Protokoll der Sitzung vom 01.12.2004

Ich lehne es auch ab, aus derartigen Sitzungen Vertrauliches nach außen zu plaudern. Ich sage nur: Wer einigermaßen Erfahrungen mit Sanierungen hat, der weiß, wie sensibel derartige Themen sind, der weiß, welche Außenwirkungen bestimmte Entscheidungen haben können, der weiß, dass natürlich um Rat gefragt wird und Rat gegeben wird. Entscheiden wird und muss aber der Vorstand. Entscheiden wird und muss, wenn es über die Zuständigkeit des Vorstandes hinausgeht, der Aufsichtsrat. Unterschiedliche Banken werden auch unterschiedliche Ratschläge geben – das will ich gar nicht bezweifeln – oder

auf Anfragen unterschiedliche Meinungen und Auffassungen mitteilen. Dies als Empfehlung oder als Weisung hinzustellen, ist in höchstem Maße absurd. Die Behauptung, dass geschönte Zahlen verbreitet worden sind, ist Käse und ist falsch.

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Schauen Sie halt in die Börsenzulassungsprospekte! Lesen Sie sie halt einmal!)

Ja, ja, warten Sie einmal ab, was bei den Prozessen geschehen wird. Es wird versucht, einige Prozesse ins Laufen zu bringen. Es gibt Aktionäre, die ihre Forderungen an eine Consulting- und Beteiligungs-GmbH abgetreten haben und versuchen, gegen die LfA und Lehman Brothers zu klagen. – Wir werden sehen, was herauskommt. Die behaupten: Veröffentlichung falscher Tatsachen, Prospekthaftung, Verstoß gegen das Treuegebot, Herbeiführung der Insolvenz, Bereicherung, Vorteilsannahme und Bereicherung durch Insiderwissen.

(Dr. Heinz Kaiser (SPD): Eine Aufzählung aus dem Strafgesetzbuch!)

Das steht in den Klagen. Der ganze Sums, den Herr Runge bringt, aber nicht substanziieren kann, wird von den Klägern in der Klage aufgestellt.

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Schauen wir mal!)

Ich sage, dass dies alles falsch ist. Warten wir ab, ob die Gerichte die Meinung der Kläger teilen. Ich gehe davon aus, ja ich bin mir sogar sicher: Nein, weil das alles falsch ist. Dass Kläger scharfe Munition auffahren, wenn sie im Prozess etwas erreichen wollen, ist klar. Das sollen sie tun. Dass ein Parlamentarier sich in dieser Sache die Wortwahl der Klägerseite zu Eigen macht und als eigene Behauptungen einbringt, meine Damen und Herren, ist eine Unverfrorenheit.

(Dr. Christian Magerl (GRÜNE): So etwas wie Unverfrorenheit kennen Sie überhaupt nicht!)

Ich könnte es auch deutlicher formulieren, Herr Magerl. Das sollte in einem Parlament nicht Praxis werden. Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass das Landgericht Frankfurt mit Entscheidung vom 13. Juli 2004 die Klage abgewiesen hat. Die Kläger haben Berufung eingelegt. Das ist deren gutes Recht. Was herauskommt, wird sich zeigen. Wir haben mit Hinweis auf laufende Gerichtsverfahren Gespräche mit den Klägern abgelehnt. Die haben mehrfach versucht, Klage anzudrohen und auf dem Vermittlungswege dann Geld herauszuholen.

Ich möchte sehen, was hier los wäre, wenn wir sagen würden: Wir schließen einen Vergleich, obwohl kein Anlass besteht, damit einige der Kläger oder Aktionäre beruhigt werden.

Dann würde es hier drinnen heißen: Riesensaustall, die LfA verschleudert Mittel, um sich einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu entziehen. Nach unserer Überzeugung, besteht, anders als hier mehrfach behauptet wor

den ist, aber kein Anlass, hierfür Mittel auszugeben. Es mag vielleicht die Erwartung mancher Kläger sein, dass dann, wenn die LfA beteiligt ist, quasi eine Staatsgarantie vorliegt. Die liegt aber nicht vor.

Einige haben auch gemeint, die LfA sollte die Mehrheit an der Firma übernehmen. Dafür war ich nie. Wir haben in diesem Hause schon öfter erlebt, auch im Falle anderer Betriebe, dass die SPD-Fraktion gefordert hat, die LfA solle sich stärker beteiligen. Ich war immer der Meinung, deren Beteiligung solle immer so gering wie möglich sein, am besten gar keine. Es ist aber schon eine gewagte Anforderung, jetzt, wenn eine Aktion danebengeht, bei der jeder Aktionär weiß, dass das bei Schneider von der Vorgeschichte her keine einfache Angelegenheit ist, zu verlangen, dass der Staat oder die LfA haften soll. Es ist schon ein parlamentarischer Sittenverfall – ich kann es nicht anders bezeichnen –, dass sich Abgeordnete einseitig, mit Polemik und drastischen Be≠griffen Behauptungen von Klägern zu Eigen machen und im Parlament einen derartigen Wirbel aufführen.

Es gibt eine Auskunftsklage einer Journalistin. Herr Runge, Sie sagen, dass sich die EU mit dem Thema befasst, Stichwort Subventionsbeschwerde. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Warum befasst sich die EU damit? – Weil die Gebrüder Schneider, die in ihrem Betrieb „subventionsbegünstigt“ waren, Beschwerde gegen das eingelegt haben, was der Staat gemacht hat. Die Gebrüder Schneider, deren Betrieb durch das staatliche Handeln begünstigt war und gerettet werden sollte, weil sie selbst dazu nicht in der Lage waren, legen Subventionsbeschwerde ein, weil sie meinen, dass sie auf diese Weise Fakten und Daten bekommen, die ihnen die Klage erleichteren. Dann kommt der Herr Runge und sagt: Da läuft eine Subventionsbeschwerde in Brüssel.

(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Ja, ja, da kommt der Runge!)

Was hier gemacht wird, ist paradox.

Ähnlich verhält es sich mit einer Anzeige bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Durch wen? – Durch die Gebrüder Schneider, die bei mir interveniert haben, damit die LfA stärker einsteigt, als es der Fall war. Von denen läuft jetzt eine Beschwerde gegen das, was sie selbst seinerzeit nachhaltig gefordert haben, um auf diese Weise – so meinen sie – Fakten und Daten zu bekommen, die man sonst nicht bekommt. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht wurde von der LfA informiert und hat das damalige Vorgehen der LfA als plausibel und vernünftig bezeichnet; sie hatte nichts zu beanstanden.

Ich sage noch einmal: Jeder mag es selbst bewerten, was davon zu halten ist, dass diejenigen, deren Betrieb von unserem Vorgehen begünstigt war – das Ziel war, ihn zu erhalten –, heute dagegen Beschwerde einlegen, um, wie sie meinen, Fakten und Daten zu bekommen, mit denen sie dann gegen die LfA vorgehen können. Meine Damen und Herren, in meinen Augen wären Sie gut beraten, wenn Sie bei diesem Thema die Finger von all den Dingen lassen würden, die Sie hier betreiben.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Martin Runge (GRÜ- NE))

Überlassen Sie das Ganze lieber der gerichtlichen Auseinandersetzung, wenn die Aktionäre oder die Kläger das wollen; die sind in Berufung gegangen. In dieser Auseinandersetzung können die Dinge geklärt werden. Für mich ist es aber keine vertretbare Position, wenn hier einzelne Kollegen aufseiten der Kläger mit seltsamen Methoden Daten und Fakten ermitteln wollen. Ich halte es auch für keine gute Methode, hier mit einer ganzen Serie von Anfragen immer wieder die gleichen Sachverhalte zu erfragen. Es ist allmählich auch für meine Mitarbeiter, die wirklich etwas anderes zu tun haben, eine Zumutung, sich immer wieder mit dem gleichen Unsinn auseinandersetzen zu müssen und immer wieder den gleichen Quatsch durch die Mühle drehen zu müssen.

(Beifall bei der CSU)

Das ist auf Dauer nicht in Ordnung. Sie sollten wieder zu einer fairen Diskussion des Themas zurückkehren.

(Margarete Bause (GRÜNE): So fair, wie Sie sind!)

Noch einmal: Es ist eine Zumutung für all diejenigen, die an diesem Prozess beteiligt waren, wenn Sie sich die Unterstellungen der Kläger zu Eigen machen und hier mit einer ungeheuren Polemik auftreten. Das ist eine Zumutung für die LfA, für mein Haus, für die Banken und die Poolführer, die sich über Jahre hinweg – die Firma stand schon ein paar Mal vor schwierigen Situationen – intensiv darum gekümmert haben, dass der Betrieb erhalten bleibt, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben, die bei den Banken mit Darlehensverzicht gearbeitet haben. Es wurde mit unterschiedlichen Interessenten verhandelt, um einen Fortführungsweg auszuarbeiten. Alle beteiligten Banken – die LfA war mit den gleichen Konditionen wie andere dabei – haben sich engagiert und sind in manchen Bereichen über die Grenzen des Zumutbaren gegangen.

Meine Damen und Herren, einen derartigen Fall im Nachhinein in dieser Weise zu behandeln, heißt auch, dafür zu sorgen, dass die Banken zukünftig in anderen Fällen erheblich mehr Zurückhaltung üben werden, weil keine Bank daran interessiert ist, auch keine Poolführerin, welche die LfA in weiten Phasen nicht war, dann in der Öffentlichkeit dafür durch den Dreck gezogen zu werden, dass man sich jahrelang darum bemüht hat, einen Betrieb fortzuführen, was allerdings am Schluss nicht gelungen ist.

Ich bitte Sie intensiv darum, mit dieser Art von Debatten aufzuhören, sonst kann man die Sanierungsthemen im Lande beenden. Es gibt immer wieder Sanierungen, die nicht gelingen. Gott sei Dank gelingen die meisten, aber die spielen dann in der Öffentlichkeit keine Rolle. Einige aber gelingen aus unterschiedlichsten Gründen nicht. Eine Behandlung, wie sie hier stattfindet, führt mit Sicherheit dazu, dass Beteiligte, die wir für die Finanzierung brauchen, dann sagen: Auf eine derartige Behandlung in der Öffentlichkeit kann ich verzichten. Das ist genau das Problem, das Sie hier verursachen. Über Ihr Motiv kann man nur rätseln.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Kaiser.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Staatsminister Wiesheu, in unseren Ohren klingt es schon etwas merkwürdig, wenn ausgerechnet Sie einen Appell zur Fairness an uns richten. Da Sie dazu auffordern, diese Debatte zu beenden, weil damit anderweitige Sanierungsbemühungen gefährdet sind, darf ich daran erinnern, dass Sie es waren, der immer wieder den Bundeskanzler sehr lautstark kritisiert hat, als er sich darum bemüht hat, die Holtzmann AG zu retten. Man sollte hier nicht mit zweierlei Maß messen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN – Zuru- fe von der CSU)

Bisher war es hier üblich und gute Gepflogenheit, einen Berichtsantrag, wie ihn die GRÜNEN gestellt haben, anzunehmen und eine Debatte im Ausschuss zuzulassen, wenn es nötig sein sollte, auch in nichtöffentlicher Sitzung. Wir haben am 20.03.2003 den Antrag gestellt, einen mündlichen Bericht über die Ergebnisse bayerischer Industriepolitik anhand des Beispiels der Unternehmen Kirch Media, Grundig AG, Schneider Technologies AG, Bayernwerk/Viag/Eon zu geben. Das sind vier Beispiele bayerischer Industriepolitik. Diesen Antrag haben Sie damals auch abgelehnt. Wenn solche Anträge abgelehnt werden, taucht natürlich die Vermutung auf, man habe etwas zu verbergen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Staatsminister Wiesheu, Sie haben erklärt, dass die SPD in Anträgen gefordert habe, dass sich die LfA in Fällen von Unternehmensschieflagen oder Expansionsbemühungen einmischen soll. Selbstverständlich wird jeder von uns, wenn in seinem Bereich eine Firma in Schwierigkeiten kommt, nach staatlicher Hilfe rufen. Man setzt sich dann natürlich der Kritik aus, dass man nicht nach der reinen Lehre der Marktwirtschaft handelt, aber andere Nationen handeln auch so. Sie selbst haben schließlich auch erklärt, dass Sie eine Industriepolitik nach französischem Vorbild fordern.

Nicolas Sarkozy ist scheinbar Ihr großes Idol. Gleichzeitig kritisieren Sie Herrn Clement, weil er nicht eingreift. Man muss doch eine klare Linie haben und sagen, was man will. Entweder man will reine Marktwirtschaft, oder man greift auch ein.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind auf einer Linie, wenn wir sagen, man kommt gar nicht umhin einzugreifen, wenn nationale oder auch regionale Interessen betroffen sind. Auch ich habe in letzter Zeit Briefe an Sie geschrieben wegen FAG Kugelfischer oder wegen des Industriecenters bei uns in Obernburg. Das gehört dazu. Entscheidend aber ist, Herr Staatsminister, dass man hinterher diskutieren darf, und zwar nicht darüber, dass eingegriffen wurde, sondern darüber, wie das gemacht worden ist. Man muss diskutieren, ob der Eingriff erfolgreich war oder nicht.

Sie lassen sich sehr gerne feiern für Ihre großen Sanierungserfolge. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Hutschenreuther AG. Damals haben Sie gesagt, wir retten sie. Sie haben sie dann mit der Winterling AG anstatt mit Villeroy & Boch verschmolzen. Letzteres wäre nämlich keine bayerische Lösung gewesen. Damals sind viele Betriebsräte der IG Chemie nach Nürnberg geholt worden. Man hat ihnen dort die Hans-Böckler-Medaille verliehen. Sie haben sich groß feiern lassen als Sanierer, als der Trouble Shooter der bayerischen Wirtschaft. Wo ist denn heute Hutschenreuther? Wo ist der Kirch-Konzern, den Sie auch mit 400 Millionen der LfA unterstützen wollten? Letzteres hat der öffentliche Aufschrei allerdings verhindert. Wo ist die Grundig AG? – Sie ist zugrunde saniert worden. Bei Schneider ist es ähnlich. Es sind Gelder aus der High-Tech-Offensive ausgegeben worden, um die Rundfunkelektronik in Bayern zu stützen. Ich denke beispielsweise an das digitale Radio und das digitale Fernsehen, oder jetzt, an das Laserfernsehen. Wenn das umgesetzt werden kann, dann werden davon keine bayerischen Firmen profitieren. Das wird man doch sagen dürfen, wenn Sie sich als Sanierer feiern lassen. Ihre Sanierungen, sind Augenblickserfolge. Wenn man ihre Nachhaltigkeit überprüft, dann macht man die Erfahrung, dass der Erfolg sehr gering war.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Fehlanzeige! – Beifall bei der SPD)

Herr Staatsminister, jetzt komme ich zur Schneider AG. Als der Antrag damals abgelehnt worden ist, hat der von mir geschätzte Kollege Pschierer im Wirtschaftsausschuss erklärt – das war am 8. Mai 2003, der Antrag wurde damals abgelehnt, weil er angeblich Wahlkampf war –

(Franz Josef Pschierer (CSU): Das war auch so!)

Herr Kollege Pschierer, bitte hören Sie zu. Im Protokoll steht:

Erfreulicherweise habe das Wirtschaftsministerium die Dinge nicht laufen lassen, sondern sich dort, wo es erforderlich und möglich gewesen sei, in Sanierungsbemühungen eingemischt.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Ohne das Engagement von Staatsminister Dr. Wiesheu und seinem Ministerium wären bei der Schneider Technologies AG die Lichter wohl schon sehr früh ausgegangen.

(Franz Josef Pschierer (CSU): Stimmt!)

Man hat sich also eingeschaltet. Dann sollte man auch für die Ergebnisse gerade stehen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Man lässt sich für die Erfolge feiern; dann sollte man auch für die Misserfolge geradestehen. Das ist ein grandioser Fehlschlag der bayerischen Industriepolitik gewesen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Damals, im August 1998, kurz vor der Landtagswahl, wurde die LfA von politischer Seite gezwungen – ich mache ihr dafür keinen Vorwurf –, bei Schneider einzusteigen. Es ist problematisch, wenn ein Kreditgeber dann auch die Funktion des Eigentümers übernimmt. Man hat dann ein neues Vorstandsmitglied geholt, Herrn Niemeyer, und hat von Roland Berger ein Gutachten erstellen lassen. Dieses Gutachten hat ausgesagt, dass Schneider Technologies AG nur Zukunftschancen hat, wenn man nicht in den Massenmarkt geht, beispielsweise bei den Fernsehgeräten, sondern wenn man in High-Tech-Nischen geht, wie das beispielsweise Loewe Opta lange Zeit erfolgreich praktiziert hat. Erfolg versprechend wäre auch gewesen, wenn man die Lasertechnologie in ein Marktprodukt hätte umsetzen können. Das waren die Vorgaben von Roland Berger. Der neue Vorstand aber hat genau das Gegenteil gemacht.