Protokoll der Sitzung vom 11.12.2007

Dann nehmen wir die zehn Minuten. Allerdings muss die CSU-Fraktion es entsprechend in ihrem Kontingent einkalkulieren.

Darum würde ich sehr bitten, denn ich habe mich darauf eingestellt.

Im März 1999 war der Umweltausschuss im Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Wir haben die Fragestellungen aus den von mir eben erwähnten Diskussionen dorthin mitgenommen, und wir haben die Wissenschaftler nach Auslösungskriterien von Leukämie bei Kindern gefragt. Wir haben aufschlussreiche Erläuterungen bekommen vom damaligen Chef der Ulmer Universität Kinderklinik, Herrn Prof. Dr. Debatin, der die Ursachen für Leukämie bei Kindern in drei Bereichen sieht: erstens in der Vererbung, zweitens in der Umwelt und drittens in ihrer Lebensgeschichte. Bei Analysen in epidemiologischen Studien sind wir auf diese Ursachen gekommen und hinterfragen diese Ursachen. Hauptrisikofaktoren für Krebs – so haben wir dort erfahren und ich darf zitieren – und ihre Rangfolge:

Rauchen 30 %, Ernährung und Übergewicht 30 %, sitzender Lebensstil 5 %, berufliche Faktoren 5 %,

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Auch um Atomkraftwerke?)

ich komme gleich dazu –

familiäre Vorgeschichte 5 %, Viren und andere biologische Agenzien 5 %, perinatale Faktoren 5 %, Reproduktionsvorgeschichte 3 %, Alkohol 3 %, sozioökonomischer Status 3 %, Schadstoffbelastung der Umwelt 2 %

und jetzt kommt es -:

ionisierende und ultraviolette Strahlung 2 %,

(Zuruf des Abgeordneten Thomas Mütze (GRÜNE))

Medikamente und medizinische Behandlung 1%.

Das war damals die Aussage der Fachleute im Deutschen Krebsinstitut in Heidelberg, die Sie nachlesen können.

Im Januar 2002 hatten wir einen Bericht zu folgendem Thema: „Konsequenzen aus der Studie der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges über gehäufte Kinderkrebsraten im Umkreis bayerischer Atomkraftwerke“.

(Christine Kamm (GRÜNE): Haben Sie die Studien vorgestellt?)

Über die Antworten haben wir ausführlichst diskutiert.

Dann hatten wir eine Schriftliche Anfrage der Frau Kollegin Paulig vom Mai 2003. Sie hat die Strahlenbelastung rund um das Atomkraftwerk Grundremmingen nachgefragt. Auch darüber haben wir hier ausführlich diskutiert.

Damit will ich es beim Blick in die Historie belassen.

(Christine Kamm (GRÜNE): Es geht um die Zukunft!)

Aber ich halte ihn für richtig, weil durch die heutige Aktuelle Stunde von Ihnen der Eindruck erweckt wird, als würden sich der Bayerische Landtag oder allgemein wir in Deutschland uns zum ersten Mal mit diesem Thema befassen.

Als ich in den Medien die ersten Meldungen über diese Studien las, war mir klar, dass wir die Aussprache über diese Studien hier fortsetzen werden. Ich habe mich deshalb an meinen Laptop gesetzt und habe Herrn Minister Dr. Bernhard eine E-Mail geschickt mit der Bitte, uns bei allernächster Gelegenheit im Ausschuss einen Bericht zu geben. Während ich das geschrieben habe, bekam ich eine E-Mail von Herrn Staatssekretär Dr. Huber, der bekannt gab, dass das Ministerium diese Studie natürlich aufgreifen und hinterfragen und dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zur Analyse vorlegen werde.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Super!)

Dann kam die Pressemitteilung von Herrn Umweltminister Gabriel. Ich habe dann im Fernsehen gesehen, wie beeindruckt er von dieser Studie war. Sie können nachvollziehen, was ich sage. Er war vor allem von zwei Dingen aus der Studie beeindruckt – ich darf zitieren –: Die Studie geht von der Hypothese aus:

Es besteht kein Zusammenhang zwischen der Nähe der Wohnung zu einem Kernkraftwerk und dem Risiko, bis zum 5. Lebensjahr an Krebs zu erkranken. Es liegt kein negativer Abstandstrend des Erkennungsrisikos vor.

Werte Kolleginnen und Kollegen, das war die Hypothese dieser Studie, und nun die Schlussfolgerung – ich darf

wieder zitieren, wie es auch Herr Umweltminister Gabriel getan hat –:

Obwohl frühere Ergebnisse mit der aktuellen Studie reproduziert werden konnten, kann aufgrund des aktuellen strahlenbiologischen und epidemiologischen Wissens die von deutschen Kernkraftwerken im Normalbetrieb emittierte ionisierende Strahlung grundsätzlich nicht als Ursache interpretiert werden. Ob Confounder, Selektion oder Zufall bei den beobachteten Abstandstrends eine Rolle spielen, kann mit dieser Studie nicht abschließend geklärt werden.

Deswegen bin ich der Meinung, es bleibt dabei, dass sowohl Bekanntes aus unseren früheren Diskussionen, wie ich es erwähnt habe, als auch Neues zu hinterfragen ist.

Umweltminister Gabriel hat diese Studie, weil sie ihn so beeindruckt hat – –

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich komme zum Schluss.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Er redet jetzt für alle!)

Herr Gabriel hat diese Studie dem Bundesamt für Strahlenschutz zur Analyse vorgelegt. Wir haben sie dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zur Analyse vorgelegt. Wir werden diese parlamentarische Diskussion fortführen, die wir seit 1971 führen. Ich lade Sie dazu ein.

Lassen Sie uns diese Diskussion unter dem Gesichtspunkt führen: Gesundheit ist unser höchstes Gut.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von den GRÜNEN)

Nächste Rednerin: Frau Kollegin Sonnenholzner.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen hier über ein Thema, das in der Bevölkerung in hohem Maße angstbesetzt ist.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Kolleginnen und Kollegen, diese Angst ist in der Tat berechtigt; denn nicht nur aufgrund von Tschernobyl wissen wir, wie risikoreich die Nutzung der Atomenergie, auch die friedliche Nutzung, sein kann.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Befürchtungen der Bevölkerung werden durch Vertuschen und Verschleiern geschürt, das bei diesem Themenkreis gewöhnlich stattfindet. Wir haben das zuletzt in sehr erschreckender Weise bei den Störfällen in Schleswig-Holstein und der darauffolgenden Reaktion der Firma Vattenfall erlebt, die alles versucht hat, um diese Störfälle herunterzuspielen, statt Aufklärung zu betreiben und tatsächlich zu untersuchen, wie man die Probleme in den Griff bekommen kann.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deswegen müssen wir alle dieses Thema ernst nehmen; wir müssen ernsthaft darüber diskutieren. Ich finde es gut, dass wir darüber sprechen. Herr Kollege Kaul, Sie haben uns eine lange Historie dessen aufgezeigt, was Sie in diesem Haus erlebt haben. Dass ich mich weniger auf die Historie als auf die aktuellen Geschehnisse beziehe, mag daran liegen, dass dies meine erste Legislaturperiode hier ist. Festzuhalten bleibt aber schon, dass es in früheren Jahren die SPD war, die dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung gebracht hat, und dass die Summe der Verdachtsmomente, die sich in vielen Studien, in vielen Untersuchungen, nicht nur in Bayern, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit ergeben haben, tatsächlich die Vermutung nährt, dass es sich nicht nur um überzogene Befürchtungen handelt, sondern dass dahinter auch ein Kern steckt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Kaul, Sie haben sämtliche Prozentanteile genannt, die zu Krebserkrankungen führen können. Das war ein wenig tauglicher Versuch, das Thema herunterzuspielen;

(Henning Kaul (CSU): Das war nicht heruntergespielt!)

denn weder die sitzende Tätigkeit noch die berufliche Tätigkeit wird wohl ernsthaft tauglich sein, um Leukämiefälle bei Kindern unter fünf Jahren zu erklären.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Was ich von Ihnen gehört habe, war an keiner Stelle geeignet, um sich dem Thema seriös zu nähern, auch nicht die Ausführungen zu der Reaktion des Ministers Gabriel. Offensichtlich haben Sie sich nicht ernsthaft mit dieser Studie beschäftigt.

(Beifall bei der SPD)

Was waren denn die Ergebnisse dieser Studie, die vom Deutschen Kinderkrebsregister durchgeführt worden ist, einer Studie übrigens, die durchwegs und von allen als seriöse und ernsthafte Untersuchung bewertet wird?

(Glocke des Präsidenten)