Protokoll der Sitzung vom 16.02.2005

Vielen Dank auch Ihnen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen im Bayerischen Landtag für die Unterstützung unserer Arbeit. In erster Linie gilt dieser Dank den Mitgliedern des Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen mit ihrem Vorsitzenden, Herrn Schindler, sowie des Petitionsausschusses. Ein besonderer Dank geht an die Mitglieder des Haushaltsausschusses, allen voran dem Vorsitzenden Manfred Ach und dem Berichterstatter Dr. Müller.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, im Interesse unserer gemeinsamen Sache, der Gewährleistung des Rechts im Freistaat Bayern, wünsche ich mir, dass wir auch in Zukunft so gut und einvernehmlich miteinander zusammenarbeiten können wie bisher. Aus diesem Grund bitte ich Sie herzlich um Ihre Zustimmung zum Entwurf des Justizhaushalts für die Jahre 2005 und 2006.

(Anhaltender Beifall bei der CSU)

Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurde eine Redezeit von einer Stunde und 30 Minuten festgesetzt. Davon entfallen auf die Fraktion der CSU 46 Minuten, auf die Fraktion der SPD 25 Minuten und auf die Fraktion des

BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN 19 Minuten.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte auch einer Diskussion, die im Ältestenrat stattgefunden hat, Rechnung tragen. Frau Staatsministerin hat fünf Minuten länger gesprochen. Das ist aber keine Aufforderung an Sie, auch die Redezeit zu verlängern. Es wurde aber gewünscht, dass Sie hierüber offiziell informiert werden. Ich habe das hiermit getan.

Ich darf nun die allgemeine Aussprache eröffnen und für die SPD-Fraktion als Ersten Herrn Kollegen Schindler bitten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, Frau Staatsministerin! Der Justizhaushalt, der heute zu beraten ist, umfasst

nur einen Teilbereich der Rechtspflege. Die Verwaltungsgerichte sind einem anderen Ministerium zugeordnet, die Arbeits- und Sozialgerichte sind beim Sozialministerium und die Finanzgerichte ressortieren beim Finanzministerium. Über die einzelnen Fachgerichte wird bei den einzelnen Haushalten nur selten geredet. Auch heute behandeln wir eigentlich nur einen kleinen Ausschnitt dessen, was unter „Justiz in Bayern“ zu verstehen ist. Insofern kann dieser Justizhaushalt natürlich kein vollständiges Bild der Justiz in Bayern geben.

Die Überschrift Ihrer Haushaltsrede, Frau Ministerin, lautet: „Die bayerische Justiz: leistungsfähig und erfolgreich, modern und innovativ und Motor der Rechtspolitik in Deutschland“. Auch wenn man die Selbstbeweihräucherung weglässt, trifft der Rest nur die halbe Wahrheit. Es wird nämlich nicht gesagt, dass die bayerische Justiz seit Jahren personell absolut am Anschlag arbeitet und deshalb keine Stellen und Mittel mehr gekürzt werden dürfen, wie es der Amtschef des Justizministeriums, Herr Ministerialdirektor Klotz, am 21. Mai letzten Jahres in der „Augsburger Allgemeinen“ ausgeführt hat.

Die Grenze der Belastbarkeit ist längst erreicht – nicht erst in diesem Jahr, sondern schon seit Jahren. Sie ist schon vor Jahren überschritten worden, wie der frühere Justizminister Dr. Weiß 2002 im Verfassungsausschuss dargelegt hat. Zwar verschweigt die Ministerin nicht, wie angespannt die Lage ist, und verweist darauf, dass die Belastung der bayerischen Richter im bundesweiten Vergleich an allererster Stelle rangiert und dass die bayerischen Staatsanwälte nach den Feststellungen der PEBB§Y-Studie mit 142 % im bundesweiten Vergleich deutlich überdurchschnittlich belastet sind. Nach seriösen Personalbedarfsberechnungen fehlen in Bayern 219 Staatsanwälte, 300 Richter an den Amtsgerichten, 204 Richter an den Landgerichten und 53 Richter an den Oberlandesgerichten. Hinzuzufügen wäre noch, dass es bei den Rechtspflegern nicht viel besser aussieht, dass die Bewährungshelfer in Bayern die höchsten Fallzahlen aller Bundesländer haben und dass es auch bei den nichtrichterlichen Mitarbeitern überall fehlt. Das sind keine Zahlen von uns, von der „bösen“ Opposition, sondern sie wurden von unabhängigen Stellen ermittelt.

Noch schlimmer sieht es in den Justizvollzugsanstalten aus. Im Vergleich aller Bundesländer steht Bayern trotz mancher Anstrengungen in den letzten Jahren – ich weiß, wovon ich rede, weil ich versucht habe, immer ein bisschen mit anzuschieben; es ist ja auch gelungen, einige Stellen neu zu schaffen – an allerletzter Stelle im Vergleich mit den anderen Ländern. Zwar hat die Ministerin die Rekordzahl von 13 000 Gefangenen zu Anfang dieses Jahres genannt – so viele hatten wir noch nie in Bayern –, aber sie hat nicht ausgeführt, dass es für diese Gefangenen nur 11 700 Haftplätze gibt. Es ist erfreulich, dass es im letzten Jahr keinen erfolgreichen Ausbruchsversuch gegeben hat. Aber die Resozialisierungsbemühungen müssen zu kurz kommen, wenn nur noch in Beton und Stahl investiert wird, nicht aber in Mitarbeiter.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nach Ansicht der Justizministerin sei es angesichts der Belastungen nicht verwunderlich, dass Staatsanwälte und Staatsanwältinnen laufend ohne Ausgleich in erheblichem Umfang Überstunden leisten und am Wochenende arbeiten. Das stimmt. Wann sollen sie denn die Arbeit sonst erledigen? Das gilt nicht nur für Staatsanwälte, sondern auch für die meisten Richter, die mehr und länger arbeiten als es der üblichen Wochenarbeitszeit entspricht. Bei den Richtern haben wir allerdings das – in Anführungsstrichen – „Problem“, dass es keine Arbeitszeitvorschriften geben kann. Dazu sage ich später noch das eine oder andere Wort.

Die Frau Ministerin verliert auch fast kein Wort über die Ursachen und über die Verantwortlichkeiten. Dass die Neuzugänge in vielen Rechtsgebieten steigen, ist nicht nur in Bayern so. Ein bayerisches Phänomen ist es aber schon, dass die Mitarbeiter von der Staatsregierung mit diesem Problem weitgehend alleine gelassen werden

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

und ihnen ein immer größerer Einsatz zugemutet wird. Schon längst stellt sich nämlich die Frage, ob dieses Verhalten noch mit den Grundsätzen der Fürsorgepflicht übereinstimmt. Ein bayerisches Phänomen ist es auch, dass die Justiz, obwohl sie seit Jahren am Anschlag arbeitet, einen so genannten Konsolidierungsbeitrag von 65,8 Millionen Euro leisten muss, und dass die Justizministerin trotz Kenntnis der Situation keinen erkennbaren Versuch unternommen hat, eine Verbesserung zu erreichen oder wenigstens eine Verschlimmerung zu verhindern. Es klingt fast schon komisch, wenn ausgeführt wird, wie billig die bayerische Justiz für jeden einzelnen Einwohner Bayerns pro Monat ist und dass der Anteil der Justiz am bayerischen Staatshaushalt nur 4,7 % ausmache. Es ist kein ehernes Gesetz, dass der Anteil der bayerischen Justiz nur 4,7 % betragen darf und nicht mehr; ich meine schon, dass es Sinn gäbe, sich zu überlegen, welche Ausstattung die Justiz braucht, um ihren Aufgaben gerecht zu werden. Dann erst kann man darüber reden, wie viel es kostet und ob es möglicherweise im Verhältnis zu anderem zu teuer ist.

Die Ministerin sagt fast kein Wort zu den Folgen dieser Politik. Die Dauerbelastung nicht nur der Richter und Staatsanwälte, sondern auch der nichtrichterlichen Mitarbeiter führt dazu, dass Entscheidungen zwar getroffen, aber wochenlang nicht abgesetzt werden können, dass die Vollstreckung von Urteilen immer noch zu lange dauert, dass sich Staatsanwälte gezwungen sehen, immer mehr Verfahren letztlich aus Gründen der Ökonomie einzustellen, dass der Druck auf die Parteien, sich in Zivilverfahren zu vergleichen, wächst, und dass in Strafverfahren mancherorts des Öfteren so genannte Deals verabredet werden, insbesondere um komplizierte Verfahren rasch abschließen zu können. Man kann vernünftigerweise nichts gegen Vergleiche zur Beilegung von Rechtsstreitigkeiten haben, auch nicht gegen die Vermeidung langwieriger Beweisaufnahmen. Dennoch stellt sich gelegentlich die Frage, ob hierbei die materielle Gerechtigkeit auf der Strecke bleibt. Bei manchen Deals drängt sich nämlich der Eindruck auf, dass richterliche Entscheidungen von manchen als handelbares Gut verstanden werden.

Um nicht falsch verstanden zu werden, betone ich ausdrücklich, dass ich keinerlei Kritik an den prozessbeteiligten Richtern und Staatsanwälten anbringen möchte, die sich wegen der Belastung nicht anders helfen können. Vielmehr haben wir allen Grund, allen, die dazu beitragen, dass es bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften und in den Justizvollzugsanstalten immer noch gut, in manchen Bereichen sogar hervorragend funktioniert, dafür ganz herzlich zu danken.

Die Feststellung des Kollegen Dr. Müller im Haushaltsausschuss, dass im Justizhaushalt die Kontinuität gewahrt bleibe, ist leider richtig. Diese Kontinuität bedeutet, dass sich die jetzt schon Besorgnis erregende Lage fortsetzt und zum Teil noch verschlimmert. Insofern besteht tatsächlich Kontinuität.

Auch die Einschätzung des früheren Kollegen Dr. Hahnzog stimmt, die er in der letzten Haushaltsdebatte getroffen hat, dass sich die Justiz auf dem Weg zum Offenbarungseid befindet und dass sich die Politik der unterlassenen Hilfeleistung schuldig mache.

Es geht nicht voran, sondern es geht zurück. Durch die Umsetzung der Arbeitszeitverlängerung sollen nämlich insgesamt 409 Stellen gestrichen werden. Allein in diesem Doppelhaushalt fallen 99 Stellen weg, davon nach jetziger Kenntnis 31 Stellen für Richter und Staatsanwälte, obwohl es Bedarf an der mehrfachen Zahl von Stellen gäbe.

In dem Wissen, damit gegen den von der Staatskanzlei verordneten Mainstream zu verstoßen, haben wir beantragt, einige wenige zusätzliche Stellen für Richter und Staatsanwälte sowie für Bewährungshelfer und Rechtspfleger zu schaffen. Nicht von uns, sondern von Kollegen Dr. Müller ist ausgerechnet worden, dass die Umsetzung unserer Vorschläge zu Mehrkosten in Höhe von 9,53 Millionen Euro in diesem Jahr und von 17 Millionen Euro im nächsten Jahr führen würde. Das entspricht in etwa 0,6 bis 1,2 % des Justizhaushalts. Es entspricht in etwa den Kosten für eine neue Autobahnausfahrt beim Stadion in Fröttmaning. Die Kosten der Justiz pro Einwohner Bayerns würden um weniger als einen Cent im Monat erhöht. Es geht also nicht einmal um diese eine Zigarette, Frau Staatsministerin, die Sie gelegentlich rauchen. Ich will das eine nicht gegen das andere aufrechnen, aber die Verhältnisse doch zurechtrücken. Wie wir befürchtet haben, haben Sie all unsere Anträge mit der immer gleichen, stereotypen Begründung abgelehnt, dass konsolidiert werden müsse.

Sie ordnen also die Funktionsfähigkeit der Justiz und des Justizvollzugs – wenngleich deren Wichtigkeit nicht bestritten wird – dem willkürlich gesetzten politischen Ziel des Erreichens einer schwarzen Null im nächsten Jahr unter. Die Verantwortung hierfür können Sie nur deswegen tragen, weil Sie in der Justiz Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorfinden, die weit mehr leisten, als eigentlich von ihnen verlangt werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Wenn mehr Stellen für Gerichte gefordert werden, wird einem gelegentlich spöttisch entgegengehalten – das ist

mir vor kurzem passiert –, dass es angeblich eine internationale Richterdichteforschung gebe, die erbracht habe, dass in Deutschland im Vergleich mit anderen ähnlich entwickelten Ländern die „Richterdichte“ am allerhöchsten sei. Das mag schon stimmen, das kann nicht generell bestritten werden, hat aber viele Ursachen und kann nicht den bei der Justiz Beschäftigten angelastet werden. Die Vorstellung, man könne in einer hoch komplizierten, globalisierten Welt zu einem System mit Friedens- und Dorfrichtern zur Streitschlichtung zurückkehren, verkennt die Realität. Natürlich gibt es Mitbürger, die insbesondere dann, wenn sie rechtsschutzversichert sind, am liebsten bis zum jüngsten Gericht um ihr Recht kämpfen möchten.

Das ist aber nur ein kleiner Teilaspekt des Problems. Viel wichtiger ist es, dass die Wirtschaft – Sie haben das auch völlig zurecht angesprochen –, vom kleinen Handwerker, der gegen säumige Zahler vorgehen muss bis zum international engagierten Großkonzern, der sich gegen Wettbewerbsverzerrungen wenden will, auf ein funktionierendes System der Rechtsschutzgewährung angewiesen ist. Eine zuverlässige, schnelle und korruptionsfreie Justiz ist ein ganz wichtiger Standortfaktor. Hierbei schneidet das deutsche System im internationalen Vergleich hervorragend ab. In keinem anderen Land wird die Rechtssicherheit und insbesondere die Durchsetzbarkeit des Rechts so hoch eingeschätzt wie in Deutschland. Das sollten all diejenigen bedenken, die ständig die Parolen von Deregulierung, Privatisierung, Kostensenkung und von der Notwendigkeit einer neuen Streitkultur vor sich hertragen.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe nichts gegen eine neue Streitkultur. Im Zusammenhang damit wäre es interessant, genau zu untersuchen, wie es die Staatsregierung mit der neuen Streitkultur hält. Es wäre interessant zu erfahren, wie oft die Staatsregierung die Gerichte, insbesondere die Verfassungsgerichte, bemüht. Auch das könnte man einmal untersuchen, wenn über eine neue Streitkultur geredet wird.

(Beifall bei der SPD)

Ich will nicht ablenken und nehme zur Kenntnis, dass zur Lösung der Misere wieder einmal eine große Justizreform angekündigt und vorbereitet wird. Den letzten Versuch einer großen Justizreform haben Sie in den Jahren 1999 und 2000 zerredet und blockiert. Die damaligen bayerischen Justizminister und die CSU-Fraktion haben viel Energie darauf verwendet, die Vorhaben der Bundesregierung scheitern zu lassen. Wenn nun vor dem Hintergrund der finanziellen Schwierigkeiten vieler Bundesländer ein neuer Versuch unternommen wird, verfolgen wir dies mit wohlwollendem Interesse. Die SPD verschließt sich nicht, wenn Sie jetzt auch so weit sind. Alle großen Justizreformen in diesem Land sind schließlich von der SPD mit angestoßen, mitgetragen und zum großen Teil auch gegen die CDU/CSU durchgesetzt worden.

(Beifall bei der SPD)

Nach den bisher vorliegenden Eckpunkten einer großen Justizreform soll es darum gehen, Rechtsmittel zu be

schränken, die Prozessordnungen zu vereinheitlichen, die Versetzbarkeit von Richtern zu erleichtern und Aufgaben in Familien- und Erbsachen auf Notare zu übertragen sowie das Gerichtsvollzieherwesen zu privatisieren – zwar nicht bei uns, aber in anderen Ländern, ist man, wie ich gehört habe, schon dabei.

Weil es darum geht, ein insgesamt bewährtes System, das dem internationalen Vergleich standhalten kann, zu verändern, muss über jeden einzelnen Punkt sorgfältig diskutiert und jeweils gefragt werden, wem Veränderungen nützen und wem sie schaden. Eine Justizreform mit vereinfachten Verfahrensordnungen und einer Straffung von Rechtsmitteln ist nötig und sinnvoll, wenngleich die hierbei auftretenden Probleme bei genauerer Betrachtung größer sind als es zunächst erscheint. Auf eine große Justizreform aber, die nur darauf abzielt, letztlich eine kleine Justiz zu schaffen, können wir verzichten. Sie werden verstehen, dass wir hellhörig werden, wenn die Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens und der Bewährungshilfe gefordert wird, wie dies in einigen Ländern schon umgesetzt wird.

Diesen Weg wollen wir nicht mitgehen, ebenso wenig wie das Vorhaben mancher – ich sage nicht: aller –, die Rechtsmittel so radikal zu beschneiden, dass es zu einer Zweiklassenjustiz kommen könnte. Problematisch erscheint uns auch der zunehmende Trend zur Schaffung von Länderöffnungsklauseln. Bei aller Anerkennung des Werts des Föderalismus kann es unseres Erachtens nicht zukunftweisend sein, wenn es von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Modelle der vorgerichtlichen Streitschlichtung gibt und wenn Fachgerichtsbarkeiten in einem Land zusammengelegt werden und im anderen nicht.

Es gibt für uns einige Essentials, die wir nicht zu opfern bereit sind, und ich hoffe, dass es auch bei Ihnen nicht anders sein wird. Es handelt sich um die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes für alle, eine bürgernahe und transparente Justiz und die auch durch organisatorische Vorkehrungen und technische Ausstattungen zu sichernde Unabhängigkeit der Justiz. Wenn es darum geht, die Justizgewährleistung ohne Einbußen an Rechtsschutzmöglichkeiten zu verbessern, haben Sie uns an Ihrer Seite, ob es Ihnen gefällt oder nicht.

(Beifall bei der SPD)

Geradezu provokant ist aber in diesem Zusammenhang die Aussage, dass mit der Abschaffung des Bayerischen Obersten Landesgerichts und der Auflösung der Zweigstellen der Amtsgerichte die gerichtsorganisatorischen Weichen dafür gestellt worden seien, dass die bayerischen Gerichte ihre Aufgaben auch in Zukunft effizient, zügig und mit hoher Qualität erledigen können – als hätten die Existenz des Bayerischen Obersten Landesgerichts und der 33 Zweigstellen dies bisher verhindert!

(Beifall bei der SPD)

Die Argumentation ist fast dreist und kann nur bei denen verfangen, die keine Ahnung haben oder haben wollen.

Richtig ist vielmehr, dass dieser Staatsregierung nach meinem Eindruck der Erfolg bei der letzten Landtagswahl zu Kopf gestiegen ist. War die Justiz schon immer das Armenhaus aller Staatsregierungen, versteigt sich die jetzige Staatsregierung dazu, die Justiz unter dem Begriff „Verwaltungsreform“ zu subsumieren. Die Staatskanzlei darf dekretieren, dass das Bayerische Oberste Landesgericht abgeschafft werde, und zwar ohne erkennbaren Widerstand der Spitze des Ministeriums und ohne Anhörung der Betroffenen. Schon dieser Umstand und die Wortwahl zeigen, dass es am Respekt vor der besonderen Stellung der Justiz und an der Einsicht fehlt, dass die Justiz kein gewöhnlicher Teil der Staatsverwaltung ist, sondern von Verfassung wegen Unabhängigkeit genießt. Im Übrigen: Abgeschafft werden Missstände, abgeschafft wird nicht ein Gericht wie das Bayerischen Oberste mit seiner Kompetenz.

(Beifall bei der SPD)

Die Auflösung der Zweigstellen der Amtsgerichte ist angeblich nicht von der Staatskanzlei vorgegeben worden; hier habe das Ministerium aus justizfachlichen Überlegungen selbst einen Vorschlag gemacht, nachdem in der Regierungserklärung angekündigt worden war, dass Außenstellen grundsätzlich eingegliedert werden sollen. Dass der frühere Minister Bestandsgarantien für die Zweigstellen abgegeben hatte, hat nicht mehr interessiert. Dass die Auflösung nun flexibel gestaltet und innerhalb von fünf Jahren vollzogen werden soll, nachdem das Ministerium in jedem Einzelfall gegenüber dem Haushaltsarbeitskreis der CSU nachgewiesen hat, dass es eine Nachnutzung für das jeweilige Gebäude gibt, ist ein Affront gegenüber dem gesamten Landtag.

(Beifall bei der SPD)

Auch eine Zweidrittelmehrheit berechtigt nicht dazu, Entscheidungen über die Gerichtsorganisation ausschließlich in einer Fraktion, sei es auch die Mehrheitsfraktion, zu treffen.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden in diesem Zusammenhang den Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion, die zu Hause heldenhaft für den Erhalt ihrer Zweigstellen kämpfen und von denen einige schon Erfolgsmeldungen in der Zeitung platziert haben, dass ihre Zweigstelle selbstverständlich nicht betroffen, sondern auf ewige Zeiten gesichert sei, Gelegenheit geben, wenn es geht, noch heute, in namentlicher Abstimmung zu beweisen, dass sie in diesem Hause die gleiche Position einnehmen, wie sie es zu Hause so tapfer tun.

(Beifall bei der SPD)

Ausdruck der Geringschätzung der Justiz ist es auch, dass ohne Kenntnis der Zusammenhänge offensichtlich und wiederum ohne Einbindung der Betroffenen plötzlich vorgeschlagen worden ist, das Landesarbeitsgericht München aufzulösen und die so genannten Gerichtstage der Arbeitsgerichte abzuschaffen. Auch wenn es nicht dazu gekommen ist, weil Sie gemerkt haben, wie unsinnig