Es ist eine komplizierte mathematisch-statistische Auswertung, die ich– obwohl ich auch einmal Statistik hören durfte – nicht über Nacht durchlesen konnte, um sie fundamental zu bewerten. Sie können das offensichtlich.
(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Sie haben doch so viele Leute! – Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))
Es ist wirklich bewundernswert, dass Sie die Aussage dieser Studie in so kurzer Zeit erfassen konnten und heute hier Konsequenzen wie die sofortige Abschaltung der Kernkraftwerke fordern und Versäumnisse anmahnen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich mahne zur Nüchternheit. Das Thema ist nicht geeignet, um Parteipolitik zu machen. Wir sollten uns dieser Sache nüchtern und objektiv nähern. Wir müssen die Frage klären, ob die Nähe des Wohnorts zu einem Kernkraftwerk in der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich ein Risikofaktor für die Entstehung von Krebserkrankungen bei Kindern ist.
Sie haben heute so getan, als hätten alle vorherigen Studien eindeutig dasselbe Ergebnis gebracht. Die Michaelis-Studie geht wohl auch in diese Richtung. Bei den bisher hier in Bayern gemachten Studien haben wir keine vergleichbaren Hinweise erhalten. In dieser neuen Studie gibt es Vermutungen und Hinweise, die wir uns genau anschauen müssen.
Ich darf betonen, dass diese Studie keinerlei Hinweise auf die tatsächliche Situation in Bayern gibt. Ich habe bereits veranlasst, dass das bayernspezifische Material aus dem Kinderkrebsregister erbeten wird, um das genauer anzuschauen.
Frau Sonnenholzner – Herr Kollege Zimmermann hat schon darauf hingewiesen –, das von Ihnen angemahnte Krebsregister ist schon flächendeckend.
Ich darf Sie an dieser Stelle loben; Sie haben einen Minister in Berlin, der korrekt gehandelt hat. Es ist mir nicht so oft möglich, zu sagen: Ich bin mit Ihnen vollkommen einer Meinung. Er hat vollkommen richtig reagiert. Er hat gesagt: Es gibt in keinem Fall Hinweise, dass die von den Kernkraftwerken an die Umwelt abgegebene Radioaktivität die Ursache ist,
und er beauftragt die Kommission mit dem meisten Sachverstand in Deutschland, die neutrale Strahlenschutzkommission. Ich hätte es genauso gemacht.
Die mathematisch-statistischen Methoden, die dieser Untersuchung zugrunde liegen, sind äußerst komplex; das Datenmaterial ist höchst umfangreich. Aus diesem Grunde begrüße ich die Vorgehensweise, die Herr Gabriel vorschlägt. Sie ziehen hingegen die Konsequenzen schon nach dem ersten Augenschein. Das entlarvt Sie. Sie sind nicht daran interessiert, sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen, sondern Sie wollen das nur ausschlachten. Wir in Bayern nehmen uns dieser Sache nicht erst seit heute gewissenhaft an.
Ich darf auf langjährige und sehr umfangreiche epidemiologische Untersuchungen in unserem strahlenbiologischen Umweltmonitoring hinweisen. Übrigens kann ich darauf verweisen, dass die von Wissenschaftlern des Bundesamtes für Strahlenschutz und der TU München für den Zeitraum 1979 bis 1997 erstellte Studie keinerlei Auffälligkeiten zu Krebserkrankungen im Kindesalter aufgezeigt hat. Diese Studie wurde vom Verein der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs überprüft. Die Bundesregierung hat am 20. August 2001 auf Anfrage unser Ergebnis bestätigt: keinerlei Auffälligkeiten, keinerlei Hinweise auf Häufungen von Krebserkrankungen im Kindesalter in der Nähe von Kernkraftwerken.
Als Vertreter von Minister Dr. Bernhard darf ich heute zu diesen Untersuchungen noch Folgendes ausführen: Wir nehmen diese Untersuchung sehr ernst; das sage ich ausdrücklich. Wir wollen eine dezidierte und kritische Überprüfung dieser wirklich hoch komplexen Materie. Aus diesem Grund habe ich – Kollege Meißner hat es schon angedeutet – sofort das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit beauftragt, die Aussagekraft und die Bedeutung dieser Studie für Bayern genau zu analysieren. Man braucht dafür echte Fachleute, es reicht nicht ein flüchtiger Blick. Das müssen Leute machen, die sich mit dieser Materie gut auskennen. Ein Hinweis darauf, dass es wert ist, sich das anzuschauen, ist die Tatsache, dass das Datenmaterial sehr gering ist. Es war notwendig, die Daten der Kernkraftwerke in einem Modell zu einem fiktiven Ort zusammenzufassen. Man konnte die Daten also nicht auf die Kernkraftwerke auseinanderrechnen. Man hat in der Studie die Annahme
getroffen, alle Fälle seien an einem Ort aufgetreten, um vernünftig auswertbare Zahlen zu erhalten. Ich darf die Autorin, Frau Professor Maria Blettner, zitieren, die bei der Vorstellung der Studie vorgestern darauf hingewiesen hat, es sei nicht auszuschließen, dass dieser Effekt das Ergebnis von nicht berücksichtigten Einflüssen oder von reinem Zufall sein könne. Das sagt die Frau, die diese Studie maßgeblich erarbeitet hat.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass wirklich etwas dran ist. Ich versuche nur zu erläutern, warum wir uns diese Studie erst einmal genau anschauen, bevor wir Forderungen wie Abschaltung und dergleichen aufstellen.
Dass aus diesen mathematisch-statistischen Modellberechnungen nicht unbedingt faktische Zusammenhänge abzuleiten sein müssen, liegt in der Natur der Sache. Das haben wir heute schon mehrfach gehört. Das steht auch im Gegensatz zu den von Ihnen zitierten Autoren, die jetzt schon die Konsequenzen gezogen haben.
Wir sollten uns dieser Sache mit großer Verantwortung näher. Wir haben in Bayern seit Beginn der Kernkraftnutzung – das ist schon ziemlich lange her, Kollege Kaul hat darauf hingewiesen – umfangreiche Messprogramme, und zwar nicht nur der Strahlungsemissionen sondern auch der Immissionen gemacht. Wir haben Messprogramme und technische Einrichtungen geschaffen, die das Geschehen kontinuierlich überwachen. Mehr Transparenz geht nicht. Sie haben jederzeit die Möglichkeit, sich die Ergebnisse über das LfU oder über das Ministerium zeitnah, praktisch in Echtzeit, über unser Kernreaktorfernüberwachungssystem anzuschauen. Nach heutigem Wissensstand ist die Strahlenexposition, die wir hier feststellen können, weit unterhalb der Größenordnung der natürlichen Strahlung. Der Standort Gundremmingen hat einen kumulierten rechnerischen Jahresexpositionswert von 0,0032 Millisievert pro Jahr. Die natürliche Strahlung beträgt rund das Tausendfache, nämlich über 2 Millisievert. Die durchschnittliche medizinische Exposition liegt bei 1,8 Millisievert. Von der Strahlenbelastung bei Leuten, die im Urlaub eine Fernreise unternehmen, brauche ich hier gar nicht zu sprechen.
Wir sollten hier nicht wieder alles neu infrage stellen und Dinge herbeireden, die in der Vergangenheit schon mehrfach untersucht wurden. Übrigens hat der Vorsitzende der Strahlenschutzkommission, der Essener Strahlenbiologe Prof. Dr. Wolfgang-Ulrich Müller, festgestellt, dass es in anderen Untersuchungen – und die gibt es weltweit, nicht nur in Deutschland –, gelegentlich zu einer Häufung von Leukämieerkrankungen gekommen ist, ganz unabhängig von der Nähe zu Kernkraftwerken. Ich zitiere den Vorsitzenden der Strahlenschutzkommission: „Es wäre weltweit das erste Mal, dass Krebsfolgen in einem solch extremen Niedrigdosisbereich nachgewiesen werden.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich fasse zusammen: Wir werden die Ergebnisse kritisch und professionell überprüfen lassen. Wir werden danach eine Wertung vornehmen, und wir werden uns die bayernspe
zifischen Aspekte genau anschauen. Ich danke Frau Sonnenholzner, die unterstrichen hat, es bestehe kein Grund zur Panik. Wir wollen nichts verniedlichen und nichts runterputzen. Wir wollen die Dinge ganz genau anschauen. Wenn wir uns ein Bild gemacht haben, ziehen wir die Konsequenzen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär Dr. Huber. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetzes und des Heilberufe-Kammergesetzes (Drs. 15/9461) – Erste Lesung –
Der Gesetzentwurf soll ohne Aussprache federführend an den Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik überwiesen werden.
Wer mit der vorgeschlagenen Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Ich bitte, die Gegenstimmen anzuzeigen. – Stimmenthaltungen? – Keine. Dann wird der Gesetzentwurf diesem Ausschuss als federführendem Ausschuss zugewiesen.
Gesetzentwurf der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u.a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (Drs. 15/9317) – Erste Lesung –
Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Ich darf hierzu Frau Kollegin Tolle das Wort erteilen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich fange mit folgendem Zitat an: „Wege entstehen beim Gehen, aber die Ziele entstehen im Kopf.“ Weil dieser Gesetzentwurf eine etwas trockene Überschrift hat, will ich Ihnen unser Ziel sagen. Unser Ziel ist eine demokratische Schule, die allen am Schulleben Beteiligten echte Entscheidungsrechte gibt. Das ist das Ziel, das der Landtag vorgeben soll und muss; das ist unsere Aufgabe, mehr nicht.
Wir vertrauen der Schulgemeinschaft, vertrauen darauf, dass sie dann ihren Weg selbst gehen kann. Wir wollen der Schulgemeinschaft echte Rechte verschaffen, und wir wollen diese Rechte im Gesetz und nicht in der Schulordnung verankert wissen.
Wie ist es bisher? – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CSU, bisher wollen Sie die Eigenverantwortung der Schulgemeinschaft nur verbal stärken. Das Resultat ist ein redaktionelles: In der Schulordnung steht vorne die Bedeutung der Schulgemeinschaft, und das ist dann auch schon alles. Wie sieht es mit Ihrem Vertrauen aus? – Die Landesschülervertretung ist noch ein eingetragener Verein. Sie haben diesen Verein schon einmal auf dem Klageweg bekämpft. Die bayerischen Schüler mussten 25 Jahre lang kämpfen, um zu beweisen, dass sie das geringe Vertrauen, das die Staatsregierung in eine echte Schülervertretung setzt, rechtfertigen können. Den Eltern werfen Sie auch ein paar Zuckerl hin. Sie sollen nun bei Veranstaltungen, bei der Sprachenfolge und bei der Festlegung von Unterrichts- und Pausenzeiten zustimmen dürfen.
Die Realität sieht anders aus. Ich habe selbst erlebt, dass Eltern an einem Gymnasium eine Ganztagesbetreuung wollten und der Direktor gesagt hat: „Voller Bauch studiert nicht gern.“ Damit war’s gut. Solche Zustände können wir in einer demokratischen Gesellschaft nicht zulassen.
Ihre Gedanken zu einer demokratischen Schule kann man mit „ziemlich Ebbe“ überschreiben. Sie haben Angst, die Zügel aus der Hand zu legen; dabei wissen wir alle, dass Demokratie erst gelernt werden muss. Die Vermittlung demokratischer Grundsätze ist auch Aufgabe der Schule. Das ist für uns eine große Chance; denn hier können wir alle erreichen, weil alle in die Schule gehen müssen mit Ausnahme einiger in Schwaben, die Kinder der Zwölf Stämme sind. – Der Fraktionsvorsitzende horcht immer dann auf, wenn ich „Schwaben“ sage. Demokratie, Herr Schmid, setzt Wertschätzung voraus, und diese drückt sich in Vertrauen aus. Das Vertrauen muss dazu führen, dass wir die Schulgemeinschaft in alle wichtigen Entscheidungsprozesse einbinden. Wir schlagen genau das vor.
Ich nenne kurz die wichtigsten Elemente unseres Gesetzentwurfs: Wir beschreiben die Angelegenheiten der Kreisschülerräte, ihre Rechte und ihre Pflichten. Wir beschreiben die Angelegenheiten der Kreiselternräte, ihre Rechte und ihre Pflichten.
Ein sehr wichtiger Punkt ist das Schulforum, das mit Eltern, Lehrern und Schülerinnen und Schülern paritätisch besetzt sein soll. Wir wünschen uns als Mitglieder auch Vertreter des Sachaufwandsträgers. Neu ist: Dieses Schulforum entscheidet über alle wesentlichen Fragen der Schulorganisation und nicht nur über ein paar Bonbons, die Sie ihm hinwerfen. Wir sehen in unserem Gesetzent
wurf einen Landesschülerrat und einen Landeselternrat vor, der als legitimierte Vertretung aller Schulen längst überfällig ist.
Ich schließe mit einem Zitat unseres Kultusministers, der einmal gesagt hat: Seien Sie mutig, denken Sie mutig; die Aufforderung loszulassen und zulassen gilt für uns alle. – In diesem Sinne freue ich mich auf die Debatte über den Gesetzentwurf.
Vielen Dank, Frau Kollegin. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Als Redezeit sind fünf Minuten pro Fraktion vorgesehen. Frau Kollegin Tolle, sprechen Sie jetzt auch gleich in der Aussprache?