Protokoll der Sitzung vom 16.02.2005

An dieser Stelle ist nicht Raum, näher auf dieses Großvorhaben einzugehen. Wichtig ist mir aber, dass es sich um eine Reform für die Justiz handelt, eine Reform, die ihr die Möglichkeit eröffnen soll, ihre Aufgaben noch besser zu erledigen. Dabei muss es auch Inhalt der Reform sein, neue und unkonventionelle Wege zu gehen und Visionen zu wagen. Schon vor und neben den Überlegungen zur Großen Justizreform hat die bayerische Justiz mit einer Vielzahl von Projekten erfolgreiche Anstrengungen unternommen, um ihre Schlagkraft und vor allem den Bürgerservice weiter zu verbessern.

Mit dem zum Jahresbeginn 2005 gestarteten Modellversuch „Güterichter“ haben wir das derzeit fortschrittlichste Projekt zum Thema richterliche Mediation gestartet. Das Projekt nutzt die besonderen Gestaltungsmöglichkeiten des Mediationsverfahrens und ist nicht nur in der Richterschaft, sondern auch bei den Anwälten und in der Wissenschaft auf großes Interesse gestoßen.

Wir brauchen eine Änderung unserer Streitkultur, und zwar in allen Phasen eines Konflikts. Dabei müssen wir einen Abbau der Verfahrensdichte erreichen. Dazu ist das Projekt „Güterichter“ ein wichtiger Baustein.

Daneben verfolgen wir auch alle Möglichkeiten der außergerichtlichen Schlichtung weiter. So wollen wir die Akzeptanz, zum Beispiel über das Verfahrens- und Kostenrecht oder im Zusammenhang mit den Rechtsschutzversicherungen, steigern.

Ein weiterer Schwerpunkt sind unsere Vorhaben, Aufgaben, die die Justiz nicht notwendigerweise selbst erledigen muss, auf andere zu übertragen. Ich nenne in diesem Zusammenhang zum einen die Neuorganisation des Gerichtsvollzieherwesens im Sinne eines Beleihungsmodells und zum anderen das Vorhaben, Aufgaben der Freiwilligen Gerichtsbarkeit und hier insbesondere das Nachlassverfahren auf die Notare zu übertragen.

Uns geht es aber nicht nur um einen Aufgabenabbau. Wir stärken die Justiz, wo es erforderlich ist. So ist eine gut arbeitende Justiz ein wichtiger Standortfaktor für die Wirt

schaft, wie das jüngst wieder durch internationale Untersuchungen belegt wurde.

Im Juni 2004 wurde die Einführung des elektronischen Handelsregisters in Bayern abgeschlossen. Seitdem können die Eintragungen aller circa 230 000 bei den bayerischen Registergerichten geführten Unternehmen auch online recherchiert und eingesehen werden. Das ist billiger, schneller und vor allem auch außerhalb der Geschäftszeiten möglich und bietet der Wirtschaft damit einen großen Vorteil. Die monatlich rund 40 000 Abrufe bestätigen das eindrucksvoll. In Bayern besteht daher weder die Notwendigkeit noch gibt es Überlegungen, die Handelsregisterführung auf die Industrie- und Handelskammern zu übertragen.

Ein weiteres Onlineangebot für die Wirtschaft ist das Internetportal „insolvenzbekanntmachungen.de“, über das seit dem vergangenen Oktober sämtliche Veröffentlichungen der bayerischen Insolvenzgerichte online abgerufen werden können.

Bereits 1995 hat Bayern als erstes Bundesland die Onlineeinsicht der Grundbücher über das öffentliche Netz ermöglicht. Etwa 200 000 Onlinerecherchen monatlich sprechen für sich. Seit Dezember 2004 sind die Grundbücher für Berechtigte online auch über das Internet einsehbar. Besondere Vorkehrungen wurden dabei für die Sicherheit und Vertraulichkeit der Daten getroffen.

Durch die Bildung von Spezialkammern, vor allem bei den großen Landgerichten, wird schnelles Recht von hoch kompetenten Richtern gesprochen, was von der Wirtschaft sehr geschätzt wird. Da schnelles Recht nur dann auch gutes Recht ist, wenn es zeitnah durchgesetzt werden kann, hat die Justiz in den letzten fünf Jahren 140 neue zusätzliche Gerichtsvollzieherbezirke eingerichtet. Anders als in vielen anderen Ländern können die Gläubiger in Bayern daher mit einer zeitnahen Vollstreckung ihrer Titel rechnen.

Die Gewährleistung der inneren Sicherheit und der Schutz der Bevölkerung ist für uns eine andere und sehr zentrale Aufgabe. Ich möchte in diesem Zusammenhang drei Projekte ansprechen:

In Augsburg starten wir das Pilotprojekt „Große Hände helfen kleinen Händen“ zur weiteren Verbesserung der Hilfe für kindliche Opfer von Straftaten. Zwar haben wir in diesem Zusammenhang zahlreiche Hilfsmöglichkeiten, aber es ist wichtig, die Angebote zu vernetzen und zu optimieren. Kriminalität ist am schlimmsten, wo sie auf Kinder trifft. Geschädigte Kinder brauchen die professionelle und zeitnahe Hilfe vieler Hände.

Das zweite Projekt, das ich ansprechen möchte, sind die Teen-Courts in Aschaffenburg und weiteren Städten. Dieses in Deutschland einzigartige Pilotprojekt läuft seit November 2000. Aschaffenburg hat Bilanz gezogen und festgestellt, dass sich dieser neue Weg im Jugendstrafrecht, bei dem in einem Schülergericht der direkte Draht genutzt wird, den Jugendliche zu ihren Altersgenossen haben, bewährt hat. Das Projekt haben wir mittlerweile auf die Staatsanwaltschaften Ingolstadt und Ansbach ausge

dehnt, und in Kürze wird die Staatsanwaltschaft Memmingen nachziehen.

Im Projekt „Fordern und Fördern statt Freiheitsentzug“ haben sich das Jugendgericht und die Arbeitsagentur in Traunstein vernetzt. Ziel ist es, jugendlichen Straftätern in geeigneten Fällen auf Anregung des Jugendgerichts mit Hilfe der Berufsberatung zu zeigen, wie sie einen Weg zur Ausbildung oder Arbeit finden können. Von 34 dem Projekt zugewiesenen Verurteilten konnten 16 erfolgreich vermittelt werden. Acht weitere werden noch betreut. Im Hinblick auf diesen Erfolg werde ich mich dafür einsetzen, dass dieses Projekt Schule macht, weil es den Bedürfnissen der Praxis ganz besonders nahe kommt.

Schließlich schauen wir bei unseren Projekten auch über den bayerischen Tellerrand hinaus und widmen uns intensiv der Aufgabe, den Beitrittsländern Unterstützung zu geben. Die Länder Mittel- und Osteuropas sollen mit unserer Hilfe an den Rechtsstandard der EU herangeführt werden. Bayern hat aufgrund seiner geografischen Lage ein vitales Interesse an stabilen Rechtsstrukturen in diesen Ländern nach dem Motto: Vorbeugen ist besser als Heilen. Es gibt Twinning-Projekte in Slowenien und Bulgarien. Unsere Arbeit stößt dort nicht nur auf große Resonanz, sondern stellt auch intensive Beziehungen und Freundschaften zwischen den Staaten her.

(Beifall bei der CSU und bei Abgeordneten der SPD)

Die bayerische Justiz ist der Motor der Rechtspolitik in Deutschland. Zwar ist Rechtspolitik in aller Regel Bundespolitik. Die meisten gesetzlichen Vorgaben im Zivil- und Strafrecht und in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit sind Bundesrecht. Das heißt aber nicht, dass wir uns ruhig zurücklehnen würden, sondern das Gegenteil ist der Fall: Mit unseren hoch engagierten, erfahrenen und kenntnisreichen Mitarbeitern gestalten wir die Rechtspolitik im Bund maßgeblich mit. Wir treiben wichtige Entwicklungen voran und versuchen, Fehlentwicklungen des Bundesgesetzgebers zu korrigieren. Selbstverständlich kann ich hier nicht alle unsere Gesetzgebungsvorhaben darstellen, aber ich möchte Ihnen doch einige ganz wichtige Beispiele nennen.

Das geltende Verbraucherinsolvenzrecht hat eine Verfahrensflut ausgelöst, die kaum mehr zu beherrschen ist. Die Folgen treffen nicht nur die Justiz, sondern in erster Linie die betroffenen Gläubiger, die darunter zu leiden haben. Bayern hat deshalb im Herbst vergangenen Jahres eine grundlegende Reform angestoßen, die von den anderen Ländern einhellig unterstützt wird und vom Bund inzwischen aufgegriffen wurde. So scheint nach jahrelanger Stagnation nun Abhilfe realistisch.

Auf den starken Anstieg der Zahl der Betreuungsverfahren und der damit verbundenen enormen Kosten hat Bayern reagiert und den Entwurf eines Betreuungsrechtsänderungsgesetzes als Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht. Wesentliche Elemente dabei sind die Stärkung der Eigenverantwortung der Bürger und ein einfaches Pauschalvergütungssystem für Berufsbetreuer.

Mit der bundesweit anerkannten Broschüre „Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter“ ist das Justizministerium Vorreiter des Vorsorgegedankens. Eine besondere Stärke dieser Broschüre liegt im Bereich der Patientenverfügung. Dabei ist es gelungen, in Zusammenarbeit mit allen betroffenen Kreisen präzise Vorschläge zu erarbeiten, die bundesweit Anerkennung finden. In diesem Zusammenhang werde ich mich auch für eine vernünftige gesetzliche Regelung der Patientenverfügung einsetzen.

Gemeinsam mit Baden-Württemberg hat mein Haus ein Modell für eine gesetzliche Regelung der anonymen Geburt vorgelegt und in das Bundesratsverfahren eingebracht. Das liegt mir ganz besonders am Herzen. Es geht mir dabei um den Schutz der Kinder und auch der Mütter in extremen Konfliktlagen. Was nützt einem Kind sein Anspruch auf Kenntnis der Abstammung, wenn es aus Verzweiflung nicht zur Welt gebracht wird oder im Verborgenen zur Welt gebracht wird und die Geburt nicht überlebt?

(Zustimmung bei der CSU)

Auch das jüngst bekannt gewordene Strafverfahren gegen Ärzte im Falle einer anonymen Geburt zeigt gerade, wie notwendig eine gesetzliche Regelung ist. Unser Entwurf sieht ein Stufenmodell vor, das die betroffenen Rechtsgüter zum Ausgleich bringt. Das heißt: In der Regel sollen die Personenstandsdaten der Mütter zwar erfasst, aber zunächst geheim gehalten werden. Lediglich dann, wenn es sich um eine extreme Konfliktlage handelt, soll es eine wirklich anonyme Geburt geben. Verbunden wird dies mit einer Beratung durch eine anerkannte Beratungsstelle.

Ein Beispiel, wo wir bei Fehlentwicklungen des Bundesgesetzgebers korrigierend einzugreifen versuchen, ist das Antidiskriminierungsgesetz. Hier hat die Bundesregierung bei der Umsetzung der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie einen verhängnisvollen Weg eingeschlagen. Anstatt die Umsetzung auf das unbedingt Gebotene zu beschränken, geht der Gesetzentwurf weit über die Vorgaben aus Brüssel hinaus. Damit greift er in massiver Weise in die verfassungsrechtlich geschützte Vertragsfreiheit ein. Nicht nur Ungleichbehandlungen wegen des Geschlechts und der ethnischen Herkunft, wie gefordert, sondern auch wegen der Religion, der Weltanschauung, des Alters, einer Behinderung und der sexuellen Identität werden von dem Entwurf umfasst.

Dass echte Diskriminierungen auch im Privatrechtsverkehr keinen Bestand haben dürfen, ist eine Selbstverständlichkeit. Eine schematische Gleichmacherei aber, wie sie mit diesem Gesetzentwurf beabsichtigt ist, ist dem Privatrecht völlig wesensfremd. Sie ist in einer freiheitsgeprägten Gesellschaft auch nicht hinnehmbar. Für mich darf das Zivilrecht keine Spielwiese für ideologische Erziehungsversuche sein.

Es kann nicht angehen, dass künftig ein Vermieter die Auswahl unter mehreren Bewerbern für eine Wohnung aufwendig dokumentieren muss, um später darlegen zu können, dass keiner der anderen Bewerber wegen eines der genannten Kriterien ausgeschieden wurde. Dabei er

möglicht der Gesetzentwurf dem vermeintlich Diskriminierten nicht nur, sich bei einer Schadensersatzklage gegen den Vermieter durch einen so genannten Antidiskriminierungsverband unterstützen zu lassen, sondern gewährt ihm auch noch erhebliche Beweiserleichterungen, sodass der Vermieter letztlich die Nichtdiskriminierung nachweisen muss.

Die Verwirklichung des Binnenmarkts, die Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion und zahlreiche gesetzgeberische Maßnahmen der Europäischen Gemeinschaft waren auch zum Vorteil der Wirtschaft und der Verbraucher in Bayern. Wo Licht ist, ist bekanntlich auch Schatten. So geht die Europäische Gemeinschaft in vielen Bereichen weit über die Verwirklichung der Grundfreiheiten hinaus und verursacht unnötige Belastungen der Wirtschaft.

Ein Musterbeispiel für derartige Fehlentwicklungen ist der Richtlinienentwurf zum Verbraucherkredit. Da sollen nicht nur die bisher bestehenden Mindest- und Höchstbeträge entfallen, sondern umfassende Informations-, Beratungs- und Ausforschungspflichten hinzukommen. Die vorgesehene „verantwortungsvolle Kreditvergabe“ würde nicht nur zu einer umfangreichen, überflüssigen Bürokratie mit ganz erheblichen Kostensteigerungen für alle Beteiligten führen, sondern auch die Erteilung von Krediten für einkommensschwache Kreise massiv erschweren. Deshalb muss zivilrechtlicher Verbraucherschutz mit Augenmaß betrieben werden. Wir brauchen einheitliche Standards, die den Verbraucher nicht mit einer Informationsfülle überschütten, die er nicht mehr durchblicken kann, sondern die ihm die zentralen Informationen in verständlicher Form zugänglich machen und vor allem die Wirtschaft nicht unnötig belasten.

Lassen Sie mich unsere Tätigkeiten auch im Bereich des Strafrechts kurz anreißen. Unser jahrelanger Kampf für die Einführung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung in den Fällen, in denen die Entlassung eines gefährlichen Straftäters für die Bevölkerung unkalkulierbare Risiken birgt, hatte endlich Erfolg. Die Neuregelung ist allerdings noch unzureichend wegen des unhandlichen Verfahrens und vor allen Dingen deswegen, weil Sicherheitslücken verbleiben, sodass wir hier weiter am Ball bleiben werden.

Auch im Sexualstrafrecht konnten inzwischen zentrale bayerische Forderungen durchgesetzt werden. So hat die Bundesregierung nach fünf Jahren endlich unseren Vorschlag aufgegriffen, ganz spezifische Strafvorschriften gegen das Anbieten von Kindern für sexuellen Missbrauch zu schaffen. Es kann deshalb heute nicht mehr geschehen, dass ein Sadistenpaar pädophilen Personen über die globalen Datennetze straflos Kinder zu vermitteln versucht.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Seit Mitte dieses Jahres sind Videovoyeure und Fotospanner ebenfalls ein Fall für den Staatsanwalt. Damit haben wir eine empfindliche Strafbarkeitslücke schließen können. Wer arglose Menschen in intimen Situationen fotografiert, kann mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr be

straft werden. Ich freue mich, dass die rot-grüne Regierungskoalition hier einmal über ihren Schatten gesprungen ist und einen bayerischen Vorschlag übernommen hat.

Bei der Bekämpfung des Menschenhandels hat die Bundesregierung trotz einer Vorgabe der Europäischen Union fast zwei Jahre lang nichts getan und dann im Mai 2004 einen Entwurf ohne Rücksicht auf Verluste durch das Gesetzgebungsverfahren gepeitscht. Ein Gesamtkonzept zur Bekämpfung dieser abscheulichen Art des grenzüberschreitenden, oftmals organisierten Verbrechens fehlt aber weiterhin. Neben vielen anderen Defiziten enthält das Gesetz weiterhin keine Strafvorschrift für so genannte „Freier“, die Frauen und Mädchen sexuell ausbeuten, obwohl es sich geradezu aufdrängen muss, dass diese zu ihrem Tun gezwungen werden. Die Frauen, die verschleppt und betrogen wie Ware feilgeboten werden, verdienen es, dass wir das, was wir mit Hilfe des Strafrechts tun können, auch tun. Dazu wird Bayern demnächst einen Gesetzesantrag im Bundesrat einbringen. Wir werden uns vor allem auch darum kümmern, dass das Verbringen von Kindern in die Prostitution eine klare Strafverschärfung erfährt.

(Beifall bei der CSU)

Wer sein Opfer durch beharrliches Nachstellen, Telefonterror, SMS- oder E-Mail-Bombardement fortgesetzt belästigt und dadurch dessen Freiheitssphäre ganz empfindlich beeinträchtigt, wer also Terror ausübt, der soll künftig bestraft werden können. Dazu hat mein Haus den Entwurf eines Stalking-Bekämpfungsgesetzes erarbeitet. In besonders gravierenden Fällen kann der Richter künftig Untersuchungshaft anordnen und damit die Gewaltspirale durchbrechen und den Menschen tatsächlich Schutz bieten. Dieser Entwurf hat weit über die Grenzen Bayerns hinaus ein sehr positives Echo gefunden.

Den Ermittlungsbehörden wollen wir die Möglichkeiten und Verfahren an die Hand geben, die moderne Technologien bieten, damit sie ihre Arbeit noch effektiver durchführen können. Das ist nicht nur zur Überführung der Täter wichtig, sondern auch zur Entlastung von zu Unrecht in Verdacht Geratenen und natürlich vor allem zum Schutz unserer Bevölkerung vor neuen Straftaten. In erster Linie denke ich hier an eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der DNA-Analyse. Im Konkreten haben wir darüber hier schon diskutiert. Ich bin der Meinung, dass der genetische Fingerabdruck dem herkömmlichen Fingerabdruck gleichgestellt werden muss, dass er also zum Standard der erkennungsdienstlichen Behandlung von Verdächtigen wird. Dabei ist sichergestellt, dass dieses Verfahren nicht zum „gläsernen Menschen“ führt, da nur Identifizierungsmuster, aber keine Erbinformationen ermittelt und gespeichert werden können.

Neue Reaktionsmöglichkeiten wird es auch beim Jugendstrafrecht geben, welches noch effektiver ausgestaltet werden soll. Auf die Altersgruppe der 18- bis 20-jährigen „Heranwachsenden“ soll grundsätzlich Erwachsenenstrafrecht angewandt werden. Wird ausnahmsweise doch Jugendstrafrecht angewandt, dann sollen bei schwersten Straftaten – ich erinnere an den Fall Vanessa in Augsburg – künftig 15 statt bisher 10 Jahre Jugendstrafe verhängt werden können. Dies sind einige Eckpunkte eines

von Bayern gemeinsam mit anderen Ländern eingebrachten Gesetzentwurfs zum Jugendstrafrecht.

Der von der Bundesministerin der Justiz im April vergangenen Jahres vorgelegte Entwurf für ein Jugendstrafvollzugsgesetz ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die Bundesregierung überzogene Vorstellungen hat und dass wir Fehlentwicklungen Paroli bieten müssen. Der Entwurf ist in weiten Teilen praxisfremd und geht von einem nicht realistischen Idealbild eines Jugendstrafgefangenen aus. Beispielsweise begrenzt er die Möglichkeiten von Disziplinarmaßnahmen massiv und verbietet einen Arrest. Auf der anderen Seite postuliert er eine Gefangenenselbstverwaltung. Auch soll die Höchstzahl der in Abteilungen oder Wohngruppen unterzubringenden Gefangenen begrenzt werden.

Eine vorsichtige Kostenschätzung ergab einen Bedarf von über 50 Millionen Euro für notwendige bauliche Maßnahmen in Bayern. Gerade im Rahmen einer Haushaltsrede brauche ich nicht zu erläutern, dass wir uns derartige überflüssige Ausgaben nicht leisten können. Ein Großteil der Länder, darunter auch A-Länder, haben sich unseren Forderungen angeschlossen, so dass wir berechtigte Aussichten haben, diesen Gesetzentwurf auf das sachlich, fachlich und erzieherisch Vertretbare zurückführen zu können.

In diesen Zusammenhang gehört auch unser Kampf gegen weitere Reformvorhaben der Koalition, die zu ganz erheblichen Mehrbelastungen der Landesjustizverwaltungen und damit der Justizhaushalte führen würden. Ich nenne insbesondere die Reform des Sanktionenrechts. Namentlich die Vorschläge zur gemeinnützigen Arbeit und zur Verwarnung mit Strafvorbehalt sowie die Regelung zur Abführung eines Teils der Geldstrafen an Opferhilfeeinrichtungen würden mehr Belastungen, mehr Kosten und Einnahmeausfälle mit sich bringen, die die Ländern nicht verkraften können. Ähnliches gilt für die durch die Bundesministerin der Justiz geplante Reform des Strafverfahrens. Auf Antrag Bayerns hat die Justizministerkonferenz zu diesen Punkten klar und eindeutig Position bezogen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie sehen, die Stimme der bayerischen Justiz besitzt Gewicht auf bundespolitischer Ebene. Das liegt zum einen an der Überzeugungskraft unserer Ideen und an der Qualität unserer Gesetzentwürfe. Es liegt aber auch daran, dass wir in Bayern auf breiter Fläche eine sehr gut eingespielte und reibungslos arbeitende Justizpraxis vorweisen können. Nur wer mit seinen Hausaufgaben zurechtkommt, wird andernorts mit seinen Vorschlägen auch ernst genommen.

Deswegen kann ich sagen, dass das in die Justiz investierte Geld gut angelegt ist. Die Justiz hat in unserem Land eine der wichtigsten Aufgaben zu erfüllen. Die Bürger vertrauen zu Recht darauf, dass die innere Sicherheit gewährleistet ist und dass sie sich zur Durchsetzung ihrer berechtigten und zur Abwehr unberechtigter Forderungen sowie zur rechtlichen Gestaltung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf die Justiz verlassen können. Die Justiz kann ihrer vom Grundgesetz vorgegebenen Regelungs-, Sicherungs- und Streitentscheidungsfunktion aber nur gerecht werden, wenn ihr auch künftig

die notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.

Auch wenn der vor Ihnen liegende Entwurf des Einzelplans 04 manche Wünsche offen lässt, so wird er es den bayerischen Gerichten, Staatsanwaltschaften, Gerichtsvollziehern, Bewährungshelfern und den Justizvollzugsanstalten doch ermöglichen, auch in den kommenden zwei Jahren ihre wichtigen Aufgaben zügig, auf hohem Niveau und mit der gewohnten bayerischen Qualität zu erfüllen.

Zum Schluss möchte ich allen Angehörigen der Bayerischen Justiz für die geleistete Arbeit meinen Dank aussprechen. In diesen Dank schließe ich selbstverständlich auch die Rechtsanwaltschaft, die Notarinnen und Notare sowie die Polizei mit ein. Besonders hervorheben möchte ich die Arbeit derjenigen, die sich bei der Justiz ehrenamtlich engagieren und damit einen wertvollen Beitrag zur Leistungsbilanz der Justiz erbringen.

Vielen Dank auch Ihnen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen im Bayerischen Landtag für die Unterstützung unserer Arbeit. In erster Linie gilt dieser Dank den Mitgliedern des Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen mit ihrem Vorsitzenden, Herrn Schindler, sowie des Petitionsausschusses. Ein besonderer Dank geht an die Mitglieder des Haushaltsausschusses, allen voran dem Vorsitzenden Manfred Ach und dem Berichterstatter Dr. Müller.