Protokoll der Sitzung vom 24.04.2008

(Ludwig Wörner (SPD): Und der gesamten Staatsregierung war auch nichts bekannt?)

Entschuldigung, ich kann nicht für die gesamte Staatsregierung sprechen. Aber wenn Sie diese Frage beantwortet haben wollen, werden wir Sie Ihnen noch beantworten; das ist überhaupt kein Problem.

(Ludwig Wörner (SPD): Gut, vielen Dank!)

Zur nächsten Frage: Herr Abgeordneter Runge.

Frau Ministerin, für die Ermittlungsbehörden sind doch auch die Arbeitsbedingungen von Relevanz. Es passt ins Bild, dass Wirtschaftskriminelle in Bayern auf besten Boden stoßen. Sie finden beste Konditionen vor. Sie kennen doch noch die Überschrift: „Bayern als Eldorado für Kapitalmarktbetrüger“. Da ging es um die Verjährung von Veröffentlichungsbetrügereien, also von Ad-hoc-Meldungen, um Zulassungsprospekte usw. Das ging so bis vor Kurzem. Sechs Monate beträgt die Frist nach dem Bayerischen Pressegesetz. Als einziges Land in der Republik hatten wir eine so kurze Verjährungsfrist. Es geht darum, dass wir unterbesetzte und zum Teil nicht durchgehend gut ausgebildete Ermittlungsbehörden haben. Es findet keine Korrespondenz mit anderen Bundesländern in Steuerstrafsachen statt.

Zu laufenden Verfahren kann ich – das verstehen Sie, und das versteht sich auch von selbst – keine Äußerungen abgeben. Das gilt auch für das Gespräch, das am 18. April 2008 bei der Staatsanwaltschaft geführt worden ist. Das war im Übrigen ein Gespräch, das für mich nicht als Wegmarke zählt, sondern die ganz normale Tätigkeit der Staatsanwaltschaft betraf.

(Franz Schindler (SPD): Und wie war es mit dem strafprozessualen Charakter dieses Gesprächs?)

Das ist eine Angelegenheit, die die Staatsanwaltschaft zu beurteilen hat. Ob sie das jetzt schon kann, weiß ich nicht. Das ist jedenfalls eine Sache des Verfahrens.

Nächster Fragesteller: Herr Kollege Obermeier.

Frau Ministerin, ich möchte an das anknüpfen, was Kollege Schindler am Anfang angesprochen hat. Wurden Ihnen die Berichte, die angefertigt worden sind, zur Kenntnis gegeben? Haben Sie vom Inhalt dieser Berichte Kenntnis erhalten? Haben Sie persönlich irgendetwas unternommen, was das laufende Strafverfahren betrifft?

Ich frage zweitens: Haben Sie persönlich irgendwann mit leitenden Mitarbeitern der Firma Siemens über dieses Strafverfahren ein Gespräch geführt?

Frau Staatsministerin.

Als ich die Berichte bekam, habe ich mich darum bemüht, so schnell wie möglich die sogenannte Korruptionsabteilung aufzustocken und weitere Staatsanwälte in diese Abteilung zu setzen, damit sie intensiver arbeiten konnte. Ich war dabei in ständigem Kontakt mit dem Generalstaatsanwalt. Ich hatte mit ihm den Zeitpunkt abgesprochen, zu dem es sinnvoll war, dort weitere Mitarbeiter anzusiedeln. Wir haben die Abteilung aufgestockt. Im Moment arbeiten darin sieben Staatsanwälte, und es kommt noch einer hinzu.

Ich habe weiterhin gesagt, dass ich eine koordinierte Pressearbeit haben möchte und dass es vor allem schriftliche Presseerklärungen geben sollte, damit man immer weiß, was von der Staatsanwaltschaft an die Presse gegeben worden ist. Das war im Hinblick auf die vielen Äußerungen gegenüber der Presse meines Erachtens der richtige Weg.

Zu der dritten Frage. Sie haben nach Gesprächen mit leitenden Mitarbeitern der Firma Siemens gefragt. Ich habe von mir aus mit niemandem von der Firma Siemens Kontakt aufgenommen.

Herr von Pierer hat einmal in meinem Büro angerufen. Ich habe das Gespräch angenommen. Meine einzige Aussage in diesem Gespräch war: Es handelt sich um ein laufendes Verfahren; zu diesem Verfahren werde ich in keiner Weise Stellung nehmen.

(Zuruf des Abgeordneten Franz Schindler (SPD))

Der zweite Teil der Frage: In welcher Form haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, sich gegen diese bösartigen Unterstellungen auch einmal öffentlich zur Wehr zu setzen?

Frau Staatsministerin.

Herr Abgeordneter König, es ist so, dass Beamte der Justiz loyale Beamte sind, die keine Möglichkeit haben – so meine ich –, sich in einem adäquaten Maße gegen solche Vorwürfe zur Wehr zu setzen.

Ich muss dazu sagen, dass ich es als äußerst beschämend empfinde, wie teilweise in der Presse über die Staatsanwaltschaft berichtet wird, wie ihr Dinge unterstellt werden und wie immer wieder auch behauptet wird, dass nicht intensiv und effektiv gearbeitet werde. Für Staatsbeamte – und wir haben da in der Staatsanwaltschaft eine ganz besonders hohe Sensibilität –, die wirklich nach objektiven Gesichtspunkten arbeiten müssen, die ohne Ansehen der Person – das sage ich noch einmal – arbeiten müssen und arbeiten, ist das eine sehr schwierige Arbeit, die mit großer Sensibilität und mit großem Engagement wahrgenommen wird. Deswegen meine ich, dass es alles andere als motivierend ist, wenn sie derartige Äußerungen lesen oder hören müssen.

Kollege Dr. Runge.

Frau Ministerin, ist Ihnen der schöne Artikel des früheren Augsburger Staatsanwaltes Maier bekannt, in dem er fein ziseliert die Arten der Einflussnahme auf die Staatsanwaltschaft darstellt? Sie übergeben diesen Artikel sicherlich auch gerne dem Kollegen König, damit er sich eines Besseren belehren lässt.

(Zuruf des Staatsministers Joachim Herrmann)

Eine weitere konkrete Frage, Frau Ministerin: Ist es üblich, dass aus 30 Ermittlungsverfahren lediglich eine einzige Anklage resultiert?

Frau Staatsministerin.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Runge, diese Frage zeigt, dass Sie von Justiz nicht sehr viel Ahnung haben. Das tut mir leid. Ich meine, wenn es Ermittlungsverfahren gibt, dann wird dort eben auch weiter verfolgt und angeklagt, wo es sich tatsächlich erweist, dass der Tatverdacht hinreichend konkret ist, aber nicht dort, wo man sieht, dass es eben nicht so ist. „Ermittlungsverfahren“ heißt noch nicht, dass jemand von vornherein schuldig ist, sondern es heißt, man ermittelt, ob jemand höchstwahrscheinlich schuldig ist. Bis zum Zeitpunkt der Verurteilung gilt er als unschuldig. Das möchte ich auch noch einmal ganz klar sagen. Das sind die Urprinzipien des Strafrechts, der Strafprozessordnung.

Insofern kann ich nur sagen: Ob das üblich ist oder nicht – natürlich gibt es keine Durchschnittswerte, wie viele Er

Es ist bezeichnend, dass die Bayerische Staatsregierung und die CSU die Speerspitze der Agitation in der Verhinderung eines Korruptionsregisters auf Bundesebene gebildet haben. Sind Sie mittlerweile bereit, ein solches Register auf Bundesebene durchlaufen zu lassen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Staatsministerin.

Herr Abgeordneter Runge, auch das ist nicht Gegenstand der Befragung. Aber auf Ihre Behauptungen möchte ich durchaus gern eingehen. Sie haben davon gesprochen, es handle sich um unterbesetzte und nicht gut ausgebildete Ermittlungsbehörden. Man müsste dann annehmen, dass das vor allem für das Ermittlungsverfahren Siemens gilt, das Sie hier heute angesprochen haben.

Ich möchte es noch einmal sagen: Wir sind nicht unterbesetzt; denn ich habe immer wieder bei der Staatsanwaltschaft nachgefragt, ob weitere Personalzuweisungen aus der Staatsanwaltschaft sinnvoll sind und ob sie gewünscht werden. Wenn sie gewünscht werden, dann ergänze ich die Korruptionsabteilung. Ich ergänze sie selbstverständlich mit gut ausgebildeten, erfahrenen Staatsanwälten – das ist klar –, mit Leuten, die dort wirklich zur Hilfe kommen können und nicht erst angelernt werden müssen.

Ich muss schon sagen, das ist für die Leute, die dort arbeiten, wieder ein Affront und ein Schlag ins Gesicht, wenn man so etwas von ihnen sagt. Ich muss dazu sagen, dass wir in der Staatsanwaltschaft eine Korruptionsabteilung haben. Das ist ein Zeichen dafür, dass wir dieses Thema ernst nehmen und dass wir dort qualifizierte Leute haben.

Wenn Sie das Thema Kommunikation der Steuerbehörden ansprechen, dann wissen Sie, dass das Thema Steuerfahndung ein Thema ist, das im Finanzministerium behandelt wird. Ich persönlich kann über die Kommunikation nichts sagen, ich gehe aber auch davon aus, dass es im Moment nicht um Kommunikation, sondern um Ermittlungen geht. Diese Ermittlungen werden außerordentlich intensiv und mit einem so hohen Engagement unserer Staatsanwälte betrieben, dass ich wirklich sagen kann: Das ist großartig.

Nächster Fragesteller: Herr Kollege König.

Frau Staatsministerin, haben Sie Erkenntnisse darüber, ob es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft motivierend ist, dass ihnen seitens politischer Kollegen oder seitens der veröffentlichten Meinung unterstellt wird, dass sie in ihrer Arbeit, in ihrer Ermittlungstätigkeit nicht frei seien, sondern dass auf sie Einfluss genommen werde, zum Beispiel in der Form, dass sich Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter dazu hingezogen fühlen, diese Arbeit auszuüben oder sie nicht auszuüben?

Rechtsanwalt Hans Otto Jordan aus der Kanzlei, in der früher Günther Beckstein tätig war, jetzt den Ombudsmann für die Siemens AG gibt und dass im einschlägigen Schriftwechsel zu Compliance-Fragen auf dem Briefkopf von Herrn Rechtsanwalt Jordan der Name des jetzigen Ministerpräsidenten ganz besonders prominent auftaucht?

Frau Staatsministerin.

Zu Punkt 2 muss ich Folgendes sagen: Juristen können abstrahieren. Sie wissen ganz genau, was sie wann, wo und wie tun und lassen dürfen. Es kann nicht sein, dass eine Kanzlei, in der ein später einmal zu einem Minister bzw. einem Ministerpräsidenten werdender Kollege arbeitet, hinterher ausgeschaltet wird. Überlegen Sie sich vor allem, wann Günther Beckstein dort tätig war.

Ein weiteres Thema: Wenn Sie von „inflationär“ sprechen, so nehme ich das, was Sie da sagen, wirklich sehr ernst. Wir wissen, dass wir im Fall Siemens mit einer enormen Flut von Anschuldigungen konfrontiert sind. Meine Staatsanwälte nehmen diese Anschuldigungen ernst und gehen ihnen nach. Wenn ich sage, dass wir 270 Personen haben, gegen die momentan Anschuldigungen erhoben sind, wobei 30 Anschuldigungen bereits erledigt sind, dann kann sich auch ein nicht juristisch gebildeter Mensch vorstellen, dass das wahrscheinlich die etwas einfacheren Fälle sind, die man relativ rasch entscheiden kann, und dass das in aller Regel dann auch die Fälle sind, bei denen an den Anschuldigungen wenig oder gar nichts dran ist, um das einmal klar zu sagen. Insofern hat das nichts mit „inflationär“ zu tun, sondern mit der Art und Weise, wie man mit einer großen Anzahl von Anschuldigungen sinnvoll und vernünftig umgeht und wie man sie bewältigt. Das macht die Staatsanwaltschaft mit der ihr eigenen Erfahrung. Ich habe keinerlei Anlass, daran zu zweifeln, dass es sich hierbei um ein gutes, ein objektives Arbeiten handelt.

Der nächste Fragesteller: Herr Kollege Welnhofer.

Frau Staatsministerin, sind Sie erstens der Auffassung, dass es die selbstverständliche Pflicht aller Justizbehörden ist, den Mitbürgerinnen und Mitbürgern dann, wenn das in angemessenem Rahmen gewünscht wird, für ein Gespräch zur Verfügung zu stehen?

Halten Sie zweitens den Vergleich der Siemens-Korruptionsaffäre mit einem Hühnerdiebstahl für adäquat oder eher für lächerlich?

Frau Staatsministerin.

Herr Kollege, ich möchte zunächst auf Ihre erste Frage antworten. Ich halte es natürlich für selbstverständlich, dass man, wenn sich jemand an ein Mitglied der Staatsregierung wendet, ihm Gehör schenkt. Ich denke aber, die Mitglieder der Staatsregierung sind so selbstbewusst, dass sie klar sagen können, wo sie sich selbst zum Ver

mittlungsverfahren tatsächlich zu einer Anklage führen. Aber ich glaube, Sie haben auch nicht erwartet, dass ich das sage.

Herr Kollege Schindler. – Sie haben jetzt noch 36 Sekunden.

Frau Staatsministerin, gerade weil ich Ihre Einschätzung, was die Qualität der Arbeit unserer Staatsanwaltschaft betrifft, teile und nachdem es mir bisher nicht bekannt war, dass man sich zu einer Unterredung bei der Staatsanwaltschaft melden kann, frage ich Sie noch einmal, welchen strafprozessualen Charakter dieses Gespräch vom 18. April hatte und ob sich jedermann, also auch ein Hühnerdieb, bei der Staatsanwaltschaft melden und fragen kann: Ich hätte heute Vormittag noch Zeit und gerne ein Gespräch mit drei oder vier Staatsanwälten, können Sie das arrangieren?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Frage, wie sich das verhält, hätte ich also gern noch geklärt.