Protokoll der Sitzung vom 27.01.2005

Bayern hat dem Kompromiss des § 23 a des Aufenthaltsgesetzes zugestimmt. Wir fordern Sie auf, unserem Gesetzentwurf heute auf Länderebene zuzustimmen; denn unser Vorschlag zur Zusammensetzung dieser Kommission ist genau das, was Herr Beckstein in der Vergangenheit immer gefordert hat. Er wollte zum Beispiel eine Quote für das Kirchenasyl. Dies wollen wir durch die Beteiligung der Kirchen in der Kommission verankert wissen. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir dem Einzelfall mit dringenden humanitären oder persönlichen Gründen gerecht werden.

Da Sie das auf Bundesebene so wollten und ihm zugestimmt haben, wollen wir Ihnen gerne vortragen, wie wir uns das vorstellen. Wenn rechtlich alles entschieden ist, muss es nach dem neuen Zuwanderungsgesetz noch eine Möglichkeit geben – und dem haben Sie auf Bundesebene zugestimmt –, humanitär entscheiden zu können. Als langjähriges Mitglied des Petitionsausschusses weiß ich, dass wir uns im Ausschuss hier im Landtag die Möglichkeit nehmen lassen, im Sinne des Petenten den Härtefall zu beleuchten und in seiner ganzen menschlichen Konsequenz zu sehen. So eine Härtefallkommission wäre frei von ordnungspolitischen Überlegungen, während man im Petitionsausschuss ständig darauf hinweist, dass es keine Möglichkeit gäbe, vom Recht abzuweichen. Wir könnten uns das in Zukunft sparen. Wir könnten den Härtefall so sehen, wie er ist.

Wir schlagen Folgendes vor: Die Härtefallkommission setzt sich aus 17 Mitgliedern zusammen, je einem Vertreter/einer Vertreterin der evangelischen und katholischen Kirche und der israelitischen Kultusgemeinde, zwei Vertreterinnen/Vertretern der freien Wohlfahrtspflege, einem Vertreter/einer Vertreterin des Bayerischen Flüchtlingsrats, Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte AGABY, Beratungseinrichtung für Flüchtlinge und Folteropfer des Flüchtlingsrates, Beratungseinrichtung für Opfer von Frauenhandel, zum Beispiel „Jadwiga“ – das ist eine Frauenorganisation, die sich mit weiblichen Flüchtlingen oder Migrantinnen beschäftigt-, des Bayerischen Landesjugendamts, der Anwaltschaft der Rechtsanwaltskammern, Landesärztekammer, der kommunalen Spitzenverbände, des Bayerischen Landessportverbandes, der bayerischen Wirtschaft und ein Vertreter/eine Vertreterin des Bayerischen Staatsministeriums des Innern.

(Unruhe)

Die Mitglieder werden für zwei Jahre vom Innenministerium bestellt. Die Zusammensetzung ist nach unserer Meinung sehr ausgewogen. Es gibt keine parteipolitische Polarisierung, denn die wird durch die Zusammensetzung verhindert. Wir haben mit den Organisationen gesprochen. Sie alle sind sehr an einer Zusammenarbeit interessiert. Die Zusammensetzung der Härtefallkommission

haben wir ganz bewusst gewählt. Die Erfahrungen in anderen – –

(Anhaltende Unruhe)

Herr Präsident, Sie sollten jetzt einmal etwas sagen. Mir reicht das.

Frau Scharfenberg hat Recht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte noch ein bisschen Aufmerksamkeit.

Die Erfahrungen der Härtefallkommissionen, die in den anderen Bundesländern schon seit längerer Zeit bestehen, haben gezeigt, dass es sinnvoll ist, wenn nicht nur Politikerinnen und Politiker einen Härtefall überprüfen, sondern dass der geballte Sachverstand von Menschen aus verschiedenen wichtigen gesellschaftlichen Organisationen Ermessensspielräume finden und davon Gebrauch machen kann. Wir erfahren doch immer wieder in den Sitzungen des Petitionsausschusses, dass beispielsweise jemand aus der bayerischen Wirtschaft kommt und sagt: Gerade diesen Arbeitnehmer möchten wir gerne behalten; denn einen deutschen Arbeitnehmer können wir für diese Arbeit nicht finden. Das sind genau die Gründe, die uns dafür sprechen lassen, eine solche Kommission einzurichten. Der geballte Sachverstand innerhalb der Härtefallkommission ist notwendig. Im dreiköpfigen Vorprüfungsausschuss, der aus dem Geschäftsstelleninhaber und zwei von der Kommission benannten Mitgliedern besteht, wird dann geprüft, ob Gründe für die Zulässigkeit eines Antrags vorliegen. Es wird also nicht alles nach Gutdünken behandelt, sondern es wird wirklich geprüft.

Meine Damen und Herren, trotz eindringlicher Appelle, angefangen bei Frau Süssmuth, Herrn Blüm und Herrn Schwarz-Schilling, bis hin zum früheren BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel, trotz der Appelle von Pro Asyl und anderer Menschenrechtsorganisationen sowie von zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern enthält das Zuwanderungsgesetz keine Bleiberechtsregelung. Das ist genau der Knackpunkt. Das wollten Sie auf Landesebene lösen; denn nach dem neuen Zuwanderungsgesetz ist das Länderhoheit. Dem haben Sie zugestimmt, deshalb müssen Sie sich ehrlicherweise auch entsprechend verhalten.

Für Migrantinnen und Migranten, die seit Jahren in Deutschland leben und deren Duldung immer wieder verlängert worden ist, muss eine abschließende Regelung gefunden werden. Es ist für diese Menschen keine Lösung, wenn sie mit ungesichertem Aufenthaltsstatus in einem sozialen Schwebezustand leben müssen, und dies über Jahre hinweg. Für einige dieser Menschen könnten jetzt durch die Einrichtung einer Härtefallkommission zumindest Einzelregelungen getroffen werden. So etwas funktioniert aber nur, wenn die Anträge ohne „Schere im Kopf“ geprüft werden können.

Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben seit Jahren Härtefallkommissionen, und sie haben damit gute Erfahrungen gemacht. In Schleswig-Holstein hatte man 2003 106 Eingaben, 2002 112 Eingaben und in den Jahren 1996 bis 2001 insgesamt 566 Eingaben, die in der

Härtefallkommission behandelt wurden. Davon sind im Jahre 2003 drei Fälle positiv bewertet worden.

(Zuruf von der CSU: Nur drei?)

Ja, nur drei Fälle.

(Zuruf von der CSU: Das ist aber schwach!)

Im Jahr 2002 waren es sieben Fälle. In den Jahren 1996 bis 2001 waren es insgesamt 91 Fälle, die positiv bewertet wurden. Sie können also nicht behaupten, in so einer Kommission wird alles nur durchgewunken. So ist es nicht. Jeder Fall wird in der Kommission von allen Seiten beleuchtet und geprüft.

Das Modell einer Härtefallkommission könnte dauerhaft Bestand haben, wie die Beispiele Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zeigen. Dort können die Kommissionen über eine kontinuierliche Arbeit berichten. Nach dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes seit dem 01.01.2005 liegen noch keine Erfahrungen aus den anderen Bundesländern vor. Die Härtefallkommissionen werden auf der neuen gesetzlichen Grundlage erst eingerichtet.

Meine Damen und Herren, die Einrichtung einer Härtefallkommission in der von uns gewünschten Zusammensetzung tritt nicht in Konkurrenz mit dem Petitionsausschuss. Sie ist vielmehr eine Ergänzung und gegebenenfalls auch eine Entlastung des verfassungsrechtlich verankerten Petitionsausschusses. Die Abgeordneten im Petitionsausschuss müssen sich ohnedies mit einer Fülle von Themen befassen. Eine Entlastung wäre deshalb sinnvoll, insbesondere auch, um den Antragstellern eine fachlich kompetente Überprüfung ihrer Anliegen zu bieten. Ich möchte deshalb, dass Sie sich mit diesem Gesetzentwurf auseinander setzen. Die Arbeit in der Härtefallkommission ist weder spektakulär noch politisch brisant. Sie eröffnet auch keinen neuen Rechtsweg für die Antragstellerinnen und Antragsteller. Wir sind offen für Ihre konstruktiven Änderungsanträge.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich eröffne die Aussprache. Als Erster hat Herr Kollege König das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Meinungsbildung in der CSU-Landtagsfraktion über das Für und Wider einer Härtefallkommission ist noch nicht abgeschlossen. Wir lehnen den Gesetzentwurf deshalb ab.

(Unruhe bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege König, für diesen Kurzbeitrag. Als Nächsten rufe ich Herrn Kollegen Werner auf. Herr Kollege, Sie können die Redezeit des Herrn Kollegen König aber nicht übernehmen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Danke für den Hinweis, denn ich wollte mir gerade die von Herrn Kollegen König sinnlos verschleuderte Redezeit zu Eigen machen. Jetzt ist er sogar noch hinausgegangen. Wo muss er denn hin?

(Karin Radermacher (SPD): Er bekommt sonst seinen Zug nicht! – Margarete Bause (GRÜNE): Er muss noch nach Hof!)

Ich kann mir den Hinweis nicht verkneifen, dass dieser Beitrag dem Ernst der Angelegenheit nicht gerecht geworden ist. Es geht hier nämlich um das Schicksal von Menschen.

(Beifall bei der SPD)

Man sollte sich deshalb schon etwas mehr Zeit dafür nehmen und nicht alles mit nur einem rotzigen Satz abtun.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit § 23 a des Aufenthaltsgesetzes haben wir jetzt die Möglichkeit, auch in Bayern eine für viele betroffene Menschen eine und auch für uns, die wir im Petitionsausschuss immer wieder diesbezügliche Entscheidungen zu treffen haben, unbefriedigende Situation zu beenden und gleichzeitig den freiheitlichen Grundsätzen unserer Verfassung auch im Umgang mit einer – im Übrigen nur sehr kleinen – Gruppe von ausländischen Mitbürgern gerecht zu werden.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Der Bundesgesetzgeber hat in diesem Gesetz ausdrücklich die Bildung einer Härtefallkommission zur Klärung dieser seltenen Fälle ermöglicht, und Bayern hat dem auch zugestimmt. Ich kann mich noch sehr gut an ein Interview erinnern, das ausgerechnet die „Bild-Zeitung“ im vergangenen Sommer mit Herrn Minister Beckstein geführt hat. Der Minister hat damals gesagt, er sieht bei den Härtefällen einen Handlungsbedarf. Das hat dann auch Eingang in das Gesetz gefunden. Ich kann mir nun nicht vorstellen, dass jetzt, ein halbes Jahr später, dieser Handlungsbedarf nicht mehr da sein soll.

Die Fälle, um die es geht, sind nur einige wenige. Das ist auch aus der Statistik klar geworden, die Frau Kollegin Scharfenberg gerade angesprochen hat. Diese Härtefälle bereiten uns immer wieder Kopfschmerzen, weil wir immer wieder Fälle haben, bei denen wir uns sagen: Nun sind diese Menschen seit vielen Jahren hier in Deutschland, sie haben nie Sozialhilfe bezogen und immer gearbeitet, trotzdem haben wir keine Rechtsgrundlage, aufgrund derer sie hier bleiben dürfen. Vor diesem Problem stehen wir auch immer wieder im Petitionsausschuss. Jetzt könnte hierfür endlich eine Rechtsgrundlage geschaffen werden, wenn nach vorheriger Prüfung durch ein einfaches Votum der Härtefallkommission eine Entscheidung getroffen wird.

Dann könnte das Innenministerium mit diesem Votum grünes Licht für ein weiteres Bleiberecht erteilen.

Ich erwähne es noch einmal: Das gilt nur in denjenigen wenigen Fällen, in denen auch Sie sagen, es sei angebracht, es sei angemessen. Weniger angemessen war allerdings die gestrige Stellungnahme Ihres sehr verehrten Herrn Fraktionsvorsitzenden, der gemeint hat, die Sache sei unausgegoren. Vielleicht hat ihn gestört, dass die GRÜNEN jetzt noch schnell mit einem eigenen Gesetzentwurf vorgeprescht sind; aber wir haben bereits vor drei Monaten einen Antrag gestellt und gehofft, in gemeinsamer Beratung in den Ausschüssen zu einer Regelung zu kommen. Dieser Antrag, mit dem wir die Härtefallkommission einrichten wollten, stand bereits viermal auf der Tagesordnung eines Plenums und muss heute erneut aus Zeitgründen vertagt werden. Ich hatte die Hoffnung noch immer nicht ganz aufgegeben, dass wir in einer ruhigen Stunde bei diesem Thema zusammenkommen könnten, bis gestern diese Stellungnahme mit dem Unausgegorenen kam. Ich glaube allerdings, die Stellungnahme Ihres Fraktionsvorsitzenden war unausgegoren. Er hätte einmal seinen Blick nach Schleswig-Holstein oder NordrheinWestfalen werfen sollen.

(Christine Stahl (GRÜNE): Da schaut er aus Prinzip nicht hin!)

Dort gibt es seit Jahren Härtefallkommissionen, die keineswegs die Tore sperrangelweit aufmachen, sondern vernünftig arbeiten. Unter diesem Aspekt hätte er sich seine Stellungnahme ersparen können. Ich möchte im Interesse eines humanen Umgangs mit diesen Menschen die Hoffnung nicht aufgeben, dass Sie auch in dieser Frage dem bundesweiten Konsens folgen und einer Härtefallkommission nicht länger im Weg stehen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Als nächste Rednerin hat Frau Kollegin Scharfenberg das Wort.

(Joachim Herrmann (CSU): Die hat doch gar keine Redezeit mehr!)

- Doch. Sie hatte den Gesetzentwurf 10 Minuten begründet. Jetzt spricht sie 5 Minuten als Fraktionsmitglied. Frau Scharfenberg, Sie haben das Wort.

Ich hatte zehn Minuten für die Begründung des Gesetzentwurfs, den wir eingebracht haben, und jetzt folgt die Aussprache. Da bin ich auch dabei.

(Zurufe von der CSU – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Herr Kreuzer, Sie brauchen doch nicht über die Redezeit zu diskutieren, wenn Sie Ihre eigene nicht ausschöpfen!)

Sie ziehen es vor, dass Herr König vorzeitig geht. Das ist eine Unverschämtheit; das will ich Ihnen einmal sagen.

(Zurufe von der CSU)

Einen Moment, ich darf dazwischengehen. Es ist möglich, dass die Staatsregierung einen Gesetzentwurf zehn Minuten begründet – und unter Umständen sogar länger-, und dann kommt jemand von Ihrer Fraktion und redet fünf Minuten. Das ist doch logisch; so steht es auch in der Geschäftsordnung.

(Thomas Kreuzer (CSU): Nach 19.30 Uhr überweisen wir nicht mehr! Das müssen wir dann auf das nächste Mal vertagen! – Weitere Zurufe von der CSU)

Verweisen können wir, weil es keine Abstimmung ist; ich lasse trotzdem zwischenzeitlich klären, ob wir es nicht nach der vorgesehenen Zeit können. Bitte sehr, zunächst haben Sie das Wort, Frau Scharfenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin sehr erstaunt über dieses Verhalten der CSU. Der Ausschussvorsitzende, Herr König, ist sich nicht zu dumm, hier so etwas von sich zu geben. Ich muss schon sagen: Das ist unmöglich.