Protokoll der Sitzung vom 16.02.2005

(Beifall bei der SPD)

Als Erstes bedanke ich mich ausdrücklich auch bei Ihnen, Herr Kollege König, für die Belehrungen. Ich werde sie mir

zu Herzen nehmen. Ich werde mich bemühen. Ob ich all ihren Erwartungen gerecht werden kann,

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Bitte nicht!)

bleibt Ihrem Urteil überlassen. Es war nötig, einmal von einem Oberfranken in die Grundzüge des Rechtsstaats eingewiesen zu werden und darin, wie das alles so funktioniert. Vielen Dank dafür!

(Heiterkeit bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Erstens. Herr Dr. Weiß, Sie beklagen die Ritualisierung der Haushaltsberatungen, die immer so ablaufen, dass die Staatsregierung, wie es ihre Aufgabe ist, einen Entwurf vorlegt und die Opposition dann auf die Idee kommt, noch mehr zu fordern, als die Staatsregierung für sich selbst beansprucht.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Sogar eigene Vorschläge macht!)

Sie kritisieren, dass man das überhaupt tut. Ja, so habe ich das verstanden. Allein aufgrund der Tatsache, dass die Mehrheitsfraktion es aufgegeben hat, auf die Gestaltung der Politik Einfluss zu nehmen, muss die Opposition das nicht auch tun.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das muss die Opposition nicht tun. Sie wird dafür hier keine Mehrheit finden, das ist ihr Risiko. Ich werfe Ihnen nicht vor, dass Sie die Mehrheitsfraktion sind. Aber das Recht, Haushaltsanträge zu stellen, das haben wir schon.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Zweitens. Sie sagen, - -

(Zuruf des Abgeordneten Alexander König (CSU))

Machen Sie eine Zwischenfrage. Wieder auf eine Belehrung hoffend, werde ich Ihnen diese gewähren. Aber nur, wenn es etwas Gescheites ist.

(Allgemeine Heiterkeit)

Herr Schindler, können Sie mir folgenden Widerspruch erklären: Ich habe heute von Ihnen gehört, dass Sie kritisieren, wenn die CSU-Fraktion Beschlüsse fasst, die dieses Land betreffen. Auf der anderen Seite werfen Sie uns jetzt vor, wir würden keinen Einfluss nehmen. Können Sie diesen Widerspruch bitte erklären?

Herr König, dass müssen Sie schon in den eigenen Reihen klären, warum Sie sich bei der Abschaffung der Zweigstellen wichtig machen, während Sie bei Maßnahmen, die größere Auswirkungen auf

diesen Haushalt haben, ganz still sind. Warum das so ist, das müssen Sie in Ihrer Fraktion klären.

Was ich aber noch zu dem anfügen wollte, was Herr Kollege Dr. Weiß gesagt hat, als er meinte, wir würden hier nur Anträge einbringen, um Aktivitäten zu suggerieren: So ist das nicht. So ist das wirklich nicht. Ich nehme an, Sie haben die Schreiben und Petitionen des Bayerischen Richtervereins, des Verbandes der Rechtspfleger, des Verbandes der Bewährungshelfer und vieler anderer Organisationen, beispielsweise des Hauptpersonalrates bei der bayerischen Justiz, gelesen. Das sind weitgehend Personen, die das Parteibuch meiner Partei nicht in der Tasche tragen, sondern da sind durchaus einige dabei – was ich ihnen nicht übel nehme –, die das Parteibuch Ihrer Partei in der Tasche haben. Diese Personen wenden sich an den Landtag, an die CSU-Fraktion, an die SPD-Fraktion, an die Fraktion der GRÜNEN und stellen fest, dass Sie diese Fragen nicht aufgreifen und sich hinstellen und sagen: Wir sehen das anders, es gibt eine Endlichkeit der Ressourcen, seid gefälligst still.

Das sind die Zusammenhänge, die Sie bitte zur Kenntnis nehmen möchten.

Drittens. Herr Kollege Dr. Weiß, ich bedanke mich für den Hinweis, dass die Ressourcen endlich sind. Als Oberpfälzer habe ich mir das auch gedacht; ich habe schon irgendwie ein solches Gefühl gehabt. Ich stelle hier aber fest, dass sich diese mächtige, große CSU-Mehrheitsfraktion dem Diktat einer Staatskanzlei unterwirft mit dem willkürlich - ich sage noch einmal: willkürlich - gesetzten Ziel, im nächsten Jahr eine schwarze Null zu schreiben. Dieses Ziel ist willkürlich gesetzt. Dafür gibt es keine ökonomisch vernünftige Begründung. Die gibt es nicht;

(Beifall bei der SPD)

die werden Sie auch nicht finden. Dafür gibt es nur eine politische Begründung, der Sie sich unterordnen. Das ist Ihre Entscheidung; das steht Ihnen zu. Es steht Ihnen aber nicht zu, darunter die Funktionsfähigkeit der Justiz leiden zu lassen, nämlich unter einem willkürlich gesetzten, ehrgeizigen politischen Ziel.

(Beifall bei der SPD)

Das wollte ich zum Ausdruck bringen, nichts anderes.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege König, Sie haben das Betreuungsrecht beklagt. Sie haben Auswüchse beim Verbraucherinsolvenzrecht beklagt. Irre ich mich? - Wenn ja, dann müssen Sie mich wieder aufklären; und dann danke ich Ihnen dafür. Ich glaube aber nicht, dass gerade diese von Ihnen angesprochenen Gesetzesmaterien von einer rot-grünen Regierung gegen den Widerstand der CSU durchgeboxt worden sind. War es nicht so, dass das noch zu Zeiten beschlossen worden ist, als Sie in Berlin in verantwortlicher Stellung durchaus mitzureden hatten und dass wir auch mitgestimmt haben? Es war doch wohl so. Wir haben auch gemerkt, dass sich im Vollzug Missstände ergeben haben. Wir haben auch gemerkt, dass die Zahl der Betreuten fast explodiert ist, und ebenso die Ausgaben für Betreuungssachen. Das haben wir auch gemerkt. Sie wissen genauso gut wie ich,

dass es eine parteiübergreifende Länderinitiative - CDU, CSU, SPD, mit Ausnahme der FDP; die GRÜNEN sind über Nordrhein-Westfalen eingebunden - gibt, um diese Missstände abzubauen. Was regen Sie sich also überhaupt auf? Dieser Schuss ist daneben gegangen.

Ich habe darauf gewartet, dass Sie auch noch Graffiti ansprechen. Graffiti hat mir gefehlt. Ansonsten ist das in Ihrer Leier immer dabei. Auch die DNA-Analyse hat mir gefehlt. Auch ein Verweis auf Sexualdelikte und auf die Notwendigkeit der Strafverschärfung hat gefehlt. Sonst ist das in Ihrer Leier immer dabei.

(Thomas Kreuzer (CSU): Da tut sich jetzt aber etwas, Herr Schindler, trotz Ihres Widerstandes!)

Nichtsdestoweniger bedanke ich mich aber für Ihre lehrreichen Ausführungen und Ihre Belehrungen meiner Person.

(Beifall bei der SPD)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Zu einer zusammenfassenden Stellungnahme darf ich Frau Staatsministerin der Justiz, Frau Kollegin Dr. Merk, das Wort erteilen. Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Schindler, Frau Stahl, ich danke Ihnen für die Ausführungen zum Justizhaushalt. Ihre Forderungen zeigen mir, dass Sie die Arbeit der bayerischen Justiz schätzen, dass Sie vor allen Dingen auch deren Effektivität und deren hohe Belastung entsprechend würdigen; denn sonst würde es wohl von Ihrer Seite solche Forderungen nicht geben. Ich müsste mir ja eher Sorgen machen, wenn uns die Opposition den Haushalt zusammenstreichen würde. Ich sehe in Ihren Ausführungen also eine Bestätigung unserer Arbeit.

Sie wollen etwas für die Justiz tun. Das wollen wir auch. Darin sind wir uns einig. Wir müssen uns aber immer wieder darüber klar sein, dass die Anträge, die von Ihrer Seite kommen, für das Jahr 2005 circa 9,5 Millionen Euro und für das Jahr 2006 circa 18 Millionen Euro Mehrkosten bedeuten würden. Ich meine, darin liegt der Unterschied zwischen der Opposition, die Wünsche formulieren kann, und der Regierung, die Fakten finanzieren muss. So schön weiteres Geld für die Justiz wäre - ich würde mich darüber freuen -: Wir haben dieses Geld nicht. Wir haben uns an den Einnahmen zu orientieren. Dass wir dieses Geld nicht haben, haben wir - das wissen Sie auch - zu einem guten Teil Ihren Parteifreunden in Berlin zu verdanken.

(Christine Stahl (GRÜNE): Nein, nein, nein!)

Durch deren verfehlte Wirtschafts- und Finanzpolitik haben sie Deutschland als einstige Wirtschaftslokomotive Europas in eine Bremse am Zugende umgewandelt.

(Beifall bei der CSU)

Sie wehren sich dagegen. Dazu muss ich schlichtweg sagen: Wahrheit tut manchmal weh. Obwohl Bayern im abgelaufenen Jahr das höchste Wirtschaftswachstum aller Bundesländer hatte, schaffen wir es trotzdem nicht, die Steuereinnahmen in diesem Lande in solchem Maße sprudeln zu lassen, dass uns das größere finanzielle Gestaltungsräume geben würde und dass wir die Ausfälle aus dem Bund wettmachen könnten.

Ich meine, das Vorhaben, im Jahr 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, braucht keine Begründung mehr - das ist die schiere Notwendigkeit. Das merken wir, wenn wir uns die Wirtschaftsdaten anschauen.

Frau Stahl, Sie haben verschwiegen, warum die Haushaltssperre tatsächlich notwendig ist. Ich möchte dazu nur sagen: Diese Haushaltssperre tut uns weh. Das wissen Sie aufgrund Ihrer Einschätzung des Haushaltes sehr wohl. Ich werde die uns gegebene sehr große Flexibilität bei der Umsetzung dahin gehend nutzen, dass dies keine Auswirkungen auf das Personal haben wird. Schmerzhaft wird es dennoch ganz bestimmt; mein Ziel ist aber, dass dies keine Auswirkungen auf das Personal hat. Ich glaube, das ist auch sehr wichtig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich danke den Herren Kollegen Dr. Müller, Alexander König und Dr. Weiß an dieser Stelle nochmals für die klaren und wichtigen Ausführungen in der vorausgegangenen Aussprache und für ihre Unterstützung. Ich möchte nun noch auf einige Fragen eingehen, die gekommen sind. Ich mache das jetzt in geraffter Form, Herr Schindler, aber ich meine, Sie haben ein Recht auf einige Antworten.

Sie haben angesprochen, dass es zu wenige Haftplätze, zu wenig Resozialisierung gibt. Wir haben seit 1992 zusammengenommen 477 Millionen Euro verbaut. Wir haben seit 1992 1200 zusätzliche Haftplätze geschaffen. Wir sind in Deutschland an der Spitze, was die Therapieplätze angeht. Wir haben insgesamt 193 Therapieplätze, davon 152 für Sexualtherapie. Wir werden in diesem Bereich weiter aufstocken. Wir haben vor, die Haftplätze ebenfalls aufzustocken und vor allen Dingen im Bereich des Jugendvollzugs zu arbeiten. Das Gesamtausbauprogramm umfasst insgesamt zusätzliche 1600 Haftplätze. Ich meine, das ist ein ganz wesentliches Zeichen.

Sie sprachen Deals vor Gericht an. Ich muss dazu sagen: Vergleiche und Meditation sind wünschenswert, weil sie nachhaltige Wirkung haben. Ich möchte das nicht herabqualifizieren. Das Zusammenführen widerstreitender Interessen verlangt von unseren Richtern geradezu ganz besondere Kompetenzen. Ich habe in der Haushaltsrede sehr deutlich gemacht, dass wir nicht resignierend einer Flut von Verfahren gegenüberstehen, sondern dass wir konstruktiv dagegenarbeiten und alle Möglichkeiten nutzen, um tatsächlich einen Umschwung zu bewerkstelligen.

Ich stimme Ihnen in vielen Dingen zu; da sind wir - das wissen Sie - einer Meinung. Ich widerspreche Ihnen aber vehement, wenn Sie sagen, die Justiz stehe vor einem Offenbarungseid. Ich muss Ihnen schlichtweg sagen: Wenn Sie zum Klassenprimus sagen: Junge, pass auf,

dass du nicht durchfällst, dann wird er Sie ganz irritiert anschauen und sagen: Bitte, was soll denn das? - So kann es nicht gehen.

(Beifall bei der CSU)

Ich freue mich über Ihre Aussage, dass Sie sich der großen Justizreform grundsätzlich nicht verschließen. Ich habe von Ihnen auch erwartet, dass Sie so reagieren, Herr Schindler, und ich gehe davon aus, dass wir diese Justizreform auch so gestalten, dass sie in keiner Weise parteipolitisch verbrämt ist, sondern dass das Ziel wirklich das ist, was wir vorne auf unser Papier geschrieben haben: Sie darf nicht zu einer Schmälerung der Justiz führen, sondern sie muss eine kräftige, eine starke Justiz bewirken. Das ist das Ziel. Das sage ich auch zu Ihnen, Frau Stahl, da Sie das auch angesprochen haben. Das ist das Ziel der Justizreform, nicht primär das Sparen. Dass das Sparen im Hintergrund natürlich auch eine Rolle spielt, mag etwas anderes sein. Wir brauchen aber eine ganz starke Justiz.

Entscheidungen über gerichtsorganisatorische Maßnahmen sind nun einmal eine reine Aufgabe der Exekutive. Dass das in der eigenen Fraktion abgesprochen wird, ist, meine ich, normales parlamentarisches Verhalten, das wir auch aus Berlin kennen.

Ich darf noch das Thema Bundesrat und Rechtspolitik ansprechen. Ich sehe mich weiß Gott nicht als Bremser, um der Bundesregierung zu schaden. Ich habe mehr zu tun, als mich darauf zu konzentrieren, der Bundesregierung zu schaden. Es geht darum, Schaden von den Bürgern abzuwenden und Schaden von den Ländern abzuwenden. Wenn ich sehe, dass das notwendig ist, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, trete ich auch auf die Bremse, weil das wichtig ist, und ich suche auch nach Koalitionen, um etwas zu bewerkstelligen.

(Beifall bei der CSU)