Deswegen ist in der Verfassungskommission von 1994 – ich sage es jetzt ganz unbescheiden – auf Anraten der Rechtsabteilung der Staatskanzlei der Vorschlag gemacht worden, Artikel 72 grundlegend zu ändern. So ist es auch passiert. Derjenige, der in diesen Verfassungsdiskussionen
diese Empfehlung gegeben hat, ist mittlerweile Ministerialdirektor im Justizministerium. Nach zehn Jahren ist es jetzt genauso eingetreten, wie es damals prognostiziert worden ist. Das Bundesverfassungsgericht lässt jetzt laufend den Artikel 72 überprüfen und beengt damit die Gesetzgebungsmöglichkeiten des Bundes. Das stärkt natürlich jetzt die Länder in der Föderalismusdiskussion.
Eine letzte Bemerkung will ich machen. Ich habe die drei großen materiellen Blöcke dargestellt. Ich habe das Thema Zugriffsrecht dargestellt. Jetzt kommt noch das Thema Mischfinanzierung und Gemeinschaftsaufgaben. Hier hat man sich weitgehend darauf verständigt, dass die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau beendet wird. Der Hochschulbau geht in die alleinige Zuständigkeit der Länder. Hier gab es Situationen, dass man wegen ein paar Mark riesige Ländergremien und den Wissenschaftsrat durchlaufen musste und sich als Land nicht bewegen konnte. Dieses Verfahren hat uns sehr viele Schwierigkeiten bereitet. Auch die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur soll aufgelöst werden.
Schwierig wird es bei der Forschungsförderung. Die Forschungsförderung – also die Förderung der Spitzenforschung – bleibt in der Gemeinschaftsaufgabe. Das ist gemeinsame Meinung aller 16 Ministerpräsidenten. Diese Gemeinschaftsaufgabe bleibt nach unserer Auffassung bestehen. Der Bund will aber diese Spitzenforschung alleine haben. Er will hier gar keine Gemeinschaftsaufgabe, sondern er will für alles das Bundesbildungsministerium zuständig machen, was wir natürlich nicht wollen.
Schwierig wird es nur in der Frage der Finanzierung. Der Bund hat in den letzten Jahren immer weniger Geld für die Gemeinschaftsaufgaben ausgegeben. Wenn wir noch drei oder vier Jahre warten, steht die Forschung zwar noch auf dem Papier, aber es wird nichts mehr gegeben werden. Herr Eichel sagt auch: Wenn ihr die Forschung haben wollt, dann bekommt ihr sie, aber ihr bekommt kein Geld von mir. Hierzu gibt es jetzt Diskussionen, die am 4. November geführt werden. Hier geht es um sehr viel Geld. Die Finanzfrage ist noch sehr viel schwieriger als die Kompetenzfrage, aber ich glaube, auch hier kommen wir zu einem Ergebnis.
Eine letzte Bemerkung zu Europa. Es ist angesprochen worden, dass es hier natürlich große Auseinandersetzungen gibt. Ich möchte mich jetzt ganz bewusst hier im Plenum nicht in kritischen Anmerkungen mit der Bundesregierung auseinander setzen. Die Bemerkung des Bundeskanzlers, der in Indien sagte, so dürfe es nicht weitergehen, die Föderalismuskommission dürfe nicht zu einem Staatenbund führen, war nicht sehr hilfreich. Ich habe mich aber sehr darüber gefreut, dass die kritischen Anmerkungen, die Frau Zypries, der Bundeskanzler und andere gemacht haben, von den SPD-Abgeordneten in der Kommission ganz anders gesehen werden. Sie haben durchaus darauf beharrt, dass sie abstimmen. Sie sehen es anders. Kein Mensch will einen Staatenbund. Es geht nur um eine Verbesserung der Entscheidungsabläufe.
Sie sprechen den Artikel 23 des Grundgesetzes an, und damit haben Sie möglicherweise Schwierigkeiten, weil der Bundesaußenminister bei diesem Thema Amok läuft. Das ist wirklich von Bedeutung. Es geht hier um das Alleinver
tretungsrecht des Bundes in Europa. Ich will Ihnen nicht den ganzen Artikel 23 aufblättern. Der Artikel 23 hat aber einen ganz logischen Inhalt. Ich darf es an zwei Punkten festmachen.
Wenn der Bund Zuständigkeiten auf Europa überträgt, für die er innerstaatlich keine Kompetenz hat, gilt Artikel 23 des Grundgesetzes. Nehmen wir theoretisch als Beispiel an, der Bund würde zusammen mit den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft beschließen, dass die Grundschule ab jetzt sechs Jahre lang dauern soll. Nehmen wir einmal ein solches ganz extremes Beispiel an.
Ich will jetzt überhaupt keine Schärfe in die Diskussion bringen; das ist nicht mein Anliegen. Ich möchte vielmehr am Schluss ein Ergebnis sehen.
Wenn der Bund also in einer solchen Frage mit am Ratstisch sitzt, entscheidet er über etwas, das er gar nicht entscheiden kann; denn er hat zu Hause keine Kompetenz dafür. Verständlicherweise haben die Länder damals in Artikel 23 aufgenommen – und daran war der Verfassungsminister des Landes Bayern entscheidend mit beteiligt –, dass der Bund der vorherigen Zustimmung des Bundesrates und damit der Länder bedarf, wenn er das tut. Das ist auch aus Sicht aller 16 Bundesländer nicht verhandelbar, um das einmal deutlich zu sagen. Da geht gar nichts.
Es gibt aber einen anderen Punkt, über den gesprochen wird: Wenn über Bildungsfragen im allgemeinen Rat verhandelt wird, muss der Repräsentant der Bundesregierung – das ist der Außenminister-, seinen Platz an die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz abgeben. Die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz vertritt dann Deutschland, wenn es um Bildungsfragen geht. Das war schon immer so. Heute steht es so in Artikel 23 Absatz 6 des Grundgesetzes. Dagegen läuft der Bund Sturm. Ich schaue jetzt den Bildungspolitikern in die Augen und frage sie: Wollen die Länder, dass in primären Fragen der Länderhoheit in Brüssel der Bundesminister bzw. die Bundesministerin für Deutschland am Ratstisch verhandelt und die Interessen einbringt, die mehr hier im Landtag als im Bundestag zu entscheiden sind? Das ist eine ganz schwierige „Kiste“. Ich glaube, dass es sehr, sehr schwer werden wird, eine verfassungsrechtliche Lösung zu finden. Ich hoffe, dass wir hier zu einem vernünftigen Vorschlag kommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Föderalismuskommission bewegt die Leute im Moment nicht besonders. Unter „Föderalismuskommission“ können sich die meisten nicht sehr viel vorstellen. Die Leute wollen halt einfach, dass der Staat funktioniert, und wer die Aufgaben erledigt, ob das das Land oder der Bund ist, ist für viele natürlich nicht von so entscheidender Bedeutung. Die Föderalismuskommission berät aber über eine große Reform des Staates und ist ein Anlauf, den Staat nach vierzig Jahren neu zu vermessen. Dieses Vorhaben könnte auch scheitern. Das kann
natürlich passieren. Ich sage ganz offen: Je mehr Projektgruppen wir einsetzen, je mehr Fachleute wir einbinden, desto mehr verkantet sich die Materie; denn alle beharren doch darauf, dass alles so bleibt, wie es ist. Wenn aber jeder auf seinen Positionen beharrt, kann eine Lösung nur noch mit einem gewissen Befreiungsschlag gefunden werden. Dann muss jeder abwägen, ob er bereit ist, zu akzeptieren, was ihm nicht so gut gefällt, um dafür zu bekommen, was in seinen Augen vernünftig ist. Wenn die Föderalismuskommission scheitert, bezahlt dafür in erster Linie Deutschland; denn es wird zu einer Verkantung zwischen Bund und Ländern führen, vor allen Dingen zwischen den großen Ländern und dem Bund. Das wäre aber nicht gut für Deutschland.
Ich sage einmal ganz offen: Der Bayerische Ministerpräsident kann mit der jetzigen Verfassungslage bestens leben, wenn er nur an seine Machtposition denkt.
Er hat ein starkes Land und eine exzellente Verwaltung. Wir haben in allen Bereichen, zu denen die Bundesregierung administrative Vorschläge macht, ein entsprechendes Pendant. Genauso geht es Nordrhein-Westfalen. Auch Ministerpräsident Steinbrück kann mit der jetzigen Rechtslage sehr gut leben. Aber Deutschland und vor allem die Bundesregierung müssen ein elementares Interesse daran haben, dass – wie sagt man in Bayern so schön? – „was auseinander geht“. Wir werden der Bundesregierung das auch noch einmal nahe legen.
Ich glaube, dass sich alle Landtage – ich will da keine Kritik üben – mit der Thematik vielleicht schon früher noch intensiver hätten beschäftigen müssen; denn wer sich nicht zu Wort meldet, wer seine Positionen nicht festlegt, der wird in unserer Mediengesellschaft häufig nicht so richtig gehört. Deswegen bin ich dankbar, wenn der Landtag heute zu den drei Blöcken, die im Dringlichkeitsantrag formuliert sind, Position bezieht. Wenn SPD und GRÜNE nicht zustimmen, dann geschieht dies wohl nicht in erster Linie aus inhaltlichen, sondern aus formalen Gründen. Möglicherweise könnte man sich im November noch einmal mit der Materie beschäftigen; denn Einfluss ist immer noch möglich. Vielleicht könnte man dann auch die Mischfinanzierung aus Sicht des Landes einbeziehen. Die Gemeinschaftsaufgaben sind im Antrag ja gar nicht angesprochen. Das wäre sehr hilfreich. Von mir aus könnte man auch die europäische Frage noch etwas ventilieren.
Meine Bitte wäre: Sagen Sie bitte – das gilt jetzt für alle Kolleginnen und Kollegen hier – auch Ihren Kolleginnen und Kollegen und Partnern im Bundestag, dass auch hier im Landtag hoher Sachverstand vorhanden ist. Ich selbst tue das bei jeder Gelegenheit. Ein Beispiel: Manche Verbände wollen gar nicht, dass die gleichen Regelungen 16-mal auf Länderebene erarbeitet werden. Das ist klar. Der Jagdverband verliert natürlich auf Bundesebene an Bedeutung, wenn das Jagdwesen auf Landesebene geregelt wird. Das führt zum Teil zu der schizophrenen Situation, dass mir Landtagsabgeordnete Briefe schreiben mit der Bitte, das Jagdwesen in der Bundeszuständigkeit zu belassen. Ei
Ich möchte nur deutlich machen, was immer man entscheidet: Wir müssen einander mehr vertrauen. Die Kolleginnen und Kollegen hier im Landtag sind für mich jederzeit in der Lage, beispielsweise ein exzellentes bayerisches Jagdrecht zu schaffen, wenn die Zuständigkeit im Land bleiben sollte. Ich bin auch der Meinung, dass die Kolleginnen und Kollegen hier im Landtag ein hervorragendes, im besonderen Maße auf bayerische Interessen zugeschnittenes Kinder- und Jugendhilferecht erlassen könnten – ohne weiteres! Dann würde die finanzielle Situation vielleicht auch etwas stärker berücksichtigt, denn wir haben hier eine größere Nähe zu den Kommunen als der Bund: Wenn die Kommunen beispielsweise feststellen, dass sich die Kosten aus dem Kinder- und Jugendhilfegesetz zwischen 1991 und 2004 von 10 Milliarden auf 22 Milliarden Euro mehr als verdoppelt haben, werden die Argumente der Kommunalpolitiker hier – ich sage das nicht despektierlich gegenüber dem Bundestag – intensiver gehört als im Bundestag. Das ist jedenfalls meine Erfahrung. Im Bundestag ist die Stimme der Kommunen nicht so laut, jedenfalls ist die Bereitschaft zuzuhören nicht so breit ausgeprägt wie im Landtag. Ich erinnere hier nur an das Konnexitätsprinzip. Deswegen muss man das sehr komplex sehen.
In diesem Sinne wünsche ich mir, dass wir ein vernünftiges Ergebnis erreichen. Der Landtag hat sich ja schon häufig mit der Thematik beschäftigt. Kollege Welnhofer hat auf den Bericht der Enquete-Kommission hingewiesen, der mit eine wesentliche Grundlage auch für die Beratungen der Ministerpräsidenten gewesen ist. Hierin ist außerordentlich gutes Material, sind gute Grundsätze enthalten. Der Bayerische Landtag beschäftigt sich also nicht zum ersten Mal mit dieser Thematik. Wir befinden uns jetzt in der Schlussphase der Beratungen. Der 17. Dezember ist die „Deadline“. Es ist mir ernst, denn wir kommen sonst in das Jahr 2005. Jeder von Ihnen weiß: Da wird es schwieriger, all das zustande zu bringen; denn im Mai stehen die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen an. Es geht dann auch auf die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein zu. Diese werfen dann schon ihre Schatten voraus. Manche Kolleginnen und Kollegen stellen dann nicht mehr so bereitwillig nur die Fachfragen in den Mittelpunkt, sondern dann spielen vielleicht andere Überlegungen eine Rolle. Deswegen ist der 17. Dezember die absolute „Deadline“.
Deswegen bin ich auch sehr dankbar dafür, wenn dieses Hohe Haus sich für eine Unterstützung in Richtung der Länderkompetenzen ausspricht. Das immer wieder zu signalisieren, ist auch gegenüber dem Bund und dem Bundestag wichtig. Wenn eine weitere Unterstützung käme, die ohne weiteres möglich ist, würde ich diese als Repräsentant der Länderseite, wenn ich einmal so sagen darf, sehr gern entgegennehmen.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Dann ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem vorliegenden Antrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das ist die CSU-Fraktion. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltun
gen? – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Antrag angenommen.
Ich möchte noch eine Anmerkung für die weiteren Beratungen machen. Wir haben faktisch zwei Zeitschienen. Die eine betrifft die Kommissionssitzung am 4. November. Wie ich vorhin gehört habe, werden die beiden Vorsitzenden ihr Papier um den 11. November herum vorlegen. Es wäre möglicherweise ein sinnvolles Verfahren – das ist nur eine Anregung; denn die Fraktionen bestimmen über die Abläufe –, dieses Papier zum Gegenstand der Beratungen im zuständigen Ausschuss zu machen und in der letzten Sitzung im November die Meinungsbildung des Landtags zu diesem Entwurf im Plenum herzustellen. Dann bleiben noch die ersten Dezembertage, um dieses Thema in die abschließenden Beratungen in Berlin einzubringen. Dann hätten wir ein Meinungsbild, bis es zu dem Entwurf des Papiers kommt. Ich stelle es den Fraktionen anheim, sich über dieses oder ein anderes Verfahren zu verständigen. – Damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Franz Maget, Marianne Schieder, Karin Pranghofer und anderer und Fraktion (SPD) Luxusgut Bildung? – Mehr Mittel für die Schule – Bildungsmilliarde für Bayern (Drucksache 15/1808)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bildung ist Schlüssel zur Zukunft: Deshalb Investitionen erhöhen! (Drucksache 15/1841)
Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bereits gestern haben wir in diesem Hohen Hause im Rahmen der Aktuellen Stunde sehr intensiv über die Situation an unseren Schulen diskutiert. Ich glaube, es ist dabei mehr als deutlich geworden, welche Not an unseren Schulen herrscht, welch schlimme Folgen die Sparpolitik der Staatsregierung vor Ort entfaltet und welch große Mühen es den Verantwortlichen an den Schulen bereitet, mit der ihnen verordneten Mangelverwaltung fertig zu werden.
Die Darstellungen von Frau Staatsministerin Hohlmeier konnten ebenso wenig wie die Beiträge der Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion über diese Realitäten an Bayerns Schulen hinwegtäuschen. Dass Herr Kollege Prof. Dr. Waschler von „brauchbar“ gesprochen hat, was gemäß der Terminologie in Arbeitszeugnissen, in Noten ausgedrückt, vier minus bedeuten würde, dass Herr Kollege Sibler von „guten Ansätzen“ gesprochen hat, verrät für mich doch deutlich, dass viele Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion auch selbst ganz genau wissen, wie schlecht das Feld in Bayerns Bildungspolitik bestellt ist.
Ich kann nur mit Karl Valentin sagen: Mögen täten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut. – Sie haben nicht den Mut und nicht das Rückgrat, diese Realitäten anzusprechen, anzuerkennen und damit den Weg für Verbesserungen zu öffnen.
Heute Vormittag wurde bei den Haushaltsberatungen erneut deutlich, dass weder die CSU-Fraktion noch die Staatsregierung gewillt ist, für die dringend nötigen Verbesserungen zu sorgen, sondern dass im Gegenteil an den Schulen erneut gespart werden soll und somit auch in den nächsten Jahren der Rotstift und nicht pädagogische Notwendigkeit an Bayerns Schulen den Ton angeben wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, so kann es doch nicht weitergehen. Damit werden nicht nur unsere Kinder und die jungen Menschen schlecht auf die Zukunft vorbereitet, sondern dadurch werden auch die Weichen für die zukünftige Entwicklung unserer Gesellschaft insgesamt falsch gestellt. Erst in der letzten Woche wurde in diesem Raum im Rahmen einer Veranstaltungsreihe, die unter dem Oberbegriff „Dialoge“ abläuft, auch in Anwesenheit des Herrn Landtagspräsidenten von kompetenten Menschen dargestellt, welche großen Probleme für uns alle, aber gerade für junge Menschen die demografische Entwicklung und die Überalterung unserer Gesellschaft mit sich bringen werden. Nahezu in jedem Wortbeitrag wurde festgestellt, dass die Politik leider viel zu spät darauf reagiert hat. An diesem Abend wurde deutlich, dass wir nicht nur eine höhere Geburtenrate brauchen, die ihre Wirkung in 15 oder 20 Jahren entfalten kann, sondern dass wir schon heute für eine möglichst gute Ausbildung unserer jungen Menschen sorgen müssen, damit diese den Anforderungen der Zukunft gewachsen sind.
Damit wir nicht wieder alle gemeinsam in den nächsten Jahren sagen müssen, dass man schon viel früher viel mehr hätte tun müssen, müssen wir jetzt handeln. Nach dem Motto „Es ist nie zu spät, aber selten zu früh, Gutes zu tun“ müssen jetzt die Rahmenbedingungen an Bayerns Schulen so gestaltet werden, dass es nicht mehr sein kann, dass mehr als 10 % der Schülerinnen und Schüler dieses Landes die Schule ohne Abschluss verlassen. Dadurch sind sie nämlich, wie wir alle wissen, viel zu wenig auf ihr Leben und auf ihre spätere berufliche Tätigkeit vorbereitet. Jetzt muss alles dafür getan werden, dass nicht mehr nur 15, 17, 18 oder 19 % eines Schülerjahrgangs die allgemeine Hochschulreife erreichen, sondern wesentlich mehr.
Nur so werden wir den zukünftigen Bedarf an Akademikern für unser Land decken können. Es muss alles dafür getan werden, dass nicht Tausenden von jungen Menschen, die keinen Ausbildungsvertrag erreichen konnten, das Absitzen der Schulzeit in einer Jungarbeiterklasse angeboten wird. Vielmehr müssen an den beruflichen Schulen Berufsfachschulklassen, Berufsgrundschuljahre usw. angeboten werden; der Staat muss hier über das schulische Angebot Abhilfe schaffen. Heute muss alles dafür getan werden, damit nicht weiterhin Bayerns Kinder wegen viel zu großer Klassen, wegen des viel zu hohen Unterrichtsausfalls und wegen der absolut unzureichenden Versorgung mit Lehre
Ich habe jetzt nur drei Defizite im bayerischen Bildungssystem aufgezählt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich zolle allen Schulleiterinnen und Schulleitern, allen Lehrerinnen und Lehrern meinen allergrößten Respekt für die großartige Leistung, mit der sie trotz der ihnen gebotenen Rahmenbedingungen motiviert und engagiert versuchen, für ihre Schülerinnen und Schüler vor Ort das Beste herauszuholen. Der Dank für eine solche Leistung darf aber doch nicht darin bestehen, dass Sie sich hier zurücklehnen und sagen: Es ist gut, das passt schon, wenn vor Ort eine flexible Lösung – so lautet der moderne Begriff, den das Kultusministerium jetzt immer gebraucht – gefunden wird, um den Mangel irgendwie zu verwalten. Der Dank muss doch darin bestehen, dass man jetzt alles tut, um die Rahmenbedingungen an den Schulen zu verbessern.
Wir alle in diesem Landtag müssen dazu bereit sein, mehr Geld in den Haushalt, vorrangig in den Einzelplan 05 einzustellen, sodass mehr Mittel für die Bildungspolitik bereit stehen.
Wer auch nur annähernd bereit ist, die Realitäten vor Ort zur Kenntnis zu nehmen, stellt doch fest, dass es keine Reserven mehr gibt, die man einsetzen könnte, und muss unumwunden zugeben, dass es vor Ort keine qualitativen Verbesserungen geben kann, wenn nicht mehr Geld im Bildungshaushalt bereit steht. Dazu gehört auch, dass wir uns endlich einmal des großen Problems, das wir in Deutschland und auch in Bayern haben, annehmen, dass wir uns nämlich mit dem viel zu engen kausalen Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft der Kinder und ihren Schullaufbahnen und Schulerfolgen befassen. Einen derart engen Zusammenhang gibt es in keinem anderen vergleichbaren Land in Europa. Es hängt, in klaren Worten gesagt, immer noch vom Geldbeutel der Eltern und vom Interesse des Elternhauses an der Bildung ab, welchen Schulabschluss ihre Kinder erreichen können.