Protokoll der Sitzung vom 10.06.2008

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Ach so!)

Vielleicht lassen Sie mich einmal ausreden. Das wäre freundlich. – Bei uns leben aber sicherlich auch Menschen in bescheidenen Verhältnissen. Das gab es zu jeder Zeit, und das wird es auch zu jeder Zeit geben.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Das ist aber eine schöne Umschreibung! – Zuruf der Abgeordneten Maria Scharfenberg (GRÜNE))

Wir werden uns für diese Menschen weiterhin einsetzen und stark machen, insbesondere dann, wenn Kinder vorhanden sind.

Uns ist auch klar, dass staatliche Sozialleistungen vorrangig die Primärversorgung in einem Haushalt sicherstellen. Als einen wesentlichen Beitrag sehen wir aber, auch wenn Sie das immer verunglimpfen, eine nachhaltige und ganzheitliche Bildungspolitik an. Wir haben sicherlich einen anderen Ansatz als Sie. Das wird immer wieder spürbar.

Wir wollen auf die individuellen Stärken und natürlich auch auf die individuellen Schwächen aller Kinder eingehen und diesen gerecht werden.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Dafür braucht es aber mehr Geld! – Zuruf der Abgeordneten Karin Radermacher (SPD))

Liebe Kollegin, wir haben zum Beispiel einen anderen Ansatz, was die individuellen Stärken schwächerer Kinder, auch lernschwächerer Kinder anbelangt, durch unsere Hauptschuloffensive.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Abschieben in die Sonderschule!)

Denn wir glauben noch an eine Hauptschule, die nicht nur einseitig kognitiv fördert, sondern auch ganzheitlich im psychomotorischen Bereich.

(Beifall des Abgeordneten Engelbert Kupka (CSU))

Die Besuchsquote der Kindertagesstätten beträgt mehr als 96 %. Damit befi nden wir uns auf einem guten Weg, was die frühkindliche Entwicklung anbelangt.

(Fortgesetzte Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Ich halte das schon aus. Keine Sorge. Ich rede dann halt unanständig weiter. – Wir haben in Bayern diese Situation im frühkindlichen Bereich. Deshalb sind unsere Zahlen etwas niedriger. Bei uns werden durch die guten

benslanger Profi t. Ich frage mich: Wenn uns das bekannt ist, warum machen wir dann in Bayern ein Kinderbetreuungsgesetz, das ein Spargesetz ist, das die Qualität in den Einrichtungen nicht verbessert, sondern eher verschlechtert,

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Joachim Unterländer (CSU))

das die Gruppen größer werden lässt, das weniger Vorschularbeit zulässt, das die Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans nicht sicherstellt? All das sind Defi zite, mit denen wir zu kämpfen haben.

Herr Unterländer, ich möchte Sie jetzt persönlich ansprechen. Ihnen wurde heute die Länderauswertung der Bertelsmann-Studie übergeben. Ich nehme an, Sie haben sie sich schon kurz angeschaut. Darin steht noch einmal ausdrücklich: Im Bundesvergleich liegt Bayern in der Gruppe der Bundesländer mit den niedrigsten Ausgaben für frühkindliche Bildung. Der Anteil der Nettoausgaben für frühkindliche Bildung, gemessen an ihrem Anteil an den Gesamtausgaben der öffentlichen Haushalte, liegt in Bayern bei 2,9 %, also unter dem westdeutschen Durchschnitt von 3,3 %.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Typisch!)

Das ist für ein reiches Land wie Bayern beschämend.

In dieser Studie werden im Übrigen genau die Defi zite genannt, die wir Ihnen beim BayKiBiG immer wieder vorgeworfen haben: dass die Qualität nicht vorgeschrieben ist, dass wir es hier mit einem Spargesetz zu tun haben und dass gerade Kinder aus armen Familien darunter leiden, weil sie auf diese Bildungsangebote besonders angewiesen sind, weil die Eltern nicht ausgleichen können, weil das Geld für Klavierunterricht, für Sportunterricht, für den Sport- oder Musikverein nicht vorhanden ist.

Meine Redezeit ist leider schon abgelaufen. – Ich bitte Sie darum, unseren Anträgen, die wir vielfältigst gestellt haben, endlich zu folgen und das letzte Kindergartenjahr kostenfrei zu stellen, damit alle Kinder in Bayern von Anfang an gleiche Chancen haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Brendel-Fischer.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf einige andere Aspekte als meine Vorrednerin hinweisen, die für unsere bayerische Datenlage eine gewisse Relevanz aufweisen.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Was sagen Sie denn zu den 2,9 %? Die wenigsten Ausgaben!)

Die Armutsdebatte insgesamt, glaube ich, sollte nicht so oberfl ächlich geführt und pauschalisiert werden. Ich möchte dazu etwas ganz deutlich sagen. Wir erleben bei vielen Familien, vor allem bei jüngeren Leuten, immer stärker eine Tendenz, mit dem Einkommen nicht auszukommen, weil teilweise über den Verhältnissen gelebt wird.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Ach so! Deshalb!)

In vielen Haushalten fehlt es immer mehr an Alltagskompetenzen, die wichtig sind, damit man mit seinem Einkommen klarkommt.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Ja, ja!)

Niemand ist davor gefeit, dass er einmal in eine wirtschaftliche Notlage kommt und über einen gewissen Zeitraum hinweg mit weniger Geld auskommen muss. Ich erinnere nur daran: Es ist leider nicht mehr unbedingt üblich, dass man sich mit preiswerten Grundnahrungsmitteln ein Essen zubereitet oder dass man hauswirtschaftliche Grundkenntnisse besitzt. Das ist eine von vielen Ursachen. Manches lässt sich auch mit der Einkommenssituation nicht mehr so darstellen. Früher hat man das vielleicht etwas leichter überbrückt.

Bei den Ausgaben in den Haushalten – das möchte ich ganz deutlich sagen – ist oft auch die Reihenfolge nicht mehr so, dass erst das Notwendige besorgt wird, dann das Nützliche und schließlich das Angenehme, was eher Luxuscharakter hat.

(Zuruf von der SPD: Selbst schuld!)

Das muss man in der heutigen Zeit einfach mal realistisch annehmen.

(Beifall bei der CSU)

Liebe Frau Brendel-Fischer, jetzt haben Sie Ihre Redezeit schon eine Minute überschritten.

Mein Schlusssatz ist der, damit ich nicht zu lange spreche, dass für uns in erster Linie das Investieren in Arbeit, Ausbildung, nicht in Armutsforschung, Priorität hat. Wir wollen durch eine gute Wirtschaftspolitik, die von Sozialpolitik begleitet wird, erreichen, dass Menschen bei uns ihren Lebensunterhalt einkömmlich selbst erwirtschaften können. Das ist unsere Priorität. – Danke.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Sonnenholzner.

Familienstrukturen und die verwandtschaftlichen Bindungen gerade im fl achen Land viele Kinder von Großeltern betreut, wo Mütter oder Väter arbeiten gehen. Das erleben wir alle in unseren Stimmkreisen. Von daher ist die Nachfrage vor allem im ländlichen Bereich nicht so hoch nach Betreuungseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren. Das spüren wir jetzt auch, wenn in einigen Regionen die Nachfrage nach Krippenplätzen immer noch nicht in dem Maße vorhanden ist, was die Bedarfsabfragen belegen.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Es ist doch alles in Ordnung!)

Die wirtschaftliche Jugendhilfe greift hier, was die Kindertagesstättenbesuche anbelangt. Ich sehe es anders als eine Vorrednerin: Heute geniert sich niemand, wenn er wirtschaftliche Jugendhilfe beantragt. Das bestätigen uns auch immer wieder die Kindertagesstättenleiterinnen.

(Franz Maget (SPD): Das ist leider nicht wahr, Frau Kollegin!)

Unsere Schulen vermitteln Wissen und Können, engagieren sich für eine gute Werteerziehung und möchten Persönlichkeitsbildung entsprechend anbahnen. Auch das ist Stärkung der Persönlichkeit. Das soll stark machen für eine bessere Vorbereitung auf Ausbildung und Beruf.

Wir versuchen derzeit auch durch eine Stärkung der Jugendsozialarbeit, voranzukommen.

(Franz Maget (SPD): Das meinen Sie doch nicht im Ernst!)

Wünschenswert ist auch eine noch stärkere Zusammenarbeit zwischen Elternhäusern und Schulen. Wir wissen aber auch, dass die Bereitschaft des Elternhauses dazu erforderlich ist. Wir können die Eltern nicht in die Schulen hineintreiben, um hier bessere Kooperation zu erhalten. Auch das ist wichtig.

Ich möchte das Thema Vereine und Jugendverbände ansprechen, die ich für sehr wichtig halte, was ganzheitliche Bildungsansätze anbelangt. Ich weiß nicht, woher Sie die Zahl 90 Euro hernehmen, die man als Beitrag zahlt, wenn der Bursche Fußball spielen möchte. Bei uns kostet es 12 Euro.

(Zuruf von der SPD)

Die Ausstattung wird gestellt. Das ist wohl auch das realistische Maß, das hier anzusetzen ist.

(Zuruf von der SPD: Aber nicht in Unterhaching! – Joachim Wahnschaffe (SPD): Unterhaching ist ein kleines Dorf!)