Protokoll der Sitzung vom 19.10.2004

So schreibt Herr Peter Thiel.

Eine äußerst kurzweilige Veranstaltung, die wohl eher zum Staunen über elitäre Leistungen gedacht war als zur Auseinandersetzung mit der rauen Schulwirklichkeit.

Diesem Berichterstatter, der an der Konferenz teilnahm, darf man keine Blauäugigkeit unterstellen; denn der Realitätsverlust liegt nicht bei den Verbänden. Der Realitätsverlust liegt nicht bei den Lehrerinnen und Lehrern. Der Realitätsverlust liegt auch nicht bei den Eltern und auch nicht bei der Opposition, sondern bei Ihnen von der CSU und bei der Kultusministerin.

(Beifall bei der SPD)

Sie versuchen immer wieder, sich mit dem Argument herauszureden, Sie müssten Verantwortung für die kommende Generation übernehmen. Sie stellen Ihre Politik als besonders nachhaltige Politik dar. Sie müssen sich von mir die Frage gefallen lassen: Was heißt denn Nachhaltigkeit? Was machen Sie mit der heutigen Generation? Was bedeutet die Sparpolitik für die heutigen Kinder? – Sie sagen, Sie wollen für die künftigen Generationen etwas tun. Bitte lassen Sie nicht zu, dass zulasten der heutigen Kinder gekürzt wird.

(Beifall bei der SPD – Unruhe – Glocke des Präsi- denten)

Ich möchte einige Beispiele anführen, was Sie sich neben dem, was in der Öffentlichkeit schon bekannt ist, wegen des Sparens in den Schulen erlaubt haben. Sie haben die Anrechnungsstunden gekürzt. Das macht fast 400 Lehrerstellen aus. Sie haben für die Grund- und Hauptschulen eine Budgetierungsformel gefunden. Dagegen ist nichts zu sagen. Allerdings hat die Anwendung der Budgetierungsformel dazu geführt, dass an fast allen Schulen mindestens eine Lehrerstelle wegfiel.

(Siegfried Schneider (CSU): Weil die Schüler weniger geworden sind!)

Sie wollten die dritte Religionsstunde in der dritten und vierten Klasse streichen. Weil Sie das bei den Kirchen offensichtlich nicht durchsetzen können, wollen Sie da nichts verändern, sondern Sie kürzen dafür Förderstunden und Arbeitsgemeinschaften.

Ganz schlimm hat es die beruflichen Schulen getroffen. Diese müssen für das G 8 bluten. Gestern wurde bekannt, dass keine zusätzlichen Aushilfsverträge zur Verfügung gestellt werden. Das heißt, die beruflichen Schulen sind an der Substanz angekommen. Sie wissen sehr wohl, dass diese Schulen bereits ein Pflichtunterrichtssoll von fünf Prozent haben. Die Schulen können diesen Pflichtunterricht nicht erteilen. Außerdem müssen Sie trotz 16 % mehr Schülern an den Fachober- und Berufsoberschulen mit weniger Lehrer auskommen. Auch daran zeigt sich, dass Sie Politik zulasten der jungen Generation machen. Sie entscheiden sich nicht für die Jugend.

Sie sind vor allen Dingen auch bereit, weitere Kürzungen zu akzeptieren. Wir werden das demnächst erleben. Die Hauptschulreform wird Einsparungen bringen.

Diese wenigen Beispiele zeigen, dass Sie sich nicht für die jetzige Generation entscheiden, sondern zulasten dieser versuchen, Ihren Sparhaushalt durchzusetzen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Heckner.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Pranghofer, ich möchte Ihren letzten Satz als Einstieg benutzen. Die Nachhaltigkeit unserer Finanzpolitik anzuzweifeln, ist ein

Beispiel dafür – was menschlich und psychologisch begründbar ist -, dass die Gegenwartprobleme stets größer sind als die Zukunftsprobleme. Es gibt genügend Beispiele – siehe hohe Pensionskosten –, zu denen uns Betroffene sagen, dass die Politik dies schon vor zehn Jahren oder vor zwanzig Jahren hätte wissen müssen.

Wenn Ihre Antwort heißt, für die Bildungspolitik Schulden zu machen, darf ich Ihnen sagen: Machen Sie sich die Mühe und zählen Sie anhand Ihrer Anträge, die Sie zur finanzpolitischen Schwerpunktsetzung gestellt haben, einmal zusammen, wie viel Schulden zu machen Sie bereit sind. Ich versichere Ihnen, es käme eine Neuverschuldung von bestimmt 10 % heraus.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, ich denke, wir sind uns alle einig, dass man für die Bildungspolitik eine Wunschliste ohne Ende führen kann, wenn man – –

(Zuruf der Abgeordneten Marianne Schieder (SPD))

Ich sage es auch jetzt: Selbst beim doppelten finanziellen Einsatz gäbe es in der Bildungspolitik immer Dinge, die man noch besser, noch schöner, noch effektiver machen könnte.

Wir als die in der Verantwortung stehende Partei, müssen uns auch mit der Verantwortung der gesamten Bevölkerung gegenüber auseinandersetzen.

Meine Damen und Herren, ich musste mir den Vorwurf an die Kultusministerin anhören, sie mache Chaospolitik. Wir haben uns gemeinsam im Ausland informiert, wie in Pisabewährten Ländern Schulpolitik gestaltet wird, und festgestellt, dass dort viel mehr Wert auf Eigenverantwortung der Schulen gelegt wird, was bis hin zur Lehrplangestaltung geht. Mit dem, was wir in Bayern machen mit Modus 21-Schulen,

(Marianne Schieder (SPD): An wie vielen Schulen?)

übergeben wir den Schulen Eigenverantwortung gelenkt. Damit machen wir keine Chaospolitik, sondern geben Verantwortung in die Hände der Schulen, soweit wir dies verantworten können.

Wir konnten neulich in einer Elternumfrage lesen, dass die Eltern sehr viel stärker in das Schulleben eingebunden werden wollen und dass sie sich nicht nur als Kuchenbäcker für Elternfeste verstehen. Wenn Eltern bereit sind, im Rahmen der Mittagsbetreuung und im Rahmen von Ausfallstunden, die man als Übungsstunden durchaus sinnvoll gestalten kann, mitzumachen, dann ist das nur zu begrüßen.

Wir alle sind auch in der Kommunalpolitik tätig. Wir alle stellen mit Betrübnis fest, dass die Jugendhilfekosten stetig steigen. Wir alle sagen auch, dass wir in der Erziehung ein stärkeres Zusammenwirken von Eltern und Schule

brauchen. Dort, wo die Schulen diesen Weg gehen, wird es in der Presse groß gegeißelt und von der Opposition als Manko aufgefasst.

Meine Damen und Herren, wir haben heute nicht zufällig die Bildungspolitik als Thema der Aktuellen Stunde. Wir haben mit dem G 8 ein heißes Jahr hinter uns. Natürlich blickt die Öffentlichkeit verstärkt auf diese neue Schulart. Viele von uns werden als Eltern noch Erfahrungen mit dem alten Gymnasium haben. Gab es denn dort keine Ausfallstunden?

(Franz Maget (SPD): Nein, es gab sie nicht!)

Hat man dort geschrien, wenn wegen Krankheit ausgefallene Stunden nicht durch Mehrarbeit ausgeglichen wurden, sondern wenn die Stunden einfach ausgefallen sind?

(Franz Maget (SPD): Das gab es nicht!)

Das gab es nicht? – In anderen Schularten ist es durchaus üblich, dass erkrankte Lehrkräfte mit Mehrarbeit vertreten werden.

(Franz Maget (SPD): Unterrichtsausfall gab es nicht!)

Das liegt in der Organisation der Schulen. Den Unterrichtsausfall werden wir alle miteinander bestätigen können.

(Franz Maget (SPD): Das ist doch eben bestritten worden!)

Ja, den regelmäßigen Unterrichtsausfall gab es nicht.

(Lachen bei der SPD – Ludwig Wörner (SPD): Jetzt wird es aber komisch! Regelmäßiger Unterrichtsausfall!)

Meine Damen und Herren, unser Landtagspräsident hat einmal vor einigen Wochen in der Presse geäußert, dass die Plenarsitzungen zu gleichmütig verlaufen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren! Ich bitte um Aufmerksamkeit. Frau Kollegin, außerdem ist Ihre Redezeit fast zu Ende. Sie haben aber noch das Wort.

Dann darf ich damit schließen, dass die von unserem Herrn Landtagspräsidenten geforderte größere Munterkeit in unseren Plenarsitzungen sicherlich nicht so gemeint war, dass man sich unflätig beschimpft und anschreit, sondern dass man sich leidenschaftlich um beste Lösungen bemüht.

(Widerspruch bei der SPD)

Diese Leidenschaftlichkeit gestehe ich Ihnen zu, wenn es in der nötigen Form geschieht.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Weikert.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde heißt: „Notstand an Bayerns Schulen: Kein Konzept, kein Personal, kein Geld.“ Wir haben also heute keine finanzpolitische Debatte, sondern es geht um Bayerns Schulen.

(Thomas Kreuzer (CSU): Das sind Zusammenhänge, die erschreckend sind!)

Hören Sie mir halt zu. Zu Beginn meines Beitrags will ich einen Punkt in die Diskussion bringen, der für alle Politiker im Bayerischen Landtag der wichtigste sein sollte. Das sind die Bildungsabschlüsse der bayerischen Schülerinnen und Schüler. Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie an das Material des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes erinnern. Danach verlassen nach wie vor 10 % aller bayerischen Schülerinnen und Schüler die Schule nach der Pflichtschulzeit ohne Abschluss. Nur 0,2 % dieser Schüler – das ist dem bundesdeutschen Bildungsbericht entnommen – schaffen es, sich in einem Beruf zu etablieren und eine Berufsausbildung zu beginnen, die ihnen die Chance dafür eröffnet, dass sie sich einmal selbst ihren Lebensunterhalt verdienen.

(Siegfried Schneider (CSU): Das stimmt doch nicht!)

Das ist eine Tatsache, die uns alle beschäftigen sollte. Unabhängig davon schaffen in Bayern nur 31 % der Schüler die Studienberechtigung. Das ist ein viel zu geringer Anteil.