Protokoll der Sitzung vom 17.06.2004

(Heiterkeit)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sollte Ihnen das alles nichts gesagt haben, fragen Sie Herrn Minister Huber; denn der kennt sich im Cyberspace sehr gut aus. Das versteht die CSU unter „Politik näher am Menschen“.

Die Top 11 Telematic-Zentren auf dem Land – Sie erinnern sich - waren ein großer Flop. Das hat Ihnen sogar der Bayerische Oberste Rechnungshof schwarz auf weiß be stätigt. Das Schicksal des Virtuellen Marktplatzes Bayern kennen wir bereits, denn im Januar ist auch der Pleite gegangen und wurde abgewickelt. Alles in allem ist das

eine riesengroße Geldverschwendung, ohne dass dem auch nur annähernd ein entsprechender Nutzen gegenü berstände. Dass Herr Huber sich dann auch noch traut, die Auszeichnung „Sparlöwe“ anzunehmen, ist mutig. Er hätte vor Scham im Boden versinken müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Politik der Pleiten und Pannen läuft immer nach dem gleichen Muster: Ein so genannter Superminister denkt sich etwas aus, meist ohne tatsächlich zuständig zu sein, geschweige denn kompetent zu sein. Danach pumpt man das Ganze kräftig auf, bezeichnet es als „Offensive“, am besten noch als „Zukunftsoffensive“. Auf den Rat von Fachleuten hören Sie dabei nicht, Evaluierungen brau chen Sie nicht, Warnungen vor Folgen, vor allem auch vor Folgekosten ignorieren Sie. Erstmal klotzen, klotzen, klot zen ohne Sinn und Verstand. Wenn es nicht gut läuft, alles viel teuerer wird und das Geld ausgeht, wird die „große Offensive“ klammheimlich am Parlament und der Öffent lichkeit vorbei beerdigt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen, weil Sie Verantwortung für das Geld haben, das Sie in den Sand setzen; denn es ist Volksvermögen. Es ist das Geld der bayerischen Bürgerinnen und Bürger.

Nun zur Virtuellen Hochschule: Sie ist auch so ein Projekt aus der Staatskanzlei, nicht aus dem Wissenschaftsminis terium. Sie wurde am Wissenschaftsministerium vorbei geplant, ohne Beratung mit den wirklichen Expertinnen, nämlich den Hochschulen. Sie wurde aus dem Boden gestampft, von oben aufgesetzt. Und auch 1999 musste alles wieder ganz schnell gehen, damit Bayern angeblich wieder als erstes dabei ist. Das waren Sie schon damals nicht; denn die anderen Länder hatten schon längst be gonnen, ähnliche Projekte auf den Weg zu bringen. Mit tlerweile sind sie damit erfolgreicher. Schauen Sie sich an, wie andere Länder, zum Beispiel Niedersachsen, das ma chen. Es hat bereits seit 1997 den Virtuellen Campus, geht anders vor, hat es von unten nach oben wachsen lassen und bei den Hochschulen angesiedelt.

Sie haben den Überblick behalten, sie haben immer gleich evaluiert. Sie wissen heute besser, wie sie dran sind. Es gab klare Zielsetzungen, und der Ansatz war insgesamt innovativer.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als es dann mit der Virtuellen Hochschule nicht so lief, wurde nachgebessert, wurde umstrukturiert, und auf ein mal fiel irgendeinem ein, dass man vielleicht doch besser kooperieren müsste. Alles im Nachhinein! Aber erst mal wurde viel Geld ausgegeben, mehr als 12 Millionen Euro. Immer haben wir ein langfristiges Konzept für die Finan zierung dieses Projekts und aller anderen Projekte der Hightech-Offensive gefordert. Denn irgendwann sind die se Gelder für die Hightech-Offensive ja zu Ende. Aber das scherte Sie alles nicht. Dann waren Sie noch der Meinung, man könnte mit der Virtuellen Hochschule noch den schnellen Euro verdienen, weil die Weiterbildung ja gegen Gebühr angeboten wird. Traumwelten sind das! Sie haben

die Vorstellung, mit Weiterbildung so viel Geld verdienen zu können, dass sich die vhb selbst trägt. Bis heute ist das nicht Realität geworden, nicht einmal ansatzweise haben Sie mit dieser Hochschule irgendetwas für den Staats haushalt einnehmen können.

Dass ein solches Projekt einen besonders langen Atem und viel Geduld braucht, hätten Sie von Anfang an wissen können. Es funktioniert eben nicht, wenn man das Ganze hoppla hopp beginnt und umsetzt. Aber der Ministerpräsi dent wollte ja einen medienwirksamen Auftritt in Hof hinle gen. Daran erinnere ich mich noch gut. Das Ganze geriet eher zu einer peinlichen Vorstellung im Theater Hof, weil die groß angesagte Multimedia-Show nicht funktioniert hat. Das hätte ihm eine Warnung sein müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn das so gewesen wäre, könnten wir mit der Virtuellen Hochschule Bayern vielleicht weiter sein. Die Virtuelle Hochschule war mehrfach Thema im Landtag. In einem Bericht des damaligen Wissenschaftsministers Zehetmair heißt es im Jahr 2002:

Eine interne Evaluation hat ergeben, dass die Pi lotphase

- die immerhin drei Jahre dauerte! –

für den Prozess der inneren Strukturen und der Selbstorganisation genutzt wurde.

Das nenne ich eine blumige Umschreibung dafür, dass in drei Jahren nichts auf die Beine gestellt wurde.

(Beifall bei den GRÜNEN)

„Innere Strukturen und Selbstorganisation“ – wunderbar! Bei der ganzen Sache ist also nach drei Jahren nichts herausgekommen, aber 12 Millionen Euro waren schon einmal ausgegeben. Weiter heißt es in diesem Bericht:

Die Auswahl der Lehrangebote erfolgte in der Pi lotphase zunächst angebotsorientiert. Bei den anstehenden Auswahl- und Ausschreibungsent scheidungen wird es nun darauf ankommen, dass die vhb den Akzent klar auf Nachfrageorien tierung setzt.

Was heißt das? – Das heißt nichts anderes, als dass man sich vorher keine Gedanken gemacht hat über die Fragen: Was ist das Ziel dieser Hochschule? Was wird gebraucht? In welche Richtung soll es gehen? Stattdessen hat man einfach genommen, was so da war, und hat sich kein Kon zept überlegt, keine Struktur. Man hat auch nicht überlegt, welche Ziele hier verwirklicht werden sollen.

(Ein Kleinkind weint auf der Besuchertribüne – Herbert Ettengruber (CSU): Da weinen ja schon die kleinen Kinder!)

2002 haben Sie also immerhin schon gemerkt, dass et was anders werden muss. Aber ist das auch passiert? Hat sich das Wissenschaftsministerium darum gekümmert? Was hat denn die Staatsregierung seitdem getan, damit

die Virtuelle Hochschule auf die richtige Spur gesetzt wird? – Offensichtlich gar nichts. Ich sage hier ganz aus drücklich: Ich bin nicht der Überzeugung, dass diejenigen, die in der Virtuellen Hochschule an den Angeboten der Virtuellen Hochschule arbeiten und die in Hof in der Ge schäftsstelle arbeiten, schlechte Arbeit geleistet haben. Das sage ich hier nicht. Es lief schlecht, weil Sie den Rah men schlecht gesetzt haben. Sie haben die Verantwortung für die Virtuelle Hochschule Bayern. Sie haben die Verant wortung für das Geld, das dort ausgegeben wurde, für die Menschen, die bisher daran gearbeitet haben, und die beteiligten Hochschulen. Es ist schäbig, jetzt mit einem Mal klammheimlich den Geldhahn zuzudrehen, nachdem Sie zu verantworten haben, dass die ganze Sache nicht optimal laufen konnte.

Deshalb beantragen wir heute, dass die Virtuelle Hoch schule Bayern weiter finanziert wird. Sie muss weiterar beiten können, zumindest, bis der Landtag entschieden hat, wie es in der Zukunft weitergehen soll.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Umgehend muss evaluiert werden; es muss umgehend geschaut werden, was bisher passiert ist und ob der Auf wand überhaupt vertretbar ist, der bisher geleistet wurde. Was wird das in Zukunft kosten? Ein tragfähiges Konzept, wie es weitergehen soll, muss erarbeitet werden. Das alles wollen wir sehen, und das müssen Sie gemeinsam mit den Hochschulen erarbeiten – nicht wieder über die Köpfe derjenigen hinweg, die es dann umsetzen sollen.

Dann wollen wir eine Entscheidung darüber, und wir wer den hier im Landtag entscheiden. Im Landtag wird ent schieden werden, wie es mit der Virtuellen Hochschule Bayern weitergeht, nicht etwa auf dem Bolzplatz des Ka binetts.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie haben einen Antrag zu unserem Antrag nachgeschoben, der im Kern ganz vernünftige Forderungen enthält. Mir fehlt darin aller dings die klare Aussage, dass der Landtag darüber ent scheidet, wie es weitergeht. Aber immerhin scheinen Sie erkannt zu haben, dass man hier ein Konzept für die Zu kunft braucht. Interessant! Ihre Formulierung ist interes sant: Sie kommen nach vier Jahren auf die Idee, dass die ganze Geschichte ein Konzept braucht. Das ist schon eine interessante Feststellung. Aber erst mal das Geld ausgeben!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Von den Inhalten her kann man diesem Antrag zustim men. Ich hoffe nicht, dass Sie diesen Antrag nur deshalb nachgeschoben haben, um einen Vorwand zu haben, un seren Antrag abzulehnen. Ich bitte Sie, auch unserem Antrag zuzustimmen. Herr Stockinger, Sie wiegen den Kopf. Überlegen Sie es sich gut, ob Sie eine Ablehnung nach außen vertreten könnten.

(Prof. Dr. Hans Gerhard Stockinger (CSU): Wir stimmen immer für die besseren Anträge, das ist doch deutlich!)

- Der bessere Antrag ist ganz klar der unsrige; denn bei unserem Antrag ist klar, dass der Landtag zu entscheiden hat. Deshalb bitte ich Sie, Kolleginnen und Kollegen, stim men Sie unserem Antrag zu; dann werden wir auch Ihren Antrag wohlwollend behandeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich darf bei dieser Gelegenheit unseren ehemaligen Kollegen Dr. Wilhelm recht herzlich begrüßen. Ich freue mich, dass Sie das Interesse an der Hochschulpolitik noch nicht ver loren haben.

(Allgemeiner Beifall)

Als Nächster hat das Wort Herr Staatsminister Dr. Goppel. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Bevor wir uns im Hohen Haus weiter in Vermutungen oder in Kommentierungen von Kommentaren ergehen, ist es vielleicht vernünftig, wenn ich einmal die Fakten auf den Tisch lege. Auf dieser Grundlage können wir dann ge meinsam ordentlich in eine Debatte eintreten. Bis jetzt war ja keine Gelegenheit, dazu etwas ausführlich zu sagen. Mit Pressemitteilungen können wir uns gegenseitig ledig lich immer nur hintereinander oder voreinander hertreiben, wie immer wir das wollen. Ich halte das hier nicht für ge rechtfertigt, weil das Thema viel zu ernst ist.

Dass die Virtuelle Hochschule Bayern sich bis heute noch nicht trägt, war von Anfang an Gegenstand unserer Über legungen. Sonst hätte es die Mittel aus der Hightech-Of fensive nicht über den ganzen Zeitrahmen gebraucht. Man hat gewusst, dass eine solche Einrichtung eine er hebliche Zeit brauchen würde, bis sie sich selbst trägt, gegebenenfalls outgesourct werden kann oder aber ein Netzwerk der Hochschulen in Bayern bedienen kann.

Man hat sie nach denselben Gesichtspunkten angesie delt, die wir bei der Privatisierung insgesamt angesetzt haben. Die Absicht war, flächendeckend in ganz Bayern ein gutes Angebot an hochschulischen Möglichkeiten zu bieten und die Arbeitsplätze dort anzusiedeln, wo sie un abhängig von ihrer Tätigkeit ohne Schwierigkeiten unter zubringen sind. Auch deswegen ist das Projekt, das von Bamberg aus betreut wird, in Hof gelandet. Das alles liegt inzwischen eine Reihe von Jahren zurück. Richtig ist, dass im Jahr 2002, zum Ende der Pilotphase, festgestellt wor den ist, dass der Innenaufbau lange Zeit in Anspruch ge nommen hat. Letztlich können Sie das als Selbstkritik des Ministeriums darstellen. Man ist dann dazu übergegan gen, die breite Außenwirkung vorzubereiten und entspre chend zu etablieren.

Es gab eine deutliche Vorstellung von den Aufgaben der Virtuellen Hochschule Bayern. Dieser Auftrag hieß, in vol len und immer voller werdenden Hörsälen und Hochschu len dafür zu sorgen, dass die Dinge, die nicht unbedingt an jedem Standort in gleicher Weise von unterschiedlichen Köpfen dargelegt werden müssen, abgerufen werden kön nen. Damit wird dem Einzelnen die Möglichkeit eröffnet, sich im Aufbau des Studiums manchen modularisierten

Anteil, wie es heute so schön beim Bachelor- und MasterStudiengang heißt, selbst anzueignen und dann an der Hochschule vertiefend und fortsetzend tätig zu werden. Dies ist inzwischen ein Stück besser geworden, ein Stück weiter gediehen. Das liegt vor allem daran, dass die Mehr zahl der Mittel, die bis jetzt aufgewandt worden sind – je denfalls seit 2002 -, dazu benutzt wurden, solche Einrich tungen, solche Vorlesungsreihen, solche Präsentationsrei hen herzustellen, die jetzt zum Einsatz kommen können.

Insoweit ändert sich in der Schlussphase der Nutzung der Mittel der HTO der Auftrag der Virtuellen Hochschule sehr wohl. Für den Finanzminister kommt dieser Zeitpunkt spät; für den Wissenschaftsminister kommt er an einer Stelle, an der gemeinsam weiter überlegt werden muss. Das ist der Ausgangspunkt.

Nach meiner Aufgabenübernahme im letzten Oktober sa ßen wir bei den Haushaltsberatungen mit dem Finanzmi nister zusammen. Der Finanzminister hat darauf hingewie sen, dass die Kosten der Virtuellen Hochschule Bayern sehr hoch seien, gemessen an dem, was bis dato an Er trag vorliegt. Ich konnte ihm nicht widersprechen. Der Wissenschaftsminister hat festgestellt, dass die HTO-Mit tel noch bis 2006 und damit so lange ausreichen würden, dass wir in der Lage sein würden, das eine mit dem ande ren zu verknüpfen, dass sich also die Aufwendungen des Staates vermindern würden und bei den Hochschulen gleichzeitig ein besserer Effekt erzielt werden würde. Die Schlussfolgerung war, womöglich schon 2006 eine Ent scheidung zu treffen, wie wir in Zukunft damit verfahren: ob im Haushalt, ob an den Universitäten outgesourct, ob in einem Verbund oder ob privatisiert.

Das war Gegenstand des Gespräches. Der Finanzminister verlangte von mir in den Verhandlungen, an die ich mich sehr gut erinnern kann, dass wir im Haushalt von seinem Kostenansatz von 3,6 Millionen Euro auf 300 000 Euro herunterfahren. Wenn ich in den Jahren 2004, 2005 und 2006 noch Geld bräuchte, könnte es gegebenenfalls aus dem Ansatz der HTO genommen werden, wobei aber gleichzeitig darauf zu achten wäre, dass die Virtuelle Hoch schule als Einrichtung nicht teurer, sondern eher günstiger werden soll. Das ist der Gegenstand der Verhandlungen.

14 Tage später hat das Finanzministerium dem Wissen schaftsministerium einen Brief geschickt, in dem bestätigt wird, dass die Mittel von 3,6 Millionen Euro auf 300 000 Euro herabgesetzt werden. In diesem Schreiben wird aus drücklich darauf verwiesen, dass der Finanzminister da nach nicht mehr finanzieren will. Er hat allerdings nicht hi neingeschrieben - deswegen sind wir nicht in die Diskus sion geraten, die wir gemeinsam hätten führen müssen -, dass die HTO-Mittel gesperrt werden. Im Gegenteil: Es gibt eine dem Haus gegenüber getätigte Aussage des Fi nanzministeriums, die auch der Haushaltsausschussvor sitzende trägt, in der es heißt: Mittel aus der Hightech-Of fensive sind von Sperrungen und Einzügen ausgenom men. Es ist dann für diesen einzelnen Titel zwischen den beiden Ministerien auf der Verwaltungsebene immer wie der hin- und hergegangen. Es wurde gesagt, diese Mittel seien davon nicht betroffen. Wir haben gesagt: Sie sind sehr wohl davon betroffen; es gibt eine Gemeinschaftser klärung dazu. Dann kam der Zeitpunkt, zu dem die Virtuel le Hochschule - ich nehme an, Ende Mai; ich habe das

Datum nicht definitiv auf dem Tisch, weiß aber selbstver ständlich, es war um den 8. Juni - gemeldet hat, wie ihr Haushaltsstand ist. Nachdem das Haus bei uns festge stellt hat, dass ein Defizit aufgetreten ist, das höher als zulässig ist, hat der dafür zuständige Ministerialdirigent die Anweisung gegeben, keine weiteren Ausgaben zu tätigen, weil die Ausgabefähigkeit der virtuellen Hochschule nicht mehr sichergestellt ist, da der Finanzminister die HTO-Mit tel nicht freigegeben hat. Das ist der Ausgangspunkt.