Das ist ein Grund, warum ich gerne in dieser Partei bin und nicht in einer Partei, die mit Entscheidungen schnell bei der Hand ist und Rechtsgüter, auf die wir uns alle einmal gemeinsam verständigt haben, voreilig preisgeben will.
Herr Präsident, meine Herren und Damen! Wir sehen keine Notwendigkeit für eine schrankenlose und kritiklose Ausweitung der DNA-Analysen ohne Not. Was ist das für ein Staat, der seinen Bürgerinnen und Bürgern derart misstraut, dass er Unbeteiligte mit Videoüberwachung, Schleierfahndung, Abhörungen und Kennzeichen-Scanning überzieht und jetzt auch noch mit einer Ausweitung der DNA-Analysen droht? – Es ist ein Staat, der seine Bürger und Bürgerinnen zu Gefahrenherden und damit zu Feinden und Feindinnen erklärt hat.
Es passt daher ganz gut zur heutigen Aktuellen Stunde, wenn im Anschluss der Bayerische Datenschutzbeauftragte seinen jährlichen Bericht abgeben wird. Ich bin überzeugt, dass dieser Bericht, wie wir das in der Datenschutzkommission bereits besprochen haben, aufzeigen wird, dass die Schutzrechte nicht so umfassend vorhanden sind, wie Sie uns das immer weismachen wollen. Es sind eben nicht alle Vorschriften zum Schutz von unschuldigen Bürgerinnen und Bürgern vorhanden.
Der Ton, den Sie in dieser DNA-Debatte anschlagen – weniger Herr Kollege Kreuzer als vielmehr Mitglieder des Kabinetts, wie beispielsweise vorgestern nach der Kabinettssitzung –, wird uns nicht provozieren, und er wird uns auch nicht davon abhalten, eine sachliche Auseinandersetzung zu diesem Thema einzufordern und zu führen. Ihr Argumentationsstil fällt letzten Endes auf Sie selbst und auf Ihre Kinderstube zurück. Ich muss Ihnen sagen, letztendlich bin ich für die Äußerungen sogar dankbar. Dankbar deshalb, weil sie sehr gut und überaus deutlich aufzeigen, wohin Sie mit der DNA-Analyse tatsächlich wollen. Das geht nämlich sehr wohl über das hinaus, was Sie uns hier als verträglich verkaufen wollen. Es soll keinen Richtervorbehalt mehr geben, der Verdacht einer Straftat soll
genügen, eine einfache Negativprognose soll ausreichen. Auch das Innenministerium will nicht hinten anstehen und nur den Verschlägen des Justizministeriums folgen, sondern es setzt noch eins drauf. Es stellt die Verhältnismäßigkeitsprüfung in Frage und meint, schon ein ganz niedriger Anfangsverdacht würde ausreichen, eine DNA-Analyse durchführen zu lassen.
Mit diesen Äußerungen machen Sie uns deutlich, dass wir alles tun müssen, damit Sie auf Bundesebene so schnell nicht wieder Regierungsverantwortung übernehmen können.
Sie missachten ganz bewusst Verfassungsrecht. Wir haben heute eine interessante Steigerung vom Herrn Kollegen Kreuzer erlebt, den ich im Augenblick nicht im Saal sehe. Er hat beim Verfassungsgericht von Untergliederungen gesprochen. Die dritte Kammer des Verfassungsgerichts ist für ihn eine Untergliederung, deren Urteile man anscheinend nicht so ernst zu nehmen braucht. Da möchte ich ihn schon fragen, was er für ein Verständnis von unserem obersten Gericht und den von diesem Gericht getroffenen Entscheidungen hat. Ich finde seine Äußerungen wirklich skandalös.
Wir, die wir aus der Geschichte wissen, dass den staatlichen Zugriffsrechten Schranken gesetzt werden müssen, sind noch heute dem Bundesverfassungsgericht für die Feststellung dankbar, dass der Schutz der Persönlichkeitsrechte einen sehr hohen Stellenwert hat.
Bestätigt wurde dieser Stellenwert erneut am 13. Januar durch das BGH-Urteil, das den Persönlichkeitsschutz von Kindern bei anonymen Vaterschaftstests in den Vordergrund stellt. Deshalb müssen wir auch auf Bundesebene dafür sorgen, bei der Vorbereitung des Gen-Daten-Analyse-Gesetzes dem Missbrauch und den Begehrlichkeiten einen Riegel vorzuschieben.
Zurück zur DNA-Analyse. Wenn Ihnen noch irgendetwas an den Fakten liegt, sollten Sie schleunigst den verharmlosenden Begriff des genetischen Fingerabdrucks meiden. Herr Kollege Kreuzer hat heute wiederum in aller Ausführlichkeit davon gesprochen, dass das viel weniger schlimm sei als ein Bild. Dabei muss ich mich allerdings fragen, was für eine Datei er hat, wenn darin Leute enthalten sind, die gar nicht mehr als Straftäter gesucht werden.
Herr Kreuzer sollte diesen Begriff nicht mehr verwenden, den Sie, meine Damen und Herren von der CSU heute als Überschrift der Aktuellen Stunde verwendet haben.
Die DNA-Proben sind mit höchstpersönlichen Informationen gespeichert, mit deren Hilfe ein komplettes Persönlichkeitsprofil erstellt werden könnte. „Könnte“, sage ich. Deshalb ist in der Strafprozessordnung eine Reihe von
Sicherungen eingebaut wie etwa der Richtervorbehalt oder die Analyse ausschließlich zur Identitätsfeststellung. Diese verfassungsrechtlichen Grundsätze dienen dazu – daran ändern auch die Äußerungen des Kollegen Kreuzer nichts –, die Erhebung und Verwendung von Gen-Daten zu steuern und an Straftaten Unbeteiligte zu schützen. Genau diesen Schutz stellen Sie mit Ihrem Vorstoß in Frage. Wir persönlich haben ja nichts zu fürchten. Wenn ich so meine Fraktion ansehe, sehe ich, es sind alles brave Leute. Aber ich stelle mir vor, es wird ein Spaß werden, wenn Herr Kohl, Herr Schäuble oder auch bestimmte bayerische Minister zur Speichelprobe wegen Falschaussage und Fahrerflucht antreten müssen.
Wir befürchten, dass mit zunehmendem technischen Fortschritt und immer differenzierter werdenden Analysemöglichkeiten die Begehrlichkeiten wachsen. Sie brüsten sich selbst in einer Pressemitteilung von gestern, dass Bayern ein Fünftel der 380 000 bundesweit gespeicherten Datensätze, also ca. 73 000 Daten liefert. Wenn Ihnen diese Zahl schon nicht reicht, warum sollte Ihnen dann die DNA allein zur Identitätsfeststellung reichen? Die Wohnraumüberwachung hat nicht gereicht. Die klassische Fahndung reicht Ihnen nicht, die Telefonüberwachung ebenso wenig.
Der Münchner Rückversicherung – ich möchte das hier einführen, weil es ein recht interessantes Beispiel ist –, genügen die vorhandenen Daten ihrer Versicherungsnehmer auch nicht. Deshalb will sie in Zukunft den Zugriff auf die Gen-Daten erhalten, denn man will Krankheiten, die sicher auftreten werden, nicht mehr versichern. Wenn all diesen Leuten und Ihnen diese Daten nicht mehr reichen, warum sollen wir dann glauben, dass wir allein mit einer Gen-Analyse zur Identitätsfeststellung davonkommen werden?
Noch vor einem halben Jahr wären wir als hysterisch bezeichnet worden, hätten wir genau vor dieser Entwicklung gewarnt. Wer garantiert uns aber hier gerade in Bayern, zumal wir eben eine Aufweichung nach der anderen bei den Schutzrechten erleben, dass die Begehrlichkeiten der Polizei nicht ebenso zunehmen wie die der Versicherungswirtschaft und der Arbeitgeber?
Bezüglich der anonymen Tatortspuren bin ich überzeugt, dass es hilfreich wäre zu wissen, ob es sich beispielsweise um Spuren von Deutschen oder Menschen anderer Herkunft handelt, ob die Spur von jemandem stammt, der eine Krankheit hat, denn dann wäre es ein Leichtes, wenn er beispielsweise auf ärztliche Behandlung angewiesen ist, die Arztpraxen zu observieren und zu prüfen, ob er sich dort meldet.
Ach Herr Kreuzer, guten Tag! Jetzt sind Sie da. Sie kriegen jetzt einen Halbsatz mit und meinen, sich aufmandeln zu müssen. Halten Sie sich bitte zurück.
Es wäre ein Leichtes, aus diesen noch zu identifizierenden Spuren ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen, egal ob es von einem Beschuldigten – das ist uns auch wichtig – oder von jemandem stammt, der zufällig am Tatort war. Sie wollen uns erzählen, dass Sie mit nicht codierten Daten zur Identitätsfeststellung zufrieden sind. Wir glauben es nicht angesichts dessen, was wir hier in Bayern jährlich an Gesetzesänderungen erleben.
Die Zahl der abgefragten Telekommunikations-Verbindungsdaten hat sich beinahe verdoppelt auf 2,7 Millionen. Die Gesamtzahl der Überwachungen in der Telekommunikation stieg von 2500 auf 15 750 an. Wir verzeichnen eine Steigerung der gespeicherten DNA-Daten von 65 000 auf 73 000; von Speicherungen im privaten Bereich und in der Sozialversicherung wollen wir hier gar nicht reden. Geplant sind EU-weite Erfassungen biometrischer Daten. Die Reisedaten von Fluggästen werden sowieso schon an die USA übermittelt. Von einer freiwilligen Preisgabe von höchstpersönlichen Daten spricht ohnehin niemand mehr.
Gleichzeitig fehlt es aber an wirklich klaren rechtlichen Regelungen für eine allgemeine DNA-Datei. Es fehlt an Regelungen für Massen-Screenings. Dafür gibt es überhaupt keine rechtliche Grundlage. Damit haben Sie aber komischerweise kein Problem. Da höre ich keinen Aufschrei, sehe keine Bundesratsinitiative. Das ist für Sie Normalität. Und auch deswegen sind wir skeptisch, weil wir sehen, wie Sie mit den notwendigen Schutzrechten umgehen.
Die Bundesebene ist gefordert zu prüfen, ob und inwieweit Lücken bestehen, die ich persönlich zwar nicht sehe, die aber vielleicht und wenn überhaupt mit Augenmaß geschlossen werden müssen. Ihre geschmacklose Instrumentalisierung des Falles Moshammer brauchen wir dazu nicht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, Hohes Haus! Die DNA-Analyse ist der kriminalistische Quantensprung bei den Ermittlungsmethoden unserer Strafverfolgungsbehörden und ist unverzichtbar geworden. Wir haben das vorhin schon einmal gehört. Man kann einen herkömmlichen Fingerabdruck sehr schnell vermeiden, indem man einen Handschuh anzieht. Aber der Täter kann am Tatort kaum vermeiden, dass er Hautschuppen verliert, schwitzt, hustet oder auf irgendeine andere Art DNA-Spuren hinterlässt. Es ist für uns wichtig, Täter schnell überführen und vor allen Dingen weitere Straftaten verhindern zu können. Wir haben in Bayern eine hohe Aufklärungsquote; auch darüber haben wir vorhin schon gesprochen. Das sollte
Wir können durch die Erweiterung der DNA-Analyse natürlich nicht verhindern, dass ein Täter erstmals eine Vergewaltigung begeht, aber wir haben gute Chancen, damit den angehenden Wiederholungstäter noch vor Begehung einer zweiten Tat dingfest zu machen. Ich denke, das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Wenn Sie sich einmal ansehen, welches Leid Opfer ertragen müssen, können Sie das besser verstehen.
Nehmen Sie doch einmal den Fall einer Familie, deren Tochter im Alter von 15 Jahren in Bad Hersfeld vergewaltigt und erdrosselt aufgefunden wurde. 26 Jahre hat es gedauert, bis die Ermittlungen abgeschlossen werden konnten. Die Mutter war in der psychiatrischen Klinik, die zweite Tochter schlief aus Angst mit dem Messer unter dem Bett und die Familie ist auseinander gefallen. Da sieht man, wie wichtig eine schnelle Tataufklärung ist, und zwar nicht nur für die Zukunft und um weitere Taten zu verhindern, sondern auch, um Opfer zu schützen.
Ich muss eines ganz klar sagen: Wir wollen hier nichts, was schranken- und kritiklos ist. Es ist aber so, dass die derzeitigen Schranken für die DNA-Analyse zum Zweck der Aufklärung künftiger Straftaten zu hoch sind. Nach dem geltenden Recht muss die Anlasstat eine Straftat von erheblicher Bedeutung oder ein Sexualdelikt sein. Wir brauchen weiter eine qualifizierte Prognose, dass in Zukunft wiederum eine Tat von erheblicher Bedeutung stattfinden wird. Und wir haben den Richtervorbehalt.
Der Fall Moshammer zeigt natürlich schon, dass hier etwas geändert und der Anwendungsbereich erweitert werden muss; denn in diesem Fall hatten wir nur deshalb ein DNA-Muster, weil der Täter in einem früheren Verfahren der gefährlichen Körperverletzung verdächtigt wurde und damit eine Straftat von erheblicher Bedeutung vorlag. Und nur deshalb ist es zu einer freiwilligen DNA-Probe gekommen. Anders hätten wir es gar nicht tun können. Hätte es sich demgegenüber nur um eine einfache Körperverletzung gehandelt, hätte der Täter also kein Messer dabei gehabt, sondern nur gedrosselt, wäre die Entnahme einer DNA-Probe unmöglich und damit die Tataufklärung deutlich erschwert gewesen. Können wir es denn dem Zufall überlassen, ob eine DNA-Analyse zulässig ist oder nicht? Wird also ein Opfer „nur“ krankenhausreif geprügelt, ist es nur eine einfache Körperverletzung; dann darf ich keine DNA-Probe entnehmen. Waren die Täter zufällig zu zweit, haben wir eine gefährliche Körperverletzung vorliegen, und dann können wir die DNA-Probe ziehen. Das ist doch nicht nachvollziehbar.
Deswegen muss unser Ziel die Gleichstellung der DNAAnalyse mit dem herkömmlichen Fingerabdruck sein. Da
für spricht auch, dass, wie wir aus der kriminologischen Forschung wissen, die meisten Sexual- und Gewalttäter, bevor sie diese Taten begangen haben, in der Kleinkriminalität auffällig geworden sind. Auch vor diesem Hintergrund scheint es völlig unverständlich, weiterhin an einem Anlasstatenkatalog festhalten zu wollen.
Wir müssen den Mut aufbringen, den verfassungsrechtlichen Spielraum auszuschöpfen, um den Anwendungsbereich der DNA-Analyse den Bedürfnissen der Praxis anpassen zu können. Dass es einen solchen Spielraum gibt und dass dieser eine Angleichung der DNA-Analyse an den herkömmlichen Fingerabdruck möglich macht, hat nicht zuletzt der Bericht der Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses „Effektivierung der DNA-Analyse“ vom Juni 2004 gezeigt.
Lieber Herr Maget, der Vorschlag für die Justizministerkonferenz ist bereits ausgearbeitet und mit A- und B-Ländern vorabgestimmt worden. Er wird auch in den Bundesrat eingebracht werden. Der Vorschlag wird natürlich nicht nur mit den B-Ländern abgestimmt, sondern wir sprechen auch mit den A-Ländern; denn wir alle haben daran gearbeitet und die Notwendigkeit gesehen, dass man diesen Anwendungsbereich für die DNA-Analyse ausweitet.
Wer behauptet, das Bundesverfassungsgericht würde dies verbieten, hat sich mit den Urteilen nicht ausreichend befasst. Es ist so, dass das Bundesverfassungsgericht immer anhand der geltenden Rechtslage geurteilt und letztere zugrunde gelegt hat. Aber es hat keine abschließenden verfassungsrechtlichen Forderungen für die Neufassung der DNA-Regelung gestellt.
Eines möchte ich deutlich machen: Der Eingriff in die Bürgerrechte durch die DNA-Analyse ist nicht größer als beim klassischen Fingerabdruck oder dem erkennungsdienstlichen Foto. Das DNA-Identifizierungsmuster ist, wie es gespeichert wird, nichts anderes als ein Code von acht Zahlenpaaren, der einzig und allein der Identitätsfeststellung dient. Eine Offenlegung von Erb- und Persönlichkeitsinformationen ist weder beabsichtigt noch möglich oder erlaubt.