Protokoll der Sitzung vom 17.07.2008

Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mittagessen für alle Kinder (Drs. 15/9528)

Antrag der Abg. Joachim Unterländer, Prof. Dr. Gerhard Waschler, Renate Dodell u. a. (CSU) Mittagessen für alle Kinder mit erhöhtem Hilfebedarf sicherstellen (Drs. 15/9689)

Bevor ich die Aussprache eröffne, weise ich darauf hin, dass die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN beantragt hat, über den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/9528 in namentlicher Form abzustimmen.

Im Ältestenrat wurden zehn Minuten pro Fraktion vereinbart. Ich eröffne die Aussprache. Erste Wortmeldung der Kollege Wahnschaffe.

SPD. Gegenstimmen? – Die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag von Abgeordneten der CSU-Fraktion auf Drucksache 15/10876; das ist der Tagesordnungspunkt 39. Der federführende Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit empfiehlt auf Drucksache 15/10989 die unveränderte Annahme. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CSU-Fraktion und es sind Stimmen aus der SPD-Fraktion. Gegenstimmen? – Zwei Gegenstimmen aus der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Weitere Stimmenthaltungen aus den Reihen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist dem Antrag zugestimmt.

Nun kommen wir zur Abstimmung über die Eingabe – Tagesordnungspunkt 40 –, die auf Wunsch der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN in namentlicher Form erfolgen soll.

Nach der Geschäftsordnung ist der Abstimmung die Entscheidung des die Eingabe behandelnden Ausschusses zugrunde zu legen. Der Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit hat in seiner Sitzung am 2. Juli 2008 beschlossen, die Eingabe gemäß § 80 Nummer 3 der Geschäftsordnung der Staatsregierung zur Würdigung zu überweisen.

Wir beginnen mit der Abstimmung. Die Urnen sind aufgestellt. Es stehen dafür vier Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 10.13 bis 10.17 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte die Pause nutzen, den Versuch einer zeitlichen Orientierung zu machen. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Aufmerksamkeit und hoffe, dass es Sie interessiert. Wenn nicht, dann ist das nicht mein Problem.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Genau! So machen wir es!)

Wenn wir die Redezeiten addieren und davon ausgehen, dass diese ausgeschöpft werden, werden wir frühestens um 15.00 Uhr bei der Einsetzung des Zwischenausschusses sein. Anschließend ist noch rund eine Stunde für die Schlussrunde zu veranschlagen. Es liegen mir aber fünf oder sechs namentliche Abstimmungen zusätzlich vor, die Zeit kosten, wenn es dabei bleibt. Dann wären wir frühestens gegen 16.00 Uhr damit fertig. Sie sollten sich jedenfalls auf eine solche Zeitspanne einstellen, auch wenn es eventuell etwas früher sein könnte aber auch etwas später werden könnte, aber jedenfalls werden wir es nicht gegen 13.00 Uhr oder 14.00 Uhr schaffen. Das ist eher unrealistisch.

Soweit unverbindlich und ohne Gewähr der Versuch, bei der zeitlichen Orientierung etwas hilfreich zu sein.

weil wir hofften, dass der Groschen oder der Cent endlich gefallen sei. Was kam dann heraus? Am 16.06.2008 hatten wir im sozialpolitischen Ausschuss eine Sitzung, in die aber nicht, wie zunächst angekündigt, die Frau Ministerin, sondern eine Dame aus deren Ministerium kam. Diese Dame teilte dem Ausschuss die wirklich wegweisende Offenbarung mit, dass sich die Staatsregierung darum bemühe, die Regelsätze nach SGB XII für Kinder zu erhöhen und dafür eine Sonderleistung zu erreichen. Welche Erkenntnis und welcher Fortschritt!

(Zuruf von den GRÜNEN: Ja!)

Wir hatten bei dieser Beratung auch eine Petition vorliegen. Es wäre eigentlich sinnvoll gewesen, diese Petition auch heute zum Gegenstand der Beratung zu machen, aber ich wollte den Petenten nicht in den Mittelpunkt zerren. In dieser Petition wurde berichtet, dass in Nürnberg eine alleinerziehende Mutter, die acht Kinder zu versorgen hat und deren eine Tochter in Nürnberg ein musisches Gymnasium besucht, das Geld für das Mittagessen in diesem musischen Gymnasium nicht aufbringen kann. Das ist ein ganz konkreter Fall.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist furchtbar!)

Da sagt nun die Staatsregierung: „Der Frau kann geholfen werden.“

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Ehrlich!)

„Wir machen eine Bundesratsinitiative, indem wir die Bundesregierung auffordern, doch endlich Abhilfe zu schaffen.“ Was für ein Fortschritt!

(Zuruf von den GRÜNEN: Klasse!)

Das kann man doch ganz pragmatisch sehen. Sie sind doch angeblich immer für Entbürokratisierung.

Frau Staatsministerin, die Verantwortung besteht nicht darin – ich darf Ihnen das zum Abschied noch auf den Weg geben –, mit dem Finger auf andere zu zeigen und zu sagen, du bist verantwortlich, sondern Verantwortung zeigt sich darin, wenn man sie ernst nimmt, dass man erst einmal mit dem Finger auf sich selber zeigt und sich fragt, was kann ich tun, um Menschen zu helfen, die sich selber nicht helfen können.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Denn das sind Menschen, die am Beginn ihres Lebens stehen und die traurige Erfahrung machen müssen, dass sie nicht einmal ein Frühstück oder ein warme Mahlzeit am Tag bekommen. Sie geben ihnen Steine statt Brot, und das ist beschämend.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf für unsere Fraktion ebenfalls ankündigen, dass wir für unseren Antrag eine namentliche Abstimmung beantragen.

Auf der einen Seite kann man froh sein, dass dieses Thema heute noch einmal Gegenstand der Beratung der Plenarsitzung ist. Auf der anderen Seite muss man sagen, dass es, wenn man jetzt Bilanz zieht und das, was wir in den letzten Monaten versucht haben und was dabei herausgekommen ist, Revue passieren zu lassen, für die Betroffenen eine bittere Pille ist. Man könnte aber auch sagen: armes Bayern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und bei den GRÜNEN)

Worum geht es? Es gibt eine Reihe von Untersuchungen – leider gehört dazu nicht der Sozialbericht der Bayerischen Staatsregierung –,

(Beifall bei der Abgeordneten Johanna Werner- Muggendorfer (SPD))

die in sehr eindrucksvoller Weise dargestellt haben, dass es in diesem Lande allgemein Armut, aber auch die spezielle Kinderarmut gibt. Das muss uns in einem so reichen Land besonders bedrücken. Wir sehen täglich Bilder aus Dafur und Afghanistan. Aber die Bilder, die es bei uns gibt, sehen wir nicht, weil es meist eine verschämte Armut ist.

(Beifall bei der SPD)

Zu denken muss einem der Bericht „der Tafel“ geben – das ist noch gar nicht so lange her –, wonach „die Tafel“ inzwischen 200 000 Kinder mit Nahrungsmitteln versorgt, etwa mit warmen Mahlzeiten, und zwar nur mit den Mitteln, die sie über Firmenspenden und Ähnlichem rekrutieren kann, allerdings nicht flächendeckend. Und wer kennt die „Tafel“ nicht, die es inzwischen deutschlandweit gibt? Wir haben deshalb und nicht zuletzt auch wegen eines sehr objektiven, sehr nüchternen, aber sehr eindringlichen Berichtes des Deutschen Jugendinstituts in München zu Beginn dieses Jahres im Landtag ein Paket von Anträgen zum Thema Kinderarmut gestellt in der Hoffnung, damit auch die Mehrheitsfraktion zu sensibilisieren und zu eigenen Maßnahmen zu veranlassen. Es musste nicht der Antrag der SPD sein, um dieses Thema wieder aufzunehmen. Wir wären schon zufrieden gewesen, wenn die CSU in einem eigenen Antrag gesagt hätte, wir nehmen uns dieses Themas an. Aber leider war auch da Fehlanzeige.

(Joachim Unterländer (CSU): Haben wir doch!)

Es gab noch ein Fünkchen Hoffnung.

Frau Kollegin Ackermann, Sie werden sich daran erinnern, dass wir zu diesem Thema gemeinsame Anträge gestellt haben. Aber diese Anträge wurden vertagt, weil die CSU gesagt hat, dazu gebe es einen Bericht der Staatsregierung. Wir waren alle gespannt und elektrisiert,

(Zuruf von der CSU: Na ja!)

Wir setzen die Beratungen fort. Das Wort hat Frau Kollegin Ackermann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist leider eine traurige Wahrheit in Bayern: Es gibt Kinderarmut, und diese Kinderarmut wächst. Wir haben mittlerweile in Bayern 170 000 Kinder, die unter der Armutsgrenze leben.

Herr Kollege Wahnschaffe hat es schon angemerkt: Das sind Zahlen, die wir leider nicht von der Staatsregierung bekommen konnten, weil sie sich geweigert hat, den Landessozialbericht vorzulegen. Aber es sind Zahlen, die feststehen und die uns wirklich zu denken geben sollten.

Es gibt mittlerweile zwei Klassen von Kindern: die, die sich ein warmes Mittagessen leisten können, weil ihre Eltern genug Geld haben, und die, die sich das nicht leisten können. Das wissen wir jetzt schon, und deshalb gilt es zu handeln. Ich glaube, wir sollten die Kinder nicht schon im Kindesalter spüren lassen, dass es Menschen und Menschen gibt. Es gibt so viele wohlklingende Sonntagsreden, in denen Sie immer wieder versichern, dass Kinder unsere Zukunft sind. Dann kann ich Sie nur auffordern: Geben Sie unserer Zukunft etwas zu essen.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN und bei der SPD)

Dabei geht es nicht nur um die Kinder von Hartz-IV-Empfängern, sondern zum Beispiel auch um Kinder von alleinerziehenden Frauen,

(Simone Tolle (GRÜNE): Genau!)

die, weil sie zu stolz sind, Hartz IV anzunehmen, ihren Beruf ausüben, gleichzeitig die Kinder erziehen, und trotzdem reicht es hinten und vorne nicht, und die Kinder müssen auf ein warmes Mittagessen verzichten.

Es geht aber auch um Familien mit mehreren Kindern. Denn leider ist unsere Gesellschaft mittlerweile so weit, dass Kinder die Armutsfalle Nummer eins geworden sind. – All diesen Kindern gilt es zu helfen, und zwar schnell.

Im sozialpolitischen Ausschuss gab es für einen kurzen Moment einen Hoffnungsschimmer. Das war, als alle drei Fraktionen übereinstimmend die Notwendigkeit erkannten, dass mit einem warmen Mittagessen diesen Kindern geholfen werden muss. Mittlerweile habe ich meine Zweifel, ob das alles wirklich so ernst gemeint war. Wenn ich die Formulierung im CSU-Antrag lese, die ich Ihnen gleich zum Besten geben werde, kommen mir berechtigte Zweifel, erstens wie ernst und zweitens wie schnell dieses Anliegen von der CSU umgesetzt werden soll. In dem CSU-Antrag heißt es:

Die Staatsregierung wird aufgefordert zu prüfen

Dabei wäre die Lösung so einfach. Es gibt inzwischen viele Kindergärten, die nicht nur von 08.00 Uhr bis 12.00 Uhr, sondern auch über die Mittagszeit geöffnet sind. Wir haben viele Klassen, die als Ganztagsklassen eingerichtet sind. Aber es gibt auch Schulen, die technisch durchaus die Möglichkeit hätten, ein solches Mittagessen oder zumindest eine Kleinigkeit anzubieten. Ich darf an die Ausführungen des Kollegen Pfaffmann hierzu erinnern. Auch gestern ist über dieses Thema diskutiert worden.