Protokoll der Sitzung vom 30.09.2004

Meine Damen und Herren, ich meine, dass wir an dieser Stelle mit den Lehrer- und Elternverbänden und mit den Schulen – auch mit den Kommunen werden wir Gespräche führen – insgesamt auf einem guten Weg sind. Auf der einen Seite beteiligen wir die Eltern, um in Bayern eine finanzielle Nachhaltigkeit zu ermöglichen. Trotzdem wollen wir unsere Kinder mit aktuellen und modernen Lernmitteln versorgen.

(Beifall bei der CSU)

Das Wort hat Frau Kollegin Weikert.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Beim letzten Beitrag hatte ich den Eindruck, die Kolleginnen und Kollegen der CSU leben in einer anderen Welt. Wie kann es eigentlich sein, dass man in ein Buch, wie Sie behaupten, welches vom Kultusministerium offiziell empfohlen ist und welches ein offizielles Lehrbuch an einer Schule ist, nur zweimal im Jahr hineinschaut und es dann weglegt? Ich glaube das nicht. Wenn das tatsächlich Schulalltag wäre, kann das bayerische Schulwesen schlicht und einfach nicht so gut sein, wie es Ihre Vorredner beschrieben haben. Letztendlich würde dann viel zu wenig Unterricht an den Schulen, wo er eigentlich hingehört, erteilt.

Kolleginnen und Kollegen, ich möchte diese Aktuelle Stunde auch dazu nutzen – Kollegin Schieder hat es schon getan –, mich bei all denjenigen zu bedanken, die in den letzten zehn, vierzehn Tagen ganz massiv ihren öffentlichen Protest gegen die Entscheidung von Kloster Banz zum Ausdruck gebracht haben. Bei diesem Protest waren nicht nur die Elternverbände dabei, es waren auch der Kinderschutzbund, der Caritasverband und, wie so oft an unserer Seite, Josef Deimer vom Bayerischen Städtetag mit dabei. Die Tatsache, dass Eltern die Schulbücher künftig komplett selbst bezahlen müssen, zementiert die Chancenungleichheit, die laut Pisa das größte Manko des bayerischen Schulwesens ist. Das Gerede Erwin Hubers, Eltern könnten auch Bücher kaufen, wenn sie ihren Kindern teure Handys kaufen, ist eine Frechheit. Das war kein Zitat von Franz Maget, sondern ein Zitat der bayerischen Vorsitzenden des Elternverbandes.

Eines ist in den letzten Tagen auch klar geworden, und ich glaube, das haben Sie in Zukunft zu verantworten. Aus dem öffentlichen Protest ist die große Enttäuschung der Eltern- und Lehrerverbände darüber deutlich geworden, wie man mit ihnen umgeht. Sie entscheiden und erst dann suchen Sie das Gespräch. Sie müssen es jetzt reparieren, damit Sie wieder einen Konsens erzielen, wie es von Ihren Vorrednern gesagt wurde, und damit Sie wieder eine grundlegende Basis schaffen, auf der Sie den Elternwillen berücksichtigen und notwendige bildungspolitische Maß

nahmen so organisieren können, dass es zum Wohle der Kinder ist.

Sie haben auf diesem Feld ganz viel Vertrauen verloren. Besonders die Bayerische Staatsregierung hat viel versprochen, nun aber entscheidet sie und sucht erst zuletzt das Gespräch.

Die Einbeziehung von Betroffenen, Kolleginnen und Kollegen, sieht anders aus. So geht man nicht mit Elternverbänden um, so geht man nicht mit denen um, die im Land Bayern ehrenamtlich arbeiten, so geht man nicht mit denen um, die in den Städten vor Ort versuchen, aus dem bayerischen Schulwesen noch etwas herauszuholen, die Schulfeste organisieren und Schulbälle veranstalten, die den Unterricht konkret begleiten und die die Mittagsbetreuung in Bayern, auf die die Bayerische Staatsregierung so stolz ist, fast vollständig allein organisieren. So nicht, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Punkt ist wirklich viel Vertrauen verloren gegangen. Wir wünschen uns auch im Interesse Bayerns, dass es wieder gelingt, dieses Vertrauen ein Stück weit zurückzuerobern. Die SPD-Fraktion wird gemeinsam mit den Elternverbänden dafür eintreten, dass es in Bayern aufwärts geht.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Für die Bayerische Staatsregierung hat Frau Staatsministerin Hohlmeier ums Wort gebeten. Bitte, Frau Staatsministerin.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne zunächst einmal mit einer Richtigstellung: Die Behauptung, dass eine totale Abschaffung der Lernmittelfreiheit geplant gewesen sei, ist definitiv falsch.

(Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN – Ulrike Gote (GRÜNE): Ob das hier noch jemand glaubt, ist schon sehr die Frage! – Hans Joachim Werner (SPD): Das wissen wir schon! Es war ja nur ein Tendenzbeschluss, oder?)

Von Anfang an war eine starke soziale Komponente vorgesehen; wir haben von Anfang an gesagt, dass sozial schwächere Familien, also auch kinderreiche Familien ab dem dritten Kind, von vornherein ausgenommen sind. Ihre Behauptungen in diesem Zusammenhang stimmen also gar nicht.

(Beifall bei der CSU)

Zweitens. Wie sieht das neue Modell aus? Die Größenordnung – 20 Euro bzw. 40 Euro sind die Beträge – hat sich mittlerweile herumgesprochen. 20 Euro sollen es an den Grundschulen sein, 40 Euro an den weiterführenden Schulen. Zu der Entscheidung für das Büchergeld hat uns bewogen, dass wir die Klagen und Sorgen der Eltern ernst

nehmen, aber nicht Ihr „Bohei“ um ein Volksbegehren, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition.

(Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Das ist ja etwas ganz Neues! – Margarete Bause (GRÜNE): Seit wann denn das? – Franz Schindler (SPD): Haben Sie das vorher nicht gewusst?)

Wir haben in den Gesprächen zwischen zwei Modellen abgewogen. Dabei hat sich gezeigt, dass das Modell „Büchergeld“ mehrere Vorteile hat, die ich im Folgenden einmal aufführen möchte. Den Elternverbänden danke ich sehr für ihre konstruktive Haltung, die Zusammenarbeit und den Kompromiss, den wir gefunden haben.

(Christine Stahl (GRÜNE): Es gibt auch noch das Wort von der Chancengerechtigkeit!)

Es ist richtig, dass wir es nur in einer gemeinsamen Anstrengung von Eltern, Kommunen und Land schaffen können, die Bücherbestände an den Schulen so zu verbessern, dass sie einer optimalen Ausstattung entsprechen. Das kann das Land allein nicht schaffen. Wir werden eine bessere Bücherausstattung haben. Die Schulen werden ein sicheres und ausreichendes Jahresbudget haben. Sie können es in eigener Verantwortung gestalten.

Wenn ich mir das Budget anschaue, das die Schulen in der Landeshauptstadt München momentan erhalten, sehe ich: Zum Überleben langt’s nicht mehr ganz. Die Schulen werden zum Teil innerhalb von zwanzig Jahren nicht ein einziges Mal mehr geweißelt. Sie bekommen ein Budget, mit dem sie überhaupt nicht mehr zurechtkommen. Es reicht weder zum Bücher kaufen noch zur Anschaffung anderer Dinge. Die Bücher schauen zum Teil unmöglich aus. Es gibt Bücherbestände, die teilweise 17, 18 Jahre alt sind. Die Eltern werden teilweise aufgefordert, Bücher selbst zu kaufen. Da bin ich lieber für den ehrlichen Weg eines Büchergeldes, das in gemeinsamer Anstrengung aufgebracht wird, als für weitere Verlogenheit.

(Beifall bei der CSU – Marianne Schieder (SPD): Dann bekennen Sie sich doch im Schulfinanzierungsgesetz zu einer besseren Ausstattung!)

Die Eltern werden in Zukunft im Rahmen des Schulforums, an den Grundschulen über die Klassenelternsprecherkonferenz, mit darüber beraten, welche Bücher angeschafft werden, aber auch über einen bestimmten Kostenrahmen, der den Eltern in einer Jahrgangsstufe insgesamt zugemutet werden darf. Denn hier scheint es an der einen oder anderen Schule nicht optimal zu funktionieren. Manche Eltern werden anscheinend stärker belastet. An anderen Schulen ist die Koordination hingegen schon gut. Sie sollte aber überall gut sein. Die Kontrolle der Gesamtkosten, die auf die Eltern zukommen, sollte ebenfalls überall gegeben sein. Das soll in Zukunft im Rahmen des Schulforums bzw. der Klassenelternsprecherkonferenz gewährleistet werden. Sozialhilfeempfänger, kinderreiche Familien ab dem dritten Kind und sozial schwächere Familien werden vom Büchergeld ausgenommen. Das Geld wird den Schulen im Rahmen eines sehr unbürokratischen

Verfahrens, das ich Ihnen noch vorstellen werde, Frau Schieder, wenn wir es exakt ausgehandelt haben, pauschal zugewiesen.

(Marianne Schieder (SPD): Ich hoffe schon sehr, dass Sie einmal dazu kommen!)

Interessant fand ich, dass Sie, Herr Maget, gestern selbst gesagt haben, Bayern sei finanziell stabil. Ich danke für das Kompliment, aber Sie schmücken sich hier mit Lorbeeren, die der CSU-geführten Staatsregierung gebühren.

(Beifall bei der CSU)

Wenn wir im Haushaltswesen nicht so solide handelten, wäre unser Haushalt nicht so stabil.

(Beifall bei der CSU)

Ihre Forderung, wir dürften deswegen kein Büchergeld einführen, halte ich für lächerlich, weil wir darauf achten, dass der Haushalt vernünftig und verantwortbar ist. Wir wollen den Kindern nicht Schulden auf die Schultern drücken und sie ihnen mit Zins und Tilgung wieder abverlangen, wenn sie erwachsen sind,

(Margarete Bause (GRÜNE): Aber Sie wollen sie die Schulbücher zahlen lassen!)

um uns als Politiker zunächst einmal beklatschen und beglückwünschen zu lassen.

Am 24. September haben Sie so schön gesagt: Eltern halten einen Beitrag für akzeptabel.

(Franz Maget (SPD): Sie haben das doch mit den Elternvertretern ausgemacht!)

Heute haben Sie das anscheinend schon wieder vergessen. Ein Beitrag zu den Kosten der Bücher sollte akzeptabel sein. Ich glaube, das ist eine vernünftige gemeinsame Lösung. Der Vergleich mit anderen Ländern scheint Ihnen eher unangenehm zu sein. Denn in Nordrhein-Westfalen müssen die Familien wesentlich mehr bezahlen, in Berlin ebenso. Wir hingegen suchen einen vernünftigen und gangbaren Weg.

Ein letzter Punkt. Sie sagen, der Ministerpräsident habe doch die Förderung von Familien zugesagt. Inzwischen geben wir im Rahmen eines Gesamtplans über 300 Millionen Euro zusätzlich für die Förderung der Ganztagsbetreuung aus. Wir tragen jedenfalls nicht zu der Erhöhung der Kindergartenbeiträge bei. Die rot-grün regierte Landeshauptstadt München hat die Kindergartenbeiträge in unerträglicher Weise so erhöht, dass sich die Familien letztendlich überlegen müssen, ob sie ihre Kinder in den Kindergarten schicken oder nicht.

(Franz Maget (SPD): Oh weh!)

Das ist keine Entscheidung der CSU.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Pranghofer. – Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es eine Dreistigkeit, wenn eine Kultusministerin hier heute am Rednerpult behauptet, es sei nie beabsichtigt gewesen, die Lernmittelfreiheit abzuschaffen.

(Beifall bei der SPD)

Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der CSU: Warum rudern Sie heute dann wieder zurück?

Frau Dodell, Ihre pädagogischen Ausführungen haben mich zu Tränen gerührt. Sie möchten den Kindern beibringen, die Bücher nicht zu verschmutzen, und den Eltern ein Mitbestimmungsrecht einräumen. Sie möchten sie zur Eigenverantwortung erziehen. Ich frage Sie: Warum bürden Sie denn nicht den Trachtenvereinen etwas mehr Eigenverantwortung auf? Die können sich stattdessen ihre Lederhosen vom Staat bezahlen lassen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben es noch immer nicht verstanden. Sie sind nämlich nicht klüger geworden, sondern Sie geben dem Druck der Öffentlichkeit nach. Bei Ihnen ist auch nicht diskutiert worden; vielmehr hat es Ihnen Ihr Chef gesagt. Kein Argument hat Sie überzeugt. Denn das von Ihnen vorgeschlagene Büchergeld zeigt, dass es kein Sieg der Vernunft ist. Auch nicht die Nächstenliebe hat Sie zu Ihrem Rückzug veranlasst. Ihr Rückzug ist vielmehr bereits die Aufstellung für ein neues Gefecht. Ich behaupte hier und heute: Die Abschaffung der Lernmittelfreiheit ist für Sie immer noch nicht vom Tisch. Ich möchte diese Behauptung durchaus belegen. Ihr Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung verkündet und in Diskussionen behaupten Sie es immer wieder, dass Sie weder die Mittel für die Familien noch die Mittel für Bildung kürzen. Jetzt aber wollen Sie die Lernmittelfreiheit abschaffen. Denn das Büchergeld ist nichts anderes als der Einstieg in die Abschaffung der Lernmittelfreiheit.

Dabei riskieren Sie fatale Folgen. Ich frage Sie allen Ernstes, ob sich Ihr Bayern mit dem höchsten Wachstum, das Sie immer so loben, Ihr Bayern mit den geringsten Transferleistungen, die Schulbücher nicht mehr leisten kann. Meine Damen und Herren, da müssen Sie sich fragen lassen, ob dieses Bayern wirklich darauf angewiesen ist, 20 bis 40 Euro – je nachdem – von den Eltern abzuverlangen und in die eigene Haushaltskasse zu stecken. Was machen Sie damit? Sie sagen: Dieses Geld – von den Schülerzahlen hochgerechnet ergibt das im Schnitt 42 Millionen Euro – belassen wir bei den Schulen. Bravo, das ist doch eine tolle Erkenntnis. Endlich haben die Kinder in den Schulen neue Bücher. Sie sollten lieber dafür sorgen,

dass sie neue Lehrerinnen und Lehrer haben. Das wären die richtigen Signale in der Bildungspolitik.