Protokoll der Sitzung vom 16.02.2005

(Ulrike Gote (GRÜNE): Die Wende war schon 1989! Wissen Sie, wie lange das her ist? Da sind die doch erst geboren worden!)

Schauen Sie sich doch die Arbeitslosigkeit an! Dort ist das offene Ohr für Rechts und Links.

Ich versuche, ein Fazit zu ziehen: Wichtig ist, wenn wir uns die Situation von Kindern und Jugendlichen anschauen, dass wir ihnen nichts vormachen. Die Tatsachen, die ich geschildert habe, dürfen wir nicht außen vor lassen. Wir müssen ihre Sorgen ernst nehmen. Wir dürfen sie auch bei ihren ganz konkreten und hie und da schlechten Erfahrungen mit Ausländern nicht allein lassen. Wir müssen vor allem die Eltern und Erzieher stärken.

Wenn Sie dieses Thema aufgreifen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann wäre eine Formulierung angebracht und sinnvoll gewesen, die alle Parteien hier im Landtag hätten unterschreiben können, eine Formulierung, die gemeinsam Auswüchse extremer und demokratiefeindlicher Äußerungen und Richtungen verurteilt. Ich hätte mir zum Beispiel von Ihnen gewünscht, dass Sie ganz konkret aufgreifen, dass wir gemeinsam daran gehen sollten – da wären wir sicher dabei gewesen –, dass das Verteilen von CDs rechtsextremer Gruppen an Schulen untersagt wird.

Hier müssen wir viel deutlicher herangehen und die Grenze nach unten bringen. Da sind wir beieinander. Solche konkreten Beispiele wären sinnvoll gewesen. Oder auch ein Antrag, der die wirklichen Probleme in unserem Land nennt, zum Beispiel an erster Stelle die hohe Arbeitslosigkeit, der konkrete Lösungsansätze vorsieht und damit die extremen Kräfte von Rechts und Links gar nicht erst wachsen lässt. Mit einem solchen Antrag hätten Sie der Sache einen Dienst erwiesen, aber nicht mit diesem aus unserer Sicht doch eher dürftigen Papier.

(Margarete Bause (GRÜNE): Ihre Rede war dürftig!)

Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Als Nächster hat das Wort Kollege Dr. Rabenstein.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Der Antrag der GRÜNEN ist meiner Meinung nach nicht dürftig, sondern er trifft die Sache ganz genau in dem Detailbereich, der Jugendliche und Kinder berührt. Natürlich können nicht allumfassend der Rechtsextremismus sowie

die Möglichkeiten seiner Verhinderung angesprochen werden – das ist ganz klar –, aber der Antrag geht in die richtige Richtung.

Eines möchte ich klarstellen: Rechtsextremismus ist auch in Bayern ein Thema. Es handelt sich um ein Dauerthema in Deutschland und natürlich auch in Bayern. Wir sollten uns davor hüten zu sagen, weil in anderen Regionen vielleicht mehr oder größere Aufläufe von Rechtsextremisten stattfinden als Gott sei Dank in Bayern, sei dies in Bayern kein Thema. Es handelt sich um ein Dauerthema, das wir ständig bearbeiten müssen, und deswegen ist der Antrag richtig.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der 60. Jahrestag der Bombardierung Dresdens, der so genannte Trauermarsch rechtsextremer Gruppen wurde von den Parteichefs der NPD, der DVU, von den Herren Udo Voigt und Gerhard Frey sowie von dem uns allseits bekannten früheren Vorsitzenden der Republikaner Franz Schönhuber begleitet. Bei diesem Demonstrationszug sind 4000 Rechtsextreme dabei gewesen, unter denen sehr viele Jugendliche waren. Das erschüttert uns. Auf der anderen Seite sind aber auch mehr als 60 000 Menschen aus Dresden und Umgebung auf die Straße gegangen und haben gegen den Missbrauch des Gedenkens demonstriert und damit ein Zeichen gegen den Rechtsextremismus gesetzt. Das war die richtige Antwort auf die braunen Horden und die geistigen Brandstifter, die wir wieder erleben mussten. Die Menschen in Dresden haben nicht weggeschaut – für sie war es ein Thema –, sondern sie haben sich mit dieser schwierigen Problematik der Bombardierung – es ist nicht einfach; natürlich ist jeder gegen die Bombardierung von Dresden, das ist ganz klar – auseinander gesetzt und gesagt: Mit dem, was die Rechtsradikalen dazu sagen, und damit, wie die demonstrieren, sind wir nicht einverstanden. Deswegen haben sie gemeinsam mit den Engländern – auch der englische Botschafter war in Dresden – kraftvoll gegen den Rechtsextremismus demonstriert, und das war auch richtig so. Es ist eine aktive Auseinandersetzung angesagt, und diese kommt auch in dem Antrag der GRÜNEN in vielen Punkten zum Tragen. Deswegen können wir diesen Antrag unterstützen.

Besonders wichtig erscheint mir, dass wir präventiv vorgehen und im Vorschulbereich und in der Grundschule nicht durch Belehrung – Belehrung in der Schule bringt recht wenig –, sondern durch gelebte Toleranz den Kindern zeigen, wie man Konflikte löst und wie man miteinander umgeht. Soziale Kompetenz ist das Stichwort. Natürlich wurde, Frau Dodell, in den Schulen entsprechend deren Lehrplänen immer etwas gemacht, aber wenn ich mich an meine eigene Schulzeit erinnere, muss ich feststellen, dass man sich mit der römischen und griechischen Geschichte und vielleicht noch mit dem Mittelalter so lange aufgehalten hat, dass man schon entlassen worden ist, bevor die Zeit des Nationalsozialismus abgehandelt worden ist. Das ist Gott sei Dank heute an den Schulen anders. Darüber sind wir froh. Gerade der emotionale Bereich – ich möchte das unterstreichen – fehlt natürlich. Es geht um gelebte Toleranz. Wenn ich jemandem erkläre, wie es damals im Nationalsozialismus war, habe ich die

sen noch lange nicht überzeugt. Dazu sind andere Maßnahmen notwendig.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Auseinandersetzung muss selbstverständlich bei den Jugendlichen und Heranwachsenden fortgeführt werden. Ein Besuch im KZ Dachau, in Flossenbürg oder in einem der vielen Außenlager, die wir in Bayern hatten, sollte eigentlich für alle Schulen obligatorisch sein. Man sollte den Schülern vor Ort zeigen, was damals geschehen ist. In diesem Zusammenhang muss ich die Staatsregierung einmal loben: Ich bin froh, dass viele öffentliche Mittel in den Ausbau der Gedenkstätten geflossen sind und – gerade, im Falle von Flossenbürg – immer noch fließen. Das ist gut investiertes Geld.

Es müssen aber auch die Rahmenbedingungen für die Jugendlichen verbessert werden, um den Rechtsextremismus einzudämmen. Jugendarbeitslosigkeit oder

schlechte wirtschaftliche Verhältnisse fördern die Neigung, sich radikalen Gruppen, die einfache Lösungen wie „Ausländer raus, dann hast du einen Arbeitsplatz“ anbieten, anzuschließen. Dieser Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, hoher Arbeitslosigkeit und dem Erstarken von Rechtsradikalismus wurde schon tausendmal nachgewiesen und ist jedem klar, der sich mit diesem Thema auseinander setzt.

Aus diesen Umständen aber abzuleiten, dass Schröder & Co. die rechtsradikale Bewegung fördern würden, weil eine hohe Arbeitslosigkeit herrscht, ist schlicht gesagt eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das ist nicht die Wahrheit, sondern eine Unverschämtheit, und das werde ich Ihnen auch beweisen. Durch diese Äußerungen werden gerade rechtsradikale Tendenzen gefördert und nicht gestoppt, weil rechtsradikales Verhalten nach dem Motto „Wir verstehen ja, warum ihr euch angesichts dieser wirtschaftlichen Situation so äußert, warum ihr so seid“ sanktioniert wird. Für mich gibt es vor dem Hintergrund der Geschichte keinen Grund dafür, dass jemand radikal wählt oder sich in radikalen Gruppen einbringt. Durch solche Erklärungsversuche wird rechtsradikales Gedankengut sanktioniert. Deswegen ist das schlecht.

(Beifall bei der SPD)

Die Weimarer Republik, die immer herangezogen wird, ist nicht wegen der hohen Arbeitslosigkeit gescheitert. Wir hatten zum Beispiel Anfang der Zwanzigerjahre, also 1922 und 1923, eine sehr hohe Arbeitslosigkeit, die mit einem Erstarken der Rechtradikalen einherging, aber dann hat sich die Problematik wieder abgeschwächt, und es folgten die so genannten goldenen Zwanzigerjahre. Die damaligen Verhältnisse haben nicht dazu geführt, dass der Nationalsozialismus Fuß fassen konnte.

Warum – ich kann das nicht in allen Einzelheiten erklären – ist es dann zum Nationalsozialismus gekommen? Es ist vor allem dazu gekommen, weil sich die konservativen

Kräfte nicht zur Demokratie bekannt haben und der Parteienzwist und nicht die Abwehr antidemokratischer Kräfte im Mittelpunkt stand.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deshalb ist es ein großer Fehler, wenn sich die großen Parteien gegenseitig die Schuld am Aufflammen rechter Aktivitäten geben. Das ist auch bei Ihnen, Frau Dodell, wieder ein bisschen durchgeklungen. Das ist nicht in Ordnung. Wir Sozialdemokraten sind auf diesem Gebiet sehr sensibel. Gerade uns vorzuwerfen, wir würden zu wenig gegen rechte Tendenzen etwas unternehmen oder diese sogar fördern, ist grotesk.

Natürlich war auch die SPD in ihrer über 140-jährigen Geschichte nicht frei von Fehlern oder von Fehleinschätzungen, aber im Kampf gegen Rechts, gerade in Zeiten der Weimarer Republik, braucht uns niemand etwas vorzuwerfen. Wir brauchen uns nichts vorwerfen zu lassen und von einem konservativen Ministerpräsidenten schon zweimal nicht.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage das ganz deutlich. Viele Sozialdemokraten mussten ihren Einsatz gegen Rechts mit dem Leben bezahlen. Gerade deshalb empört uns dieser Vergleich. Ich möchte gar nicht auf die Rolle der Konservativen in der Anfangsphase der Weimarer Republik eingehen. Ich verweise auf die Rolle des Ministerpräsidenten Kahr in Bayern, der kein Nationalsozialist war, sondern ein konservativer Ministerpräsident in Bayern. Ich beziehe mich auf sein Verhalten beim Hitlerputsch 1923. Ich möchte gar nicht näher darauf eingehen, aber jeder wird wissen, was damit gemeint ist, wenn ich den Namen Kahr ausspreche. Gott sei Dank sind wir heute weit von dem entfernt, was die Auseinandersetzung gegen Rechts anbelangt, wenn wir uns die demokratischen Parteien anschauen. Gemeinsam, wie die Bevölkerung von Dresden, müssen wir Nein sagen zum Rechtsradikalismus und zu rechtsradikalen Tendenzen.

Zum Abschluss möchte ich noch etwas zu der Initiative sagen, Aufmärsche von Rechtsextremisten an historisch sensiblen oder historischen Orten zu verbieten: Diese Initiative ist überfällig und sollte umgehend, unterstützt von allen Parteien, auf den Weg gebracht werden.

Wir in Oberfranken sind gebrannte Kinder. In Oberfranken findet alljährlich in Wunsiedel am Todestag von Heß ein Aufmarsch der Neonazis statt, und das geschützt durch das Versammlungsrecht. Für mich ist allein der Anlass, an einem Todestag eines rechtextremen Politikers aufzumarschieren, eine Verherrlichung der Nazizeit und eine Lobpreisung der NS-Führer, sodass die Aufmärsche unbedingt – das fordern wir seit langem – in unserer Rechtsordnung verboten gehören.

Das darf allerdings nicht zu einer Stigmatisierung führen. Gerade deshalb sind sehr viele weitere Maßnahmen notwendig, und zwar detaillierte Maßnahmen in allen Bereichen, im schulischen und im außerschulischen Bereich. Notwendig ist auch vieles, was hier angesprochen worden

ist. Deswegen können wir den Antrag der GRÜNEN unterstützen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Als Nächster hat das Wort Herr Kollege Dr. Dürr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kollegin Dodell, mit Neonazis werde ich nicht fertig, wenn ich wie diese argumentiere.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Rechtsextreme Gewalt und Fremdenfeindlichkeit sind nicht zu rechtfertigen und auch nicht zu dulden. Ich habe dafür kein Verständnis und kann mich da auch nicht einfühlen, wie Sie es vorhin gemacht haben. Es fehlt mir jeder Sinn und jedes Verständnis dafür. Ich lehne das ab.

Ich stelle hier jetzt klar, dass weder Ausländer noch deren Verhalten ein Grund für Rechtsextremismus sind.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie sind nicht die Ursache des Rechtsextremismus, auch nicht der Angst. Die Angst ist vorher da. Sie wird auf die Ausländer projiziert. Diese Angst hatten wir schon in der Weimarer Zeit. Wir haben sie heute wieder. In Umbruchzeiten haben wir sie verstärkt festzustellen. Es ist eine Angst in einer sich rasch ändernden Welt.

Es handelt sich um Leute, die sich schwer zurechtfinden und nach einfachen Mustern und Halt suchen. Warum suchen sie nach Halt? Es sind Leute, die schon in ihrer Kindheit und in der Familie wie auch sonstwo zu wenig Halt gefunden haben. Es waren Kinder, die sich nicht selber helfen konnten, die zu Hause und auch vom Staat her zu wenig gestützt wurden.

Sie haben vorgeschlagen, dass man die Kinder für das büßen lassen sollte, was die Eltern versäumt haben. Das finden wir nicht richtig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ja, Sie schlagen vor, dass Kinder für ihre Eltern haften sollen. Wir sind natürlich auch der Meinung, dass die Eltern für die Kinder die besten Ansprechpartner und diejenigen sind, die die Kinder am besten in die Welt führen können. Aber wenn Eltern nicht da sind oder versagen, müssen wir als Gesellschaft in unserem eigenen Interesse den Kindern helfen, sie an die Hand nehmen, damit sie sich in der Welt zurechtfinden. Wir müssen sie ertüchtigen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Ansatz, der unserem Antrag zugrunde liegt, beruht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, unter anderem auch auf Erkenntnissen des Deutschen Jugendinstituts sowie anderer Institute. Unser Ansatz kommt zu dem, was schon angewandt wird und worauf wir im Kampf gegen

den Rechtsradikalismus nicht verzichten wollen, hinzu. Denn wir sagen: Die bisherigen Antworten reichen nicht aus, sie greifen zu kurz.