Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche Ihnen allen einen wunderschönen guten Morgen und uns allen noch einen erfolgreichen Arbeitstag.
Ich eröffne die 113. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Sie ist natürlich wie immer erteilt worden.
Dringlichkeitsantrag der Abg. Georg Schmid, Thomas Kreuzer, Renate Dodell u. a. u. Frakt. (CSU) Keine Zweitwohnungssteuer für Auszubildende, Schüler und Studenten (Drs. 15/9520)
Ich eröffne die Aussprache und darf als Erstem Herrn Kollegen Meißner das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.
Guten Morgen, Frau Präsidentin! Hohes, hellwaches Haus, wo immer uns die Kollegen hören können! Wir beraten heute einen Antrag, der den Abschluss recht intensiver Beratungen und Überlegungen hinsichtlich einer Veränderung im Bereich der Zweitwohnungssteuer bildet. Zur Erinnerung: Wir als Landtag haben das normierte Verbot für Kommunen aufgehoben, eine Zweitwohnungssteuer zu erheben. Das hat die Kommunen in die Lage versetzt, entsprechende Satzungen und Verordnungen zu erlassen, um die Zweitwohnungssteuer zu erheben. Davon haben – zur Information – in Bayern 130 Kommunen Gebrauch gemacht; sie freuen sich über ein nicht unerhebliches Steueraufkommen. Ich habe mir die Daten geben lassen: Im Jahre 2006 waren es 19 Millionen Euro bayernweit, und schon im ersten Halbjahr 2007 waren es 15 Millionen Euro. Das Aufkommen wird noch weiter steigen, wenn wir nicht in einem Teilbereich tätig werden, über den ich sprechen möchte.
Unsere eigentliche Intention zur Aufhebung des Verbotes der Zweitwohnungssteuer war, dass wir es Kommunen, die überwiegend durch den Fremdenverkehr geprägt sind, ermöglichen wollten, eine Steuer zu erheben, wenn sie in ihrem Gemeindegebiet viele Zweitwohnungen haben. Nachdem wir dieses Verbot aufgehoben haben, war es auf der anderen Seite legitim, dass auch Ballungsräume, insbesondere Großstädte, darüber nachgedacht haben, dass auch sie Zweitwohnungen in ihren Mauern haben, und daher entsprechend tätig geworden sind. Vielleicht war mancher bei der Entscheidung – ich schließe mich selbst mit ein – ein wenig blauäugig. Man muss dazu aber sagen: In unseren internen Beratungen hatte der damalige Innenminister Beckstein – Ehre, wem Ehre gebührt – davor gewarnt, dass genau dies passieren könnte: dass nämlich insbesondere auch Ballungsräume tätig werden würden.
Aufgrund dieser Lage entsteht für Personen mit geringer fi nanzieller Leistungsfähigkeit – so haben wir sie in unserem Antrag bezeichnet –, vor allem für Schüler, Auszubildende und Studenten, ein Problem, ein Zwiespalt; denn der Umzug in einen Ballungsraum erfolgt oft nicht freiwillig, sondern zu Studienzwecken oder Ausbildungszwecken. Andererseits sind die jungen Leute ihrer Heimatgemeinde verbunden. Beispielsweise sind sie dort ehrenamtlich oder vielleicht auch kommunalpolitisch engagiert oder dort in sonstiger Weise besonders verwurzelt. Dann kommt aber München, Augsburg oder Nürnberg, klopft an die Tür und verlangt Zweitwohnungssteuer in übrigens nicht unerheblicher Höhe.
Perfi de ist dabei in besonderer Weise, dass nach dem Aufl aufen einer gewissen Steuerschuld oftmals angeboten wird, dass die Steuer nicht erhoben wird, wenn in der entsprechenden Großstadt die Anmeldung als Erstwohnsitz erfolge. Wie die Betroffenen damit umgehen, ist völlig logisch. Insbesondere Studenten, Auszubildende, aber auch junge Polizeibeamte oder Krankenschwestern ziehen daraus die Konsequenzen und melden ihren ersten Wohnsitz eben im Ballungsraum, in der Großstadt an. Dieses Verhalten ist aus meiner Sicht völlig nachvollziehbar.
Die Frage ist, ob wir jetzt gefordert sind, tätig zu werden; denn die Praxis der Ummeldung bedeutet letztlich, dass über die Finanzausgleichsmechanismen ein Effekt entsteht, den wir nicht haben wollen. Im ländlichen Raum fehlen dann nämlich letztendlich Gelder. Ich erinnere dabei daran, dass bei unseren Finanzausgleichsmechanismen jeder Einwohner in München oder anderen Großstädten ohnehin besonders berücksichtigt wird. Wenn sich junge Leute im ländlichen Raum abmelden, verstärkt dies den oftmals ohnehin schon vorhandenen Bevölkerungsschwund. Auch bei der fi nanziellen Umverteilung entstehen dann für die Kommunen im ländlichen Raum Probleme.
Dieser Entwicklung wollen wir mit dieser parlamentarischen Initiative entgegentreten. Wir sind von Studenten, aber auch von Bürgermeistern aus dem ländlichen Raum angesprochen und gebeten worden, tätig zu werden. Nur am Rande sei erwähnt: Mit der Abmeldung in der Heimatkommune geht vielleicht auch eine emotionale Bindung für immer verloren. Wir wollen aber den ländlichen Raum im Blick haben. Deswegen haben wir uns mit diesem Antrag dieser Geschichte angenommen. Ich verhehle dabei nicht, dass die rechtliche Problematik genauestens zu bedenken ist. Es gibt eine Reihe auch obergerichtlicher Urteile, die die Steuergerechtigkeit und den Gleichheitsgrundsatz in besonderer Weise betonen. Man muss also sehr genau überlegen, wie man einen Ausgleich, eine neue Lösung fi nden kann.
Wir haben jetzt an die fi nanzielle Leistungsfähigkeit derer angeknüpft, die die Zweitwohnungssteuer zahlen müssen oder sollen. Ich meine, dies ist der richtige Ansatz. Mit dem Antrag fordern wir die Staatsregierung auf, schon im 1. Quartal 2008 zu berichten, damit wir zügig vorankommen, und auch ein Konzept vorzulegen, das den juristischen Problemen Rechnung trägt.
Ich möchte in diesem Zusammenhang insbesondere unserem Innenminister Joachim Herrmann danken, der damals noch in seiner Eigenschaft als Fraktionsvorsitzender den Ball aus der Mitte der CSU-Fraktion aufgenommen hat. Er hat diesen Ball Zweitwohnungssteuer aufgenommen; er hat ihn selbst auf den Elfmeterpunkt gelegt. Das Interessante ist: Er ist jetzt Innenminister und kann diesen Ball mitten ins Tor schießen. Wir bitten um Zustimmung.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Meißner, es wundert mich jetzt schon, dass Sie sagen, dass der Antrag, der heute vorgelegt worden ist und nichts anderes als eine Bitte an die Staatsregierung beinhaltet, ein Konzept zu entwickeln, der Abschluss einer intensiven Diskussion sein soll. Wenn es der Abschluss einer intensiven Diskussion ist, dazu aufzufordern, ein Konzept zu entwickeln, dann scheinen Sie mit der Diskussion noch nicht sonderlich weit zu sein.
Tatsache ist, Herr Kollege Meißner, dass wir seit Monaten in der Zeitung lesen können, dass Sie die Abschaffung der Zweitwohnungssteuer fordern. Auf unsere Frage hin, wo denn nun der entsprechende Antrag geblieben ist, ist keine Antwort gekommen; es sei denn Ihre Antwort, die da gelautet hat, dass Sie nicht verstehen können, dass das Landtagsamt davon nichts weiß, dass es einen entsprechenden Antrag gebe. – Das ist alles Vorgeschichte.
Ich will daran erinnern, dass ich in diesem Jahr bereits zwei Anfragen – im Februar und im Juli – gestellt habe, weil uns natürlich auch zugetragen worden ist, was Sie gesagt haben. Gemeinden, speziell aus dem ländlichen Raum, haben beklagt, dass es wegen der Einführung der Zweitwohnungssteuer insbesondere in Universitätsstädten in einem nennenswerten Umfang zu Ummeldungen gekommen sei.
Ich habe deshalb mehrfach nachgefragt, ob das stimme, ob es dafür belastbare Zahlen gebe und welche Auswirkungen diese Entwicklung auf die Gemeinden im ländlichen Raum habe. Die Antwort kennen Sie. Sie lautet auch heute noch, dass es dafür keine belastbaren Zahlen gebe. Herr Kollege Schmid, das war eine Antwort des Staatsministeriums des Innern. Ich glaube, sie ist sogar noch von Ihnen unterzeichnet.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch Folgendes sagen: Erstens. Wir hatten damals, als das Verbot der Erhebung der Zweitwohnungssteuer aufgehoben worden
ist, nicht damit gerechnet, dass dies solche Folgen zeitigen würde. Wir alle haben mit dieser Regelung auf Fremdenverkehrsgemeinden abgezielt. Wir wussten aber aus anderen Bundesländern, wo es die Zweitwohnungssteuer bereits seit Jahrzehnten gibt, dass eine solche Regelung auch unerwünschte Effekte haben könnte. Niemand kann behaupten, diese Effekte seien über Nacht und völlig überraschend gekommen. Wir haben allerdings nicht mit Effekten in diesem Ausmaß gerechnet.
Zweitens. Unsere Vermutung, dass die Zweitwohnungssteuer eine Bagatellsteuer bleiben werde, ist nicht eingetroffen. Wenn wir uns das tatsächliche Aufkommen ansehen, stellen wir fest, dass das mehr als eine Bagatelle ist. Wir haben auch nicht damit gerechnet, dass 140 Städte und Gemeinden in Bayern sofort die Möglichkeit nutzen und eine Zweitwohnungssteuer einführen. Warum haben die Städte und Gemeinden das getan, trotz des Ärgers, der damit verbunden ist? – Sie haben es getan, weil die fi nanzielle Lage vieler Gemeinden damals katastrophal war. Die Gemeinden waren geradezu gezwungen, auch diese Einnahmequelle zu nutzen.
Drittens. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Zweitwohnungssteuer um eine Aufwandsteuer handelt. Sie ist eine Aufwandsteuer auf die Ein kommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf, in der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck kommt. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahre 1983 entschieden, dass es das Wesen der Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer ausschließe, für die Steuerpfl icht von vornherein auf die Absichten und verfolgten Zwecke abzustellen. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, dass es gegen den Gleichheitssatz verstoße, solche Zweitwohnungen nicht der Steuerpfl icht zu unterwerfen, die aus berufl ichen Gründen bzw. aus Gründen der Ausbildung gehalten würden. Das war im Jahre 1983. Ich hoffe mit Ihnen, dass wir eine andere Entscheidung bekämen, wenn jetzt eine solche Frage an das Bundesverfassungsgericht herangetragen würde.
Viertens. Ob jemand zur Zahlung einer Zweitwohnungssteuer herangezogen werden kann, hängt davon ab, ob die entsprechende Wohnung der Hauptwohnsitz oder der Nebenwohnsitz ist. Dies ist wiederum keine Frage der Satzungen der entsprechenden Gemeinden, sondern eine Frage des Melderechts. Bei verheirateten Berufstätigen, bei denen ein Partner aus berufl ichen Gründen eine zweite Wohnung unterhält, ist das kein Problem, weil die Ehe-Wohnung melderechtlich als Hauptwohnsitz gilt mit der Folge, dass die weitere Wohnung nur Nebenwohnsitz sein kann, aber wegen des besonderen Schutzes von Ehe und Familie nicht zur Zahlung einer Steuer herangezogen werden kann. Ähnlich dürfte es auch bei Nebenwohnungen von Minderjährigen, Schülern und Auszubildenden sein, weil bei diesem Personenkreis die Hauptwohnung die vorwiegend benutzte Wohnung der Personensorgeberechtigten ist. Bei volljährigen Studenten gilt diese Vermutung im Melderecht schon nicht mehr. Also liegt bei dieser Personengruppe das von Ihnen angesprochene Problem vor.
Die Erhebung von Zweitwohnungssteuern in einzelnen Städten, insbesondere in Universitätsstädten, hat zu dem von Ihnen genannten Effekt geführt. Auch uns geht es darum, dieses Problem zu lösen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es bestehen Zweifel, ob das mit Ihrem Antrag verfolgte Ziel mittels einer Regelung im Abgaben- und Steuerrecht erreicht werden kann oder mittels einer Anknüpfung allein an die Leistungsfähigkeit eines bestimmten Personenkreises. Angesichts der bisherigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts spricht einiges dafür, dass die Lösung des Problems eher im Melderecht zu suchen und auch zu fi nden ist. Dennoch stimmen wir Ihrem Antrag zu, weil der darin genannte Personenkreis bei der damaligen Änderung des Kommunalabgabengesetzes – KAG – nicht in erster Linie gemeint war und weil wir das mit dem Antrag verfolgte Ziel unterstützen.
Ich bin aber auf das Konzept gespannt, das uns das Innenministerium vorlegen wird, und hoffe, dass es tragfähig ist und dazu führt, diese unerwünschten Nebenwirkungen künftig zu vermeiden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bald ist Weihnachten. Die CSU möchte mit diesem Antrag gleich vier Gruppen ein besonderes Geschenk machen. Erstens möchte sie die Studenten beschenken mit der Hoffnung, bald keine Zweitwohnungssteuer mehr zahlen zu müssen.
Sie wollen außerdem die Gemeinden beschenken, die das Recht bekommen sollen, eine differenziertere Zweitwohnungssteuersatzung zu erlassen, als das derzeit möglich ist. Auch der Bayerische Landtag bekommt ein Geschenk, nämlich ein Konzept zu einer außerordentlich diffi zilen Frage.
Das Ganze ist natürlich auch ein Geschenk für den bayerischen Finanzminister, weil es ihn nichts kostet. Man könnte meinen, das sei eine wunderbare Sache. Der Haken liegt aber im Detail.
Herr Kollege Meißner, Sie sagten, Sie möchten durch die Zweitwohnungssteuer auf die Ummeldungen einwirken. Das leuchtet mir nicht ein; denn das Melderecht ist klar geregelt. Wenn Sie das Melderecht anders regeln
Der Landtag wird vermutlich kein tragfähiges Konzept bekommen, weil die Rechtsprechung aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes die Ausnahme bestimmter Personengruppen verbietet. Ich glaube, dass Sie auf diesem Weg die Hoffnungen, die Sie im Augenblick verbreiten wollen, nicht erfüllen können.
Ein weiteres Problem liegt darin, dass die Studenten vermutlich doch nicht so stark entlastet werden, wie Sie es hoffen. Der Ball liegt nicht auf dem Elfmeterpunkt. Herr Kollege Meißner, Sie kommen auf diesem Weg nicht an Ihr Ziel.
Es gibt Knackpunkte. – Ich möchte Ihnen daher Wege aufzeigen, wie Sie schneller und sicherer an Ihr Ziel kommen. Sie wollen die Studenten entlasten. Tun Sie das. Streichen Sie die Studiengebühren!
Sie wollen außerdem den Gemeinden mehr Handlungsspielraum geben. Tun Sie das. Erhöhen Sie den allgemeinen Finanzanteil im kommunalen Steuerausgleich.
Geben Sie den Kommunen mehr Möglichkeiten, selbst zu gestalten, und denken Sie auch darüber nach, die Zweitwohnsitzgemeldeten im kommunalen Finanzausgleich zu berücksichtigen. Dann hätten viele Kommunen keinen Anlass mehr, eine Zweitwohnungssteuer zu erheben. Herr Kollege Kränzle, das gilt auch für die Kommune, in der Sie wohnen.
Letztlich geht es darum, wie die Schlüsselmasse verteilt wird. Die Begründung für die Erhebung der Zweitwohnungssteuer durch die Kommunen lautet häufi g, dass bestimmte Infrastruktureinrichtungen für die Erstwohnsitzgemeldeten genauso wie für die Zweitwohnsitzgemeldeten und alle anwesenden Personen vorgehalten werden müssten. Es bietet sich daher an, diese Belastungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs auszugleichen.