Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik als federführendem Ausschuss zu überweisen. Ich sehe, es besteht damit Einverständnis.
Gesetzentwurf der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) über die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge sowie deren Versorgung mit Wohnraum (Flüchtlingsaufnah- megesetz – FlAufnG) (Drs. 15/10436) – Erste Lesung –
Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Frau Kollegin Ackermann hat das Wort. Frau Ackermann, aus der Erfahrung vom letzten Mal frage ich Sie, ob Sie fünf Minuten lang begründen und sich dann in der Aussprache wieder melden oder ob Sie die zehn Minuten in einem Stück haben wollen.
Nein, das geht nicht. Die Geschäftsordnung sieht für die Begründung fünf Minuten vor. Sie können die fünf Minuten für die Aussprache noch dazunehmen. Wenn Sie nicht mehr als zehn Minuten reden, geht das in Ordnung. Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Zuwanderungsgesetz ist geregelt, dass Flüchtlinge grundsätzlich in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden müssen. Damit kann unserer Absicht, die Unterbringung von Flüchtlingen in menschenwürdigen Unterkünften in dezentralen Wohnungen zu gewährleisten, nicht mehr Rechnung getragen werden. Nun zeichnet sich in Bayern ab, dass dieses Zuwanderungsgesetz so strikt ausgelegt wird, dass den Flüchtlingen nicht nur die Unterbringung in dezentralen Wohnungen verweigert wird, sondern dass sie auch noch von Festbauten in Container verlegt werden, wo sie mit menschenunwürdigen Lebensverhältnissen vorlieb
Herr Präsident, meine Damen und Herren, in Erster Lesung behandeln wir heute den Gesetzentwurf der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN über die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge sowie deren Versorgung mit Wohnraum. Der Gesetzentwurf enthält die Festlegung von Mindestwohnstandards für alle ausländischen Flüchtlinge einschließlich aller nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigten Personen in einem Flüchtlingsaufnahmegesetz, so insbesondere, dass als Aufnahmeeinrichtungen, als Regierungsaufnahmestellen und als Gemeinschaftsunterkünfte nur Gebäude errichtet werden dürfen,
die nicht nur zur vorübergehenden Wohnnutzung bestimmt sind, also keine Containerbauten mehr. Gefordert wird außerdem, dass Wohn- und Schlafräume pro Person eine Wohnfläche von mindestens 10 qm aufweisen müssen. Bei der Berechnung der Wohnfläche bleiben Neben- und sonstige Flächen, zum Beispiel Flur, Toiletten, Küche und Gemeinschaftsräume, unberücksichtigt.
Werte Kolleginnen und Kollegen, der vorliegende Gesetzentwurf zielt darauf ab, das Gesetz über die Aufnahme und Unterbringung der leistungsberechtigten Personen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu ersetzen. Wir haben im Jahr 2002 das Aufnahmegesetz im Parlament verabschiedet. Es hat sich bewährt, und deshalb sehen wir keinen Anlass, das Gesetz aufzuheben. Die im Gesetzentwurf auf Drucksache 15/10436 festgelegten Standards sind unpraktikabel. Insbesondere bei Flüchtlingswellen sind Containerlösungen unverzichtbar.
Einen kleinen Moment, bitte lassen Sie mich doch ausreden! Ich glaube, dass Container sehr wohnlich hergerichtet werden können.
(Renate Ackermann (GRÜNE): Schauen Sie sich die doch mal an! – Maria Scharfenberg (GRÜNE): Um Gottes willen, das kann es wohl nicht sein!)
Ja, ist schon recht. Derzeit werden in zwölf Gemeinschaftsunterkünften Container benutzt. Die Festlegung von genauen Mindestquadratmeterzahlen für Wohn- und Schlafräume ist nach meiner Meinung sehr starr. Ihr Gesetzentwurf beschreibt mehrfach Situationen, in denen Asylbewerber nicht menschenwürdig und in gesundheitsgefährdender Weise untergebracht wären. Nach meiner Information entspricht das so nicht den Tatsachen.
Die Unterbringung in einem Containerdorf mit einer Küche mit drei Kochplatten für 40 Leute, einer Dusche für 50 Leute und drei Toiletten für 40 Leute bietet einen entsprechenden Herd für Keime und Bakterien, mit denen die Immunschwächsten, zu denen die Neugeborenen und Säuglinge zählen, sich schnell infizieren und die sie erkranken lassen. Es ist deshalb dringend geboten, der Familie mit drei Kindern eine Unterkunft zu geben, die ihre Bewohner nicht krank macht.
Nicht nur Neugeborene, sondern auch andere Bewohner werden krank. In diesen Lagern häufen sich Depressionen und Aggressionen. Das ist auch ganz verständlich, wenn man über viele Jahre hinweg so eingepfercht leben muss wie diese Menschen.
Die Familie lebt mit zwei Kindern auf engstem Raum in einem Zimmer. Die Unterbringung in einer größeren Wohnung scheint zur Vermeidung weiterer Infekte dringend notwendig.
Es ist nicht nur ein gesellschaftspolitisches Anliegen, sondern auch die Fürsorgepflicht muss uns dazu veranlassen, die Lebensverhältnisse für Menschen, die aus anderen Ländern zu uns gekommen sind, zu verbessern.
Deshalb versuchen wir, in diesem an sich sehr strikten Zuwanderungsgesetz eine Regelungslücke zu finden, die es zulässt, dass das Land selbst die Lebensverhältnisse für diese Menschen verbessert. Wir sind als verantwortungsvolle Bürger dieses Landes – zumal jene, die ein „C“ in ihrem Namen führen – verpflichtet, den Schwächsten zu helfen und ihnen nicht zuzumuten, unter menschenunwürdigen Verhältnissen über Jahre hinweg in diesem Land dahinzuvegetieren, das mit zu den reichsten der Erde gehört.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Frau Ackermann, Sie haben in Ihrer Darstellung erhebliche Vorwürfe erhoben. Wir behandeln die Angelegenheit noch im Ausschuss. Wir sollten uns dann vom Sozialministerium berichten lassen, wie haltbar Ihre Vorwürfe sind.
Aber das Zuwanderungsgesetz, und das sollte man mit allem Nachdruck einmal betonen, hat die Situation in Deutschland auf dem Feld der Ausländerproblematik, bei der Zuwanderung, der Akzeptanz des Fremden – viele Menschen bei uns lehnen das ab, und das ist politisch leider vielfach missbraucht worden, gerade von konservativer Seite – erfreulich verbessert.
Eine Erfahrung, die ich auf einer Tagung der Otto-Benecke-Stiftung gemacht habe, bestätigt dies. Das war in Bonn, kurz nach der Bundestagswahl 2005. Für mich war geradezu bewegend, dass ein Ausländer, der bereits 40 Jahre lang in der Bundesrepublik Deutschland lebt, im Rahmen einer Diskussion auf dem Podium gesagt hat: Meine Damen und Herren, Sie können sich gar nicht vorstellen, was es für uns Ausländer bedeutet hat, dass wir als Ausländer im Bundestagswahlkampf 2005 zum ersten Mal nicht Objekt der Diskussion gewesen sind, dass die Frage nicht debattiert wurde, ob wir wieder heimgehen sollen oder nicht, wie wir behandelt werden sollen, ob wir Rechte haben oder keine. Das war in diesem Wahlkampf zum ersten Mal nicht der Fall. Das war ein gesellschaftlicher Fortschritt, der leider bei der Landtagswahl in Hessen vor wenigen Monaten zum ersten Mal wieder durchbrochen worden ist. Wir alle können erfreut feststellen, dass der Versuch eines Ministerpräsidenten, die Ausländerpolitik wieder für Wahlzwecke zu instrumentalisieren, völlig danebengegangen ist.
Das zeigt, dass die Gesellschaft in dieser Hinsicht ein ganzes Stück weitergekommen ist. Bei uns hier im Hause ist die Zahl der Petitionen zum Ausländerrecht seit dieser Zeit deutlich zurückgegangen; darauf möchte ich hinweisen. Sie wissen, dass auch die Asylbewerberzahlen deutlich rückläufig sind und dass die Dauer der Asylverfahren sehr viel kürzer geworden ist, sodass es problematisch ist, es so darzustellen, als müssten die Leute alle jahrelang unter solchen Bedingungen leiden. Das muss man dann auch berichten; jedenfalls nach dem, was wir vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wissen, ist die Verfahrensdauer deutlich verkürzt worden. Die Probleme, die wir früher in diesem Bereich hatten, haben wir heute – ich sage: Gott sei Dank – eben nicht mehr.
Deshalb sage ich Ihnen Folgendes zum Schluss – ich sage es Ihnen eigentlich ungern, aber ich sage es Ihnen trotzdem, weil es meiner Empfindung entspricht. Vielleicht ist es mehr ein Gefühl von mir, aber es ist wirklich so: Wissen Sie, ich habe mich jahrelang darüber geärgert, dass das Thema instrumentalisiert worden ist, gerade – das sage ich Ihnen von der CSU – vor Wahlen. Vor Wahlen haben Sie immer die Angst vor Ausländern geschürt,
und das war ungut bis dorthinaus. Das hat die Bevölkerung verunsichert. Wenn Sie in München heute mit der U-Bahn fahren, hören Sie immer Menschen in einer fremden Sprache sprechen, die Sie nicht verstehen. Die Menschen in dieser Stadt wissen: Wir sind ein Zuwanderungsland geworden. Ob wir das wollten oder nicht, spielt keine Rolle. Die Welt ist so zusammengerückt; es ist schlicht und einfach so.
Das Gesetzesvorblatt des Entwurfs nimmt Bezug auf den Bericht des Menschenrechtskommissars des Europarates, der unter Bezug auf die im Freistaat Bayern angetroffenen Unterbringungsverhältnisse seine tiefe Besorgnis ausgedrückt und die Verhältnisse als nicht geeignet im Sinne der EU-Aufnahmerichtlinie bezeichnet hat.
Das ist zwar richtig, aber Sie vergessen immer den zweiten Teil. Der Kommissar hat einschränkend darauf hingewiesen, dass er nur eine einzige derartige Einrichtung gesehen habe und dass keine verallgemeinernde Beurteilung möglich sei.
Der Gesetzentwurf wird in die zuständigen Ausschüsse verwiesen, wo wir noch einmal miteinander debattieren werden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst darf ich erfreut feststellen, dass wir zumindest in einem Punkt Konsens haben, nämlich dass wir uns einen Bericht über die Situation geben lassen sollten. Das kann nie schaden und kann immer noch erheblich zur Entscheidungsfindung beitragen, je nachdem, ob das, was Frau Ackermann vorgetragen hat, im Einzelnen richtig ist oder nicht.
Ich möchte zu dem Gesetzentwurf vorab etwas anderes sagen. Auf den Inhalt möchte ich heute nicht eingehen; bei der Ersten Lesung muss das auch nicht unbedingt sein. Ich möchte auf etwas hinweisen, das mich bei diesem Thema schon etwas irritiert hat.
Dieses Thema ist in der Bundesrepublik in der Vergangenheit – ich betone: in der Vergangenheit – insgesamt ein ausgesprochenes Reizthema gewesen, eigentlich über Jahrzehnte hinweg. Alles, was mit Asyl, mit Zuwanderung, mit Ausländerpolitik, mit Integration, mit Staatsangehörigkeitsrecht zu tun hatte, hat zu emotionsgeladenen Diskussionen auf beiden Seiten geführt.
Seit dem 1. Januar 2005, seit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes können wir erfreut feststellen, dass sich diese Debatte – übrigens auch in diesem Hohen Hause hier – versachlicht hat. Wir haben heute bei all diesen Fragen, die mit Zuwanderung zusammenhängen, nicht mehr diese extremen Konfrontationen, bei denen Meinungen aufeinandergeprallt sind.
Das Zustandekommen des Zuwanderungsgesetzes war schwer genug, es war langwierig, es war schmerzhaft. Es hat zu heftigsten Diskussionen aller Beteiligten geführt.