Protokoll der Sitzung vom 16.12.2004

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich bin wirklich völlig erschüttert: Erst will mich mein Lieblingskollege, Herr Meißner, aus dem Umweltausschuss hinausschmeißen – Sie erinnern sich –, und jetzt bin ich in seiner Gunst gestiegen. Herr Meißner, was ich schätze, was ich aber bei Ihnen oft vermisse, sind fachliche Debatten, in denen man Argumente austauscht. Heute haben Sie das ansatzweise tatsächlich gemacht.

(Christian Meißner (CSU): Danke!)

Wunderbar.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich werde Ihnen in ein paar Punkten sogar Recht geben müssen.

Das Problem des sauren Wassers in Oberfranken ist tatsächlich nicht so neu. Sauer macht zwar lustig, wie wir sehen, aber es geht um ein Problem, das man bereits Anfang der Neunzigerjahre deutlich festgestellt hat und das tatsächlich auf die hohen Schwefeleinträge zurückzuführen war. Ich kann nicht anders, als meinem Vorredner Recht zu geben. Die Schwefeleinträge aus der Luft in die Böden haben sich in den letzten Jahren deutlich verringert. Nach dem Waldzustandsbericht haben wir jetzt beispielsweise circa zehn Kilogramm Schwefel pro Hektar Eintrag aus der Luft; im Jahre 1998 hatten wir circa 19 Kilogramm Schwefel pro Hektar. In der Tat ist eine Reduktion eingetreten, vor allem deshalb, weil in Tschechien in den Kraftwerken Entschwefelungsanlagen eingebaut wurden und schwefelärmere Kohle eingesetzt wurde. Ebenso wurde inzwischen das Steinkohlekraftwerk Arzberg in Oberfranken geschlossen. So kam es zu einer deutlichen Reduzierung der Schwefeleinträge.

Die in Oberfranken vorhandene geologische Situation hat zusammen mit den hohen Schwefeleinträgen tatsächlich zu einer deutlichen Versauerung der Böden geführt, die auf das Wasser durchschlägt. Diese Probleme werden wir noch in den nächsten Jahrzehnten haben. Es ist leider so, Herr Kollege Wörner, dass das dortige Gebirge, das kristalline Grundgebirge im Fichtelgebirge, im Frankenwald, im Oberpfälzerwald und im Bayerischen Wald den Schwefel nicht abpuffert. Im Kalkgebirge in den Alpen, auch im Muschelkalk, wird die Schwefelsäure aufgefangen und in Calciumsulfat umgewandelt; dort kommt es nicht zum Durchschlagen der Schwefelsäure. In Oberfranken schlägt die Schwefelsäure aber leider durch, und darum haben wir dort ein verschärftes Problem der Versauerung der Böden.

Wir haben aber durchaus ein weiteres Problem, bei dem noch Handlungsbedarf besteht: Das sind die Stickstoffeinträge. Mit den Stickstoffeinträgen aus der Luft kommt es zur Salpetersäurebildung. Auch diese schlägt durch. Betrachtet man die Stickstoffeinträge, muss man feststellen,

dass diese in Oberfranken sehr hoch sind, wenngleich manche andere Gebiete in Bayern auch hohe, teilweise sogar höhere Stickstoffeinträge haben. Wir haben zwei Hauptemittenten: Das ist die Massentierhaltung, und das ist der Verkehr. Massentierhaltung in einem großen Ausmaß haben wir in Oberfranken nicht, aber wir haben einen erheblichen Straßenverkehr. In diesem Zusammenhang versteht man wirklich nicht, dass sich die SPD, wie auch in der Zwischenfrage meiner Kollegin Ulrike Gote angeklungen ist, für den Ausbau und die Sicherung des Flughafens in Hof einsetzt und sich für die Fichtelgebirgsautobahn stark macht;

denn genau das führt dazu, dass wir verstärkten Autoverkehr bekommen werden, der wiederum zu höheren Stickstoffeinträgen führt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich gebe zu, dass die Stickstoffeinträge schwanken. Ich nenne sie aber trotzdem einmal: Wir hatten 1999 24 Kilogramm pro Hektar. Wir hatten in den Jahren 2000 und 2002 einen Rückgang auf 15 Kilogramm pro Hektar. Im Jahr 2003 lagen wir schon wieder bei über 20 Kilogramm pro Hektar. Handlungsbedarf ist also vorhanden. Wir dürfen deswegen nicht leichtfertig sagen: Gut, bauen wir ein paar Straßen mehr, weil das der Struktur hilft. Das wäre Unsinn. Wir müssen den Straßenverkehr und den Luftverkehr vielmehr sinnvoll zurückfahren.

Das ist zwar keine Vorlesungsstunde, aber ich bringe Ihnen noch einmal ein paar Zahlen, weil es so schön ist: Wenn wir uns die Dichte der Bundesstraßen anschauen, stellen wir fest, dass in Oberfranken-Ost ein bayernweiter Spitzenwert bei den im 15. Raumordungsbericht

- 1999 - 2002 - untersuchten Straßennetzstrukturen besteht. In Oberfranken-Ost wurde der absolute Spitzenwert mit 125 Metern - Bundesstraßen - pro Quadratkilometer festgestellt. In Oberfranken-West liegen wir mit 111 Metern pro Quadratkilometer ebenfalls noch über dem Durchschnittswert Bayerns. Wir haben dort absolute Spitzenwerte, die sonst nirgendwo festgestellt wurden.

Bei den Autobahnen wird Oberfranken-Ost nur noch von der Industrieregion in Mittelfranken übertroffen. Sie sehen, so hat Oberfranken bereits das dichteste Straßennetz. Und dann kommen Sie von CSU und SPD hierher und sagen, wir brauchen noch die Fichtelgebirgsautobahn sowie diese und jene Straßen. Das schadet der Umwelt und der Natur.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich bezweifle vehement, dass Straßenbau eine vernünftige Strukturmaßnahme ist; denn das Straßennetz wirkt wie ein Trichter. Die Lkws rauschen durch in den Süden. In Oberfranken lässt man sich nicht aufhalten. Auch die Verlagerung des Geologischen Landesamts nach Hof ist absoluter Unsinn.

(Christian Meißner (CSU): Die SPD hat doch dazu keine Meinung!)

Doch, wir haben eine Meinung dazu. Die Umweltbeauftragten der betroffenen Ämter haben klar gesagt, dass sich die Dienst-Fahrleistungen verdoppeln werden. Das führt automatisch zu einer Verdoppelung der Stickstoffemissionen. Das wird dieser Region ganz deutlich schaden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte jetzt noch weiter aus den Berichten der staatlichen Behörden zitieren. Im Waldzustandsbericht 2004 wird klipp und klar festgestellt, dass für diese Region die versauernd wirkenden Ammonium-, Nitrat- und Sulfateinträge zwischen 60 und 80 % zu reduzieren sind. Das ist in der Tat eine gewaltige Aufgabe, die in Oberfranken und bayernweit zu leisten ist.

Wir stimmen diesem Antrag zu, weil er eine positive Zielsetzung hat. In Oberfranken ist in der Tat etwas zu tun. Wir verstehen allerdings die Widersprüchlichkeiten, die sich bei den struktur- und wirtschaftspolitischen Vorschlägen der SPD für den Raum Oberfranken zeigen, nicht. Wenn Sie es wirklich ernst meinen, müssen Sie andere Vorschläge einbringen. Diese Vorschläge müssen eine wirkliche Strukturverbesserung bringen und dürfen nicht zu Lasten oder auf Kosten der Natur und der Umwelt gehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schön wäre es, wenn sich diesbezüglich ein gewisser Erkenntnisgewinn einstellen würde. In diesem Zusammenhang finde ich es toll, dass Sie in Ihrem Antrag sagen, die Staatsforstverwaltung in Oberfranken sollte nicht gewinnorientiert umorganisiert werden. Das fordern wir für ganz Bayern. Ich finde es nett, wenn Sie fordern, einen Maßnahmenkatalog für ganz Bayern aufzustellen, in dem klar und deutlich aufgezeigt wird, welche Handlungsmöglichkeiten der Freistaat Bayern hat. Ich glaube, wir dürfen auch selbst denken. Deshalb benennen wir die Handlungsmöglichkeiten: Wir brauchen eine vernünftige Strukturpolitik, keinen weiteren Ausbau des dichten Straßennetzes und die Berücksichtigung der Umweltbelange, damit sich die Böden, das Wasser und die Luft, soweit dies aufgrund der geologischen Formation möglich ist, regenerieren können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Staatssekretärin Müller.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich abschließend ganz kurz und in aller Sachlichkeit die Fakten zusammentragen und die verschiedenen Maßnahmen aufzeigen. Die Situation in Oberfranken ist aufgrund der Geologie außergewöhnlich. Hier gebe ich Ihnen ausdrücklich Recht, Frau Kollegin Paulig. Frankenwald und Fichtelgebirge bestehen aus Urgestein. Der Boden ist kalkarm bzw. kalkfrei und hat wenig Puffermöglichkeiten. Deshalb ist er besonders versauerungsgefährdet. Seit Mitte der Achtzigerjahre liegen Nachweise für die Versauerung von Oberflächengewässern und des Grundwassers vor.

Für die Gewässerversauerung und die Waldschäden sind die erheblichen Emissionen an Säuren und Säurebildnern wie Schwefel und Stickstoff aus der modernen Industrie, die in den Siebzigerjahren ihr Maximum erreicht haben, ausschlaggebend. Durch technische Maßnahmen sowie den Einbau von Abgasfiltern bei Großfeuerungsanlagen sind die Schwefeldioxidemissionen bereits deutlich zurückgegangen. Heute sind Stickstoffeinträge das Hauptproblem.

Bayern betreibt ein lufthygienisches Landesüberwachungssystem mit 55 Messstationen. Die Messergebnisse der acht oberfränkischen Stationen zeigen in Bayern und bundesweit seit längerem keine erhöhten Schadstoffbelastungen aus der Luft. Durch die konsequente Luftreinhaltepolitik, zum Beispiel die Abgasreinigung an Kraftwerken und Maßnahmen zur Schadstoffminderung an Kraftfahrzeugen sowie durch die Verwendung schwefelfreien Heizöls haben die Schwefeldioxidemissionen seit 1976 um mehr als 90 % abgenommen. Das ist eine gewaltige Prozentzahl.

Umfangreiche Maßnahmen zur Abgasreinigung im nordböhmischen Raum der Tschechischen Republik haben zu erheblichen SO2-Minderungen geführt. Auch der Katzendreck-Gestank hat sich dramatisch reduziert. Die Schwefeldioxidemissionen in Oberfranken liegen inzwischen weit unterhalb der Grenzwerte. Durch den Anreicherungseffekt im Boden wirken die hohen Emissionen und Säureeinträge früherer Jahre noch heute nach. Im Laufe der Zeit wird sich aber auch hier eine positive Trendwende durchsetzen.

Die Höhe der Stickstoffeinträge hat allerdings nur wenig abgenommen. Frau Kollegin Paulig, auch hier gebe ich Ihnen ausdrücklich Recht. In der Industrie, in den Haushalten und in der Energiewirtschaft konnten gegenüber 1976 allerdings deutliche Verringerungen von insgesamt circa 60 % erzielt werden. Bei den Kraftwerken waren es sogar 90 %. Natürlich haben wir zwei Ursachen, die schon angesprochen wurden, nämlich den Verkehr und die Massentierhaltung. In Oberfranken und in der Oberpfalz gibt es jedoch keine Massentierhaltung, die zu Problemen führen könnte.

Der Straßenverkehr ist hier die Hauptursache. Sein Anteil an den Stickoxidemissionen beträgt 75 %. Durch Katalysatorfahrzeuge konnten die Emissionen aus dem Kraftfahrzeugverkehr in den vergangenen Jahren nur in begrenztem Umfang reduziert werden, da in diesem Bereich das Verkehrsaufkommen aus den neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union permanent steigt.

Meine Damen und Herren, die oberfränkischen Gewässer sind bayernweit nach wie vor am stärksten von der Versauerung betroffen.

Frau Staatssekretärin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Gote?

Ja.

Frau Staatssekretärin, der Umweltminister hat im Zusammenhang mit der Fichtelgebirgsau

tobahn einmal von einer „umweltgerechten Autobahn“ gesprochen. Kann ich das so verstehen, dass er damit eine Autobahn meint, die nicht befahren werden darf?

Das haben Sie mit Sicherheit falsch verstanden. Ich möchte feststellen, dass dadurch die Belastung in den Orten, durch die in der Vergangenheit Bundesstraßen geführt haben, abgenommen hat. Die Orte werden vom Verkehr, vom Stau und vom Lärm entlastet. Das hat der Umweltminister gemeint.

Lassen Sie mich noch auf die Gewässer eingehen: Die Oberläufe in den Waldbereichen des Fichtelgebirges und des Frankenwaldes sind stark versauert. Von „Essig“ ist allerdings keine Rede.

Im Zinnbach im Landkreis Wunsiedel ist zurzeit ein pHWert von vier zu verzeichnen. Mittlerweile ist ein allmählicher Rückgang der Versauerungserscheinungen bei Oberflächengewässern zu erkennen. Die Versauerung stellt für die Trinkwasserversorgung in Oberfranken heute kein größeres Problem mehr dar. Die Wässer werden vor der Verteilung entsauert und von Aluminium befreit. In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren haben die betroffenen Kommunen und unser Ministerium große Anstrengungen zur Nachrüstung der Trinkwassergewinnungsanlagen unternommen.

Als Fazit ist festzustellen: Durch emissionsmindernde Maßnahmen wurde eine deutliche Verminderung der Schwefeleinträge, nämlich um circa 90 %, erreicht. Die Stickstoffeinträge liegen aufgrund der Verkehrszunahme sowie hoher Fahrleistungen nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau. Das ist allerdings ein deutschlandweites Problem. Wirksamste Mittel für eine Minderung der verkehrsbedingten Stickoxidemissionen

(Ulrike Gote (GRÜNE): Ist die Ökosteuer!)

sind ein geringerer Treibstoffverbrauch und die schnellstmögliche Umsetzung der EU-Abgasnormen. Ab 1. Januar 2005 gilt die Euro-Norm 4 für Pkws und Lkws.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wir erwarten eine Stickstoffminderung bei den Pkws um circa 50 %, bei Lkws um circa 30 %. Ab dem Jahr 2008 wird die Euro-Norm 5 gelten. Dann werden die verkehrsbedingten Stickoxide nach Schätzungen nochmals um 43 % sinken.

Ausgehend von der europäischen Gesetzgebung reduzieren Industrie, Gewerbe und Kleinverbraucher durch verschiedene Maßnahmen ebenfalls die Luftschadstoffemissionen. Wir erwarten deshalb eine weitere Verringerung der Schadstoffemissionen insbesondere in Oberfranken. Wir sind auf einem guten Weg. Dazu brauchen wir diesen Antrag mit Sicherheit nicht.

(Beifall bei der CSU)

Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/2376 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das ist die CSU-Fraktion. Letzteres ist die Mehrheit. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben kaum mehr Redezeiten. Wir schließen damit die Behandlung der Dringlichkeitsanträge ab. Die restlichen Dringlichkeitsanträge werden an die Ausschüsse verwiesen. Außerdem werden, wie vorher schon angekündigt, die Anträge unter den Tagesordnungspunkten 22, 25 und 27, die noch nicht behandelt sind, im Januar-Plenum behandelt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Ende der Sitzungsarbeit in diesem Jahr. Wir arbeiten hier in einer Übergangssituation. Der Landtag ist eine Baustelle. Das ist vielleicht ein gutes Bild für die Situation in unserem Land. Wir hatten ein sehr intensives Arbeitsjahr. Ich will jetzt keine Einzelheiten aufzählen, sondern nur in einem ersten Rückblick feststellen, dass dieses Parlamentsjahr einmal als Jahr mit zwei bedeutsamen Wendemarken in die Landespolitik eingehen könnte.

Die Parlamentsarbeit war in diesem Jahr weithin von den Debatten darüber geprägt, wie das Weniger sachgerecht eingesetzt werden kann, und nicht mehr von Debatten darüber, wie ein Mehr verteilt werden soll. Das ist eine tief greifende Veränderung. Über diese grundsätzliche Notwendigkeit herrscht sogar Einigkeit zwischen den Fraktionen. Dass deren Schlussfolgerungen unterschiedlich und Gegenstand intensiver Debatten sind, ist gerade das Wesen der Demokratie. Es ist natürlich schwierig, aus dem allgemein Richtigen die konkreten einzelnen Schlussfolgerungen zu ziehen