Protokoll der Sitzung vom 10.06.2008

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 125. Vollsitzung; ich begrüße Sie alle herzlich. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Regierungserklärung des Staatsministers der Finanzen zum Thema: „Eckpunkte eines neuen Dienstrechts für den Freistaat Bayern“

Dazu erteile ich Herrn Staatsminister Huber das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bayern schafft ein neues Dienstrecht. Ich lege hiermit die Eckpunkte vor, die die Staatsregierung nach gründlicher Beratung und intensiver Beteiligung der Verbände, Gewerkschaften und der Personalvertretungen beschlossen hat.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Leistung stärker belohnen – Flexibilität gezielt fördern. Das sind die zentralen Ziele für ein neues Dienstrecht für die Beamtinnen und Beamten in Bayern. Wir nehmen damit umfassend die Landeskompetenzen wahr, die wir mit der Föderalismusreform erkämpft haben. Wir motivieren unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und geben dem Berufsbeamtentum eine moderne Grundlage. Wir schaffen ein Dienstrecht, das für alle Bürger hochqualifi zierte Dienstleistungen des Staates gewährleistet. Bayern setzt damit Zeichen für die Zukunft, die in ganz Deutschland beachtet werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Unser leistungsfähiger, moderner öffentlicher Dienst ist ein entscheidender Faktor für Lebensqualität in Bayern. Motiviertes und hochqualifi ziertes Personal ist eine unabdingbare Voraussetzung, um täglich die Leistung für Gesellschaft und für Bürger zu erbringen, die sie von uns erwarten können; denn jede Leistung des öffentlichen Dienstes ist nur so gut wie die Beschäftigten, die sie erbringen und mit ihrem persönlichen Einsatz dahinter stehen.

Der öffentliche Dienst in Bayern genießt bundesweit einen herausragend guten Ruf. Mir ist es ein großes Anliegen, im Namen der Bayerischen Staatsregierung allen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Bayern für die gute Arbeit zu danken, die sie tagtäglich leisten.

(Beifall bei der CSU)

Gerade im Schulwesen wird das besonders deutlich. Hier schaffen wir durch neue Beförderungsämter an Grund-, Haupt- und Realschulen spürbare Motivationsanreize. Künftig sollen leistungsstarke und hoch motivierte Lehrkräfte an Grund- und Hauptschulen zweimal befördert werden können, auch wenn sie keine zusätzliche Funktion wahrnehmen, sich aber durch besonderes Engagement und gute Leistungen auszeichnen. Das kommt mit Sicherheit auch den Schülern und damit den Eltern in Bayern zugute.

(Beifall bei der CSU)

Auch für Lehrer an Realschulen soll die Möglichkeit für eine solche Beförderung geschaffen werden.

Die neuen Beförderungsämter an den Grund- und Hauptschulen sind in dieser Form bundesweit einmalig. Bayern schafft damit Fortkommensmöglichkeiten, wie sie kein anderes Bundesland kennt, und setzt dabei Maßstäbe für ganz Deutschland. Das ist aber nicht nur für Lehrerinnen und Lehrer an den bayerischen Grund- und Hauptschulen eine gute Nachricht, sondern wie gesagt auch für die Schüler, sicherlich auch für die Eltern, aber auch für die Arbeitgeber in Bayern, weil damit das schon sehr hohe Niveau unserer bayerischen Schulen noch weiter ausgebaut und verstärkt werden kann.

Wir wollen aber auch in allen anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes deutliche Verbesserungen erreichen. Deshalb werden wir durch Stellenhebungen auch dort massiv zusätzliche Beförderungsmöglichkeiten schaffen. Dafür bringen wir die gleiche Summe auf, die wir in die Beförderungsmöglichkeiten an Grund-, Haupt- und Realschulen investieren.

Meine Damen und Herren, das jetzige Besoldungssystem bietet zu wenige Möglichkeiten, einerseits Spitzenleistungen zu honorieren und andererseits dauerhaft ungenügende Leistungen zu sanktionieren. Deshalb bauen wir das System der Leistungsbezahlung grundsätzlich und nachhaltig aus.

In der Öffentlichkeit besteht häufi g der Eindruck, das Beamtengehalt steige automatisch. Gemeint ist hier das Vorrücken in den Stufen der Gehaltstabelle. Künftig wird ein Aufrücken in die nächste Stufe nur dann möglich sein, wenn die erforderlichen Mindestanforderungen dafür erfüllt werden und dies positiv festgestellt ist.

Eine unserer zentralen Überlegungen für das neue Dienstrecht ist die Einführung und Verbesserung von leistungsbezogenen Gehaltsbestandteilen. Wenn man aber eine stärker leistungsorientierte Besoldung ernsthaft will, dann muss man auch Geld dafür bereitstellen.

(Beifall bei der CSU)

Über Jahrzehnte hinweg war das Beamtenrecht in weiten Teilen vom Bund dominiert. Die Folge waren oft zu starre und komplizierte Regelungen. Die unterschiedlichen Bedürfnisse der Länder und der Kommunen wurden dabei nicht immer ausreichend berücksichtigt.

Seit der Föderalismusreform sind die Gesetzgebungskompetenzen im Besoldungs-, Laufbahn- und Versorgungsrecht überwiegend dort, wo sie hingehören, nämlich bei den Ländern. Das ist im Übrigen auch eine starke Kompetenzerweiterung und Verbesserung für den Bayerischen Landtag. Wir werden diese Kompetenzen in Bayern umfassend nutzen; es gilt, möglichst klare, fl exible und leistungsorientierte Regelungen zu schaffen. Die Kompetenzverlagerung bietet die Chance zur Gestaltung, sie bedeutet aber auch die Pfl icht zur Gestaltung. Die neuen Gesetzgebungskompetenzen geben uns die Möglichkeit, unser Dienstrecht weiter zu optimieren. Wir wollen die guten Leistungen unserer Beschäftigten stärker honorieren und ihr berufl iches Fortkommen insgesamt besser und fl exibler als bisher ausgestalten.

Meine Damen und Herren, mit dem neuen Dienstrecht verfolgen wir daher zwei Grundziele: die konsequente Leistungsorientierung und die gezielte Flexibilisierung. Das heißt, die Leistung unserer Beamtinnen und Beamten wird noch stärker in den Mittelpunkt gestellt. Flexible Regelungen sollen das berufl iche Fortkommen gezielter unterstützen und fördern. Hinzu kommt, dass wir die Augen nicht vor den Realitäten der demografi schen Entwicklung in unserem Land verschließen dürfen. Ebenso wie im Rentenrecht müssen auch im Beamtenrecht die Weichen auf eine nachhaltige Zukunftssicherung der Versorgung gestellt werden.

Tiefgreifende Veränderungen im Dienstrecht können nicht einfach von oben verordnet werden. Wichtig ist ein intensiver Dialog und Meinungsaustausch mit allen Beteiligten. Insbesondere die Berufsvertretungen der Beamtinnen und Beamten waren und sind hier wichtige und kompetente Gesprächspartner. Deshalb haben wir von Anfang an die Diskussion mit ihnen gesucht.

Im Rahmen zahlreicher Veranstaltungen und Fachgespräche wurden Vertreter der Beschäftigten, insbesondere der Spitzenverbände sowie der Wissenschaft, der Wirtschaft, anderer Länder und des Bundes in den Prozess eingebunden. Die dabei gewonnenen wertvollen Erkenntnisse sind die Grundlage für die beschlossenen Eckpunkte, die ich Ihnen in Grundzügen jetzt vortragen darf.

Im Mittelpunkt des neuen Dienstrechts steht das Leistungsprinzip. Beförderungen sind und bleiben der stärkste Ausdruck des Leistungsprinzips. Deshalb werden wir die Beförderungsmöglichkeiten als Kernelement zur Anerkennung von Leistung nachhaltig verbessern.

Jetzt komme ich zu einem ganz besonderen Punkt im neuen Dienstrecht. Das, was wir beim Laufbahnrecht vorhaben, kommt nahezu einer Revolution gleich. Damit schlagen wir ein völlig neues Kapitel im Berufsbeamtentum in Deutschland auf. Wir wollen künftig nur noch eine durchgehende Laufbahn. Die jetzigen Laufbahnen des einfachen, mittleren, gehobenen und höheren Dienstes gehen in einer Laufbahn auf. Das ist keine Gleichmacherei; das ist eine fundamentale Stärkung des Leistungsgedankens.

Der Einstieg in die neue Laufbahn richtet sich natürlich weiterhin nach Vorbildung und Qualifi kation des Einzelnen, aber das berufl iche Fortkommen wird sich noch stärker am Leistungsprinzip orientieren. Wir wollen weniger bürokratische Hürden, sondern das Gegenteil: mehr Flexibilität. Eine gezielte Qualifi zierung für höhere Dienstposten wird noch mehr in den Mittelpunkt treten und konkreter nach den Verwendungsplanungen und den Anforderungen der Praxis ausgerichtet.

Ziel der Staatsregierung ist es, leistungsstarken Beamtinnen und Beamten Entwicklungsperspektiven aufzuzeigen und die bestehenden Laufbahngruppengrenzen zu sprengen.

Mit der Zusammenfassung der Laufbahngruppen muss auch eine komplette Neuausrichtung des bisherigen Aufstiegsverfahrens einhergehen. Hierzu bedarf es natürlich weiterhin festgelegter Regeln, nach denen Beamtinnen und Beamte eine höhere Qualifi kationsebene erreichen können. Wichtig ist dabei, dass sowohl fachspezifi sche Kenntnisse vertieft werden als auch die Wissensbasis allgemein verbreitert wird. Um einen hohen Standard zu gewährleisten, soll hier der Landespersonalausschuss an maßgeblicher Stelle mitwirken. Wer die nächste Qualifi kationsebene erreichen und an den hierfür erforderlichen Qualifi zierungsmaßnahmen teilnehmen kann, entscheidet sich nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung des Einzelnen.

Meine Damen und Herren, mit einem neuen Laufbahnrecht können wir aber nicht auf halbem Wege stehen bleiben. Gerade im Bereich der Fachlaufbahnen ist es wichtig, den im Laufe der Zeit entstandenen Wildwuchs zu lichten. Es gibt derzeit über 300 verschiedene Fachlaufbahnen. Unser Ziel ist es, diese Laufbahnen durch eine Bündelung fachlich verwandter Aufgabenfelder massiv auf wenige – im Entwurf sind sechs vorgesehen – zu reduzieren; denn es kann nicht angehen, dass Beschäftigte, die die gleiche Tätigkeit ausüben, unterschiedlichen Laufbahnen zugeordnet werden, nur weil sie in verschiedenen Geschäftsbereichen tätig sind.

(Beifall des Abgeordneten Prof. Dr. Kurt Faltlhau- ser (CSU))

Durch die Bündelung auf die wenigen Fachlaufbahnen entfällt ein Großteil der bisherigen Laufbahnwechsel. Der Wechsel zwischen unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern

Wir tun das, indem wir die Mittel für Leistungsprämien auf 30 Millionen Euro im Jahr verdoppeln. Wir werden hier aber nicht stehen bleiben. Überdurchschnittlich leistungsstarke Beamtinnen und Beamte sollen künftig beschleunigt in den Stufen der Grundgehaltstabelle vorrükken. Unser Ziel ist es, mit den Leistungsprämien und dem beschleunigten Vorrücken bis zu 30 % der Beamtinnen und Beamten zu erreichen.

Das Gesamtvolumen hierfür soll schrittweise bis auf ein Prozent der jährlichen Gehaltssumme erhöht werden. Das sind rund 60 Millionen Euro im Jahr, die speziell für solche leistungsorientierte Elemente eingesetzt werden.

Meine Damen und Herren, ein wichtiges Anliegen ist es mir, die Vergabe der Leistungselemente transparent zu gestalten. Deshalb sollen die Personalvertretungen und die Schwerbehindertenvertretungen in die Vergabe der Leistungsprämien und die Entscheidung darüber, wer in der Gehaltstabelle beschleunigt vorrückt, eingebunden werden.

Wir werden mit dem neuen Dienstrecht nachhaltig Verbesserungen herbeiführen. Es wird keine Absenkung der Besoldung beim Berufseinstieg geben, wie es beim Bund lange zur Debatte stand. Auch muss niemand Angst davor haben, Verbesserungen mit Einschnitten an anderer Stelle selbst bezahlen zu müssen. Wir behalten die bisherigen Strukturen der Ämter und der Besoldungstabellen bei. Auch die Zahl und die zeitliche Ausgestaltung der Gehaltsstufen bleiben unverändert. Denjenigen, die dem Finanzminister grundsätzlich nichts Gutes zutrauen, garantiere ich ausdrücklich, dass die Bezüge auch im neuen Dienstrecht entsprechend der Einkommensentwicklung und den wirtschaftlichen und fi nanziellen Verhältnissen gemäß regelmäßig angepasst werden.

(Beifall bei der CSU – Christa Naaß (SPD): Was bedeutet „regelmäßig“?)

Ein besonderes Highlight, wie man heute sagt, sind mit Sicherheit die Auswirkungen dieser Reform auf den Wissenschaftsstandort Bayern. Er soll auch in Zukunft in ganz Deutschland an der Spitze stehen. Wir müssen für hervorragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler attraktiv sein und bleiben. Deshalb werden wir das Grundgehalt der Wissenschaftsbesoldung anheben und Spielräume für eine Verbesserung der Leistungsbezahlung prüfen.

(Beifall bei der CSU)

Wir stehen hier nicht nur deutschlandweit, sondern sicherlich auch europa- und weltweit im Wettbewerb. Wir wollen Spitzenuniversitäten und Spitzenhochschulen haben. Deshalb müssen wir der Besoldung der Professoren und Wissenschaftler den nötigen Spielraum geben.

(Beifall bei der CSU)

Schuljahr in Ruhestand, in dem sie 65 Jahre alt werden. Wir wollen den Lehrerinnen und Lehrern künftig freistellen, nach der bisherigen Regelung in den Ruhestand zu treten oder bis zum Ende des Schuljahres im Dienst zu bleiben, in dem sie die gesetzliche Altersgrenze erreichen. Das mit dieser Wahlmöglichkeit verbundene Überschreiten oder Unterschreiten der gesetzlichen Altersgrenze wird mit Zuschlägen oder Abschlägen bei den Versorgungsbezügen ausgeglichen.

Zwar werden die Altersgrenzen, wie schon dargestellt, für den Ruhestandseintritt angehoben. Wir verzichten aber bewusst und zugunsten einer erhöhten Flexibilität beim Ruhestandseintritt auf eine parallele Anhebung der Antragsaltersgrenzen. Das gilt auch für Schwerbehinderte. Es bleibt daher bei 64 bzw. bei 60 Jahren. Das ist ein weiteres Entgegenkommen, insbesondere gegenüber schwerbehinderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

(Beifall bei der CSU)

Im Übrigen wollen wir in der Beamtenversorgung an den bewährten Grundsätzen festhalten. Hierzu gehört insbesondere die Versorgung aus dem letzten Amt. Auch die Berücksichtigung amtsprägender Zulagen bei der Ruhegehaltfähigkeit, zum Beispiel der Polizei- und Feuerwehrzulage, steht nicht zur Disposition.

Nun zu einer Frage, die unsere Beamtinnen und Beamten besonders bewegt hat. Wir werden auch beim Weihnachtsgeld keine Abstriche vornehmen. Wir werden die Mittel, die wir für das Weihnachtsgeld einsetzen, nicht dazu verwenden, Maßnahmen des neuen Dienstrechts zu fi nanzieren. Die jährliche Sonderzahlung wird auch über 2009 hinaus in der bisherigen Form und Höhe fortgeführt. Bei der Höhe des Weihnachtsgeldes liegt Bayern übrigens bundesweit an der Spitze.

Anders als der Bund wollen wir den besonderen Charakter einer Einmalzahlung zum Jahresende auch weiterhin beibehalten. Deshalb haben wir uns gegen einen Einbau in die Gehaltstabelle entschieden.

Meine sehr verehren Damen und Herren, dass sind die wichtigsten Inhalte der Eckpunkte für das neue Dienstrecht in Bayern. Lassen Sie mich die wesentlichen Punkte noch einmal kurz und prägnant zusammenfassen:

Wir stärken die Beförderungen als Kernelement zur Anerkennung von Leistung durch ein umfangreiches Stellenhebungsprogramm.

Wir schaffen neue Beförderungsämter im Grund-, Haupt- und Realschulbereich.