Protokoll der Sitzung vom 12.02.2004

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat Herr Kollege Hallitzky das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen, dass die Verwaltungsstrukturen in Bayern im Vergleich zu denen anderer Länder unnachahmlich kompliziert sind und dass es nirgendwo einen solchen Vorschriftendschungel wie in Bayern gibt. 70 000 Blätter Papier – so habe ich mir sagen lassen – sind das Kondensat Ihrer jahrzehntelangen Arbeit. Nirgendwo in Deutschland gibt es eine opulentere Landesregierung als in Bayern. Das ist Ihr Werk. Das sind Ihre Fehler. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, das war Ihre Jahrzehnte andauernde Lethargie.

Und heute? – Heute gleicht die Szenerie in etwa der eines dösenden Autofahrers, der langsam aus der Spur geraten ist über die Jahre hinweg – so lang fährt man nicht, das ist richtig – und der plötzlich ruckartig und weitgehend unkontrolliert das Steuer herumreißt. Mit Stoiber an der Spitze in Bayern gerät unser Land ins Schleudern.

(Unruhe bei der CSU)

Ihre Reformpläne sind nicht durchdacht, oft unsinnig, und sie überrollen und demotivieren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie Betroffene.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die bayerische Verwaltung lebt vom Engagement ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es gibt aber den Satz, dass Staatsminister Huber die Frösche nicht fragen will, wenn er die Verwaltung oder – in seinem Sprachgebrauch – den Sumpf trockenlegen will. So viel Ehrlichkeit vom Herrn Staatsminister ist fast zu bewundern, aber motivierend ist das für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie wenig echt der neuerdings propagierte Dialog mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der bayerischen Verwaltung ist, zeigt allein die Tatsache, dass Sie einige Reformen bereits per ordre de mufti ohne Dialog durchgedrückt haben und bei allen anderen Reformen – wir kennen die Zeitpläne, die hat Herr Huber mit seinen Papieren zu den Perspektivkonferenzen verteilt – einen solchen Zeitdruck erzeugt haben, dass eine vernünftige Diskussion überhaupt nicht mehr möglich ist. Ich wollte im Übrigen einmal zu einer solchen Perspektivkonferenz hingehen. Mein Regierungspräsident hat mir aber gesagt, ich dürfe dort nicht hin. Soviel zur Einschaltung des Parlaments.

Liebe Antragstellerinnen und Antragsteller der CSU, hätten Sie vor einem halben Jahr beantragt, die Bürgerinnen und Bürger sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter frühzeitig in den Prozess der Verwaltungs

reform einzubinden, so wären Sie wenigstens nicht unglaubwürdig gewesen. So aber wirken Ihre endlosen Schwüre von Dialog, von Miteinander und von echtem Bemühen, also jene Worthülsen, von denen die Texte in den Papieren zu den Perspektivkonferenzen nur so überfließen, geradezu grotesk, jedenfalls nicht glaubwürdig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir GRÜNE wollen die Menschen bei den Reformen mitnehmen. Wir wollen sie motivieren statt demotivieren. Das heißt vor allem und im krassen Gegensatz zu Ihnen: Erst nachdenken und dann handeln. Der Bericht des Obersten Rechnungshofs, über den wir in den letzten Wochen im Untersuchungsausschuss – – Entschuldigung, im Haushaltsausschuss – – Herr Ach, Sie hätten mich sicher korrigiert, und ich wäre zufrieden mit Ihnen gewesen.

(Manfred Ach (CSU): Ich passe schon auf!)

Der Bericht des Obersten Rechnungshofs, über den wir in den letzten Wochen im Haushaltsausschuss debattieren durften, hat deutlich gemacht, in welchem Umfang oft haarsträubende Fehler in der Staatsregierung gemacht wurden, Fehler, die den Steuerzahler zig Millionen Euro gekostet haben. Das verwaltungsinterne Controlling funktioniert nicht, ebenso wenig das interne Vorschlagswesen, bei dem meines Wissens sogar in der Staatskanzlei gekürzt wird. Die Impulse aus den Reihen der durchaus reformbereiten Beschäftigten müssen aber gefördert, nicht blockiert werden. Das haben uns im Übrigen alle Gespräche mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der oberen Landesbehörden gezeigt.

Wir brauchen eine sehr viel intensivere und bessere Personalentwicklung und Fortbildung. Auch hier wird gekürzt. Kurz: Bayern und seine Verwaltung brauchen zuallererst interne Reformen und keinen von Mediensucht – jeden Tag eine Schlagzeile, jeden Monat eine Reform – bestimmten und gesteuerten Aktionismus an der Spitze. Deshalb können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Thema Aktionismus an der Spitze: Die Ministerialebene Bayerns ist im Bundesvergleich personell völlig überbesetzt. Deshalb ist es kein Wunder, dass Sie diese Ebene in Ihrem Antrag völlig aussparen. Hier lässt Sie das schlechte Gewissen schweigen, das Sie wenigstens in diesem zentralen Bereich nicht verlassen hat. An der Spitze derer, die Wasser predigen und Wein saufen, liegt – ich wundere mich sehr – die Staatskanzlei, also der Ort, von dem die Spar- und Reformideologien übers Land gebracht werden. Wer es nicht glauben mag, schaue im ORH-Bericht nach. Keines der Einsparziele in der Staatskanzlei und in den Staatsministerien wurde erreicht. Soweit über

haupt Stellen gestrichen wurden, wurden sie flugs über Abordnungen von nachgeordneten Behörden wieder aufgefüllt. Die vom Obersten Rechnungshof schon vorher angemahnte Verringerung von Kleinstreferaten und Kleinstabteilungen fand insbesondere in der Staatskanzlei gar nicht und sonst nur in geringem Maße statt. In der Staatskanzlei hat sich die Zahl der Kleinstreferate sogar erhöht. In diesen Referaten verdient man sehr viel Geld damit, dass man die Reden schreibt, mit denen die Vorgesetzten den großen Spar- und Reformwillen der Staatsregierung verkünden. Selbst der Oberste Rechnungshof stellt hierzu fest – ich zitiere:

Auch ein Ländervergleich zeigt, dass in der bayerischen Staatsverwaltung noch erheblicher Gestaltungsspielraum zur Reduzierung von Aufgaben und Stellen bei den obersten Dienstbehörden besteht.

Hierzu finde ich kein Wort in Ihrem Antrag.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Versagen der Staatsregierung bei der Reform im eigenen Hause ist schon schlimm genug und zeigt im Übrigen auch das Übermaß des Zentralismus und der Zentralisierung in der Struktur der bayerischen Verwaltung. Besonders peinlich aber wird es dadurch, dass die Staatskanzlei damit jede Vorbildfunktion verliert. Eine Politik nach dem Motto „Hannemann, spar du voran“ ist unmoralisch. Im Übrigen empfehle ich Ihnen in diesem Zusammenhang die Geschichte der Sieben Schwaben durchaus als Lektüre. Wir GRÜNEN fordern eine deutliche Entschlackung in der Bayerischen Staatsregierung. Wir fordern eine drastische Verkleinerung der Staatskanzlei, eine Verringerung der Anzahl der Ministerien, die weitgehende Abschaffung der Staatssekretäre und die Verkleinerung der Ministerialbürokratie. Alle diese Forderungen stellen Sie nicht. Auch deshalb können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen.

Bayerns Verwaltung und Justiz sollen laut Antrag schlanker und effizienter werden. Die Verschlankung soll dabei – so Staatsminister Hubers Reden bei den Perspektivkonferenzen – so erfolgen, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diesen Reformprozess fair und konstruktiv begleiten. Das ist ein Zitat von Huber. Das versuchen derzeit unter anderem viele, denen das Schicksal des Bayerischen Obersten Landesgerichts am Herzen liegt. Im strengen Sinne sind es in diesem Falle bereits „vertrocknete Frösche“. Die Abschaffung dieses Gerichts ist nicht nur ein Verlust von Rechtskultur und ein Verzicht auf einheitliche Rechtsprechung in Bayern. Diese Abschaffung zeigt uns auch, dass es Ihnen gar nicht um Einspareffekte geht. Alleine durch die nicht erreichten Einsparziele bei den obersten Landesbehörden wurden 20Bayerischen Obersten Landesgerichts liegen wahrscheinlich weit unter der von Ihnen angegebenen 1 Million. Sie liegen also im Bereich von Peanuts. Das hätten wir Ihnen gerne auch früher gesagt. Dieser Dialog mit den

Betroffenen hat aber nicht stattgefunden, lieber Kollege Kiesel. Übrigens hat auch der Dialog zu diesem Thema im Parlament nicht stattgefunden.

Nehmen wir die Forstreform. Erlauben Sie mir drei Zitate zu präsentieren. Sie stellen sich bitte den Originalton dazu vor, und Sie werden mir dann sicherlich heftig applaudieren. Am 29. April schrieb Staatsminister Huber an das Bürgerwaldforum, dass die bisherige Organisationsform der Forstverwaltung richtig sei und dass die Beschlüsse der Bayerischen Staatsregierung zur Forstreform und Privatisierung nicht infrage gestellt werden. Weiter schrieb er, die Bündelung von Staatswaldbewirtschaftung, hoheitlichen Aufgaben sowie der Beratung und Förderung des Privat- und Körperschaftswaldes – also das Einheitsforstamt – ermögliche die Optimierung des Gesamtnutzens für alle Waldbesitzarten und diene dem Wald und den Gesamtinteressen der Gesellschaft am besten.

In den Wochen der Landtagswahl, nämlich am 29. September, legt Ministerpräsident Stoiber in einem Brief an die Waldbauernvereinigung Kempten nach. Er schreibt:

In der bestehenden forstlichen Organisationsform können Synergieeffekte zwischen Staatswaldberatung und den notwendigen Aufgaben der Beratung und Förderung für den Privatwald optimal genutzt werden.

Weiter schreibt er:

Wegen dieser generationsüberg reifenden Langfristigkeit der Notwendigkeit standortgerechter Wälder und der unverzichtbaren landeskulturellen Leistungen ist eine unentgeltliche effiziente und unabhängige staatliche Beratung als Ausgleich der strukturbedingten Nachteile auch in Zukunft notwendig.

Soweit Ministerpräsident Stoiber zur Wahlzeit. Hierzu passt das Zitat aus dem Bericht des Bayerischen Landtags über die im Ergebnis eindeutige Expertenanhörung zur Forstreform vor dem Agrarausschuss. Dabei wollte eine Teilnehmerin wissen, warum die Einheitsforstämter denn überhaupt abgeschafft werden sollten. Agrarausschussvorsitzender Helmut Brunner von der CSU sagte: „Diese Frage kann Ihnen niemand in diesem Saal beantworten.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist die Realität. Realität ist aber auch, dass in den nächsten Wochen im Rahmen des Projekts 21 die Forstreform im Grundsatz beschlossen werden soll. Wir sehen auch hier keine Möglichkeit, dem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Laut Ihrem Antrag – darauf hat Frau Naaß schon hingewiesen – wollen Sie den ländlichen Raum nicht einseitig belasten. Sie wollen die Präsenz der Verwaltung in der Fläche erhalten. In Wirklichkeit sind Sie aber da

bei, eine so genannte Ämteraußenstellen-Optimierung zu betreiben. Außenstellen von Ämtern wie Finanzämter oder Amtsgerichte sollen aufgelöst und in zentrale Behörden integriert werden. Wir können es nicht akzeptieren, dass Sie das eine sagen, das andere aber tun, Herr Kiesel. Auch deshalb leider keine Zustimmung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gäbe vieles Weitere, über das zu diskutieren wäre, beispielsweise über mehr Autonomie vor Ort.

(Thomas Kreuzer (CSU): Sie wollen alles beim Alten lassen?)

Ich habe am Anfang sogar einige Vorschläge gemacht, aber da waren Sie möglicherweise ins Gespräch mit Herrn Ach vertieft.

Bei mehr Autonomie vor Ort denke ich an die Grundund Hauptschulen oder an die ehrliche Diskussion über die Zukunft der Bezirkstage und Bezirksregierungen. Sie drücken sich um die entscheidenden inhaltlichen Fragen zur Zukunft der bayerischen Verwaltung bis heute herum. Sie drücken sich auch vor einer offenen Diskussion über die Inhalte hier im Landtag. Dieses Parlament ist aber nicht der Ort, wo wir über einen solchen Schaufensterantrag debattieren, sondern es ist der Ort, wo es um die Inhalte der Reform gehen muss. Ich habe es einleitend aufgezeigt, dass es die CSU in den vergangenen Jahrzehnten nicht geschafft hat und, wie wir wissen, es auch heute wieder nicht schaffen wird, vernünftige Reformen auf den Weg zu bringen. Zum anderen erfordern es auch die verfassungsmäßige Aufgabe dieses Parlamentes und unsere Selbstachtung als Abgeordnete, über diese Grundlagen der Reform und der Verwaltungsstrukturen in Bayern in diesem Haus zu debattieren. Hier ist der richtige Ort für die politische Auseinandersetzung über die geplante Verwaltungsreform.

Lieber Herr Kollege Kiesel, ich vermisse wirklich, dass Sie diesen eigentlich selbstverständlichen Anspruch in Ihrem Antrag nicht formuliert haben, weshalb wir auch diesen Antrag ablehnen. Der SPD-Antrag mag im Detail zu ausführlich sein, er trifft aber in seiner Intention genau den Kern, dass wir die demokratische Einbindung des Parlamentes einfordern müssen. Deshalb wird die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENdiesem Antrag auch zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ums Wort hat der Innenminister gebeten. Herr Beckstein, ich bitte Sie.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kolle

gen! Ich freue mich, dass ich in Vertretung des Kollegen Erwin Huber hier sprechen darf. Damit ist mir die Möglichkeit gegeben, dass ich auch hier zur Verwaltungsreform etwas sagen kann.

Zunächst aber ist es mir ein großes Anliegen, herauszustellen – und das steht auch im Dringlichkeitsantrag der CSU–Fraktion – dass wir eine qualifizierte Verwaltung haben. Ich sage auch als einer, der auf zahlreichen Ministerkonferenzen, auf Innenministerkonferenzen, Bauministerkonferenzen, zeitweise auch Verkehrsministerkonferenzen in Deutschland unterwegs ist, dass die bayerische Verwaltung einen außerordentlich hohen Ruf und eine außerordentlich hohe Anerkennung hat. Deshalb wissen wir auch, dass wir in der Qualität der Verwaltung jeden Wettbewerb mit jedem anderen Land aufnehmen können. Trotzdem ist es selbstverständlich, dass wir nach vielen Jahren schauen müssen, ob die Verwaltung noch den veränderten Umständen gemäß optimal aufgestellt ist. Ich sage das auch für die Polizeiverwaltung, für die ich selbst die Reform durchführen muss.

Ich meine, es muss selbstverständlich möglich sein, dass wir nicht nur billiger, sondern auch besser werden. Billiger und besser ist der Anspruch an die gesamte Verwaltungsreform in allen Bereichen, angefangen bei der Forstverwaltung bis hin zur Polizei und natürlich auch bis hin zu den Regierungen und Sonderbehörden.

Es geht darum, billiger zu werden. Es geht aber auch darum, noch besser zu werden.

Frau Kollegin Naaß, ich erkenne Ihre Geburtstagsrede an. Es gibt nichts Schöneres, als seinen Geburtstag im Plenum des Bayerischen Landtags zu feiern und zu reden, zumal zu diesem Mega–Thema „Verwaltungsreform.“ Aber der Antrag der SPD ist einfach nicht richtig. Aus meiner Sicht erkennt er nicht – und er will es auch nicht erkennen –, dass diese Reform alle vor eine große Herausforderung stellt. Es ist notwendig, nach vielen Jahrzehnten kontinuierlicher Entwicklung auch in einer Verwaltung vieles in Frage zu stellen. Auch die Verwaltung muss sich dem Anspruch stellen, besser und billiger zu werden.

Herr Kollege Hallitzky von den GRÜNEN rügte hier zum wiederholten Male, die Abgeordneten würden zu den Perspektiv–Konferenzen weder eingeladen noch zugelassen. Ich will hier noch einmal herausstellen, dass es sich dabei um Dienstbesprechungen handelt. Das bedeutet, es sind verwaltungsinterne Besprechungen.

(Zuruf der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

In der nächsten Woche will ich beispielsweise im Rahmen einer verwaltungsinternen Erörterung Gespräche mit den Polizeipräsidenten und den Polizeidirektoren führen, die Fragen der Polizei betreffen. Auch dabei werden keine Außenstehenden anwesend sein