Wir wissen doch alle – nicht zuletzt seit Pisa – um die absolut untragbare Situation, dass es in keinem anderen vergleichbarem Land Europas einen engeren Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft der Kinder und dem Schulweg, den sie beschreiten sowie den Schulabschlüssen, die sie erreichen können, gibt. Es verbleiben in diesem großen Haushalt wenige sozusagen frei verfügbare Mittel in Höhe von ca. 400 Millionen Euro, die für die Jugendarbeit, die Erwachsenenbildung und den Sport zur Verfügung stehen. Auch in diesem Bereich – das wissen alle, die in diesem Bereich tätig sind oder tätig waren - gibt es keine Reserven mehr. In den letzten Jahren wurden dort schon alle Einsparpotentiale realisiert, indem sich zum Beispiel in der Erwachsenenbildung der Haushaltsansatz schon seit den achtziger Jahren nicht verändert hat und im Bereich der Jugendarbeit über die Haushaltssperren schon lange vor Ort sehr viel weniger Mittel zur Verfügung stehen, als es nach dem Haushalt den Anschein hat.
15 % Kürzungen führen in beiden Bereichen zu einer Zerstörung von Strukturen und zur Einstellung von Maßnahmen und Angeboten und machen oft mühselig und mit viel ehrenamtlichen Einsatz aufgebaute Aktivitäten zunichte.
Ehrenamtlich Tätige werden bestraft und ihr Engagement wird mit Füßen getreten. Verdient hätten all die ehrenamtlich tätigen jungen Menschen und die
Für absolut unverantwortlich halte ich in dieser ganzen Spar- und Kürzungsdebatte den Umgang der Staatsregierung und der CSU-Fraktion mit den Beschäftigten des Freistaats Bayern und insbesondere – wenn es um den Bildungsbereich geht – mit den Lehrerinnen und Lehrern. In einer wirklich unerträglich populistischen Art und Weise wird so getan, als gebe es in deren Arbeitszeitbudget ungeahnte Reserven. Der Bevölkerung wird nach ihrem Vorgehen, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSUFraktion, der Eindruck vermittelt, unsere Lehrerinnen und Lehrer könnten leicht ein paar Stunden mehr arbeiten, sollten einfach nur länger in den Schulhäusern bleiben und dann würden sich die Probleme der Schulen schon von selbst lösen.
Entgegen allen Versprechungen vor der Wahl wurden zudem bedeutende Veränderungen in der Schulstruktur vorgenommen, zum Beispiel die gymnasiale Schulzeitverkürzung, das Einschulungsalter herabgesetzt, ohne dass vor Ort mit den Betroffenen die dafür notwendigen Vorbereitungen durchgeführt worden wären. Es wird von Lehrerinnen und Lehrern damit schon von Haus aus sehr viel mehr an Arbeit und ein wirklich zusätzlicher Aufwand verlangt.
Entgegen allen Versprechungen vor der Wahl und allen Absprachen im Zusammenhang mit der Einführung des Arbeitszeitkontos wird zudem jetzt auch noch die Wochenarbeitszeit erhöht und sozusagen per Gesetz eine Unterrichtsstunde mehr verordnet sowie eine Nachmittagspräsenz an zwei Tagen angekündigt, ohne dass Sie bis heute den Lehrerinnen und Lehrern sagen können, was da genau gemacht werden soll, wie der Mehraufwand umgelegt werden soll und ob es dafür einen Arbeitszeitausgleich gibt oder ob das ganze einfach umsonst stattfinden soll.
Ich muss Ihnen sagen: Ich kann allzu gut verstehen, dass es den Lehrerinnen und Lehrern jetzt wirklich reicht. So kann man nämlich mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht umgehen. Wenn Sie als Staatsregierung wollen, dass Lehrerinnen und Lehrer engagiert und einsatzbereit ihre Aufgaben in Angriff nehmen, sich in ganz besonderem Maße neuen Herausforderungen stellen und Veränderungen tatkräftig unterstützen, dann müssen Sie einen anderen Umgang mit den Lehrerinnen und Lehrern pflegen.
Das Schlimme ist, liebe Kolleginnen und Kollegen auf der rechten Seite von mir aus gesehen, Sie verärgern ja nicht nur die Lehrerinnen und Lehrer, Sie zerstören mit Ihrer Politik auch vieles von dem, was in unseren Schulen vor Ort mit großen Engagement aufgebaut worden ist.
Das ist nicht unglaublich. Fragen Sie den Kollegen Stahl. Er war gestern mit mir in Weiden. Das können Sie sich vor Ort schon anschauen und von Lehrerinnen und Lehrern, die Ihrer Partei angehören, sagen lassen.
Gerade das, was im Rahmen der inneren Schulentwicklung erreicht wurde und von den Modus-21Schulen erarbeitet wurde, wird in der Schulbade verschwinden müssen, weil die Lehrerinnen und Lehrer vor Ort weder die Zeit aufbringen können noch die Kraft haben, geschweige denn die Motivation, um sich auch nach den Unterricht noch zusätzlich engagieren zu können.
Mit Ihrem Tun schaden Sie auch nachdrücklich dem Ansehen des Lehrberufs. Dabei wissen Sie genauso gut wie ich, dass wir seit geraumer Zeit damit zu kämpfen haben, dass sich viel zu wenig junge Menschen für das Studium des Lehramts entscheiden und dass Sie im Grunde genommen bei allen Schularten mit einem erheblichen Lehrermangel rechnen müssen oder ihn schon haben.
Ich appelliere wirklich eindringlich an Sie: Nehmen Sie sich dieses Problems endlich an und unterstützen Sie bzw. initiieren Sie nicht Aktivitäten, die wieder genau das Gegenteil von dem erreichen. Das wird so kommen, denn mit der Arbeitszeitverlängerung für Lehrerinnen und Lehrer wird sich das Problem noch erheblich verschärfen. Ich traue es Ihnen nämlich zu, dass Sie die Situation nutzen werden, um ganzen Jahrgängen angehender Lehrerinnen und Lehrer die Einstellung zu verweigern und dies damit begründen, dass die durch die Arbeitszeitverlängerung erbrachten Stundenzahlen diese Einstellung entbehrlich machen.
Da braucht man sich nicht mehr zu wundern, dass man keine jungen Menschen mehr für das Lehramt findet.
Ich glaube, es ist wirklich an der Zeit, dass Sie zu Ihren Wahlversprechen zurückkehren, dass Sie aufhören, im Bildungsbereich zu kürzen, dass Sie in den Nachtragshaushalt die Ausgaben wieder einstellen, die ohne Kürzungen drin wären und bereit sind, unseren Antrag zu unterstützen, und dass Sie
gerade die mobile Reserve besser ausstatten, um dem verheerenden Unterrichtsausfall besser begegnen zu können.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal wünsche ich Ihnen an dieser Stelle einen schönen guten Abend. Ich freue mich, dass Sie hier noch so zahlreich vertreten sind, um sich die Argumente der SPD anzuhören. Ich hoffe, ich interpretiere es nicht falsch, dass sich die Reihen der CSU langsam wieder stärker füllen. Grund dafür ist hoffentlich Interesse an meiner Rede und nicht Ihre Hoffnung, dass wir schon zur Abstimmung kommen; denn ich denke, wir haben jetzt etwa die Halbzeit in unserer Debatte erreicht.
Spaß beiseite: Falls Sie sich fragen, was die dazu bewogen hat, Sie heute bis weit nach Mitternacht hier in einer konstruktiven Debatte festzuhalten, dann gebe ich Ihnen darauf zwei Antworten. Erstens. Einige von uns haben nach wie vor ihren Optimismus nicht aufgegeben und hoffen, dass Sie nicht beratungsresistent sind. Zweitens. Debatten im Plenum sind Bestandteil symbolischer Politik. Mit dieser umfangreichen Debatte wollen wir Ihnen und vor allem den Wählerinnen und Wählern draußen zeigen, dass wir Sozialdemokraten die Proteste und Einsprüche gegen die Kahlschlagpolitik sehr wohl wahr- und ernst genommen haben.
In seiner Regierungserklärung sprach Herr Ministerpräsident davon, dass die aktuelle Politik der Staatsregierung auf die Zukunftssicherung der Kinder und Jugendlichen ausgerichtet sein soll; denn er wolle gerade den jungen Menschen Perspektiven geben für deren Zukunft in Bayern. Das ist schön gesagt und schön gedacht; darin bin ich d‘accord mit dem Ministerpräsidenten.
Ich glaube aber – nein, ich bin davon überzeugt –, dass sein Weg dorthin zumindest auf weiten Strecken falsch ist. Als jemand, der 17 Jahre in der ehrenamtlichen Jugendarbeit tätig war –
Einen Augenblick, Herr Kollege. Ich bitte die Herren auf der – gewissermaßen – Diplomatenlogen-Vorbank, entweder draußen zu feiern oder drin zuzuhören.
Argumenten Glauben schenken und verstehen, dass wir Recht haben. Sie müssen dann natürlich sofort darüber diskutieren, wie Sie das umsetzen wollen.
Wie gesagt, ich werde hier über die Kürzungen der Mittel für die Jugendverbandsarbeit und das Jugendverbandswesen sprechen. Ich habe in diesem Bereich 17 Jahre ehrenamtlich gearbeitet, wie auch einige aus der CSU, die wissen, wovon ich rede. Ich biete Herrn Ministerpräsidenten meinen Rat an. Leider ist er schon seit einigen Stunden nicht mehr da und lauscht unseren Argumenten nicht. Umso mehr freue ich mich über die Kolleginnen und Kollegen, die hier so lange ausgeharrt haben. Im Interesse der Kinder und Jugendlichen in Bayern – deswegen rechne ich mit Ihrer uneingeschränkten Aufmerksamkeit – will ich die Konsequenzen aus der drohenden Kürzung um 15 % im Jugendbereich deutlich machen. Ich will Ihnen verdeutlichen, welche Einschnitte gemacht werden müssen, um die Kürzungen von 3,8 Millionen Euro zuzüglich der Regelsperre von 3,2 Millionen Euro zu erbringen. Es sollte nach dem heutigen Abend unter uns keinen gewählten Volksvertreter und keine gewählten Volksvertreterinnen mehr geben, auch keinen aus den Reihen der CSU, der nicht weiß, was die drohenden Kürzungen für die Jugendarbeit konkret bedeuten, keine und keinen, die oder der nicht wissen sollte, dass dieser Kahlschlag weder im Interesse der zukünftigen Generationen noch im Interesse der Gesellschaft insgesamt sein kann, weil der Preis, den dieses Land dafür zu zahlen hat, in keinem Verhältnis zu dem angeblichen Einsparungsnutzen steht.
Angesichts des Kürzungsvolumens des diesjährigen Nachtragshaushaltes sind die 3,8 Millionen Euro, welche die Jugendarbeit betreffen, nur ein kleiner Einsparbetrag; doch für die Jugendarbeit bedeuten diese 15 % – ich hoffe, dass Sie das nach meinem Redebeitrag nachvollziehen können – gravierende Einschnitte. Jeder Euro weniger für die Jugendarbeit ist immer noch ein Euro zuviel eingespart, weil Jugendverbände und Jugendringe freiwilliges Engagement und demokratische Willensbildung fördern. Jugendbildungsstätten sind Orte sozialen Lernens und Erlebens. Mitarbeiter qualifiziert ehrenamtliches Engagement, und Jugendbildung macht fit fürs Leben. Kurzum: Eine aktive Bürgergesellschaft, die wir alle anstreben, braucht die Jugendarbeit wie der Fisch das Wasser.
Schon deshalb ist jeder Euro für die Jugendarbeit immer auch ein Euro für die Zukunft unseres Landes, somit ein Euro für die Zukunft der Jugend, für
die Sie, meine Damen und Herren von der CSU, so massiv streiten wollen. Deshalb ist jeder Euro für die Jugendarbeit auch betriebswirtschaftlich gesehen eine Investition mit größtmöglicher Rendite. Schon deshalb ist die Staatsregierung im Unrecht, wenn sie meint, mit einem Sparkonzept nach dem Rasenmäherprinzip die Zukunft der Jugend sichern zu können; denn sie sichert nicht die Zukunft der kommenden Generationen, sondern läuft Gefahr, die Zukunft unserer Jugend und unseres Landes kaputtzusparen.
Beachten Sie in diesem Zusammenhang, dass sich der Bereich der Jugendarbeit nicht nur den 15 % der regulären Kürzung unterwerfen muss, sondern schon seit Jahren durch eine Regelsperre belastet wird. Das heißt, zu der Kürzung von 3,8 Millionen Euro ist auch noch die Regelsperre von circa 3,2 Millionen Euro zu erbringen. Die Präsidentin des Bayerischen Jugendrings versicherte uns glaubwürdig, dass allein die Kürzungen aufgrund der Regelsperre der letzten Jahre dazu geführt hat, dass die organisierte Jugendarbeit in Bayern in einigen Förderbereichen schon lange nicht mehr die vom Finanzministerium beschlossenen Förderrichtlinien umsetzen konnte. Außerdem haben andere Zuschussempfänger eine deutlich höhere institutionelle Förderung, die sie von der Regelsperre und allen anderen globalen Minderausgaben und Zusatzsperren befreit. All dies muss der Bayerische Jugendring für fast 90 % des Jugendprogramms zusätzlich zu den Kürzungen erbringen. So war der Bayerische Jugendring bereits in der Vergangenheit wesentlich stärker als andere belastet und musste überproportionale Einschnitte ins Jugendprogramm vornehmen.
Auch jetzt wollen Sie seine Mittel um weitere 15 % kürzen. Zusammen mit der Regelsperre ergibt das 28 %. Das sind fast 7 Millionen, die der Jugendarbeit dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Meine Damen und Herren, das geht an die Substanz.
Das bedeutet immer noch deutliche Einschnitte beim Personal der Jugendarbeit. Bei den Jugendbildungsmaßnahmen führt die Regelsperre bereits jetzt dazu, dass nur noch 38 % der Kosten einer Maßnahme gefördert werden können statt der geplanten 60 %. Eine weitere Kürzung um 15 % wird zum Wegfall von mindestens 1200 Bildungsmaßnahmen der Jugendarbeit führen, da weder die Eltern noch die Träger der Maßnahmen noch stärker als bisher durch Teilnehmerbeiträge und Eigenmittel des Trägers Zuschuss leisten können.
Schlüsselqualifikationen vermittelt, die für die Arbeit der Zukunft sehr wichtig sind, wird damit massiv eingeschränkt. Sieht so eine konsequente Prioritätensetzung für Bildung und für die Jugend aus? Das frage ich mich an dieser Stelle.
Bei der Aus- und Fortbildung ehrenamtlicher Gruppenleiter und Gruppenleiterinnen wird die Kürzung ebenfalls zum Ausfall von mindestens 450 Maßnahmen führen, hat uns die Präsidentin des Bayerischen Jugendrings vorgerechnet. Wollen Sie von den Jugendlichen verlangen, dass sie neben der Zeit und dem Engagement für das Ehrenamt auch noch deutlich höhere Teilnehmerbeiträge für die notwendige Ausbildung zum Jugendleiter zahlen als bisher? Oder sollen etwa nur noch die Jugendlichen ehrenamtlich tätig werden, deren Eltern sich das leisten können?
Bedenken Sie die andere Variante: Weniger ausgebildete Gruppenleiter und Gruppenleiterinnen führen automatisch zu weniger Angeboten in der Jugendarbeit, zu weniger die Eltern entlastenden Gruppenstunden, zu weniger Ferienfreizeiten und zu weniger ergänzenden Bildungsangeboten für junge Menschen. Der Freistaat verliert damit auch ein enormes Potenzial an ehrenamtlich erbrachten Leistungen, die ihm bisher sehr viel Geld erspart haben. Diese Leistungen kann man monetär berechnen. Würde man das Engagement, das die 230 000 Ehrenamtlichen in der Jugendarbeit erbringen, nur einmal mit 5 Euro pro Stunde in Rechnung stellen, ergäbe dies bei durchschnittlich fünf Stunden pro Woche und 40 Wochen im Jahr ein Volumen von 230 Millionen Euro.