Auch wir können hie und da einen Fehler machen. Wer für dieses Land so viel tut wie die CSU, der kann auch einmal einen Fehler machen.
Den Ländern wurde vom Bund vorgeschrieben, für die erste Stufe der Pfl egeversicherung zur Kompensation der mit dem Arbeitgeberbeitrag verbundenen Belastungen der Wirtschaft einen gesetzlichen landesweiten Feiertag zu streichen, der stets auf einen Werktag fällt. Nun wusste der Bund damals natürlich, dass er das aufgrund der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern nicht absolut verbindlich vorschreiben kann. Deswegen hat er einen zweiten Passus hinzugefügt, der besagt: Schafft ein Land keinen Feiertag ab, so wird den Arbeitnehmern für die erste Stufe der Pfl egeversicherung der volle Beitragssatz in Höhe von einem Prozent abgezogen.
Insoweit hätten dann die Arbeitnehmer auch den Arbeitgeberanteil in Höhe von einem halben Prozent selbst bezahlen müssen.
Bayern wollte das schon damals nicht, hat sich aber im Gesetzgebungsverfahren mit anderen Kompensationsmodellen leider nicht durchsetzen können. Wir hätten damals schon die Streichung eines Feiertags vermeiden wollen und andere Kompensationsmöglichkeiten ins Gespräch gebracht, die wir vorgezogen hätten. Die bun
desrechtliche Vorgabe des Pfl egeversicherungsgesetzes wurde dann aber in allen Ländern – mit Ausnahme des Freistaats Sachsen, wo den Arbeitnehmern bis heute in der Tat der volle Beitragssatz für die erste Stufe der Pfl egeversicherung abgezogen wird – landesrechtlich durch Streichung des Buß- und Bettags umgesetzt. In Bayern ist das durch die Änderung des Feiertagsgesetzes mit Wirkung vom 01.01.1995 geschehen. Das zur Historie. Die bundesrechtlichen Rahmenbedingungen haben sich seit 1994 nicht geändert.
Meine Damen und Herren von der SPD, ich habe jetzt an Sie eine Frage: Ihr Antrag spricht sich unbedingt dafür aus – also ohne Bedingungen –, dass der Buß- und Bettag als gesetzlicher Feiertag wieder eingeführt wird.
Wollen Sie, dass dann in Bayern die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Zukunft 0,5 % ihres Pfl egeversicherungsbeitrags selber bezahlen müssen?
(Franz Maget (SPD): Nein, nein! – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das haben wir nicht geschrieben!)
Aber natürlich haben Sie das geschrieben. Sie haben zwar vorausgestellt, dass man die Zusage des Ministerpräsidenten einlösen soll. Aber dieses politische Vorgeplänkel in einem Halbsatz ändert nichts an der Tatsache, dass Sie die bayerischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit 0,5 % Pfl egeversicherungsbeitrag für die erste Stufe der Pfl egeversicherung belasten wollen, genauso wie es der Freistaat Sachsen getan hat.
Darüber kann man reden. Aber wir wollen es lieber auf eine andere Weise machen, und dafür müssen die bundesrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden.
Der Ministerpräsident hat in seiner Grundaussage aus meiner Sicht auf jeden Fall recht. Ich möchte ihm dafür Dank und Anerkennung aussprechen; denn er hat auf den Punkt gebracht, was viele – nicht alle, wie ich zugebe – in der CSU-Fraktion des Bayerischen Landtags denken. Auch ich denke so. Es gibt in unserer Fraktion den einen oder anderen, der das nicht so sieht. Aber ich halte christliche Feiertage für einen so hohen Wert, dass man dafür etwas tun muss, auch wenn es im Einzelfall nicht ganz leicht fällt.
Ich darf noch einmal zitieren, nunmehr aus der Kundgebung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern vom 29.11. 2007, darin heißt es:
Der Buß- und Bettag erinnert daran: Nur eine Gesellschaft, die zum Innehalten, zur Selbstkritik und zur Umkehr in der Lage ist, ist zukunftsfähig. … Humanität bedarf der Einsicht, dass der Mensch in Beziehung zu Gott, zum Mitmenschen und zu sich selbst sein Leben gestalten … soll.
Entsprechendes gilt im Kern nicht nur für den Buß- und Bettag, sondern für jeden christlichen Feiertag. Deshalb ist, so meine ich, jeder christliche Feiertag zu schützen und zu bewahren. Dagegen ist schon viel zu oft und viel zu viel verstoßen worden. Es ist Zeit zur Umkehr und zur Kurskorrektur. Mit welchen Mitteln wir das machen wollen, ist zweitrangig und bedarf der sorgfältigen Überlegung. Ich schließe nichts aus, auch nicht den Urlaub. Ich habe schon erklärt, dass der bloße Urlaub und der bloße Freizeitausgleich einen anderen Stellenwert haben als der Feiertag, nicht nur in der Bayerischen Verfassung, sondern auch im Bewusstsein vieler Menschen. Deswegen sage ich: Wir schließen dazu nichts aus. Wir werden uns bemühen, eine Lösung zu fi nden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen, oder auf gut bayrisch: Wennst nix woaßt, halt‘s Mei. Nachdem Letzteres eine eher unparlamentarische Redewendung ist,
halten wir uns an Wittgenstein. Wittgenstein sagt, man sollte besser nichts sagen, solange sich der Sachverhalt der eigenen Erkenntnis verschließt. Damit wären wir beim Bayerischen Ministerpräsidenten.
Der hatte Ende November anlässlich der Tagung der Evangelischen Landessynode gefordert, und Sie, Herr Welnhofer, haben das jetzt erneut als Variante ins Spiel gebracht -, den Buß- und Bettag wieder zum gesetzlichen Feiertag zu machen und als Ausgleich von den Arbeitnehmern Überstunden zu verlangen und auf Urlaubstage zu verzichten. Herrn Beckstein und auch Ihnen, Herr Welnhofer, scheint also nicht bekannt zu sein, dass Urlaubsregelungen jenseits des gesetzlichen Mindesturlaubs tarifvertragliche Regelungen sind und sich sogar dem Durch
griff der CSU in Bayern verschließen. Deshalb ist dieser Weg nicht gangbar, wenn Sie nicht massiv an den Grundfesten der deutschen Tarifautonomie rütteln wollen.
Wir lehnen den Vorstoß von Ministerpräsident Beckstein aber auch wegen der spezifi sch bayerischen Vorgeschichte der Diskussionen um den Buß- und Bettag ab. 1994 beschloss die damalige Regierung aus CDU/CSU und FDP die Abschaffung eines gesetzlichen Feiertags. Auf Bitten des heutigen Ministerpräsidenten entschied sich Bayern damals für den Buß- und Bettag. Damit sollte – wir wissen es – die Pfl egeversicherung fi nanziert werden. Mit der kostenlosen Mehrarbeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten auch die Beiträge der Arbeitgeber für die Pfl egeversicherung abgedeckt werden. Eine kurze Nebenbemerkung: Es ist mir bis heute unklar, warum an dieser Stelle und in derart verschlungener, geradezu versteckter Weise die historisch bestehende Parität bei den Beiträgen zur Sozialversicherung aufgehoben wurde. Aber das sei hier nur am Rande angemerkt.
Die Tinte dieses absurden Gesetzes war noch nicht ganz trocken, da forderte bereits Ende 1995 der damalige Bayerische Ministerpräsident die Wiedereinführung des Buß- und Bettages, übrigens mit ähnlich absurden Vorschlägen zur Kompensation wie heute, mit Überstunden, Urlaubsregelungen und Ähnlichem.
Das kennen wir von Ihnen, von der CSU: Erst die Abschaffung des Buß- und Bettages mitmachen, und dann hier in Bayern dagegen Sturm rennen.
Bei Ihnen sind eben die Grenzen zwischen Heiligenschein und Scheinheiligkeit bei religiösen Themen besonders fl ießend.
Vollends bizzar werden aber die Scheininitiativen von Stoiber und Beckstein, da wir wissen, dass es ausschließlich die Länder sind – vom Nationalfeiertag 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit abgesehen –, die über die Feiertage beschließen. In Sachsen wurde etwas anderes beschlossen – das müssen Sie auch wissen –, bestätigt durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, dass der sächsische Weg zulässig war. Dort ist der Buß- und Bettag gesetzlicher Feiertag.
Deswegen sind derart pastorale Reden, wie ich sie gerade von Ihnen, Herr Welnhofer, gehört habe, unpassend im Hinblick auf den bestehenden Sachverhalt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie den Buß- und Bettag zum gesetzlichen Feiertag machen wollen, dann tun Sie es. Wenn Sie es nicht wollen, dann lassen Sie es sein, aber reden Sie dann bitte auch nicht so, als wollten Sie es tun.
Verschonen Sie uns deshalb bitte mit derartigen nachgezogenen Dringlichkeitsanträgen, mit denen Sie nur von Ihrer eigenen Zuständigkeit ablenken wollen.
Die Landessynode der Evangelischen Kirche ist in ihrer Wortwahl bezüglich dessen, was die CSU inszeniert, wie gewohnt sehr charmant,