Protokoll der Sitzung vom 28.05.2008

aber es wurde nachgewiesen. Da besteht natürlich die Gefahr, dass sich diese Tierart wieder zurückzieht oder einfach verschwindet. Das müssen wir sehen.

Besonders dramatisch ist die fortschreitende Verinselung der Natur durch Verkehrswege mit allen negativen Auswirkungen, auf die ich in der Kürze der Zeit jetzt nicht eingehen kann.

Alleine an diesem Beispiel werden wir in den nächsten Jahren feststellen können, welchen Stellenwert die Natur und die Artenvielfalt wirklich haben. Werden sich die Verkehrsstrategen durchsetzen, die in diesem Fall von Ost nach West auf der großen Landkarte einen Strich ziehen und Großprojekte, deren Notwendigkeit man immer nachweisen kann, planen und bauen? Oder werden sich die echten Naturschützer durchsetzen?

In der Erklärung der Staatsregierung – damit komme ich zum Schluss – vom 1. April 2008 heißt es: „Die derzeitigen von öffentlichen Straßen unzerschnittenen, verkehrsarmen Räume … stellen einen hohen ökologischen Wert dar, der erhalten werden soll.“

Wir werden sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ob dies wie so Vieles ein Lippenbekenntnis ist oder ob wirklich angesichts der Bedrohung heimischer Arten eine Verbesserung angestrengt wird; denn die wollen wir als SPD-Fraktion nachhaltig.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Nächster Redner: Herr Kollege Weichenrieder.

Sehr geehrter Herr Präsident, Hohes Haus, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Biodiversität, die Artenvielfalt in unserer Natur- und Kulturlandschaft hat sich durch die Land- und Forstwirtschaft bei uns auf sehr hohem Niveau entwikkelt. Das ist gelungen, weil die Land- und Forstwirtschaft auf 85 % der bayerischen Landesfl äche die nachhaltige Landwirtschaft weiterentwickelt hat. Die Biodiversitätsstrategie des Bundesumweltministers hätte diese Ziele sicherlich nicht erreicht. Die Ziele der Bundesstrategie sind nicht nur inakzeptabel, sie sind auch nicht zielführend und deshalb abzulehnen. Erfolgreicher Naturschutz kann und wird nicht unter einer Käseglocke stattfi nden. Erfolgreicher Naturschutz in Bayern soll ausschließlich in Kooperation mit der Land- und Forstwirtschaft auf freiwilliger Basis stattfi nden. Das Motto „Vereinbarung vor Verordnung“ hat auch in diesem Bereich zum richtigen Ergebnis geführt. Der Freistaat Bayern wird die nachhaltige Landwirtschaft auch weiterhin auf freiwilliger Basis mit der Land- und Forstwirtschaft entwickeln. Warum ist das so? – Weil es sich bewährt hat.

(Susann Biedefeld (SPD): 40 % der Arten sind ausgestorben!)

Ich meine aber eine besondere Meisenart, die kaum jemandem bekannt sein dürfte. Diese Meisenart kann etwas Außergewöhnliches, was für alle Menschen sehr wichtig werden könnte. Die Meise ist in der Lage, ihren Stoffwechsel so zu steuern, dass sie kaputte Knochen durch die Einlagerung von Mineralien wieder – als NichtMediziner gesagt – gesund machen kann. Das heißt, die Natur hat uns eine Meisenart beschert, die das kann, die es aber nur im Fichtelgebirge gibt.

Wissen Sie, warum ich das Beispiel anspreche? – Ich spreche es deshalb an, weil wir dann, wenn wir bereit wären, mehr nachzuforschen, was uns die Natur lehren kann, in der Lage wären, das, was die Meise kann, zu simulieren. Wir könnten dann vielleicht eine der großen Volkskrankheiten heilen, nämlich die Osteoporose.

Das wäre eine der Folgen. Ich spreche dieses Beispiel an, weil weite Teile der CSU auf dem Weg sind, stärker auf die Gentechnologie zu setzen. Wissen Sie, was das bedeutet? – Das bedeutet, nicht von der Natur zu lernen, was für die Zukunft unseres Landes und der Menschen wichtig ist, sondern zu versuchen, gegen die Natur anzugehen. Das ist der falsche Weg. Deshalb sollten wir bei der Diskussion über den Artenschutz auch über dieses Thema reden.

(Beifall bei der SPD)

In der CSU wird oft, teilweise von sehr prominenten Personen, über den Artenschutz diskutiert. Hinter diesem Thema steht die Frage nach dem Menschenbild. Was können und was dürfen wir tun? Wo dürfen wir Eingriffe in die Natur vornehmen und wo nicht? Meine Damen und Herren von der CSU, ich lade Sie herzlich ein, über dieses Thema weiter nachzudenken. Sind nicht viele Eingriffe in der Landwirtschaft, in der Forschung und in der Gentechnologie so ausgerichtet wie die Philosophie in der ehemaligen DDR „Ohne Gott und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein“? Wir müssen endlich lernen, mit der Natur zu leben und sie nicht auszutricksen und gegen sie zu leben.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner: Herr Kollege Prof. Dr. Vocke.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon viel gesagt worden, aber noch nicht von mir. Die Opposition hat den fehlenden Artenschutz beklagt. Ich habe manchmal den Eindruck, dass Sie so tun, als wären wir Robinson Crusoe und lebten zusammen mit einem Indio auf einer Insel, aber nicht in Bayern mit 12,3 Millionen Einwohnern. Lieber Herr Kollege Müller, wenn Sie sagen, dass wir gegen die Natur arbeiten würden, weiß ich nicht, wovon Sie reden. Es geht darum, den Nutzen für den Menschen

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte das Glück, vor etwa drei Wochen den Vortrag eines deutschen Professors über Verfahrenstechnik zu hören. Er hat auch an den Universitäten Harvard und Yale gelehrt. Ich spreche das deshalb an, weil ich das als Ausweis sehe für einen besonders hochwertigen und engagierten Mann in diesem Bereich.

In seinem Vortrag hat er angesprochen, dass heutzutage in Deutschland die Artenvielfalt in Großstädten viermal höher ist als in der ausgeräumten Landschaft. Wenn Sie also heute Artenvielfalt demonstrieren wollen, dann gehen Sie in die Großstädte. Das ist im Übrigen ein ganz interessanter Vorgang, über den man eigens nachdenken könnte.

Mir gibt diese Aussage Anlass, darüber nachzudenken, warum wir heute über das Problem diskutieren. Von der CSU habe ich nur nach dem olympischen Prinzip „höher, besser, weiter“ gehört: Das habe man schon immer gut gemacht und werde es in Zukunft immer noch besser machen. Das ist zu wenig. Ich meine, wir sollten uns über die Ursachen unterhalten, die zur jetzigen Situation geführt haben.

In einem ganz wichtigen Punkt teile ich nicht die Meinung der Frau Kollegin Paulig. Richtig ist, dass die Landwirtschaft eine Rolle spielt. Aber die Landwirtschaft hat sich so verhalten, wie sie die Politik dazu gezwungen hat. Wenn man über die Probleme der Landwirtschaft, die beteiligt ist, redet, darf man nicht auf die Bauern zeigen, sondern muss sagen, dass die Politik – angefangen von Europa bis hin zu Bayern – Signale an die Bauern ausgesendet hat, was dazu geführt hat, dass Arten vernichtet worden sind. Das ist Fakt.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen darüber reden, wie wir daran etwas ändern können. Über diese Ursachen müssen wir forschen. Ich will nicht darüber reden, wie Rot-Grün das gemacht hat. Wir sitzen alle im gleichen, schlechten Boot. Ich bin der Meinung, dass es kein Bundesland gibt, das überragend bessere Werte aufzuweisen hat. Alle sind dem Weg in die Massenproduktion gefolgt. Niemanden hat es interessiert, wie im Einklang mit der Natur produziert werden kann, sondern es wurde darüber diskutiert, wie am besten gegen die Natur produziert werden kann, um zu einem wirtschaftlichen Erfolg zu kommen. Ich meine, wir müssen uns überlegen, wie es in Zukunft weitergehen kann.

Es gibt eine ganz interessante Parallele. Im Fichtelgebirge gibt es eine Meise.

(Heiterkeit – Joachim Wahnschaffe (SPD): Eine?)

Ich müsste genauer sagen: mehrere Meisen.

Das hängt damit zusammen, dass wir Menschen so schlampig sind und überall Müllhalden bilden. Dadurch ermöglichen wir bestimmten Tierarten das Überleben. Das hat aber nichts mit der Landwirtschaft zu tun.

Ich bleibe dabei: Wenn wir wirklich helfen wollen, müssen wir eine Akzeptanz der Gesellschaft herbeiführen. Das kann nur funktionieren, wenn wir „wise use“ betreiben, wie dies auf der Konferenz von Rio gefordert wurde. Wir müssen einerseits schützen, aber andererseits auch nutzen. Wir müssen hier zu einem Einklang kommen. Wir dürfen nicht die Nutzer verteufeln und die Schützer heiligen. Wir leben hier in der Bundesrepublik. Hier gibt es sehr viele positive Denkansätze.

(Susann Biedefeld (SPD): Wir haben doch weiterhin eine negative Entwicklung!)

Verehrte Frau Kollegin Biedefeld, natürlich werden wir nie am Ende sein. Wir können immer noch mehr tun.

Für die Vernetzung von Grünbrücken brauchen wir Gelder. Der Bayerische Landtag hat dazu einstimmige Beschlüsse gefasst. Diese Beschlüsse müssen im Rahmen der Haushaltsmöglichkeiten umgesetzt werden.

(Susann Biedefeld (SPD): Genau, im Rahmen der Haushaltsmöglichkeiten!)

Wir müssen die Natur viel komplexer sehen. Es gibt auch Artenverbindungen. Wenn ich dem Rebhuhn helfe, helfe ich automatisch auch dem Neuntöter. Wenn ich dem Hasen helfe, helfe ich damit auch der Feldlerche. Hasenapotheken, Bienenweiden und Schmetterlingsparadiese müssen wir positiv bewerten und sollten nicht so tun, als wäre in Bayern alles nur schlecht.

(Susann Biedefeld (SPD): Die Zahlen weisen deutlich einen weiteren Rückgang der Arten aus!)

Wir können natürlich auch einiges verbessern. Wir dürfen selbstverständlich bei unserer intensiven Landwirtschaft die Natur nicht vergessen. Wir müssen den Bauern das Wahlrecht geben, was sie mit ihren Flächen machen können.

Herr Kollege, darf ich Sie an Ihre Redezeit erinnern?

Die Bauern müssen die Wahl haben, ob sie ihre Flächen für die Lebensmittelproduktion zur Verfügung stellen, für nachwachsende Rohstoffe oder im Rahmen ihrer Möglichkeiten für die Biodiversität. Diesen Antrag haben wir beschlossen. Die Opposition hat sich dabei teilweise der Stimme enthalten und teilweise dagegen gestimmt. Wenn man Sie an Ihren Worten und Taten misst, klafft einiges auseinander. Die

mit dem Schutz der Natur in Einklang zu bringen. Wir brauchen beides.

Herr Kollege Müller, Sie haben soeben von einer Meisenart gesprochen. Ich möchte an einer anderen Tierart die Wechselwirkungen, im Positiven wie im Negativen, darstellen, die sehr schnell eintreten. Ich spreche von unserer angeblichen Rote-Liste-Art, dem Hasen. Ich meine nicht den Angsthasen oder den Hasenfuß, sondern unseren Feldhasen. Beim Feldhasen sieht man sehr schön, wie er auf menschliche Einwirkungen reagiert, aber auch, wie wir es trotzdem schaffen können, ihn zu schützen. Die Politik der CSU besteht darin, beides in Einklang zu bringen.

Der Hase ist von Haus aus ein Steppentier. Er braucht es warm und trocken oder kalt und trocken, aber wenn es irgend möglich ist, trocken. Im Mittelalter, als in Zentraleuropa starke Rodungen durchgeführt wurden, ist der Hase sehr stark zugewandert. Es ging ihm bei uns recht gut. Dazu hat auch die Drei-Felder-Wirtschaft beigetragen. Im 19. Jahrhundert erfolgte dann die Industrialisierung. Damals gab es in Zentraleuropa aber auch mehr Menschen. Wir können nicht sagen, der Mensch soll zurück, damit in Europa eine bestimmte Tierart leben kann. Das geht nicht.

(Susann Biedefeld (SPD): Aber ohne Natur und Umwelt gibt es auch keine Menschen!)

Nach 1945, als im Zuge einer großen Flüchtlingswelle noch mehr Menschen nach Mitteleuropa und speziell in die Bundesrepublik kamen, war die Landwirtschaft außerordentlich wichtig. Meine Generation hat den damaligen Hunger noch erlebt. Wir waren damals froh, dass die Bauern intensiv Landwirtschaft betrieben haben.

(Susann Biedefeld (SPD): Wir sprechen über die Arten, die in den letzten Jahren ausgestorben sind!)

Ich räume ein, dass es danach auch Zeiten der Überproduktion gab. Das ist inzwischen nicht mehr so. Wir können deshalb die Natur verstärkt dafür nutzen, etwas für alle bei uns heimischen Tierarten zu tun. Gerade die soeben angesprochenen Hasen haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Das kommt nicht von ungefähr. Dazu haben der Klimawandel und auch die Umweltpolitik beigetragen. Ich nenne als Beispiel das KULAP und alles, was damit zusammenhängt. Herr Kollege Weichenrieder hat in diesem Zusammenhang die Pfl anzaktion und das Streuobst genannt. Dies beweist, dass wir sehr viel für unsere freilebende Tierwelt tun können.

Herr Kollege Müller, Sie haben die Städte angesprochen. Natürlich gibt es Nahrungsgeneralisten. Dem Fuchs und der Krähe geht es auf einem Kinderspielplatz hervorragend. Diese Beispiele sind jedoch nicht exemplarisch.

und Biodiversität nur erreichen, wenn wir gemeinsam mit denen, die die Natur zu Recht nutzen, vorgehen.

(Susann Biedefeld (SPD): Mit welchen Erfolgen?)

Ich komme gleich darauf, warten Sie einen Moment. Es ist vorgesehen, dass ich Ihnen das erkläre.

Deshalb brauchen wir in gewisser Hinsicht langen Atem. Es ist ein Konzept, das bis zum Jahre 2020 konzipiert ist. Ich will hervorheben, dass wir in Bayern nicht in der Stunde null anfangen. Jeder, der durch das Land fährt, weiß, wie Bayern heute aussieht und was wir aufgrund der Naturschutzarbeit in den vergangenen 30 oder 35 Jahren mit unseren Instrumenten erreicht haben. Ich nenne beispielhaft Umweltbildung, BayernNetz Natur, 41 Umweltstationen – für die ich überall gelobt werde, bloß leider nicht von Ihnen –, Vertragsnaturschutzprogramm, Landschaftspfl egerichtlinien, Artenhilfsprogramme, Naturschutzgebiet, KULAP und vieles andere.

Wir haben auch – auch das dürfen wir nicht vergessen – den Artenverlust beklagt; das ist richtig, wir haben aber auch Erfolge. Wir haben beim Weißstorch oder beim Wanderfalken Erfolge. Auch auf anderen Feldern verzeichnen wir Erfolge und sehen, dass der Naturschutz greift, die Strategien richtig sind und die Instrumente richtig gesetzt sind.

Wir haben vier Handlungsschwerpunkte – diese sind ganz konkret –, um bis 2020 den Erhaltungszustand für mindestens 50 % der Arten auf der Roten Liste um eine Stufe zu erhöhen. Wir wollen gefährdete Arten, für die wir Verantwortung tragen, so stärken, dass sie dauerhaft überleben können. Wichtig ist auch, die Vielfalt der Lebensräume zu bewahren. Auch das Netz der Schutzgebiete und Trittsteinbiotope so zu vervollständigen, dass eine grüne Infrastruktur erreicht wird, ist wichtig. Notwendig ist auch, die ökologische Durchlässigkeit zu verbessern. Wir müssen auch fragen, wie wir den Flächenverbrauch besser in den Griff bekommen können. Ich bin auch dabei zu überlegen, welche zusätzlichen Instrumente wir entwickeln können. Wir haben in Bayern schon Vieles getan. Ich erinnere an das Bündnis in Bezug auf die Flächen. Es sind aber weitere Überlegungen notwendig, die wir zurzeit auch anstellen. Auch müssen wir Lebensräume besser miteinander verbinden – Thema: Grünbrücken.