Protokoll der Sitzung vom 05.06.2008

In Einzelfällen ist an einer öffentlichen Einrichtung wie z.B. rund um das Innenministerium und um das Lagezentrum aus Sicherheitsgründen eine Videoüberwachung eingerichtet. Daraus kann jedoch keiner ableiten, dass jetzt an jedem Landratsamt in Bayern Videokameras angebracht werden. Das ist doch völlig absurd. Wenn es einen speziellen Anlass gibt, kann eine Videoüberwachung eingerichtet werden. Kein Mensch wird aber auf die Idee kommen, an jedem öffentlichen Gebäude in Bayern in Zukunft eine Videokamera anzubringen. Das hat kein Mensch in den Raum gestellt. Das hat keiner jemals gefordert. Das hat keiner jemals angekündigt. Das ist überhaupt nicht unsere Absicht. Sie bauen letztendlich Dinge auf, von denen bei uns überhaupt nicht die Rede ist.

Wir schaffen nur datenschutzrechtliche Bestimmungen, damit das Löschen in Zukunft eindeutig geregelt ist. Von einem fl ächendeckenden Ausbau ist überhaupt nicht die Rede. Das will ich abschließend klar bekräftigen. Dort, wo es sinnvoll und notwendig ist, führen wir die Videoüberwachung im Interesse der Sicherheit der Menschen in unserem Land durch.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben eine neue Runde eröffnet, weil die Redezeit überschritten wurde. Das Wort hat Frau Kollegin Stahl.

Es ist mir ein Bedürfnis, das im Protokoll so nicht stehen zu lassen. Ob Sie tatsächlich etwas machen, ist die eine Frage. Es ist aber auch eine Frage der fi nanziellen Ausstattung der Kommunen, des Innenministeriums, der Polizei, der öffentlichen Behörden etc.

Der Punkt ist doch - -

(Unruhe - Engelbert Kupka (CSU): Das PAG gilt doch auch noch!)

Das Wort hat Frau Kollegin Stahl. Es wird nicht einfacher durch die Zwischendialoge.

Der Punkt ist doch - und das ist, wie Herr Ritter richtig gesagt hat, im Versammlungsrecht dasselbe -, zwischen dem, was Sie eröffnen mit Ihrem Text, und dem, was vielleicht tatsächlich gemacht

Orten, bei denen es keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung gibt, Videoüberwachung stattfi ndet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Engelbert Kupka (CSU): Wer macht denn das?)

Offensichtlich gehen Sie davon aus, dass in Bayern an jedem einzelnen Ort, überall dort, wo Öffentlichkeit besteht, eine Gefährdung vorhanden ist.

(Engelbert Kupka (CSU): Sie unterstellen das! Meinen Sie denn, das ganz Bayern mit Videokameras überdeckt wird?)

Entschuldigung, es geht nicht darum, dass Sie bei der nächsten Haushaltsplanung die Mittel dafür zur Verfügung stellen müssen, sondern es geht darum, dass mit diesem Gesetzentwurf eine fl ächendeckende Videoüberwachung prinzipiell möglich ist.

(Engelbert Kupka (CSU): Die muss auch möglich bleiben!)

Damit kommen wir genau zu dem Punkt, bei dem wir schon bei der Diskussion über das Versammlungsgesetz waren, als Herr Kollege Obermeier gesagt hat, selbstverständlich würden alle Möglichkeiten, die das Grundgesetz bietet, ausgereizt. Diese Diskussionen werden wir noch öfter führen.

(Engelbert Kupka (CSU): Wir wollen doch nicht bei jeder Gefahrensituation das Gesetz erneut ändern!)

Offensichtlich führen wir hier eine Diskussion, bei der wieder einmal unabhängig davon, ob man es aus Sicherheitsgründen überhaupt braucht oder nicht, etwas bis zu den vom Grundgesetz gesetzten Grenzen ausgeschöpft, nur um es machen zu dürfen. Dem können wir uns nicht anschließen.

(Beifall bei der SPD – Engelbert Kupka (CSU): Was ist das für eine Argumentation?)

Herr Staatsminister Herrmann.

Ich darf klarstellen, dass Sie hier eine Diskussion aufreißen, die bei den Ausschussberatungen weder von Seiten der Staatsregierung noch von Seiten der CSU-Fraktion in dieser Dimension geführt worden ist. Dieser Gesetzentwurf regelt die datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen dafür, wann einerseits die Videoüberwachung zulässig ist und wann andererseits die Aufnahmen gelöscht werden müssen, bzw. unter welchen Sonderbedingungen – ich habe Rechtsstreite angesprochen – sie doch aufbewahrt werden dürfen. Von einer fl ächendekkenden Ausweitung, wie Sie es in den Raum stellen, hat bei uns niemand etwas gesagt. Das steht überhaupt nicht zur Debatte.

in das Bürgergutachten schreiben, sagen.

Gestern ist gesagt worden, dass mit diesem Bürgergutachten die Linie der Staatsregierung bestätigt worden ist. Offensichtlich entspricht aber das Gesetz, das Sie hier einbringen, nicht der Linie des Bürgergutachtens.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Kreuzer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Langsam bekommt man hier den Eindruck, als würde eine Gespensterdiskussion geführt. Herr Kollege Ritter, auch das, was Sie jetzt hier ausgeführt haben, entbehrt meines Erachtens, zumindest von der juristischen Defi nition her, jeden Sachverstandes. Sie sagen, wir können bei konkreter Gefahr etwas tun. Das ist aber eine Gefahr, die aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte unmittelbar bevorsteht. So ist das sicherheitsrechtlich defi niert. Nur bei der Vorbereitungshandlung eine Videoüberwachung vorzunehmen, wie Sie das wollen, ist ein Ding der Unmöglichkeit, um das einmal so zu sagen, weil Sie nie sagen können, ob sich in der Münchner U-Bahn am Punkt X oder Y eine konkrete Gefahr darstellt. Die Aussage ist glattweg falsch. Es müssen abstrakte Gefahren ausreichen.

Ich lese Ihnen einmal vor, was in Artikel 21 a dieses Gesetzentwurfs steht. Dann sagen Sie mir, was Ihnen daran nicht gefällt.

Mit Hilfe von optisch-elektronischen Einrichtungen sind die Erhebung (Videobeobachtung) und die Speicherung (Videoaufzeichnung) personenbezogener Daten zulässig, wenn dies im Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder in Ausübung des Hausrechts erforderlich ist,

- Es ist eine Erforderlichkeitsprüfung vorzunehmen. Das heißt: nicht an jedem Ort zu jeder Zeit und überall. „Erforderlich“ heißt, es müssen zumindest Anhaltspunkte dafür vorhanden sein, dass abstrakte Gefahren auftreten. Weiter im Zitat:

…erforderlich ist, 1. um Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum von Personen, die sich im Bereich öffentlicher Einrichtungen, öffentlicher Verkehrsmittel, von Dienstgebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen öffentlicher Stellen oder in deren unmittelbarer Nähe aufhalten…

Also: Um Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum von Personen zu schützen. Des Weiteren:

2. um Kulturgüter, öffentliche Einrichtungen, öffentliche Verkehrsmittel, Dienstgebäude oder sonstige bauliche Anlagen öffentlicher Stellen… zu schützen.

wird, besteht ein Unterschied. Aber für uns muss es doch wichtig sein, dass der Text so gefasst ist, dass Übergriffe, die aus unserer Sicht unzulässig sind, nicht möglich sind. Und dazu muss ein Text richtig und ordentlich gefasst sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zweitens. Sie haben Ihren Text auch in Teilen tatsächlich ganz klar gefasst, und Sie wollen ganz klar in einzelnen Bereichen weiter gehen, als es aus meiner Sicht das Verfassungsgericht vorsieht. Hier geht es zum Beispiel um die Ordnungswidrigkeiten; Sie haben es gerade noch einmal angesprochen. Sowohl hinsichtlich der Löschung als auch hinsichtlich der Erhebung von Daten ist es so, dass Sie bei Ordnungswidrigkeiten, auch wenn Sie es eingrenzen mit der Umschreibung „von erheblicher Bedeutung“, was wiederum ein wenig unklar ist, weil, was ist „erhebliche Bedeutung“; darüber kann man sich streiten -, sehr wohl eine Videoüberwachung und das Aufheben der Daten zulassen wollen. Da muss ich Ihnen sagen, das halte ich ganz einfach nicht für zulässig. Und darüber streiten wir, und um nichts anderes.

Noch einmal zur U-Bahn: Es geht nicht darum, ob wir das richtig oder gut fi nden, sondern es geht darum, zur Kenntnis zu nehmen, dass es nun einmal Erhebungen gibt, die sagen, das Sicherheitsgefühl hat sich nicht verbessert. Sie bringen immer Folgendes, wobei Sie einiges vermischen: einmal Verbrechen zu verhüten und gleichzeitig repressiv tätig zu sein. Mit der Videoüberwachung in der U-Bahn ist natürlich eine Verfolgung von Straftätern möglich. Wir haben auch nichts gegen eine Videoüberwachung in der U-Bahn. Aber Verbrechen verhindern - wie Sie es als Schlusswort gesagt haben - werden Sie damit nicht. Genau das sind die Punkte, die man sehr sorgfältig auseinanderhalten muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Ritter, dann Herr Kollege Kreuzer.

Vielleicht als kleine Anknüpfung an vorhin: Man kann gern einmal eine Präventionsdiskussion führen, wenn man München schon ins Feld führt und darüber redet, wie dort Präventionspolitik gemacht wird.

Ich will aber noch auf einen anderen Punkt hinaus. Ich habe darauf hingewiesen, wie die Bürgerinnen und Bürger in dem auch von Ihnen hochgelobten, gestern vom Innenminister - Entschuldigung: vom Ministerpräsidenten - hochgelobten Bürgergutachten zur Frage der Überwachung stehen. Ich habe auch darauf hingewiesen, dass die Bürger es so sehen, dass eine Überwachung tatsächlich nur dort stattfi nden soll, wo ein konkreter Verdacht und eine konkrete Gefahr vorliegen. Letztendlich entspricht das der Defi nition, die auch im Polizeiaufgabengesetz steht. Es würde mich jetzt schon interessieren, was Sie den Bürgerinnen und Bürgern, die so etwas

- Das steht hier drin. Wortwörtlich steht es in der Drucksache 15/9799.

(Beifall bei den GRÜNEN - Engelbert Kupka (CSU): So kann man jedes Gesetz kaputtreden!)

Ich sehe keine weitere Wortmeldung. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 15/9799 und die Beschlussempfehlung mit Bericht des federführenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen auf Drucksache 15/10724 zugrunde.

Der federführende Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen empfi ehlt die unveränderte Annahme. Ergänzend schlägt er bei der Endberatung vor, in § 4 als Datum des Inkrafttretens den „1. Juli 2008“ einzufügen. Wer dem Gesetzentwurf mit dieser Ergänzung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen? - Die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? - Keine. Dann ist so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, kommen wir zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in der gerade besprochenen Fassung zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Das ist wiederum die CSU-Fraktion. Gegenstimmen? - Die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? - Keine. Ersteres war die Mehrheit. Damit ist das Gesetz so angenommen. Es hat den Titel: „Gesetz zur Änderung des Bayerischen Datenschutzgesetzes, des Polizeiaufgabengesetzes und des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes“.

Damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen. Ich unterbreche die Sitzung bis 14 Uhr.

(Unterbrechung von 13:19 bis 14:02 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir nehmen die Sitzung wieder auf.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) Deutschland braucht kein FBI: BKA-Gesetz im Bundesrat ablehnen! (Drs. 15/10752)