Protokoll der Sitzung vom 19.02.2008

Genauso kommt es bei den Kommunen auch an. Deswegen schreibt der Präsident des Bayerischen Gemeindetags, ein Parteifreund von Ihnen, an die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister – an Ihre Adresse –: „Im sonntäglichen Hochamt huldigt man uns mit Weihrauch und singt das Hohelied der kommunalen Selbstverwaltung, im Alltag sieht es aber trist aus.“ Das schreibt er an Ihre Adresse!

(Beifall bei der SPD)

Heute war das schon wieder ein sonntägliches Hochamt, zwar mit viel Weihrauch, aber ohne Substanz.

Am 2. März sind in der Tat Kommunalwahlen. Sie haben zum Sturm auf die roten Rathäuser geblasen. Ich habe schon gesehen, wie Uli Maly der Angstschweiß auf die Stirn getreten ist. Sie werden bei diesen Kommunalwahlen keinen Erfolg haben, weil die Liste Ihrer Versäumnisse und Fehler auch in den Augen der Kommunen zu lang ist: eine schlechte Schulpolitik, ein Festhalten an dem überteuerten und sinnlosen Prestigeprojekt des Transrapids, bei der Kinderbetreuung lassen Sie die Kommunen im Stich, und jetzt verschaffen Sie den kommunalen Sparkassen auch noch einen hohen Zuzahlungsbedarf bei der Landesbank.

(Zuruf von der SPD) : Genau!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Kommunen genießen in unserem Land nach unserer verfassungsmäßigen Ordnung eine besondere Stellung. Deswegen treten wir auch für die Kommunen und die kommunale Selbstverwaltung ein. Wir verteidigen sie auch gegenüber der Europäischen Union, wenn es um die kommunale Daseinsvorsorge geht, nicht nur bei Trinkwasser, sondern auch bei der Energieversorgung, übrigens auch bei den Krankenhäusern. Da hätte ich Ihre Partei gerne stärker an unserer Seite. Ich komme aus München. Wir hatten sechs kommunale Krankenhäuser in dieser Stadt.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ludwig Spaenle (CSU))

Herr Kollege Spaenle, jetzt haben wir nur noch vier. Die SPD-Mehrheit in der Stadt München steht zu ihren kommunalen Krankenhäusern, und die CSU-Mehrheit im Landkreis hat ihre kommunalen Krankenhäuser privatisiert.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ludwig Spaenle (CSU))

Wir kämpfen für Volksdemokratie und Bürgerbeteiligung, und wir kämpfen auch für mehr Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Kommunen von der überbordenden Staatsbürokratie in Bayern.

Wir kämpfen auch für den Erhalt und die Festigung der kommunalen Finanzkraft. Wie war das mit der Gewerbesteuer, Herr Dr. Beckstein? – Sie haben völlig recht: Es ist gut, dass wir sie verteidigen konnten. Aber Sie dürfen unter den Angreifern auf die Gewerbesteuer nicht nur die CDU nennen, Sie müssen schon auch Ihren früheren Finanzminister, Herrn Faltlhauser, ins Spiel bringen, der die Gewerbesteuer als eine – wenn ich mich recht erinnere – veraltete Steuer bezeichnet hat, die man durch ein neueres Instrument ablösen müsste. Gegner der Gewerbesteuer befanden sich schon auch in Ihren eigenen Reihen. Es war gut, dass wir uns durchgesetzt haben und dass es bei der Gewerbesteuer geblieben ist.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen auch einen faireren Ausgleich zwischen Staat und Kommunen. Dass dieser Ausgleich jetzt nicht fair ist, will ich Ihnen mit vier kurzen Beispielen belegen. Ich nenne erstens die sogenannten Schlüsselzuweisungen. Die Kommunen sind daran über den Steuerverbund zwar beteiligt, aber die bayerische Verbundquote mit 11,7 % ist die niedrigste unter allen Flächenländern in Deutschland. Die erfreuliche Zunahme der Schlüsselzuweisungen in diesem Jahr ist ausschließlich auf die gute Konjunktur zurückzuführen und nicht auf strukturelle Verbesserungen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Georg Schmid (CSU))

Als zweites Beispiel nenne ich den Kraftfahrzeug-Steuerverbund, an dem die Kommunen einen Anteil hatten. Er lag vor einiger Zeit bei 872 Millionen; das waren 65 %. Heute sind es nur noch 760 Millionen, das sind 50 %.

Drittes Beispiel: Bei der Schülerbeförderung wurden den Kommunen früher 80 % der Kosten erstattet, jetzt sind es nur noch 60 %.

Was, viertens, die Investitionsquote betrifft, Herr Beckstein, so haben Sie hier groß getönt und gesagt: Wir haben eine Investitionsquote von 20,6 %.

Bei Ihrer letzten Regierungserklärung zur Kommunalpolitik lag die Investitionsquote noch bei 22,5 %. Die Investitionskraft der Kommunen ist also nicht gestiegen, sondern sie hat abgenommen. Übrigens: Ihre letzte Regierungser

klärung zur Kommunalpolitik war wann, in welchem Jahr? Jetzt dürfen Sie einmal raten. Sie war im Jahr 2002, einen Monat vor den Kommunalwahlen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das fi nde ich wunderbar. Alle sechs Jahre erinnert sich der Bayerische Ministerpräsident oder Innenminister an die Sorgen und Nöte der Kommunen. Deswegen stellt er sich alle sechs Jahre, einen Monat vor der Kommunalwahl, hierher und singt das Hohelied der Kommunalpolitik. Dann kann er sich wieder sechs Jahre lang auf die faule Haut legen und die Kommunen vergessen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Maget, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Wörner?

Nein, die Zeit läuft gnadenlos.

Vielleicht noch ein Satz zum Thema Konnexität: Herr Ministerpräsident, Sie trauen sich tatsächlich, hier so zu tun, als seien Sie immer schon ein Anhänger der Konnexität gewesen, als hätten Sie die Konnexität durchgesetzt. Sie haben gesagt: „Gut, dass es die Konnexität gibt.“ Das ist schon frech.

(Beifall bei der SPD)

Soll ich Ihnen einmal vorlesen, was Sie zum Thema Konnexität in der angesprochenen Regierungserklärung vor sechs Jahren an dieser Stelle gesagt haben?

(Ludwig Wörner (SPD): Der passt ja gar nicht auf!)

Hören Sie gut zu. Dr. Beckstein zum Thema Konnexität bei seiner letzten Regierungserklärung. Zitat:

Entgegen vielen Behauptungen bringt die Einführung des Konnexitätsprinzips keine Lösung; denn es schafft keine Mittel. Wo das Konnexitätsprinzip gilt, sind die Kommunen deswegen nicht reicher. Darüber hinaus sind konnexe Mittel gebundene Mittel. Der Staat muss als Geber kontrollieren, was mit dem Geld geschieht. Statt mehr Selbstverwaltung mit mehr Geld droht weniger Selbstverwaltung durch mehr Mittelbindung.

Heute tun Sie so, als hätten Sie die Konnexität erfunden. Sie belügen doch die Kommunen und die Öffentlichkeit nach Strich und Faden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN – Wi- derspruch bei der CSU)

Noch wichtiger erscheint mir, dass die Kommunen vom Staat zu sehr gegängelt und bevormundet werden. Sie müssen davon befreit werden.

(Beifall bei der SPD)

Die Bayerische Staatsregierung gibt sich nach außen sehr föderal und föderalistisch. Nach innen ist sie die zentralistischste Landesregierung, die es in Deutschland gibt. Jeden Tag wird ein kultusministerielles Schreiben, jeden Tag wird eine ministerielle Direktive herausgegeben. Die Liste der Verordnungen – von der Abschleppverordnung bis zu milchrechtlichen Vorschriften – ist ellenlang. Auch die Zahl der kommunalen Fördertöpfe wird nicht geringer. Derzeit gibt es davon Hunderte, verteilt auf 90 Haushaltstitel.

Woher kommen eigentlich diese Gängelung und diese Bevormundung? Wieso gibt es eigentlich diese vielen Fördertöpfe anstelle eines vernünftigen kommunalen Finanzausgleichs? Dafür gibt es eine einfache Antwort. Ein Beispiel: Eine Kommune in Bayern will etwas bauen, sagen wir eine Sportstätte oder etwas Ähnliches. Sie stellt deswegen einen Antrag auf staatliche Förderung. Der örtliche CSU-Abgeordnete meldet sich zum ersten Mal zu Wort und unterstützt den Antrag der Gemeinde auf staatliche Förderung.

(Georg Schmid (CSU): Die SPD fordert 20 % mehr Förderung!)

Dann wird über den Zuschuss beraten. Der Zuschussantrag wird gestellt und er wird genehmigt. In diesem Fall sagt der Staatssekretär: Wir unterstützen dieses Vorhaben der Gemeinde.

(Georg Schmid (CSU): Guter Staatssekretär!)

Ein guter Staatssekretär. Ein guter örtlicher CSU-Abgeordneter meldet sich auch wieder und sagt: Wir unterstützen das. Dieser Zuschussantrag wird genehmigt. Dann kommt es zum Spatenstich. Das ist für den Staatssekretär und den Abgeordneten vor Ort die dritte Gelegenheit, sich zu präsentieren. Beide sagen: Wir geben einen staatlichen Zuschuss.

(Georg Schmid (CSU): Der SPD-Kollege steht mit am Spaten!)

Der SPD-Kollege versucht, sich auch noch dazuzustellen. Er wird aber von der Heimatpresse am Bildrand weggeschnitten.

(Beifall bei der SPD – Heiterkeit – Georg Schmid (CSU): Guter SPD-Abgeordneter!)

Das ist die Wirklichkeit. Der vierte Akt der kommunalfreundlichen Politik nach Gutsherrenart in Bayern: Es kommt das allseits beliebte Richtfest. Das ist wieder eine gute Gelegenheit für die vielen Staatssekretäre, die wir haben, sich vor Ort zu zeigen, um den staatlichen Zuschuss zu loben.

(Georg Schmid (CSU): Der SPD-Abgeordnete steht in der Mitte und kommt auf das Bild!)

Herr Kollege Schmid, häufi g wird die Frage gestellt, wozu wir so viele Staatssekretäre brauchen. Das ist die Erklä

rung. Jetzt war er schon zum vierten Mal da. Herr Ministerpräsident, jetzt haben wir aber erst das Richtfest gefeiert. Als fünfter Akt folgt nun noch die feierliche Eröffnungsveranstaltung.

(Georg Schmid (CSU): Da ist die SPD ganz vorne!)

Dazu kommt der Minister vielleicht sogar persönlich. Das ist die sechste Gelegenheit, den staatlichen Zuschuss zu loben und zu preisen.

(Georg Schmid (CSU): Die SPD mit der Schere in der Hand! – Kurt Eckstein (CSU): Herr Maget, Veitshöchheim ist vorbei!)

Jetzt wird es spannend. Dann wartet die Kommune einige Jahre. Herr Dr. Beckstein, Ihr Lachen zeigt, wie nahe ich momentan an der bayerischen Lebenswirklichkeit dran bin.