Protokoll der Sitzung vom 12.02.2004

(Zuruf der Abgeordneten Christa Naaß (SPD))

In unserem Antrag können Sie ganz klar erkennen, dass wir die bayerische Verwaltung und dere n Leistungen anerkennen. Dies sagt aber nicht aus, dass man das nicht verändern kann und verändern und anpassen muss. Das genau ist der Punkt. Das wollen wir machen.

Das sind die wesentlichen Punkte. Deswegen wollen wir, dass die Betroffenen zu Beteiligten werden, dass die Aufgaben überprüft werden und dass die Vorschriften entsprechend angepasst werden. Die Staatsverwaltung muss schlanker werden. Wir müssen auch aufpassen, dass uns die Bundesregierung und die EU nicht Verordnungen aufdrücken oder wir solche Verordnungen vielleicht strenger auslegen, als sie angedacht und gemeint waren, damit für uns kein Handicap entsteht. Das heißt: Nicht nur die bayerischen Verwaltungsverordnungen und -strukturen müssen auf den Prüfstand, sondern auch die Bundesverwaltungsverordnungen. Ich richte deshalb an die SPD und an die GRÜNEN den Appell, in Berlin nicht rückwärts zu fahren, sondern nach vorne zu gehen, wenn Sie in Deutschland künftig gestalten wollen.

(Beifall bei der CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die bayerischen Verwaltungsstrukturen haben sich bewährt. Wir befinden uns aber jetzt in einem neuen Jahrtausend. Angesichts der demografischen Entwicklung müssen wir prüfen, was wir uns künftig leisten können. Der Ministerpräsident hat gesagt: Sparen, reformieren und investieren. Er hat recht. Nur wenn wir vernünftig haushalten, haben wir die Chance für Investitionen. Nur wenn wir investieren, werden wir im Wettbewerb bestehen. Deswegen gehört auch die Verwaltung auf den Prüfstand. Der Overhead muss schlank sein, dann funktioniert er.

(Christa Naaß (SPD): Meinen Sie damit die Ministerialverwaltung und die Staatsregierung?)

Niemand von uns beabsichtigt, die Verwaltung zu beseitigen. Wir versuchen vielmehr, die Verwaltung der Zeit anzupassen und die Betroffenen auf diesem Weg mitzunehmen. Das ist ein wichtiger Punkt. Wir werden uns dabei nicht beirren lassen.

Herr Kollege Kiesel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Schieder?

Herr Kollege Kiesel, Sie haben soeben gesagt, dass der Overhead schlanker sein sollte. Darf ich Sie an den letzten ORH-Bericht erinnern, der gezeigt hat, dass die Vorgaben der Staatsregierung bezüglich des Overheads bei weitem nicht eingehalten worden sind? Wäre es nicht zweckmäßig, dort zu beginnen, wo klare Vorgaben da sind? Die Staatsregierung hat sich selbst dazu verpflichtet. Wir sollten nicht das Pferd von hinten aufzäumen.

Herr Kollege Schieder, wir zäumen das Pferd nicht von hinten auf. Sie wissen, was wir beschlossen haben. Bei der Zusammenlegung von Ministerien und Aufgaben haben wir

gesagt, dass die betreffenden Stellen eingezogen werden müssen. Dazu stehen wir auch. Wir sind auf dem Weg. Ich bin davon überzeugt, dass wir das hinbekommen werden. Wenn ich sage, dass Strukturen angepasst werden müssen, bin ich auch der Meinung, dass der Overhead angepasst werden muss. Die Ministerien werden bei der Diskussion um eine Verwaltungsvereinfachung nicht ausgenommen werden. Auch die Abteilungen und Referate der Ministerien werden davon betroffen sein.

(Christa Naaß (SPD): Dann können Sie nächste Woche unserem diesbezüglichen Antrag zustimmen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen. Ich möchte klipp und klar feststellen, dass wir die Staatsregierung auf diesem Weg begleiten und in jedem Fall kritisch beobachten werden. Die CSU-Fraktion wird sich hier einbringen. Ich kann nur wiederholen, was ich vorhin gesagt habe: Ich fordere Sie auf, sich daran zu beteiligen.

Abschließend möchte ich noch zu Ihrem Dringlichkeitsantrag etwas sagen. Wenn wir alles abfragen würden, was Sie fordern, hätte die Staatsregierung in den nächsten zwei Jahren mit den Berichten zu tun und die Arbeit würde brach liegen. Deswegen w e rden wir Ihren Antrag ablehnen. Sie können jedoch unserem Antrag zustimmen; denn da steht alles Wesentliche drin.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte zum Schluss kommen. Wir wollen bei den Sonderbehörden alles auf den Prüfstand stellen. Bei der Schulverwaltung, bei der Polizeiverwaltung und bei den Mittelbehörden wollen wir kritisch hinterfragen, welche Veränderungen dort machbar sind. Wir wollen dann diese Veränderungen vornehmen, um die Strukturen anzupassen. Diese Veränderungen sollen dann wieder eine gewisse Zeit halten. Für die Behörden wäre es schlimm, wenn sie nicht wüssten, wohin die Reise geht. Darunter würde die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leiden. Das wollen wir nicht. Wir wollen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Staatsdienst hochqualifiziert ihre Arbeit machen. Ich bin davon überzeugt, dass wir sie auf diesem Weg mitnehmen und dass sie uns begleiten werden. Auf diese Weise werden wir ein vernünftiges Ergebnis erreichen.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Sie sprechen von Mitarbeitern, die es bald nicht mehr gibt!)

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Naaß.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Das ist eine Geburtstagsrede!)

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen!

Herr Präsident, ich habe eine Frage: Ist der zuständige Minister nicht da? Schließlich geht es heute um einen Dringlichkeitsantrag zur Verwaltungsreform. Dafür ist Herr Staatsminister Huber zuständig. Er fehlt nun schon bei der zweiten Diskussion über die Verwaltungsreform. Ich halte es für eine komische Angewohnheit, dass sich der zuständige Minister nicht der Diskussion stellt.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, nachdem ich Ihren Antrag gelesen habe, habe ich mich gefragt, was eigentlich der Grund für diesen Antrag ist. Vor allem habe ich mich gefragt, ob es dafür eine besondere Dringlichkeit gibt, da Sie einen Dringlichkeitsantrag formuliert haben. Wenn etwas dringlich ist, bedeutet das normalerweise, dass Gefahr im Verzug ist. Welche Gefahr sieht die CSU-Landtagsfraktion, wenn Sie heute diesen Dringlichkeitsantrag einbringen muss? Das hätte ich gerne von Ihnen erfahren. Mein Vorredner ist darauf überhaupt nicht eingegangen.

In Ihrem Dringlichkeitsantrag begrüßt die CSU, dass die Staatsregierung wieder einmal eine Ve r w a ltungsreform angekündigt hat. Dafür ist meines Erachtens kein Dringlichkeitsantrag erforderlich. Das ist übrigens die vierte Reform innerhalb von 35 Jahren und die zweite Reform von Ministerpräsident Dr. Stoiber, obwohl er noch nicht einmal die erste Reform abgearbeitet hat. Sie schreiben weiter, die bayerische Verwaltung leiste hervorragende Arbeit und sei ein wichtiger Standortfaktor. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, diese Feststellung war wichtig, da Sie in den verg a n g e n e n Wochen und Monaten nicht gerade schön mit den Beschäftigten des Freistaats Bayern umgegangen sind.

(Karin Radermacher (SPD): „Nicht schön“ ist gar kein Ausdruck!)

Ich hätte es begrüßt, wenn Herr Staatsminister Huber heute anwesend gewesen wäre. Er hat nämlich seine eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als „Frösche“ bezeichnet, die man nicht zu fragen brauche, wenn man den Teich austrocknet. Das ist doch kein Stil. Wenn Sie der Staatsregierung aufzeigen wollen, dass sie falsche Formulierungen verwendet und ihre Mitarbeiter nicht gut behandelt hat, wäre das ein Grund für einen Dringlichkeitsantrag.

(Beifall bei der SPD)

Ich kann jedoch nicht erkennen, was an diesem Antrag dringlich sein soll. In Punkt 4 Ihres Antrags, mit dem Sie die frühzeitige Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Mitarbeiterinnen

und Mitarbeiter in den Verwaltungsreformprozess fordern, scheinen Sie, der Zeit hinterherzuhinken. Herr Kollege Kreuzer, sieht die CSU endlich ein, dass es falsch war, den Dringlichkeitsantrag der SPD-Landtagsfraktion vom 26. November vergangenen Jahres abzulehnen? Schließlich haben wir genau mit diesem Antrag gefordert, die Beschäftigten an diesem Reformprozess zu beteiligen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben diesen Antrag abgelehnt. Jetzt fordern Sie genau das. Man könnte jetzt sagen, dass Sie lernfähig seien. Dieser Dringlichkeitsantrag könnte aber auch bedeuten, dass Sie der Staatsregierung auf die Sprünge helfen müssen. Die Staatsregierung muss nämlich endlich einmal begreifen, dass sie einen Fehler gemacht hat, indem sie die Beschäftigten nicht einbezogen hat.

(Karin Radermacher (SPD): Oder sie beteiligt, wenn schon alles entschieden ist!)

Reformen können nur im Dialog mit den Betroffenen Erfolg haben. Dieser Satz könnte aus unserem Antrag abgeschrieben sein; denn diese Feststellung bedeutet, dass die Staatsregierung den Dialog bisher nicht geführt hat. Andernfalls müsste die CSULandtagsfraktion diesen Dialog nicht einfordern.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Dialog wurde anscheinend auch durch die so genannten Perspektivkonferenzen nicht erreicht, mit denen Sie über das Land gezogen sind und den Menschen suggeriert haben, sie würden einbezogen. Meiner Meinung nach waren das re i n e Schaufensterveranstaltungen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, dürfen wir Ihren Antrag so verstehen, dass Sie mittlerweile eingesehen haben, dass die von der S t a a t s regierung zusammen mit den Berufsverbänden beschlossene Modern i s i e r u n g s v e re i n b arung aus dem Jahr 2002, von Herrn Dr. Stoiber, von Herrn Huber, von Herrn Prof. Dr. Faltlhauser, von Herrn Dr. Wiesheu und von allen, die dafür zuständig sind, nicht eingehalten wurde? Ist das der Grund, warum Sie diesen Dringlichkeitsantrag eingereicht haben?

Frau Kollegin Radermacher hat mit Recht darauf verwiesen, dass die Fakten bereits geschaffen wurden. Am 16. Dezember hat die Staatsregierung einen Gesetzentwurf ins Internet gestellt, mit dem bereits Fakten geschaffen wurden. Die Beteiligung der Beschäftigten wurde dabei in keiner Weise angestrebt. Ich gehe davon aus, dass Sie mit diesem Antrag der CSU-Staatsregierung sagen wollen, dass Sie etwas versäumt habe und dies dringend aufholen müsse.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen mit diesem Antrag das bisherige Fehlverhalten der Staatsregierung korrigieren.

(Dr. Manfred Weiß (CSU): Da müssen Sie doch zustimmen!)

Erst brauche ich die Aussage von Ihnen, dass Sie das tatsächlich wollen. Oder wollen Sie nur die Betroffenen, sprich die Beschäftigten und die Bürgerinnen und Bürger beruhigen, ihnen einen demokratischen Prozess vorgaukeln und sich selbst ein ruhiges Gewissen verschaffen? Das kann natürlich auch der Fall sein. Wenn also Ihrer Meinung nach eine Korrektur in diesem Reformprozess notwendig ist, dann sagen Sie das klipp und klar und schreiben Sie keine solchen Allgemeinplätze in Ihren Antrag.

Wenn die Reformen nicht zulasten des ländlichen Raumes gehen sollen, dann dürfen Sie nicht gleichzeitig alle Sonderbehörden, alle Nebenstellen der Landesämter, alle Nebenstellen der Amtsgerichte und Finanzämter usw. in Frage stellen; denn es führt zu einer Belastung des ländlichen Raumes, wenn diese Dienststellen nicht mehr vorhanden sind. Gerade in Mittelfranken kann ich meine Kolleginnen und Kollegen gut dabei beobachten, wie sie bei jeder Pressekonferenz aufzeigen: Verwaltungsreform ja, aber keine Benachteiligung des ländlichen Raumes. Ich bin gespannt, wie sie reagieren, wenn die Nebenstelle des Amtsgerichts in Rothenburgoder Dinkelsbühl geschlossen werden soll. Da stellt sich namlich denn die Benachteiligung heraus.

Wenn Sie die Bürgerinnen und Bürger sowie die Beschäftigten frühzeitig in den Reformprozess einbeziehen wollen, dann müssen Sie die Staatsregierung so, wie wir es getan haben, auffordern, klar und deutlich zu sagen, was bei der Verwaltungsreform im Detail geplant ist. Es ist doch schlimm, egal, ob wir zu den Regierungen oder sonstigen Behörden kommen oder ob wir mit den Hauptpersonalräten sprechen, kein Mensch weiß, was die Staatsregierung konkret vorhat.

Sie müssen also erst einmal die Staatsregierung fragen, was im Detail geplant ist und wer künftig bei Aufgabenverlagerungen für welche Aufgaben zuständig ist. Sie sollten den Bürgerinnen und Bürgern ganz ehrlich sagen, welche Leistungen sie nicht mehr vom Staat zur Verfügung gestellt bekommen und wer dann die Leistung zu welchen Kosten für die Bürgerinnen und Bürger übernimmt. Welche Auswirkungen haben denn die Reformen auf die Beschäftigten des Freistaates Bayern? Welche Auswirkungen haben die Reformen unter Beachtung des Konnexitätsprinzips auf die Kommunen? Jeden Tag lesen wir in der Zeitung, dass die kommunalen Spitzenverbände sagen, sie seien in keiner Art und Weise informiert worden. Warum haben wir denn das Konnexitätsprinzip in der Bayerischen Verfassung verankert, wenn die Staatsregierung und Sie sich nicht daran halten?

(Beifall bei der SPD)

Wie hoch sind die jeweiligen Einsparungen für den Freistaat Bayern? In der Zeitung muss ich lesen, dass Kollegen von Ihnen eine Kosten-Nutzen-Rechnung für erforderlich halten. Ich denke hier an Ihren Kollegen aus Niederbayern. Es wäre schön, wenn die Staatsregierung einmal eine solche Rechnung aufmachen würde. Dann könnte man nämlich politisch beurteilen, ob eine Reform in der jeweiligen Angelegenheit sinnvoll und erforderlich ist.

Also: Was bringt eigentlich die geplante Reform? – Bisher liegen keine Antworten vor. Eine Reform nur der Reform wegen – das habe ich schon vor der Weihnachtspause gesagt – ist zu wenig. Mehr Klarheit sollte durch diesen Dringlichkeitsantrag erreicht werden; er sollte nicht noch mehr von den Allgemeinplätzen enthalten, von denen wir genügend gehört haben.

In Bezug auf die Beschäftigten des Freistaates Bayern möchte ich noch einen Satz sagen: Ich finde es zynisch, wenn auf der einen Seite in den Ministerien bereits in den nächsten ein oder zwei Wochen Stellenbörsen eingerichtet werden sollen, in die die überflüssigen Mitarbeiter gesteckt werden, die verteilt werden sollen, und wenn auf der anderen Seite noch kein Mensch weiß, was bei dieser Reform überhaupt herauskommen soll. So geht man nicht mit den Beschäftigten des Freistaates Bayern um.

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, Ihr Antrag ist populistisch, dient der Selbstberuhigung, lässt für uns alle Ernsthaftigkeit vermissen und kommt vor allem drei Monate zu spät. Es ist in diesen Wochen und Monaten so viel kaputtgegangen an Vertrauen, das die Beschäftigten eigentlich in ihren Arbeitgeber haben sollten, an Vertrauen, das die Bürgerinnen und Bürger eigentlich in ihren Staat haben sollten, vor allem nach der Landtagswahl. Aber vielleicht haben die Menschen endlich erkannt, wie sie sich auf das Wort der CSU verlassen können.

Kolleginnen und Kollegen, all diese Fakten sprechen nicht dafür, dass es eine Notwendigkeit gegeben hat, diesen Dringlichkeitsantrag einzureichen, wenn er nicht dazu dienen soll, Ihr eigenes Gewissen zu beruhigen. Meine Fraktion kann deshalb Ihrem Antrag nicht zustimmen. Sehen Sie sich unseren Dringlichkeitsantrag an. Dort ist Substanz enthalten; wir haben uns Gedanken gemacht, was die Kriterien für sinnvolle Reformen sein sollten. Außerdem ist zu befürchten, dass nach diesen Reformankündigungen, die Sie voll unterstützen und mit diesem Antrag untermauern, unser Staat und unsere hervorragend arbeitende Verwaltung – was Sie unter Nummer zwei bestätigt haben – nicht mehr der Staat und die Verwaltung sein werden, die sie im Moment sind.

(Beifall bei der SPD)