und warum er nicht mehr fährt? Das ist Blödsinn; das lassen wir weg. Dadurch sparen wir jede Menge Kohle, und alles wird besser.

(Beifall bei den GRÜNEN - Thomas Kreuzer (CSU): Machen Sie es doch!)

Zurück zu Ihrem Sozialplan, den Sie nicht wollen. Ich stelle fest, dass Sie hinter Ihre eigenen Beschlüsse zurückfallen, und ich fürchte, dass dies noch öfter passieren wird. Ich fände es nicht lustig – Gott sei Dank war ich damals noch nicht dabei –, wenn es uns in Zukunft öfter ereilen würde, uns hier hinzusetzen und mühsam etwas auszuhandeln und auszuringen, Sie dann aber kurz darauf mit Ihrer immensen Mehrheit sagen: Ätsch, das wollen wir gar nicht. Ich fühle mich sonst irgendwie verschaukelt.

Im Übrigen waren gerade die GRÜNEN diejenigen, die den Bericht genutzt haben. Gerade wir haben mit der Kinderarmut argumentiert, und zwar vor Iglu und Pisa. Gerade wir haben immer wieder eingefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um ihr entgegenzuwirken. Auch jetzt wollen wir rechtzeitig gegensteuern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bevor für die Fußballweltmeisterschaft in die Stadien investiert wird, sollte man vielleicht doch überlegen, ob man nicht in die Beseitigung der

Kinderarmut investiert, um die größten Härten zu vermeiden.

Warum fürchten Sie sich so sehr vor einer Bestandsaufnahme? Was haben Sie denn zu verbergen? Fürchten Sie sich vor einer Negativbilanz? Machen Sie die Augen auf und sehen Sie den Tatsachen ins Gesicht. Nehmen Sie die Missstände ernst. Dann können wir auch hier gedeihlich zusammenarbeiten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt sehe ich keine weiteren Wortmeldungen mehr. Dann ist die Aussprache geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Dürr und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) b e t re ffend Vorlage eines zweiten Landessozialberichts, Drucksache 15/308, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD. Gegenstimmen? - Das ist die Fraktion der CSU. Stimmenthaltungen? - Keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Zur gemeinsamen Behandlung rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Joachim Herrmann, Dr. Otmar Bernhard, Renate Dodell und anderer und Fraktion (CSU)

Modernisierung der Verwaltung in Bayern - bürgernäher, schlanker und effizienter (Drucksache 15/309)

und den nachgezogenen

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Franz Maget, Christa Naaß, Karin Radermacher und anderer und Fraktion (SPD)

Ve r w a l t u n g s reform: effizient und bürgern a h ; keine Reform zu Lasten von Bürgerinnen und Bürgern sowie der Beschäftigten im öffentlichen Dienst (Drucksache 15/318)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erste Wortmeldung: Kollege Kiesel.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Modernisierung der Verwaltung in Bayern - bürgernäher, schlanker und effizienter. Ich meine, das ist eine Zielsetzung, die

dieses Haus als selbstverständlich voraussetzt, um die Zukunft meistern zu können. Wer heute nicht reformfähig ist, wird morgen nicht handlungsfähig sein. Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen begrüßen wir von der CSU-Fraktion, dass die Bayerische Staatsregierung das Projekt 21 aufgelegt hat, damit Staat und Verwaltung der Zeit angepasst werden.

Der Dringlichkeitsantrag enthält Aussagen zu allen relevanten Grundsatzfragen der Verwaltungsreform. Für uns, die CSU-Fraktion, ist folgender Punkt ganz wichtig: Der Dialog mit den Betroffenen ist notwendig; denn ohne einen Dialog mit den Betroffenen ist eine vernünftige Reform nicht durc h z u f ü h re n. Allerdings schränke ich ein, dass ich in der letzten Zeit wiederholt erlebt habe, dass bei solchen Diskussion und Dialogen von der Gegenseite teilweise die Besitzstandswahrung als oberstes Gebot oder Zielsetzung angesehen wird, was aber nicht sein kann und darf, weil sonst kein fachlicher und sachlicher Schlagabtausch stattfinden kann und keine vernünftigen Strukturen geschaffen werden können. Das heißt also: Dialog: ja, die Betroffenen zu Beteiligten machen: ja, aber immer unter dem Gesichtspunkt, dass Veränderungen stattfinden und dass am Ende eine vernünftige Struktur entsteht, die mittel- und langfristig hält.

Ein nächster, ganz wichtiger Punkt ist, dass zur Verwaltungsstrukturveränderung natürlich auch Bürokratieabbau gehört. In den letzten Jahrzehnten haben sich Bürokratien aufgebaut, die so nicht mehr hinnehmbar sind. Der Grund ist ganz einfach: Der Bürger ist immer mündiger geworden. Er wollte alles bis ins Detail geregelt haben. Die Verwaltungen sind oft darauf eingegangen und haben sofort Durchführ u n g s v e ro rdnungen erlassen, wenn von unten Anfragen kamen, wodurch der Ablauf erschwert wurde.

(Zurufe von der SPD)

Wir sind bereit, das, was wir eingeführt haben, auch wieder abzuschaffen; die CSU-Fraktion ist da sehr offen.

(Zurufe von der SPD)

Wir sind sehr engagiert; keine Sorge. Wir gehen da nach vorne. Wir müssen uns also darauf beschränken: Was ist notwendig, was muss der Staat organisieren und was braucht er nicht zu organisieren? Das heißt: Mut zur Lücke. Selbstverständlich wollen wir auch in diesem Hause darüber sprechen.

(Zurufe von der SPD)

Selbstverständlich. Wir sind doch schon dabei, dies vorzugeben, weil wir der Meinung sind, dass es Aufgabe des Parlaments ist zu sagen, was der Staat

zu erledigen hat. Wir haben auch die Verantwortung, die Verwaltung zu kontrollieren. Wir machen selbstverständlich mit. Wir missbrauchen nicht unsere Mehrheit, sondern wir gestalten mit unsere r Mehrheit.

(Beifall bei der CSU)

Die Opposition kann selbstverständlich mitmachen. Dafür ist das Parlament vorhanden.

(Christa Naaß (SPD): Stimmen Sie unserem Antrag zu!)

Der Dialog soll nicht nur draußen mit den Betroffenen stattfinden, sondern auch im Parlament. Hierzu lade ich die Opposition ein.

(Rainer Volkmann (SPD): Das ist etwas ganz Neues!)

Ja, sehen Sie.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Staat will sich auf seine Kernaufgaben beschränken. Wir wollen noch etwas ganz Wichtiges: Die Arbeit muss da stattfinden, wo sie anfällt, und es muss dort entschieden werden, wo Fragen auftreten; es darf nicht hin und her geschoben werden. Da Bayern ein Flächenland ist, ist es deshalb wichtig, dass die Verwaltung in der Region präsent ist und dass dort die Entscheidungen getroffen und auch verantwortet werden. Ich meine, dies ist ein ganz wichtiger Punkt. Darauf sollten wir uns einigen. Ich meine, das ist ein guter Weg.

(Christa Naaß (SPD): Nach dem Kahlschlag ist die Verwaltung nicht mehr durchsetzungsfähig!)

Mut zur Lücke, weniger Vorschriften. Ich habe es vorhin schon gesagt: Wir haben die Situation, dass die Bürger immer alles geregelt haben wollen und auch die Behörden Anfragen teilweise nach oben schieben; dann kommt unten eine Durchführungsverordnung an, die eigentlich dem Ganzen entgegensteht. Deswegen müssen wir handeln. (Christa Naaß (SPD): Jetzt schieben Sie es auf die Bürger!)

Nein, das ist Bürgernähe. Deswegen müssen wir Dienstleistungen hinüberbringen.

(Zuruf der Abgeordneten Christa Naaß (SPD))