Protokoll der Sitzung vom 12.02.2004

Sie kennen doch die Zahlen. Setzen Sie sich doch erst einmal mit den richtigen Zahlen auseinander. Gestern haben Sie der Presse Zahlen vorgelegt, die ich Ihnen in einer halben Stunde widerlegt habe. So ist es leider. Aber ich komme gern darauf zurück und kann es Ihnen gern auch noch einmal persönlich sagen.

Auch in diesem Entwurf des Nachtragshaushalts setzen wir unsere bewährte kommunalfreundliche Politik gegenüber unseren bayerischen Bezirken, Landkreisen, Städten und Gemeinden fort. Das ist Fakt. Etwa jeder fünfte Euro aus dem Staatshaushalt fließt an die Kommunen. Deshalb begrüßen wir ausdrücklich die zwischen dem Finanzministerium und den kommunalen Spitzenverbänden erzielte Einigung über den Entwurf des kommunalen Finanzausgleichs 2004.

Bayern unterstützt als einziges Land die Kommunen bei der Abfederung der Ausfälle durch das Vorziehen der Steuerreform. Ich habe darauf hingewiesen. So ist es möglich, den Gemeinden trotz der angespannten Haushaltslage zusätzliche Mittel in Höhe von 270 Millionen Euro zuzugestehen. H i e rd u rch und durch Umschichtungen bei der Investitionsförderung ist es möglich, die Schlüsselzuweisungen zu halten, die Sozialhilfeausgaben zu erhöhen und die Bedarfszuweisungen anzuheben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, fast zum Schluss möchte ich Ihnen eine Zahl nennen. – Herr Dr. Kaiser, hören Sie mir bitte zu. Insgesamt bleiben damit die reinen Landesleistungen für die Kommunen gegenüber dem Vorjahr praktisch stabil. Sie gehen nur um 0,3 Prozentpunkte zurück. Das ist kommunalfreundliche Politik eines Staates gegenüber seinen Kommunen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Präsident, ich komme fast schon zum Schluss. Mit diesem Entwurf des kommunalen Finanzausgleichs geht der Freistaat Bayern an die Grenze des Möglichen. Ich habe Verständnis dafür, dass die Kommunen auf ihre äußerst angespannte Finanzsituation hinweisen und die Probleme deutlich machen. Ich muss allerdings auch sagen, Bayern allein kann nicht das ausgleichen, was die rot-grüne Bundesregierung unseren Kommunen an Löchern aufreißt und Lasten aufbürdet. Das ist der Punkt. Die Kommunen leiden nämlich in erster Linie unter der Lastenverschiebung des Bundes. Stichwort: Grundsicherung oder die im Rahmen des SGB XII demnächst möglicherweise geplante Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, die die Kommunen belastet, wenn der Bund nicht hundertprozentigen Ersatz leistet.

Lassen Sie mich feststellen, nach meiner Überzeugung ist der eingeschlagene Konsolidierungskurs

richtig. Unsere langjährige seriöse und solide Politik wurde eindrucksvoll bestätigt, indem der Freistaat Bayern – Herr Kollege Dr. Kaiser, nehmen Sie das bitte zur Kenntnis – von der Ratingagentur Standard & Poor’s im Herbst wiederum mit dem Spitzenrating ausgezeichnet wurde. Begründet wurde dies im Wesentlichen mit der im Ländervergleich deutlich niedrigeren Verschuldung Bayerns. Außer Bayern wurde nur noch Baden-Württemberg mit der Bestnote ausgezeichnet.

Die wiederholte Anerkennung hat auch positive Auswirkungen und ist für Bayern ein Aushängeschild. Durch die Topbonität spart Bayern darüber hinaus etliche Millionen Euro an Zinszahlungen, weil wir in den Genuss günstigerer Zinskonditionen kommen können als alle anderen Länder. Auch dies bitte ich zur Kenntnis zu nehmen. Dieser positive Aspekt ist auch Ergebnis einer Politik, an der wir nicht rütteln lassen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Nachtragshaushalt wird, wie sich das bisher bewährt hat, ausführlich im Haushaltsausschuss beraten. Dies ist in diesem Landtag seit jeher ein gebräuchliches Verfahren. Der Vollständigkeit halber möchte ich bemerken, dass diese Regelung in der Geschäftsordnung des Landtags niedergelegt ist, die vor wenigen Monaten einstimmig – also auch mit den Stimmen der SPD – ein weiteres Mal bestätigt wurde. Nur weil es möglicherweise jetzt der SPD aus durchsichtigen Gründen opportun erscheint, fordert sie ein abweichendes Verfahren. Mit den Betroffenen brauchen wir aber nicht in den einzelnen Fachausschüssen zu reden. Sowohl wir von der CSU-Fraktion als auch die Staatsregierung standen und stehen mit den betroffenen Verbänden in einem sehr intensiven Meinungsaustausch.

Was bei den von der SPD geforderten weiteren Beratungen herauskommen würde, haben wir doch schon erkennen können. Aufgrund des Redebeitrags des Abgeordneten Dr. Kaiser wissen wir doch alle heute schon: der Ruf nach mehr Schulden, mehr Schulden und mehr Schulden. Die SPD hat leider nichts Neues zu bieten. Aber trotz alledem, liebe Kolleginnen und Kollegen, freue ich mich auf eine fruchtbare Auseinandersetzung, von der ich hoffe, dass sie trotz aller inhaltlichen Differenzen sachlich bleibt.

(Anhaltender Beifall bei der CSU)

Es liegen derzeit noch zwei Wortmeldungen vor, die von den Herren Kollegen Mütze und Hallitzky von der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN stammen. Das Wort hat Herr Kollege Mütze.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Herr Präsident hat darauf

hingewiesen, dass noch zwei Abgeordnete von den GRÜNEN sprechen werden. Das ist vielleicht etwas ungewöhnlich für Sie. Wir GRÜNE stellen aber im Haushaltsausschuss ausnahmsweise zwei Mitglieder. Deshalb haben wir uns unsere Redezeit geteilt. Ich denke, das ist vielleicht neu für Sie, aber sicher machbar.

Herr Finanzminister, ich bin ein bisschen enttäuscht von Ihrer Rede; denn es haben mir die richtige Verve und Überzeugung gefehlt. Das war allerdings bei Herrn Kollegen Ach genauso. So richtig überzeugt sind Sie von Ihrem Nachtragshaushalt nicht.

(Manfred Ach (CSU): Ich gebe Ihnen meine Rede zum Lesen!)

Man hat auch den Kollegen von der CSU angemerkt, so ganz begeistert waren sie nicht. Dass das jetzt – ich bin neu hier, und das ist meine erste Rede zum Nachtragshaushalt – das Highlight sein soll, habe ich bisher nicht gemerkt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dies ist ein fantastischer Haushalt. – Genau das hat der Finanzminister behauptet, als er diesen Haushalt vor der Presse vorgestellt hat. Ich muss schon sagen, da hat er Recht gehabt, mehr Recht, als uns allen lieb sein kann. Fantastisch in der Ankündigung, fantastisch in seinem Ausmaß, fantastisch in seinen Auswirkungen auf die Menschen in Bayern, nicht auf alle Menschen, aber auf spezielle. Ich werde nachher noch darauf kommen.

Aber genauso fantastisch in seinem Scheitern. Gescheitert beim gerechten, nachhaltigen Sparen – nicht so planlos, wie Sie, Herr Finanzminister, das gemacht haben, nämlich hektisch, weil es schnell gehen musste, manche weniger, andere dafür mit voller Wucht treffend. Und das auch noch rückwirkend im laufenden Haushaltsjahr. Gerade die Sportler wissen davon ein Lied zu singen.

Herr Finanzminister, Sie haben in diesem Haushalt alle Register gezogen. Sie haben getrickst und geschoben. Sie haben alle haushaltsre c h t l i c h e n Mittel eingesetzt, um zu dem vorliegenden Haushalt zu gelangen. Darauf können Sie wirklich stolz sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Allerdings muss es uns erlaubt sein, auf den Weg hinzuweisen – Herr Kollege Dr. Kaiser hat es bereits ausführlich getan –, den dieser Nachtragshaushalt in den letzten Monaten genommen hat, und auch auf die Politik, welche den Entwurf des Nachtragshaushalts so verkorkst hat werden lassen. Angefangen hat die ganze Malaise damit, dass Sie im Jahr 2000 beschlossen haben, wir gehen jetzt den Weg zu einem ausgeglichenen Haushalt im Jahr 2006.

Egal, was passiert, wir wollen und müssen sparen. Noch bei der Haushaltsaufstellung 2002 haben Sie meiner Vorgängerin, Frau Kellner, und Ihnen, meine Damen und Herren, natürlich auch fantastische Geschichten erzählt von wegen re d u z i e r t e Neuverschuldung, und im Jahr 2006 hätten wir dann einen ausgeglichen Haushalt. Dann aber steuerten Sie in eine ganz andere Richtung. Es lief wie in den Geschichten vom „Struwwelpeter“. Ich weiß nicht, ob Sie den „Struwwelpeter“ kennen; der Autor kommt aus Frankfurt. Wahrscheinlich kennen Sie diese fantastischen Geschichten; ich komme darauf, weil das auch so fantastisch ist. Dann kennen Sie auch den „Hans Guck-in-die-Luft“, der durch die Gegend läuft und nicht nach links und nicht nach rechts schaut. Er schaut auch nicht nach vorn, wo er die Probleme hätte sehen können. Von grüner Seite haben wir Sie auch darauf hingewiesen. Sparen Sie etwas, haben wir Ihnen geraten. Investieren Sie ins Sparen. Ich denke dabei an unsere Anträge zum Haushalt. Wir GRÜNE haben für eine Konsolidierung mit Augenmaß plädiert. Aber nein, das Gegenteil passierte. Sie hatten noch die Privatisierungserlöse zur Verfügung, und die verpulvern Sie schon seit 1996 auf Teufel komm raus in Bayern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich weiß, es ist noch Geld da. Sie haben es in die Offensiven gesteckt. In den Fonds ist noch ein bisschen da. Es ist aber weitestgehend festgelegt oder schon verbraten. Jetzt geht es Ihnen wie dem Hans, Sie fallen ins Wasser.

(Zuruf von der CSU: Hans Eichel!)

Ihnen schwimmen die Felle davon.

Man könnte Sie auch mit einem Autofahrer vergleichen, wobei dieser Vergleich bei einem GRÜNEN zwar weither geholt ist, aber mit einem Fahrradfahrer würde es nicht so schnell gehen. Drei Jahre sind Sie mit Vollgas durch Bayern gebrettert und haben das Geld mit vollen Händen aus dem Fenster geworfen. Heute treten Sie mit voller Kraft auf die Bremse. Sie sind ja angeschnallt, Herr Finanzminister. Ihnen kann also nichts passieren. Alle anderen aber in dem Fahrzeug Bayern, denen Sie und der Ministerpräsident noch vor kurzer Zeit erzählt haben, dass es keine Veränderungen geben w e rde, dass es niemandem schlechter gehen werde, und die sich eben im Vertrauen auf Ihre Politik nicht angeschnallt haben, fliegen jetzt nach v o rne und holen sich eine blutige Nase oder Schlimmeres.

(Beifall bei den GRÜNEN – Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser (Finanzministerium): Jetzt bekomme ich Sehnsucht nach Frau Kellner! – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Keine Zwischenrufe von der Regierungsbank!)

Damit müssen Sie sich jetzt die nächsten fünf Jahre auseinandersetzen, Herr Finanzminister.

(Beifall bei den GRÜNEN – Dr: Sepp Dürr (GRÜ- NE): Das ist aber sein geringstes Problem!)

Ich denke, das halten Sie schon durch.

Eingestiegen sind Sie und der Ministerpräsident mit der Ankündigung, dass 10 % des Haushaltes eingespart werden müssen. Das sind 2,5 Milliarden. Der bayerische Haushalt hat ein Volumen von 35 Milliarden, eigentlich müssten es 2,5 Milliarden sein. Bei so großen Zahlen ist man aber nicht mehr so genau, das kennen wir aus der Kommunalpolitik auch. Die eigentlichen Steuerausfälle – das wussten Sie damals schon ganz genau – lagen bei 1,8 Milliarden Euro. Was Sie getrieben hat, so hoch einzusteigen, bleibt uns verborgen.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Überreizt!)

Wahrscheinlich haben Sie sich an Tarifstreitigkeiten erinnert und gedacht, Sie steigen einmal möglichst hoch ein und sehen dann, was am Ende herauskommt,

(Zuruf von den GRÜNEN: Der hat das Spiel ver- wechselt!)

um das niedrige Ergebnis, wie es in Tarifverhandlungen so oft der Fall ist, als Erfolg zu verkaufen. So haben Sie es heute hier auch getan. Ihre eigene Fraktion haben Sie dermaßen erschreckt, dass sie sich schon gar nicht mehr zu klatschen traute. Sie haben glatt in ihren eigenen Reihen Widerstand gespürt und kamen nicht umhin, in die innerparteiliche Diskussion einzusteigen. In diesem Sinne hat die CSU von dieser Haushaltsaufstellung sogar profitiert.

(Beifall bei den GRÜNEN. – Sepp Dürr (GRÜ- NE): Eine völlig neue Erfahrung war das!)

In den vergangenen Monaten schrumpften diesen 2,5 Milliarden – ich will es nicht weiter ausbreiten – immer mehr und mehr. Von sinkender Neuverschuldung konnte nicht mehr die Rede sein. Inzwischen wurde das Wort sparen auch durch das Wort konsolidieren ersetzt. Konsolidieren schließt nämlich auch Erhöhungen mit ein. Sie sind jetzt bei einem Einsparvolumen in Höhe von 880 Millionen gelandet. Das entspricht 3,2 % des Gesamthaushaltes. Das ist unserer Meinung nach aber keine Konsolidierung, sondern der unsystematische und sprunghafte Kahlschlag.

Nun stellt sich die Frage: Auf wessen Kosten sparen Sie diesen geringen Prozentsatz ein? Ich will Ihnen sagen, auf wessen Kosten. Der Kollege Ach, mein Haushaltsausschussvorsitzender, ist jetzt zwar nicht

mehr da; ich will jetzt aber ein bisschen lamentieren, wie er es genannt hat.

Es kommen zunächst einmal diejenigen, die sich nicht wehren können, weil sie Staatsbedienstete sind. Sie müssen froh sein, dass sie in der heutigen Zeit einen sicheren Job haben. Ansonsten haben sie das Maul zu halten. Diese Beamten müssen schon seit Jahren Verschlechterungen einstecken. Zum Dank bekommen sie vom Ministerpräsidenten jedes Jahr in der Neujahrsansprache ein paar nette Worte und eine Mahnung, weiterzuarbeiten und dass man sich schon auf sie verlassen könne. Diese etwa 120 000 Staatsbediensteten müssen nun ab einer bestimmten Gehaltsstufe aufs Urlaubsgeld verzichten. Sie müssen auf einen Teil ihres Weihnachtsgeldes verzichten, die Beihilfe wird verschlechtert, und natürlich müssen sie mehr arbeiten. Das passt dazu. Ich persönlich hätte als Hauptschullehre r gegen die Kürzung meines Urlaubsgeldes nichts gehabt, wenn man mir gesagt hätte, dafür würden neue Lehrer eingestellt und ich würde entlastet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich hätte auf das Urlaubsgeld verzichtet, wenn ich dafür eine kleinere Klasse bekommen hätte, denn damit wären meinen Schülerinnen und Schülern auch bessere Chancen mit auf den Weg gegeben worden. Pustekuchen, das phantastische an dieser Geschichte ist doch, dass dazu auch noch Stellenkürzungen kommen, obwohl die Leute in den Schulen und den Finanzämtern dringend gebraucht werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dort, wo Sie Leute brauchen – in der Staatskanzlei oder bei überflüssigen Ministerien -, wird natürlich nicht gekürzt.

Gekürzt wird aber auf Kosten der Schwachen in u n s e rem Land, auf Kosten der Alten, der Behinderten, der Ausländer und der Kranken. Gekürzt wird auf Kosten all derer, die der staatlichen Fürsorge bedürfen. Sie zerstören damit die soziale Gerechtigkeit in Bayern. Dafür reicht Ihnen auch ein Einsparvolumen von 3,2 %.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist genau das Gegenteil vom Augenmaß und von der Sensibilität, wovon der Ministerpräsident gesprochen hat, als er den Haushalt vorgestellt hat. Ich möchte den Sozialhaushalt auch deswegen als einen der exemplarischen Haushalte herausgreifen, weil er deutlich macht, welche Auswirkungen Ihr Sparen in Bayern zeitigt.