Protokoll der Sitzung vom 22.07.2004

Das weiß Minister Wiesheu ganz genau. Es geht um eine Uralttechnik. Die beiden entscheidenden Patente stammen aus dem vorletzten Jahrhundert. Sie betreffen den Induktionsmotor und das Schweben über Magnetfelder. Das letzte Patent, der geregelte Abstand, ist immerhin von 1935. Seit gut 20 Jahren gibt es die Versuchsstrecke im Emsland. 2 Milliarden DM an Steuergeldern sind da schon hineingeflossen. Es gibt jetzt die Referenzstrecke in China. Diese Referenzstrecke gibt es aber auch nur deswegen, weil wir mit Hunderten von Millionen aus Steuergeldern kräftig nachgeholfen haben. Außer der letzten großen Diktatur dieser Erde will niemand den Transrapid. Das heißt, dieses Projekt ist nicht zukunftsfähig, was die wirtschaftliche Tragfähigkeit, die wirtschaftliche Verwertbarkeit betrifft. Dann zu sagen, dies sei eine arbeitsmarktpolitische und eine industriepolitische Chance, ist schlicht und ergreifend lächerlich. Deswegen fordern wir Sie auf, von solchen Vorhaben Abstand zu nehmen.

Ein letzter Gedanke: In dieser Hinsicht war Herr Pschierer ehrlich. Nicht nur Herr Spaenle hat hier einen unverhofften Anflug von Ehrlichkeit gezeigt, sondern auch Herr Pschierer.

(Zuruf von der CSU: Er ist wieder hier!)

Ah, Herr Pschierer ist wieder hier, wunderbar. Herr Pschierer, Sie haben mit der Feststellung geschlossen, dass Sie die vorhandenen Dinge zielgerichteter einsetzen wollen. Damit waren Sie ehrlich. Aber dann fragen wir Sie schon: Warum ist es Ihnen in den letzten 40 Jahren nicht gelungen, die Dinge zielgerichtet einzusetzen? Das ist doch Ihr Fehler!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Kollege Runge. Als letzte Wortmeldung liegt mir die der Frau Kollegin Kronawitter vor. Sie haben eine Minute Redezeit. Ich appelliere an Ihre Geschicklichkeit.

(Zuruf von der CSU: Eine Minute! Das muss jetzt sehr bedeutsam sein!)

In der Tat muss etwas richtig gestellt werden. Kollege Spaenle – er ist nicht mehr da – hat davon gesprochen, Bayern schöpfe seine Bildungsreserven aus und das sei für die Wirtschaft sehr wichtig. Ich frage deshalb an dieser Stelle: Warum wechseln zum Beispiel im Regierungsbezirk Niederbayern nur 26 % der Schüler an das Gymnasium? Im Landkreis Starnberg zum Beispiel sind es mehr als 60 %. Da kann man doch nicht von Ausschöpfen reden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der GRÜ- NEN)

Warum braucht die bayerische Wirtschaft jährlich einen Zuzug von 5000 Akademikern? Weil diese Fachkräfte in Bayern nicht nachwachsen. Beide Zahlen signalisieren: Bildung in Bayern ist nicht ausreichend gut genug für das, was die Wirtschaft braucht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Respekt, Frau Kollegin, exakt eine Minute. – Die Aussprache ist damit geschlossen. Zu einer zusammenfassenden Stellungnahme hat nun Herr Staatsminister Dr. Wiesheu das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident, Hohes Haus! Als Erstes möchte ich anmerken, dass ich mich über eine neue Sprachschöpfung freue. Frau Kronawitter, wenn man „Cluster“ durch „Netzwerk neuer Art“ ersetzen will, versteht das am Schluss gar keiner mehr. Außerdem haben Sie sich selbst nicht daran gehalten, sondern sind wieder auf den Begriff „Cluster“ verfallen.

Mit dem ganzen Konzept geht es nicht darum, ein neues Förderprogramm aufzulegen. Um auch hier Unklarheiten zu beseitigen: Es geht nicht um ein neues Cluster-förderprogramm oder was auch immer, es geht darum, Potenziale in Wirtschaft und Wissenschaft, die wir haben, stärker miteinander zu verflechten und zu neuer Dynamik zu bringen. Natürlich geht es auch um einzelne Forschungs- und Entwicklungsprojekte, die gefördert werden. Der Haupt

punkt aber ist, dass die Potenziale in Wirtschaft und Wissenschaft zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft genutzt werden.

Dass die Clusterpolitik die Regionalpolitik nicht ersetzt, ist nicht neu. Die Clusterpolitik ist aber auch nicht einfach regionale Wirtschaftspolitik.

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Hildegard Kronawit- ter)

Ja, dann müssen Sie das aber auch sagen! – Und wenn Sie von Kürzungen bei den regionalen Mitteln reden, dann reden Sie bitte über die Gemeinschaftsaufgabe und die Aktionen des Bundes hierbei. Ich will nur darauf hinweisen, dass bei der regionalen Wirtschaftspolitik Brüssel zurzeit dabei ist, die Förderungen umzustellen, und zwar tatsächlich in Richtung eines verstärkten Clusteransatzes, was mir bei der regionalen Wirtschaftspolitik so nicht gefällt, weil hier ein paar Dinge miteinander vermischt und verwechselt werden. Das ist der falsche Weg. Man muss aufpassen, dass bei den Verhandlungen in Brüssel nicht die Dinge gekippt werden, die wir in der regionalen Wirtschaftsförderung bisher haben. Ich sage das ohne Schärfe. Ich stelle nur fest, dass der Bund diesbezüglich wenig Einfluss nimmt, weil der Bund am Schluss nichts dagegen hat, wenn in Brüssel die Gemeinschaftsaufgabe kippt, weil er dann nichts mehr zu bezahlen braucht. Das ist ein Fehler.

(Dr. Hildegard Kronawitter (SPD): Das ist eine Unterstellung!)

Das ist keine Unterstellung, das weiß ich. Wir drängen nämlich darauf, dass wenigstens der Rechtsrahmen der Gemeinschaftsaufgabe erhalten bleibt. Ich kenne das doch von den Verhandlungen, die wir mit dem Bund führen. Entschuldigung, ich gehe ja hin und debattiere mit.

Zu den Mitteln, die wir in die Hand nehmen müssen: Sie sagen, dass Wagniskapital fehlt. Das habe ich vorher auch gesagt. Sie meinen, es wäre aber zu spät, jetzt zu handeln. Wissen Sie, der Kollege Kaiser beschwert sich, dass ich auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen hingewiesen habe. Er sagt, man müsse hier einfach handeln. Aber: Solange es eine Besteuerung der Venture-KapitalFonds gibt, wie wir sie in Deutschland haben, kommen die Gelder nicht nach Deutschland, sondern gehen in andere Länder. Solange Sie die Besteuerung des Carried interest – das ist auch wieder so ein Spezialbegriff, das ist die Besteuerung des Venture-Kapital von Managern, die sich am Kapital beteiligen müssen –, so haben, wie wir sie bisher haben, gehen die Fonds nicht in unser Land.

Es hat zwei Jahre gedauert, bis wir euch von Rot-Grün in Berlin überzeugt haben, dass sich das ändern muss. Vor zwei Wochen ist das im Bundestag durchgegangen. Das hat Herr Eichel im Jahre 2000 in die falsche Richtung gedreht. Diese beiden Punkte werden jetzt einvernehmlich geändert. Ich kann nur sagen Gott sei Dank.

Es muss ein dritter Punkt hinzukommen: Solange die günstigere Besteuerung bei Beteiligungen, die früher bis zu 25 % Beteiligung möglich war, die Lafontaine dann auf

10 und die Eichel auf 1 % gesenkt hat, nicht wieder auf 10 oder 20 oder 25 % erhöht wird, haben wir ein weiteres Problem bei den Rahmenbedingungen.

Die Fonds kommen nicht deshalb zu uns, weil es heißt, in Deutschland sei es so schön, auch wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen „beschissen“ sind, sondern sie gehen dorthin, wo sie Spielraum haben. Gehen Sie doch einmal mit nach Cambridge und lassen Sie sich dort die steuerlichen Rahmenbedingungen erklären. Ein Fonds aus Israel, der sich bei uns ansiedeln und der bei uns investieren will, entscheidet sich für London oder München. Er stellte genau diese Fragen zu genau diese rechtlichen Rahmenbedingungen. Werden genau diese Rahmenbedingungen nicht geändert, kommen die Fonds nicht zu uns. Sitzt die Firma in London, Paris oder Boston, werden eher dort die Firmen gefördert, jedoch nicht die hiesigen.

Man braucht den Spielraum, um handeln zu können. Deswegen geht es natürlich um die gesetzgeberischen Rahmenbedingungen. Reden Sie doch einmal mit den Venture Capital Fonds; auch Sie können sie einladen. Diese werden Ihnen dasselbe erzählen und in Bezug auf die internationalen Geldgeber die Frage stellen, wie es mit den rechtlichen Rahmenbedingungen aussieht, ob diese vergleichbar sind, wie es mit der Innovationspolitik und der Clusterpolitik aussieht und wie beständig das ist. Auch ich werde zum Beispiel gefragt, wie der Fonds eingesetzt wird, den Herr Clement schon seit zwei Jahren ankündigt. Nun gibt es den Fonds in Höhe von 500 Millionen Euro angeblich, aber es läuft noch kein Euro. Das soll jetzt über die EIB laufen. Ich fragte bei Herrn Roth, dem früheren Bundestagsabgeordneten der SPD, nach, mit dem wir vernünftig kooperieren. Er sagte, die Regelungen seien noch nicht da. Aber wenn die Mittel wie privates Wagniskapital eingesetzt werden, werden die Konditionen so schlecht sein, dass sie in der Wirtschaft kaum angenommen werden.

Bei der Umstrukturierung der Hochschulen geht es um deren Stärkung. Wer die Artikel der letzten Tage liest, stellt fest, dass nun die Hochschulen selbst überlegen, wo sie viel Geld ausgeben, ohne dass etwas herauskommt. Auf diesem Gebiet werden sie das eine oder andere einstellen. Auch nicht so wichtige Dinge, die mitgelaufen sind, werden wir einstellen. Wir setzen das Geld und die Ressourcen dort ein, wo wir Stärken haben. Auch das ist richtig und vernünftig. Es kann nicht schaden, dort einmal umzusortieren.

Frau Kronawitter, die eine Milliarde Euro, die der Bund nach Bayern transferiert, hätte ich von Ihnen gerne aufgeschlüsselt. Wir haben eine Projektförderung von 53 Millionen Euro. Wenn Sie allerdings alle Investitionen einrechnen, die an die Max-Planck-Gesellschaft gehen, deren Hauptsitz in München ist, ist zu bedenken,

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Hildegard Kronawit- ter (SPD))

dass nicht alle diese Gelder nach Bayern gehen. München ist der Hauptsitz der Gesellschaft überall in Deutschland. Aber die Mittel gehen an die Forschungszentren der MaxPlanck-Gesellschaft. Genauso ist es bei der Fraunhofer

Gesellschaft, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, beim DLR und anderen Einrichtungen. Der Betrag muss aufgeschlüsselt werden, dann sieht er ganz anders aus. Insofern ist wohl großartig geflunkert worden.

Ich freue mich, dass Sie hier mit dieser Energie und Verve die militärischen Aufträge des Bundes vertreten. Das ist in der SPD neu.

(Dr. Hildegard Kronawitter (SPD): Das ist doch zu begrüßen!)

Jetzt werden Sie bald zu den Militaristen der SPD gehören; aber das ist hier nicht das Thema.

Ich darf daran erinnern, dass der Eurofighter noch unter der Regierung Kohl beschlossen wurde, weil man sagte, wenn die SPD komme, wisse man nicht, wie das laufe. Auch die Militärexperten der SPD haben uns empfohlen, das Projekt vorher noch unterzubringen, sonst laufe das Ganze nicht.

(Zurufe von der SPD)

Ich stelle fest, dass Frau Dr. Kronawitter eine Kämpferin für den Eurofighter, für Lenkflugkörper, für militärische Hubschrauber und andere Themen ist. – Bravo, das begrüße ich ausdrücklich.

Sie haben gesagt, ich hätte zum Bauhaus Luftfahrt und zu Galileo zu wenig ausgeführt. Wer will, kann die Aussagen dazu an einigen Stellen in Unterlagen, die wir herausgegeben haben, nachlesen. Das Thema Bauhaus Luftfahrt ist hochinteressant. Das Thema Galileo wurde bereits vorher klargestellt.

Für das Bauhaus Luftfahrt wurde mit EADS, Liebherr, Keyser-Threde und vielen anderen Zulieferern aus dem gesamtbayerischen Raum ein Konzept entwickelt. Die Luft- und Raumfahrt ist zwar ein europäisches Thema. Auf diesem Gebiet kann man aber durch eine entsprechende Vernetzung und Kooperation durchaus regionale Kompetenzen ausspielen.

Man hat sich darauf geeinigt, erstens einen von uns mitbezahlten Koordinator einzusetzen, zweitens mit dem Koordinator Themen zu definieren, die die Forschung und Betriebe gemeinsam entwickeln können, und vonseiten der Firmen, wenn es sinnvoll ist, in Forschergruppen zu delegieren, um diese Themen zusammen mit Einrichtungen der Hochschulen unter Anleitung des Koordinators zu entwickeln. Auf diese Weise kann man über Firmen hinweg neue Wettbewerbsvorteile gewinnen. Wir werden diese Dinge fördern, weil auf diese Weise nicht nur Vernetzungen entstehen, sondern auch neue Impulse gegeben werden.

Noch einmal: Vernetzung ist gleich Vernetzung, Impulse ist gleich Cluster. Daher spielt beim Thema „Cluster“ logischerweise der Staat nicht nur eine Moderatorenrolle, sondern eine Mitwirkungsrolle bei den neuen Impulsen; ich habe das eben ausführlich erklärt. Warum dies dann in

den Oppositionsbeiträgen immer wieder in Frage gestellt wird, weiß ich nicht.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heinz Kaiser (SPD))

. Ein Bauhaus Luftfahrt hat es im Übrigen vor 70 oder 80 Jahren in Sachsen-Anhalt einmal gegeben. Das war ein echtes Bauhaus, in dem Forschung und Entwicklung vorangetrieben wurden. Heute ist es ein virtuelles Bauhaus, aber es wirken – einschließlich EADS – alle zusammen. Im Übrigen haben wir von Bayern aus mit dem Bundesverband der Luft- und Raumfahrt einen Vertrag geschlossen und kooperieren als einziges Land mit ihm, weil die Themen entsprechend vorangetrieben werden sollen. Dies wurde auch vom Chef des Verbands der Deutschen Luft- und Raumfahrt entsprechend gewürdigt.

Was Galileo betrifft, ist bei uns die Infrastruktur vorhanden. Der Bereich Informations- und Kommunikationstechnik ist angesiedelt. EADS spielt hier ihre Potenziale aus, ebenso wie MAN-Technologie und andere Firmen, die hier angesiedelt sind. Es ist ein Thema für das ganze Land, weil sich die interessanten Anwendungen nicht nur auf diesen Feldern abspielen. Anwendung bedeutet nicht nur, dass man ein Netzwerk schafft und dann die Daten überträgt, sondern die Anwendungen heißen: Logistik, Geodäsie, Luftfahrt, Frachtverfolgung usw.

Vor kurzem hatten wir eine Besprechung mit einer Reihe von Firmen aus ganz Bayern, die als Anwender in Betracht kommen, sich dafür interessieren sowie Themen entwickeln. Wir haben beim DLR in Oberpfaffenhofen einen so genannten Brutkasten, wo mittlerweile 16 neue Firmen gegründet wurden. Aber die Anwendungsthemen – und damit die Chancen für neue Jobs und Berufe – gehen quer übers Land. Deswegen verfolgen wir das weiterhin. Der Bund, dem ich das Zusammenwirken erklärt habe, hätte das Projekt vermutlich gern woanders angesiedelt. Aber in Bayern sind die Kapazitäten am stärksten. Ich habe in den letzen Jahren zu Veranstaltungen von Galileo nicht nur Vertreter aus Südfrankreich, Sofia Antipolis, Kopenhagen und Israel eingeladen, weil dort entsprechende Kompetenzen vorhanden sind, sondern in diesem Jahr auch Vertreter der GPS-Organisationen und aus Brüssel hier gehabt. Der Bund war ebenfalls eingeladen. Heuer war Herr Staffelt, im letzten Jahr Herr Stolpe anwesend. Selbstverständlich werden wir auf diesem Gebiet vernünftig zusammenwirken. Alles andere wäre verkehrt. Daran, dass wir die Chancen nutzen wollen, dürfte überhaupt kein Zweifel bestehen. Das gilt für das ganze Land, nicht nur für den Süden Bayerns.

Herr Kollege Kaiser, Sie haben gesagt, es gebe nur drei Konzepte, nämlich für die Biotechnologie, die Luft- und Raumfahrt und die Satellitennavigation.

(Dr. Heinz Kaiser (SPD): Diese sind beschlossen!)

Diese Konzepte wurden beschlossen. Weitere Konzepte werden im Laufe des Jahres vorgelegt.

(Dr. Heinz Kaiser (SPD): Hoffentlich!)

Es geht nur der Reihe nach und nicht alles auf einmal. Die weiteren Konzepte werden mit der Wirtschaft und mit den Hochschulen formuliert. Nach Vorlage der Konzepte werden die Aktionsschwerpunkte definiert, dann kann man sie beschließen. Zehn Konzepte gibt es dann für den produktionsorientierten Bereich, fünf Konzepte für den Hightech-Bereich. Darauf haben wir uns konzentriert.