Protokoll der Sitzung vom 16.04.2008

(Unruhe)

Liebe Kollegen, ich finde es sehr nett, dass Sie sich unterhalten, aber ich habe Herrn Ach auch zugehört. – Danke schön. Sie können sich gern mir gegenüber aufregen.

(Engelbert Kupka (CSU): Meine ganze Aufregung ist schon beim Kollegen Schieder draufgegangen!)

Sie haben auch gewusst – das schlechte Gewissen hat Sie geplagt –, dass eine Insolvenzberatung ohne ausreichende Mittel nicht mehr arbeiten kann. Vieles war Ihnen in den letzten Jahren wichtiger. Aber das Schlimmste war in den letzten vier Jahren: Sie nennen das auch noch nachhaltige Haushaltspolitik, wie das der Herr Vorsitzende vorhin gemacht hat. Was daran nachhaltig sein soll, wenn man zuerst einen Investitionsstau produziert und die Infrastruktur verkommen lässt, um sie dann nach Jahren reparieren zu müssen, frage ich mich wirklich. Es ist nicht so, als ob der Nachtragshaushalt ohne die Landesbankkrise kritiklos hinzunehmen gewesen wäre!

Lassen Sie mich Kritikpunkte nennen, die wir im Zusammenhang mit dem Haushalt angemahnt haben: Ist es denn Aufgabe des bayerischen Staatshaushaltes, die neuen Spielfelder des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten in Brüssel zu finanzieren? Ist es unsere Aufgabe, die lokalen privaten Fernsehanbieter zu stützen? Ist es unsere Aufgabe, immer noch mehr Staatsstraßen zu bauen, obwohl wir mit dem Unterhalt der bestehenden 14 000 Kilometer hinterherhinken? Bezüglich der Staatsstraßen muss ich einen kleinen Schwenk machen: Bei den Staatsstraßen zeigt sich die wahre Politikfähigkeit der CSU; denn wenn sie Geld hat, dann steckt sie es in den Staatsstraßenbau, damit jeder der Kolleginnen und Kollegen vor Ort eine Straße einweihen kann. So sieht es aus.

(Beifall bei den GRÜNEN – Thomas Kreuzer (CSU): Sind Sie dagegen?)

230 Millionen Euro für den Staatsstraßenbau und 100 Millionen für den Ausbau der Krippen – das sind die Schwerpunkte, die Sie setzen!

(Manfred Ach (CSU): Ist die SPD für oder gegen den Staatsstraßenbau?)

Die freiwerdenden Mittel sollen, wie es heißt, in Leuchttürmen angelegt werden. Diese Mittel sind für den ÖPNV in Bayern erforderlich, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der muss gefördert werden, und zwar in ganz Bayern und nicht nur in München.

(Beifall bei den GRÜNEN – Manfred Ach (CSU): Verfassungswidrig! Grundstockvermögen! Das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen! )

Herr Ausschussvorsitzender, Sie wissen genau wie wir, dass es über Umfinanzierungen sehr wohl möglich ist, solche Maßnahmen zu finanzieren.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Der politische Wille muss nur da sein!)

Der Transrapid war nicht die letzte falsche Rechnung, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nenne einige weitere Beispiele: Der S-Bahnbau nach Wolfratshausen; heute steht in der „Süddeutschen Zeitung“, dass die Strecke Nürnberg – Erfurt 500 Millionen Euro billiger sein könnte, als Sie es angenommen haben. Das nächste Desaster droht Ihnen schon wieder. Mein Kollege Martin Runge hat es Ihnen in der letzten Woche vorgerechnet. Bei der zweiten S-Bahn-Stammstrecke prophezeien wir Ihnen den nächsten Reinfall. Wir geben Ihnen einen Tipp, Herr Minister. Setzen Sie sich zusammen und rechnen Sie die Kosten der zweiten Stammstrecke mit allen Nebenkosten ehrlich durch. Vielleicht kommen Sie dann zu einer frühen Einsicht und ersparen es uns, ein siegreiches Volksbegehren dagegen zu initiieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Minister, wir können Ihnen für die Zukunft nur raten, auf die GRÜNEN zu hören, wenn es um das Geld und um die Finanzen geht.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Wir können das!)

Tun Sie nicht so, als hätten Sie die Finanzweisheit mit Löffeln gegessen. Das glaubt Ihnen nach der BayernLBAffäre sowieso niemand mehr.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Kolleginnen werden Ihnen zur Bildungspolitik und zum Finanzausgleich anschließend noch einiges sagen. Wir, die GRÜNEN im Bayerischen Landtag, lehnen diesen Wahlnachtragshaushalt ab. Wir lehnen es erst recht ab, Ihnen einen Blankoscheck für die Zukunft der Landesbank auszustellen, ohne überhaupt zu wissen, wohin es mit ihr geht.

Wir bedanken uns allerdings bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Finanzministeriums und der Finanzverwaltung, die unter sehr schwierigen Bedingungen die Grundlagen für diesen Haushalt gelegt haben. Ich bedanke mich auch bei meinen Fraktionskollegen, die fleißig

Die entscheidende Frage ist: Ob es Ihnen nach der Landtagswahl mit diesen Projekten noch so ernst ist, wie es jetzt scheint, ist unklar. Im Jahre 2003 haben Sie hinterher genau das Gegenteil gemacht.

Sie müssten langsam begriffen haben, was Ihnen Ihre Wahlniederlage eingebracht hat und was Ihnen die Bürgerinnen und Bürger in Bayern übel nehmen. Sie nehmen Ihnen Ihre Unzuverlässigkeit übel, die inzwischen immer deutlicher wird. Man kann sich auf Sie nicht verlassen. Jetzt kommt Geld, aber wer weiß, ob das morgen nach der Wahl immer noch so ist. Wenn Geld fließt, weiß niemand, ob so viel fließt, wie das im Haushalt steht. Sie lassen die Haushaltssperren bestehen. Auch im guten Steuerjahr 2008 liegen sie bei 20 %. Wie soll es mit den Haushaltssperren weitergehen? Erhöhung auf 25 % im nächsten konjunkturellen Abschwung? Offensichtlich besteht bei Ihnen nicht der Mut, bei den Haushaltsansätzen für die nötige Haushaltsklarheit zu sorgen. Ich kann mich noch gut an den Ausspruch eines ehemaligen CSU-Fraktionsvorsitzenden im Aschaffenburger Stadtrat, der von Klarheit und Wahrheit des Haushalts gesprochen hat, erinnern. Das fehlt Ihnen völlig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben mit unseren Anträgen dokumentiert, dass es uns ernst ist, dass wir Eltern und Schüler ernst nehmen, dass wir den Ausbau der Hochschulen wollen und dass wir die Träger sozialer Initiativen nicht im Regen stehen lassen wollen. Das kann man von Ihnen nicht behaupten. Ihnen fehlt nicht nur beim Klimaschutz die politische Kompetenz. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an Schneekanonen und die Atomkraft. Auch bei der Bildung wird von Ihnen nur Stückwerk abgeliefert. Dies trifft aktuell auf das G 8 zu. Mit diesem Nachtrag im Haushaltsgesetz wird auch klar, dass Ihnen ein neues Kompetenzfeld wegbricht, nämlich die Finanzpolitik. Sie können nicht rechnen. Das ist in diesem Jahr offensichtlich geworden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ganz deutlich wird das beim Transrapid, der mit diesem Nachtrag endlich aus dem Haushalt verschwindet. Das ist ein Glück und ein Freudentag für alle Gegner des Transrapids.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben schon seit Jahren gewarnt, dass das Magnetschwebebahnprojekt in München teuer wird, aber Sie haben es auf ein Waterloo ankommen lassen, und Sie haben das Waterloo bekommen, Herr Minister. Jetzt die Bauindustrie dafür verantwortlich zu machen, halten wir für billig. Im Haushaltsausschuss haben wir andauernd bei den Hochbauvorlagen über Nachträge geredet. Dieses Prinzip hätten Sie auch auf Ihr Lieblingsprojekt anwenden müssen.

Nun ist es ein Desaster für Sie, für uns aber ist es ein klarer Sieg der Vernunft über den wirtschaftspolitischen, umweltpolitischen und finanziellen Unsinn des Transrapids.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben tatenlos zugesehen, wie immer mehr und immer öfter der Unterricht ausfiel. Sie haben zugesehen, wie die Klassen an Realschulen und Gymnasien immer voller wurden. Sie haben zugesehen, wie mehr als ein Drittel aller Schulen ihr Dorf verlassen haben. Sie haben zugesehen, wie immer mehr Eltern als Ersatzlehrer einspringen mussten. Sie tolerieren es, dass sehr viele Eltern ihren Kindern Nachhilfestunden bezahlen müssen, wenn sie es können. Sie haben aus dem ersten bayerischen Bildungsbericht erfahren, dass der Bildungserfolg vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Sie fanden sich toll für einen Antrag, der heute auf der Abstimmungsliste steht und den Titel trägt: „Klassen mit über 33 Schülern an bayerischen Realschulen und Gymnasien abbauen“.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Das ist toll!)

Der Einzelplan 05 dieses Nachtragshaushalts war schon für sich das Eingeständnis Ihres jahrelangen Versagens in der Bildungspolitik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie stellen dort Lehrerstellenäquivalente für den planmäßigen Unterricht an den Gymnasien ein. Herr Kollege Waschler, ich frage Sie: War der Unterricht zuvor außerplanmäßig? – Ja, das war er. Das haben Sie aber immer geleugnet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie stellen plötzlich Lehrerstellenäquivalente zur Reduzierung des Unterrichtsausfalls zur Verfügung. Vor einem Jahr hatten wir darüber eine Debatte geführt, dass das gar nicht so schlimm gewesen sei. Frau Kollegin Sem hat im Haushaltsausschuss bei der Behandlung des Einzelplans 05 gesagt, dieser Haushalt entspreche einer Wiese, die mit Sonne beschienen sei. Das sollen Sie einmal denen sagen, deren Schule geschlossen wurde. Das sollen Sie auch den 35 % der Gymnasiasten oder 45 % der Realschüler sagen, die mit 30 anderen in einer Klasse sitzen müssen. Da wirft der Nachbar den Schatten. Fakt ist, dass Sie mit diesem Nachtragshaushalt eingestanden haben, dass Sie in den vergangenen vier Jahren Fehler gemacht haben. Sie haben unseren Kindern, Eltern und Lehrerinnen und Lehrern unzumutbare Zustände beschert. Wenn es trotzdem zu guten Leistungen gereicht hat, dann nicht wegen, sondern trotz der CSU.

(Beifall bei den GRÜNEN – Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Von was reden Sie eigentlich?)

Auch die bayerische Bevölkerung ist nicht unbegrenzt leidensfähig. Bei den Kommunalwahlen haben Sie einen Dämpfer bekommen und Ihr schlechtestes Ergebnis seit 1960 eingefahren. Der Grund war laut Aussagen der Kollegen Pschierer, Sailer oder Theo Waigel die Bildungspolitik. Plötzlich konnten Sie das vorher im Haushaltsausschuss verabschiedete Paket noch einmal aufschnüren. Sie haben es aber nicht aufgeschnürt, weil Ihnen die Kinder plötzlich etwas wert sind, sondern nur aus purer Angst davor, dass Sie die Macht verlieren.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Genauso ist es!)

zu den insgesamt 199 Änderungsanträgen beigetragen haben, um dieses Machwerk noch zu verändern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Tolle.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich fange auch mit der Landesbank an, Herr Finanzminister. Ich möchte nur noch deutlich machen, dass die 2,4 Milliarden Buchverlust, wenn ich es richtig verstanden habe, nur deswegen entstanden sind, weil man gezockt hat.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Genau!)

Ich rede hier über ein Feld, von dem sicher ist, dass man für einen Euro Investition wieder vier Euro zurückbekommt. Ich rede über die Bildungspolitik. In den vergangenen vier Jahren haben mein Kollege Mütze und die Opposition im Haushaltsausschuss um jeden einzelnen Euro bitter und lange kämpfen müssen. Bei der Landesbank ist dagegen allein aufgrund eines Wimpernschlages sehr viel Geld den Bach oder die Isar hinuntergeflossen, wie immer man es sehen will. Ich rede deshalb von der Landesbank, weil ich es sehr bedauere, wie hier die Prioritäten gesetzt werden.

Ich möchte auch über das reden, was Sie immer Präferenzen oder Prioritäten nennen. Dabei gilt für mich ein Satz, den ich hier öfter gesagt habe: Die Kraft einer Gesellschaft bemisst sich nicht an ihrer Ernte, sondern an ihrer Aussaat. Kein Satz beschreibt die Notwendigkeit nachhaltiger Bildungsausgaben besser als dieser. Das ist die GRÜNE Richtschnur für finanzpolitisches Handeln in der Bildungspolitik. Ihre Blickrichtung war nur starr auf einen ausgeglichenen Haushalt fixiert. Wer sich in einer globalisierten Welt behaupten will, muss auch die Fähigkeit aufbringen, vernetzt zu denken. Er muss also Bildung und Finanzen zusammenbringen. Diese Fähigkeit spreche ich Ihnen ab.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben in den vergangenen Jahren im bayerischen Bildungssystem viel kaputt gemacht. Sie haben viele Baustellen aufgerissen. Sie haben vieles schöngeredet. Sie haben viel Vertrauen zerstört und viel zu oft gesagt, Sie hätten kein oder wenig Geld. Viel Geld übrig hatten Sie für den schwebenden Unsinn Transrapid. Der erschien Ihnen zukunftsfähig, während Sie gleichzeitig den Eltern das Büchergeld aus der Tasche gezogen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben den bayerischen Kindern seit Jahren die notwendigen Lehrerinnen und Lehrer verweigert. Sie haben das G 8 eingeführt, obwohl ein Blinder mit Krückstock hätte sehen können, dass wir für mehr Intensivierungsstunden mehr Lehrer brauchen.