Protokoll der Sitzung vom 21.07.2004

Frau Präsidentin, sehr Kolleginnen und Kollegen! Die Thematik „G 8“ und auch die so genannte Hauptschulreform – wir werden uns ja im Laufe des Plenums auch darüber unterhalten – zeigt: Die Staatsregierung schießt aus der Hüfte. Was Ihnen fehlt, ist eine Strategie, wie sie erfolgreiche Unternehmen haben. Bei denen könnten Sie sich etwas abgucken. Zu einer Strategie gehört nämlich auch Personalplanung.

Zu einer guten Personalplanung gehört aber wiederum ein Leitbild, das sich an Pisa orientiert. Sie gucken immer nur nach einer kürzeren Schulzeit. Die Pisa-Studie hat aber gezeigt: Erfolgreich sind diejenigen, die kleinere Klassen haben

(Siegfried Schneider (CSU): Gerade das Gegenteil! Pisa hat ganz etwas anderes gezeigt!)

und verstärkt individuell fördern. Ich nenne auch ein Stichwort, das Sie nicht so gern hören, Herr Kollege Schneider, nämlich die Ganztagsschule. All diese Erkenntnisse könnten Sie in einem Leitbild gewinnen. In einem Leitbild könnten Sie sich auch dazu bekennen; Sie könnten die Anforderungen an die Lehrer und Lehrerinnen der Zukunft und den Personalbedarf entwickeln. Der Personalbedarf kann, das ist überall so üblich, grob prognostiziert werden. Sie können ihn auch langfristig bekannt geben, damit sich die Studenten auf die Prognosen einstellen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was Sie im Moment betreiben – und ich freue mich ganz besonders, dass auch der Staatssekretär aus dem Staatsministerium der Finanzen dabei ist –, ist die Einstellung nach Geldbeutel, nicht nach Qualifikation. Manchmal landen Sie dabei auch einen Treffer. Die Staatsnote ist mal so, mal so. Sie leisten es sich, je nach dem, wie die Gemengelage gerade ist, Leute mit qualifizierten Staatsnoten, die Sie vorher für teures Geld an die Universitäten gelockt haben, ins Nirwana zu schicken. Mit solchen Verfahren werden Steuergelder in den Sand gesetzt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dabei geht es um die Hoffnungen von Menschen, die Sie einfach aufgrund der Haushaltslage zunichte machen, nachdem Sie sie vorher durch die Anwerbeaktionen geweckt haben.

Das Qualifikationsmerkmal des G 8 sollen die Intensivierungsstunden sein. Ich habe heute Morgen dazwischen gerufen: Wo bleiben die Lehrer? Die stehen auf der Straße; die müssen Sie nur hereinlassen, Herr Kollege Schneider. – Die Unterversorgung beweist: Aus der Hüfte zu schießen rächt sich bitter, und die Realität straft Ihre hohlen Versprechungen Lügen. Sehr viele arbeitslose Junglehrerinnen und Junglehrer stehen auf der Straße; Kollegin Schieder hat die Zahlen genannt. Herr Schneider hat vor zwei Wochen im Ausschuss eingeräumt, man wisse, dass in den nächsten Jahres sehr viele Lehrerinnen und Lehrer in Pension gehen.

Es fehlt also an allen Ecken und Enden an Personal, wie wir anhand der Petitionen im Bildungsausschuss immer wieder feststellen müssen. In München fehlt ein Lehrer pro Gymnasium, an der Mobilen Reserve fehlt es, und Fachkräfte fehlen auch in den Kooperationsklassen. Dazu werden demnächst die Petitionen eintrudeln. Die Reihe könnte ich noch beliebig lange fortsetzen. Ich möchte aber nicht so lange reden. Wir gehen jedenfalls mit dem Antrag der SPD konform, wir wollen aber noch ein wenig weiter blicken: Wir wollen für unsere Kinder Investitionen, wegen Pisa und damit wir auf lange Sicht wettbewerbsfähig bleiben. Damit greife ich eines Ihrer Argumente auf. Dazu brauchen wir aber eine langfristige Personalplanung. Wir möchten die Klassenstärke innerhalb von fünf Jahren – und das ist ein Zugeständnis – auf 20 Schülerinnen und Schüler zurückführen. Wir möchten ein angemessenes Zeitbudget für individuelle Förderung, und zwar für alle Schularten. Denn warum soll das nur für das Gymnasium gelten? Vielleicht klappt es ja, wenn Sie die Lehrerinnen und Lehrer einstellen, auch fürs Gymnasium.

Dann sind wir, Herr Schneider, schon bei Ihrer so genannten Hauptschulreform: Wir glauben auch, dass es uns gut tut, wohnortnahe Schulen zu erhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unser Vorschlag ist – das müssen Sie einräumen – professionell. So könnten Sie und wir das Heft in der Hand behalten. Wir erreichen damit zwei Ziele: Gute Bildung unserer Kinder durch Weitsicht und Perspektiven für gut ausgebildete Junglehrerinnen und Junglehrer. Unser Antrag besticht. Bescheidenheit ist nicht unsere Stärke, und ich bitte um Zustimmung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt erteile ich für die CSU-Fraktion das Wort Herrn Kollegen Professor Dr. Waschler. Bitte, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn der heutigen Nachmittagssitzung war es interessant zu beobachten, wie viele von den Kolleginnen und Kollegen der

GRÜNEN und der SPD, die ja die Dringlichkeitsanträge zu verantworten haben, anwesend waren.

(Karin Radermacher (SPD): Schauen Sie doch einmal da rüber! – Heidi Lück (SPD): Schließlich war Mittagspause! – Weitere Zurufe von der SPD)

Aus der GRÜNEN-Fraktion war eine einzige Kollegin da, und von der SPD waren es sechs. Schließlich sind es Ihre Dringlichkeitsanträge!

Ich werde Ihnen jetzt mit einigen Worten klarlegen, was wir heute eigentlich insgesamt schon am Vormittag hätten besprechen müssen. Unter der Überschrift „Gezielte Streuung von Unsicherheit“ kann man das alles zusammenfassen, wie Frau Staatsministerin Hohlmeier schon gesagt hat. Hier muss man einige Dinge sachlich richtig stellen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜ- NE))

Herr Kollege Dürr, ich würde Ihnen empfehlen, dass Sie erst einmal hören, was ich auch in Ihrem Sinn an Positivem zu berichten habe. Es sei Ihnen zugestanden, dass Sie hier aus einer gewissen Sorge um die Schülerinnen und Schüler und die Kolleginnen und Kollegen draußen in der Lehrerschaft handeln. Wir haben aber heute Vormittag viel an Themaverfehlung erlebt; in einem Deutschaufsatz gäbe es darauf die Note 6.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): So ein Oberlehrer!)

Ich empfehle Ihnen dringend einen Blick auf die Realitäten des Staatshaushalts, insbesondere des Kultushaushalts, der Ihnen klarmachen würde, wo wir uns insgesamt befinden. Der Bildungshaushalt ist neben dem Haushalt des Justizministeriums und des Obersten Rechnungshofs einer der wenigen Haushalte, die steigen, und zwar bereinigt um die durchlaufenden Bundeseinnahmen, damit kein Missverständnis im Raum steht. Trotz der schwierigen Lage, in der wir uns befinden – ich sage später noch etwas zur Verantwortung und zu den Lösungsmöglichkeiten –, müssen wir feststellen, dass die Personalausgaben insgesamt steigen, dass die Pensionslasten zunehmen – das können wir drehen und wenden wie wir wollen – und dass die Zinsen, Gott sei Dank, auf einem historisch niedrigem Niveau liegen. Aber das kann sich rasch ändern. Deshalb ist es unabdingbar notwendig, dass wir einen ausgeglichenen Haushalt im Jahr 2006 ansteuern, wie der Bayerische Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung gesagt hat, um so weiterer Neuverschuldung vorzubeugen.

Vielleicht hören Sie sich das einmal an. Es kann doch sein, dass Sie durchaus ein klein wenig lernen können.

(Susann Biedefeld (SPD): Besserwisser!)

Es ist eindeutig festzustellen: Wir haben als einziges Bundesland alle durch Pensionierung frei werdenden Stellen wieder besetzt und etwas draufgesattelt. In den letzten

beiden Doppelhaushalten waren es mehr als 3600 Planstellen, die neu ausgebracht wurden. Im Vergleich der letzten zehn Jahre sind das bis heute in Deutschland einmalige Steigerungen. Schauen Sie in die rot-grün regierten Länder. Dort sieht es völlig anders aus.

(Zuruf der Abgeordneten Heidi Lück (SPD))

Warten Sie doch, Frau Kollegin. Jetzt kommt Positives.

In Nummer 1 des Dringlichkeitsantrags der SPD wird gefordert, möglichst viele Junglehrerinnen und Junglehrer einzustellen. Hier sind wir einer Meinung. Streitpunkt kann höchstens die Auslegung von „möglichst“ sein. Das bezieht sich immer auf die Möglichkeiten, die der Staatshaushalt hergibt.

(Marianne Schieder (SPD): Scharf erkannt, Respekt!)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, schauen wir uns das Negativ- und Schlechtreden an, das die Opposition macht. An den Grundschulen kommt immerhin die Hälfte der Bewerber zum Zug. Das ist nicht selbstverständlich. An den Hauptschulen sind es rund 470 von 547 Bewerbern. Die Grenznoten liegen bei Note 3. Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehen Sie in andere Länder; dort kann man wegen der klammen Staatshaushalte die angehenden Lehrkräfte nicht einmal ins Referendariat lassen, weil dies aus finanziellen Gründen nicht geht. An den Realschulen wird bei uns die Hälfte der Bewerber eingestellt.

Ich warne davor, eine Einstellungsmöglichkeit als „Planstelle“ zu bezeichnen und die andere als „Supervertrag“; denn auch diese Verträge führen zu vollständigen Übernahmen.

(Marianne Schieder (SPD): Das habe ich nicht in Abrede gestellt!)

Das haben Sie nicht in Abrede gestellt, aber es klang durch, als würde mit Zahlen gearbeitet, die nicht korrekt sind.

(Marianne Schieder (SPD): Das ist nicht wahr!)

Für die Gymnasien, wo für manche Fächerverbindungen immer schon Engpässe vorhanden waren, ist festzustellen, dass rund 780 Einstellungen bei insgesamt 1850 Bewerbern hinzukommen. Dabei gibt es eine Besonderheit, die ich nicht unter den Tisch fallen lassen möchte. Es gab 900 freie Bewerber. Bei Betrachtung der endgültigen Zahlen ist festzustellen, dass zwar Bewerbungen abgegeben wurden, die freien Bewerber die Stellen aber nicht angetreten haben. Man kann also fragen, ob alle 1850 Bewerber ernsthafte Bewerbungen vorgelegt haben. Das zeigt sich später an der Zahl derjenigen, die bleiben.

Die Opposition ruft nach Finanzmitteln für Aushilfsverträge, Mobile Reserven und zusätzliche Planstellen. Dazu ist zu sagen: Schauen Sie sich den Haushalt an. Es fehlt die Verantwortung für notwendige Deckungsvorschläge. So wünschenswert die Erfüllung der Forderungen möglicher

weise wäre, reichen sie doch nicht so weit in die Zukunft hinein.

Zum Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN sprach Frau Kollegin Tolle von einem „Leitbild der Personalplanung nach Pisa“. Pisa legt deutlich fest, dass die Ergebnisse völlig unabhängig von der Klassengröße sind – so schmerzhaft dies für den einzelnen Pädagogen sein mag. Die Klassengröße spielt für die Leistungen, die aus dem Unterricht erwachsen, keine so große Rolle. Das ist ein wissenschaftlich nachweisbares Ergebnis.

(Zuruf der Abgeordneten Simone Tolle (GRÜNE) und Heidi Lück (SPD))

Man kann es drehen und wenden wie man will: Das sind schulpädagogische Forschungsergebnisse, die keiner ernsthaft bestreiten wird.

(Siegfried Schneider (CSU): Lesekompetenz!)

Ich bedanke mich bei Kollegem Schneider. Es ist nicht nur eine Lesekompetenz, sondern auch eine Kompetenz, die Fakten richtig darzulegen und zu interpretieren.

(Marianne Schieder (SPD): Wie Sie das wohl machen?)

Ich möchte das nicht weiter ausführen.

(Susann Biedefeld (SPD): Arrogant!)

Die Rednerin der GRÜNEN sagte erneut, mit dem Gymnasium und den Intensivierungsstunden stünde es schlecht. Dazu ist zu sagen: Die Intensivierungsstunden sind ein Kernstück des G8. Die Schülerinnen und Schüler haben mit ihren Eltern eine historisch hohe Übertrittsquote als gegeben signalisiert. Man wird sich der Verantwortung stellen. Die Aussage, die Intensivierungsstunden würden nicht erteilt, ist schlichtweg falsch.

Aus dem Gesamtzusammenhang will ich zwei Dinge als Fazit ziehen:

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Schieder?