Protokoll der Sitzung vom 16.03.2004

(Beifall bei der SPD)

Diese Maßnahmen der CSU-Staatsregierung sind – Zitat – „tödliche Stiche ins Herz des Kulturstaates Bayern“, der doch eigentlich verpflichtet ist, das kulturelle Erbe zu erhalten und zu pflegen. Bayern habe jedoch begonnen, sich seiner Verantwortung für Geschichte und Kultur zu entziehen. „Die Bavaria wird kahl geschoren„, so heißt die Überschrift in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 10. März 2004. Weiter heißt es:

„Hier wird nicht nur das historische Gedächtnis des Landes geschädigt, wer künftigen Lehrern die landesgeschichtliche Ausbildung verweigert, legt auch die Axt an den deutschen Föderalismus„, stellt der Vorsitzende des Verbandes Bayerischer Geschichts

vereine, Manfred Treml, fest. Die Heimatverbände zeigen sich einig, ohne Geschichtsund Heimatbewusstsein gäbe es bald nur noch Kommerzfolklore, die den Kulturstaat Bayern vollends ruiniere.

Wenn ich daran denke, wie Sie gerade die Aktivitäten unseres Kollegen Hermann Memmel in der Vergangenheit belächelt haben, und jetzt Ihre Politik ansehe, dann muss ich wie bei der inneren Sicherheit feststellen: Wir, die bayerischen Sozialdemokraten, und nicht die CSU sind die Wahrer des geschichtlichen und kulturellen Erbes unseres Landes.

(Beifall bei der SPD)

Was die Vertriebenen anbelangt: Da stellt sich der Ministerpräsident am Pfingsttreffen der Sudetendeutschen Landesmannschaft hin, zeigt den Finger auf Berlin und sagt: „Die Mittel für Kulturarbeit aus Berlin werden massiv gekürzt, wir in Bayern kürzen nicht.„ Dann geht es um ein paar zehntausend Euro im bayerischen Nachtragshaushalt und auch die werden weggekürzt, auch wenn die Arbeit der Geschäftsstelle des Bundes der Vertriebenen in Bayern gefährdet ist. Das ist Doppelzüngigkeit – vor der Wahl so sprechen und nach der Wahl anders handeln.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die Bayerische Verfassung schreibt in Artikel 118 vor, gleichwertige Lebensbedingungen für behinderte und kranke Menschen zu schaffen. Die massiven Einschnitte im Sozialhaushalt, insbesondere bei dem Landesplan für Menschen mit Behinderung, beim Blindengeld und beim Landespsychiatrieplan widersprechen diesem Verfassungsauftrag. Kürzungen beim Familienprogramm, beim Familiegeld, beim Landesaltenplan, bei der Jugendhilfe, bei der Kindererholung, bei der Flüchtlingsbetreuung und bei der Integrationsförderung sowie in der Arbeitsmarktpolitik gefährden das soziale Bayern. Dieser soziale Kahlschlag ist unsozial, unsolidarisch und unsinnig.

(Beifall bei der SPD)

Der Präsident des Diakonischen Werkes Bayern, Ludwig Markert, sagt zu Recht: „Die Bedeutung der sozialen Arbeit für den Frieden, also die Stabilität unserer Gesellschaft, wird nicht mehr wahrgenommen.“

(Eduard Nöth (CSU): Die Alternativen?)

Dann erscheint am Freitag vorletzter Woche eine Erfolgsmeldung: Die Mittel für die Insolvenzberatung und die Wohnungslosenhilfe werden erhöht, so der Kollege Unterländer in verschiedenen Zeitungsarti

keln. Es wäre aber schön gewesen, es wäre redlich gewesen, Herr Kollege Unterländer, wenn Sie auch darauf hingewiesen hätten, dass das Geld, das zusätzlich für die Wohnungslosenhilfe und die Insolvenzberatung locker gemacht worden ist – ohnehin nicht in der alten Höhe – vorher bei den Familien und Behinderten mittels eines Deckungsvermerkes eingesammelt worden ist. Das haben Sie der Öffentlichkeit nicht mitgeteilt.

(Beifall bei der SPD)

Wenn aufgrund der Probleme der Bezirke infolge des nicht ausreichenden Sozialhilfeausgleichs der Bezirk Oberfranken die Notbremse zieht und dessen Präsident Sitzmann sagt, alle alten Menschen, die in der Pflege seien und Sozialhilfe bezögen, müssten ihre Einbettzimmer räumen, dann sagt die Sozialministerin Stewens, das sei unmenschlich. Da hat sie zwar Recht, wer aber erst den Kommunen und Bezirken die Mittel verweigert und dann die Sparmaßnahmen als unmenschlich bezeichnet, der ist unredlich und unehrlich.

(Beifall bei der SPD)

Zur Landesstiftung Mutter und Kind – ein weiteres Kapitel: Die CSU fordert ständig lautstark den Schutz des ungeborenen Lebens. Doch dort, wo sie das tatsächlich am effektivsten tun könnte, opfert sie das ungeborene Leben auf dem Altar des Kürzungswahnsinns. Ab diesem Jahr soll eine ganze Million Euro weniger für die Hilfe für Mutter und Kind zur Verfügung stehen als 2002 und dies bei gleich bleibendem hohen Bedarf. Wie sollen die Schwangerenberatungsstellen vor diesem Hintergrund den Frauen in Not helfen? Von Sonntagsreden wird kein Kind satt, meine Damen und Herren von der CSU.

(Zuruf der Abgeordneten Christa Matschl (CSU))

Ja, das tut weh, liebe Kollegin, wie unredlich Sie hier handeln. Ständig von der Hilfe für die Schwangeren reden und dann die Mittel kürzen. Das passt nicht zusammen, das ist ein Widerspruch.

(Beifall bei der SPD)

Nun zu einer weiteren Stiftung, Herr Ministerpräsident: Die Finanzierung sozialer und kultureller Zwecke wird zusätzlich durch die stark rückläufigen Leistungen der Bayerischen Landesstiftung erschwert. Während 2002 noch 24 Millionen Euro ausgeschüttet werden konnten, sind es heuer nur noch maximal 5 Millionen Euro. Der Grund dafür ist das erneute Ausbleiben von Dividendenzahlungen durch die Hypo-Vereinsbank. Weil Ministerpräsident Stoiber seinen Einfluss auf die Bank erhalten wollte,

schlug der Stiftungsrat alle Ratschläge von Rechnungshof und SPD in den Wind, das Ertragsrisiko des Stiftungsvermögens durch eine Umschichtung au festverzinsliche Anlagen zu vermindern. Das ist, Herr Stiftungsratsvorsitzender Edmund Stoiber, eine verheerende Politik.

(Beifall bei der SPD)

Diese Haushaltspolitik im Freistaat Bayern zeigt auch, dass die Union in der gesamten Bundesrepublik auf dem Weg in eine andere Republik ist. Die von den Schwesterparteien CDU/CSU diskutierten Pläne – die Ergebnisse kennen wir noch nicht so genau – machen deutlich: Die Union ist auf dem Weg in eine andere Republik. Stichpunkte: einheitliche Kopfpauschale im Gesundheitswesen - unabhängig vom Einkommen -, radikaler Umbau des Steuersystems mit Abschaffung aller Ausnahmeregelungen, Senkung der Rente bis dicht an das Sozialhilfeniveau, Umstellung der auf ein Kapital gedecktes System, drastische Einschnitte im Tarifund Arbeitsrecht, Streichung des Kündigungsschutzes, Bezahlung von Langzeitarbeitslosen im ersten Beschäftigungsjahr weit unter Tarif.

(Susann Biedefeld (SPD): Da wird es einem schlecht!)

Dieser Nachtragshaushalt 2004 ist ein begleitender Baustein auf dem Weg in eine andere Republik – weg von der sozialen Marktwirtschaft, weg von dem auf sozialen Ausgleich bedachten „Rheinischen Kapitalismus“ hin zum Raubtierkapitalismus angelsächsischer Prägung.

Sie haben vorher nach Alternativvorschlägen gefragt, Sie haben danach gefragt, wo das Geld herkommen soll. Der Ministerpräsident hat nach der Landtagswahl am 29. September dem „Spiegel“ ein Interview gegeben. Als er gefragt worden ist, er möge doch bitte Herrn Schröder ein paar Spartipps geben, hatte er erklärt: „Ich sage ja auch nicht zu meiner Opposition: ‚Machen Sie mir bitte Vorschläge.‘“ Das war die Antwort auf die Frage. Von uns wird verlangt, dass wir detailiert Sparvorschläge machen. Wir verhalten uns aber nicht so destruktiv und haben in der ersten Lesung des Haushalts Konsolidierungsvorschläge gemacht: Verkleinerung des Kabinetts, Abbau der Ministerialbürokratie auf ein normales Maß, Erschließung von Effizienzreserven in der Verwaltung, Auflösung überflüssiger Gesellschaften „gotoBavaria“ haben sie mittlerweile aufgelöst - Beendigung der Subventionierung von Münchner Messe und Flughafen und weitere Privatisierungen wie zum Beispiel des Eon-Aktienpaketes. Das sind unsere Vorschläge zur ersten Lesung gewesen. Ich füge aus aktuellen Anlass noch eine Ergänzung hinzu: Die wirksame Bekämpfung von Korruptionen und Steuerhinterziehung

führt zu Effizienzgewinnen in der Wirtschaft sowie zu geringeren Ausgaben und höheren Einnahmen des Staates.

(Beifall bei der SPD)

So hat die Affäre Wildmoser auch ein gutes. Innenminister Beckstein – so liest man – hat seinen Widerstand gegen ein Bundeskorruptionsregister aufgegeben. 2002 verhinderte die Union im Bundesrat dessen Einführung, weil sie sich bei Delikten wie Geldwäsche, Subventionsbetrug und Veruntreuung die Frage stellte, wo der unmittelbare Zusammenhang mit der Vergabe von Aufträgen liegen soll. Da sagt Heribert Prantl zurecht in der „Süddeutschen Zeitung“: „ Da fragte sich der Beobachter freilich, ob der so Fragende noch ganz bei Trost sein kann“ – so Herr Prantl in der „Süddeutschen Zeitung“ vom vergangenen Freitag. Für mich jedenfalls ist der Gedanke unerträglich, dass die Baufirma Alpine in den nächsten Jahren irgendwelche Großprojekte in Bayern oder in Deutschland bauen darf, weil kein Korruptionsregister vorhanden ist, so wie wir es auch vor neun Jahren schon in diesem Hause verlangt haben.

(Beifall bei der SPD)

Abschließend zur Steuerpolitik und zur Finanzpolitik: Das Ziel, 2006 ohne Neuverschuldung auszukommen, wird nach der Finanzplanung – wenn man sie genau liest – 2005 noch viel schwieriger als heuer. Wir haben dann keine Haushaltsreste mehr, die Rücklagen und Fonds sind ausgekehrt, die volle Wirksamkeit der dritten Entlastungsstufe der Steuerreform des Jahres 2000 tritt ein und der Umsatzsteueranteil an den Privatisierungserlösen des Bundes, der in diesem Jahr noch wirksam wird, wird nächstes Jahr nicht mehr vorhanden sein. Das bedeutet ein Konsolidierungsziel von zusätzlich einer Milliarde Euro. Jetzt frage ich Sie, meine Damen und Herren, von der CSU: Wo wollen Sie diese eine Milliarde Euro im Stammhaushalt im nächsten Jahr hernehmen? Darauf haben wir bisher keine Antwort bekommen.

Dann kommen Sie, Herr Kollege Ach, mit neuen Steuerplänen, mit denen den Bürgern 10 Milliarden durch weitere Steuersenkungen gegeben werden soll. Bei einem Länderanteil von 42,5 % bedeuten 10 Milliarden für Bayern immerhin einen Steuerausfall von 700 Millionen Euro und für die Kommunen noch einmal 250 Millionen Euro. Das fordern Sie, obwohl Sie hinsichtlich des Ergebnisses des Vermittlungsausschusses vom Dezember dieses Jahres mit falschen Zahlen operieren. Es gibt einen deutlichen Widerspruch zwischen dem, was im Haushaltsgesetz steht, und dem, was im Finanzplan steht.

Ich will das nicht näher ausführen. Wir haben das in aller Ausführlichkeit diskutiert.

(Zuruf des Abgeordneten Manfred Ach (CSU))

Im Haushalt sind falsche Zahlen; das muss man einmal feststellen.

(Manfred Ach (CSU): Weil Sie sie nicht kennen!)

Zu einer solidarischen Finanzpolitik gehört auch, die anderen staatlichen Ebenen fair zu behandeln. Einerseits fordert Ministerpräsident Dr. Stoiber lautstark einen Sanierungsplan für Deutschland und die Aufhebung der Kofinanzierungspflichten der Länder bei vielen Aufgaben, andererseits holt er aber mit dem Sparhaushalt 2004 jeden Euro von Berlin und Brüssel ab. Sie fordern die Aufhebung der Pflichten in der Kofinanzierung, aber wenn es darauf ankommt, den Haushalt zu sanieren, wird das Geld aus Berlin und Brüssel sehr gerne entgegengenommen. Die Kommunen lässt man aber in ihrer Not im Stich und sagt ihnen, sie müssten ihre Sparmöglichkeiten ausschöpfen.

Die CSU-Fraktion und die Staatsregierung sollten ihren verhängnisvollen finanzpolitischen Kamikazekurs aufgeben. Das sollte Ihnen auch nicht schwer fallen; denn die ganze Mühe, die Sie sich machen, ist eigentlich vergebens. Der Traum des Ministerpräsidenten, im Jahr 2006 mit der Empfehlung eines ausgeglichenen Haushalts das Kanzleramt zu erobern, ist längst vorbei.

(Zurufe von der CSU)

Alle wissen das, nur er selbst offensichtlich nicht.

(Beifall bei der SPD)

Stoiber hat seine Chance gehabt, das war‘s, so Jörg Schönbohm. Am vergangenen Wochenende empfahl Horst Köhler Angela Merkel. Selbst Michael Glos sieht keine Chancen mehr für Edmund Stoiber.

(Zurufe von der CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CSU, deshalb kehren Sie auf Ihrem verhängnisvollen Weg um. Dieser Nachtragshaushalt dient nicht dem Wohle Bayerns und seiner Bürger. Ihm fehlen politische Vision und soziales Gespür. Ihr einziges Ziel ist ein ausgeglichener Haushalt, und der Zweck, der damit erreicht werden soll, ist schon am Horizont entschwunden.

(Christian Meißner (CSU): Da fehlt der Realitätssinn!)

Meine Damen und Herren, aus diesen Gründen lehnen wir den Nachtragshaushalt 2006 ab.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD – Franz Maget (SPD): Bravo, Heinz!)

Nächste Wortmeldung: Kollege Ach.

(Karin Radermacher (SPD): Aber gut war der Heinz schon! – Franz Maget (SPD): Jetzt kommt dagegen ein Abfall!)