Protokoll der Sitzung vom 03.03.2005

(Simone Tolle (GRÜNE): Genau!)

Auf unsere mehrmaligen Nachfragen hin wurde uns gesagt

(Zuruf des Abgeordneten Thomas Kreuzer (CSU))

Herr Kreuzer, passen Sie auf, was das bedeutet –, dass die einzügige Hauptschule dann erhalten bleibt, wenn sie über vier bis fünf Jahre hinweg 22 bis 23 Schüler aufweist. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass die Mindestschülerzahl bei Hauptschulen heute bei 15 liegt, nicht bei 22 oder 23. So hoch wollen Sie die Latte setzen; denn nichts anderes bedeutet dieser Beschluss. Bitte sagen Sie den Betroffenen vor Ort auch, dass das das Ende mindestens der Hälfte aller Hauptschulen auf dem Lande bedeutet, weil mindestens die Hälfte aller Hauptschulen diese Hürde nicht wird überwinden können.

(Eduard Nöth (CSU): Das ist mit uns nicht zu machen! – Weitere Zurufe von der CSU)

Sie sollten sich nicht aufregen, sondern lieber zuhören. Parallel zum Beschluss zur Aufl ösung der Teilhauptschulen und der einzügigen Hauptschulen – das ist das Allerschlimmste daran – haben Sie im Doppelhaushalt 2005/ 2006 die dazugehörigen 500 Lehrerstellen gestrichen und haben noch 262 draufgesetzt, die angeblich wegen des Schülerrückgangs zu streichen wären. Außerdem wollen

Sie den Volksschulen noch 210 Aufsichtslehrkräfte wegnehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, damit wird klar, worum es Ihnen eigentlich geht: um Einsparung, Einsparung und nochmals Einsparung, um die Streichung von Lehrerstellen, und dazu wollen Sie Schulstandorte aufl ösen. Um nichts anderes geht es Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Nöth, wenn es Ihnen um die Kinder gehen würde, würden Sie genau wissen, was Sie tun müssten, um die Hauptschulen zu unterstützen. Dann wüssten Sie nämlich, dass man die Schulsozialarbeit fl ächendeckend ausbauen muss. Dafür frieren Sie aber im Moment auf nicht absehbare Zeit die Mittel ein. Sie würden auch wissen, dass wir an den Hauptschulen die individuelle Förderung massiv ausbauen müssen; dazu bräuchten wir aber kleinere und nicht größere Klassen; und dazu bräuchten wir auch mehr Lehrer und nicht weniger Lehrer. Sagen Sie doch den Leuten vor Ort, dass bei Ihnen die Stärkung der Hauptschule in der Erhöhung der Klassenstärke besteht. Sonst wird es für die Hauptschulen keine Stärkung geben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zu diesen Forderungen wird Frau Kollegin Weikert noch nähere Ausführungen machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, hören Sie bitte auch auf, draußen selbst oder über die Schulverwaltungen den Leuten zu erzählen, es ginge Ihnen hinsichtlich der Lehrerbelastung um mehr Gerechtigkeit, denn es sei doch ungerecht, dass an manchen kleinen Schulen Lehrer mit 15 oder 16 Schülern das Paradies auf Erden hätten, während sich andere Jahr für Jahr in Klassen mit bis zu 30 Schülern herumschlagen müssten.

(Georg Stahl (CSU): Ein Unterschied ist das aber schon!)

Herr Kollege Stahl, dieses Argument würde ich Ihnen abnehmen, wenn Sie mir zeigen würden, dass die Lehrerstellen erhalten bleiben und dass es dadurch zu Verbesserungen an den großen Schulen kommt. Sie wissen doch genau, dass jede Lehrerstelle, die durch die Aufl ösung der Teilhauptschulen eingespart werden kann, sofort gestrichen wird. Sie brauchen nicht den Kopf zu schütteln. Ich kann Ihnen die Zahlen aus der Oberpfalz nennen. Wir haben 57 Teilhauptschulen. 50 Lehrerstellen kommen weg. Bei unseren Schulen wird es aber diese 50 erwirtschafteten Lehrerstellen gar nicht geben; denn bei der Eingliederung kann man nicht an 50 verschiedenen Orten 50 Lehrerinnen und Lehrer einsparen.

Hören Sie bitte auch auf, den Leuten zu erzählen, die Realschule sei von der fünften bis zur zehnten Klasse und das Gymnasium von der fünften bis zur dreizehnten Klasse quasi einhäusig und deswegen müssten zum Wohle der Kinder auch die Hauptschulen von der fünften bis zur neunten Klasse einhäusig sein. Nach Ihren Worten wäre es für die Kinder eine enorme Belastung, wenn sie nach

der Teilhauptschule den Schulstandort wechseln müssten. Sie tun so, als würden sich die Lehrerinnen und Lehrer und die Schulleiterinnen und Schulleiter an Teilhauptschulen nicht einmal untereinander kennen, geschweige denn sich miteinander unterhalten. Ich habe noch von keinem Schüler, der in eine Teilhauptschule gegangen ist, gehört, es sei für ihn eine ganz schlimme Belastung gewesen, dass er zunächst noch zwei Jahre dort in die Schule gehen musste, wo er auch in die Grundschule gegangen ist, und dass er dann seinen Schulort wechseln musste. Ich kenne nur Hauptschülerinnen und Hauptschüler, die in kleine Teilhauptschulen gegangen sind und gesagt haben, es sei der größte Vorteil für sie gewesen, dass sie in eine kleine Klasse gehen konnten, weil sie dadurch eine gute Förderung bekamen und in überschaubaren Einheiten zur Schule gehen konnten.

Deswegen fordere ich Sie auf, in diesem Hause ernsthaft über das zu reden, was die Hauptschulen wirklich brauchen, um konkurrenzfähig zu werden. Lassen Sie uns über pädagogische Richtungen und über die Stärkung der Hauptschulen reden und hören Sie auf, an den Lehrerstellen den Rotstift anzulegen und die Strukturen zu zerstören, um hinterher schauen zu können, wie man aus dem Elend noch das Beste machen kann.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat Herr Kollege Schneider das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Es war recht amüsant, auch Ihnen, Frau Bause, zuzuhören. Wenn Sie auf aktuelle Umfragen eingehen, müssen wir auch die Frage beantworten, was für die Schüler wichtiger ist. Ist es wichtiger, dass sie in Klassen mit durch≠schnittlich einem halben oder einem Schüler weniger sitzen, oder ist es wich≠tiger, dass die Ergebnisse, die am Ende eines Jahrgangs erzielt werden, besser sind? Wir haben immer gesagt, dass uns ein Unterrichtsangebot, welches zu guten Ergebnissen für die Schülerinnen und Schüler führt, wichtiger ist, als einen Schüler mehr oder weniger in der Klasse zu haben. Wir haben damit nicht gelogen, denn die Ergebnisse der PisaStudie und der Iglu-Studie zeigen, dass der bayerische Weg, den Schülerinnen und Schülern mit einem Unterrichtsangebot entgegenzukommen, mehr bringt, als das von dpa dargestellte Schulangebot in Sachsen-Anhalt mit 17 Schülern und schlechten Ergebnissen bei der PisaStudie. Das müssen wir schon einmal festhalten.

Zur Stärkung des ländlichen Raums und zu den Krokodilstränen von Frau Schieder. Wenn es nach der SPD gegangen wäre, gäbe es im ländlichen Raum gar keine Hauptschulen mehr.

(Beifall bei der CSU)

Schulstrukturen sind immer Änderungen unterworfen. Das war so und wird auch in Zukunft nicht auszuschließen sein.

(Simone Tolle (GRÜNE): Das ist ja gerade das Problem!)

Bei der demographischen Entwicklung, beim Bildungsverhalten der Eltern und Schüler und bei Strukturänderungen an anderen Schularten wird es am Schulsystem insgesamt immer strukturelle Änderungen geben.

In erster Linie befassen wir uns mit den Teilhauptschulen I. Ich blicke einmal zurück, wie die Schulstruktur im Jahr 1970 war. Damals besuchten 80 % eines Schülerjahrgangs die fünfte Klasse der Hauptschule. Heute besuchen noch gut 40 % die fünfte Klasse. Gegenüber dem Beginn der Siebzigerjahre besucht nur noch die Hälfte der Schülerinnen und Schüler die fünfte Klasse der Hauptschule. Die Zahl der Schulen ist aber fast konstant geblieben. Deshalb müssen wir uns fragen, wie wir auf die Entwicklung der Schülerzahlen, auf die Entwicklung der Geburtenzahlen und auf das Bildungsverhalten der Menschen strukturpolitisch reagieren.

(Margarete Bause (GRÜNE): Sie müssen die Strukturen den Kindern anpassen und nicht die Kinder den Strukturen!)

Wenn man nur abwartet und zuschaut, wie sich etwas entwickelt, wird es zu einer Entwicklung wie in den von Ihnen regierten Ländern kommen: Alles geht in die Zentren und in die Kreisstädte. Letztendlich wird dann aber der ländliche Raum die Zeche zahlen.

(Simone Tolle (GRÜNE): Das steht auch uns ins Haus!)

Wir haben in unseren Beschluss ganz deutlich hineingeschrieben, dass wir nicht von München oder von den jeweiligen Bezirksregierungen aus den Regionen ein Konzept überstülpen wollen, sondern dass wir vor Ort darüber sprechen wollen, wie man in interkommunaler Zusammenarbeit auf strukturpolitische Herausforderungen reagieren kann, wie man die Wohnortnähe erhalten kann und wie man mit der Möglichkeit von Außenklassen die Strukturen sichern kann. Die Außenklassen sind genauso Teilhauptschulen. Sie sind Teil einer Hauptschule und nicht mehr Teil einer Grundschule.

(Marianne Schieder (SPD): Teil einer anderen Hauptschule! Bleiben Sie bei der Wahrheit!)

Sie sind Teil der Hauptschule. Sie werden natürlich ganz entscheidend von der verbesserten Zusammenarbeit in einem gemeinsamen Kollegium, von gemeinsamer Fortbildung, von gemeinsamen Konferenzen usw. profi tieren. Die Möglichkeit, in interkommunaler Zusammenarbeit neue Organisationen zu bilden, wird dazu führen, dass bisherige Teilhauptschulen zu Vollschulen ausgebaut werden können. Schauen Sie doch herum. Es gibt viele Modelle. Schulen, die bisher nur bis zur sechsten Klasse gingen, werden künftig bis zur neunten Klasse gehen. Auch das wird möglich sein. Nur deshalb ist in unserem Antrag auch der Punkt enthalten, dass künftig auch einzügige Hauptschulen möglich sind. Bisher schließt das Bayerische Erziehungs- und Unterrichtsgesetz einzügige Hauptschulen aus. Dort heißt es: Hauptschulen sollen zweizügig sein. Frau Schieder, wir haben ganz bewusst hineingeschrieben, dass auch einzügige Hauptschulen entstehen können.

(Marianne Schieder (SPD): „Entstehen“ steht nicht drin, „erhalten bleiben“ steht drin!)

Es heißt, dass einzügige Hauptschulen gebildet und erhalten werden können, wenn sie auf Dauer gesichert sind. Es wäre völliger Unsinn, eine neue einzügige Hauptschule aufzubauen, welche die Schülerzahl nicht über eine bestimmte Zeit halten könnte.

(Marianne Schieder (SPD): Ihre Schulamtsdirektoren verstehen darunter etwas anderes!)

Vor allem die einzügige Hauptschule erfordert auch eine inhaltliche Weiterentwicklung der Hauptschule. Wir müssen an den Konzeptionen weiterarbeiten, denn es ist nicht auszuschließen, dass nicht alle Hauptschulen an allen Standorten letztlich alle Wahlpfl ichtfächer anbieten können. Wir müssen in der Hauptschule den Praxisbezug stärken. Darin sind wir sicher einer Meinung. Wir müssen uns aber auch überlegen, wie wir den Unterricht organisieren. Wir müssen uns überlegen, ob die Verstärkung von Modulangeboten nicht sinnvoll ist. Wir müssen uns überlegen, ob verpfl ichtende Module sinnvoller sind, damit die grundlegenden Kompetenzen wie Lesen, Rechnen und Schreiben an den Hauptschulen gesichert bleiben, sodass die jungen Menschen Abschlüsse erzielen, die ihnen auch einen Berufsanschluss ermöglichen.

Wir müssen überlegen: Wie können wir zusätzliche alternative Wahlangebote, möglicherweise auch in Modulform, anbieten, um das breite Spektrum der Hauptschule abzudecken und um der Heterogenität von der M-Klasse bis hin zur Praxisklasse gerecht zu werden? Denn unser Ziel ist eine begabungsgerechte Förderung. Wir wollen erfolgreiche Schulabschlüsse für alle. Das betone ich. Es ist nämlich ganz, ganz schwierig, wenn junge Menschen ohne Schulabschluss ins Leben entlassen werden. Hier müssen wir in allen Ländern weitere Anstrengungen machen, nicht nur in Bayern, aber auch in Bayern. Wir wollen eine Schule vor Ort mit einem Angebot, das wohnortnah ist und das gut erreichbar ist. Das wird mit diesen Strukturen auch erreicht.

(Margarete Bause (GRÜNE): Zerstört!)

Ich darf noch eine Anmerkung machen und Sie bitten, das einmal zu überlegen: Wir haben eine Verteilung der Schüler in einer Jahrgangsstufe, etwa wie folgt: 40 % Hauptschule, 30 % Gymnasium, 30 % Realschule. Wir haben über tausend Hauptschulen, circa 400 Gymnasien und circa 400 Realschulen. Zu behaupten, wir dünnten das fl ache Land aus, wir dünnten den ländlichen Raum aus, ist bei diesen Zahlen ein aberwitziger Vorwurf.

(Marianne Schieder (SPD): Was ist das denn sonst?)

Wir wollen, bei allem Verständnis für einen gewissen Widerstand vonseiten der Bürgermeister, aber auch vonseiten der Eltern, eine Optimierung der Förderung aller Hauptschüler erreichen.

(Marianne Schieder (SPD): Ohne Lehrer, oder wie?)

Wir haben dazu trotz einer Halbierung der Schülerzahlen im Hauptschulbereich in den letzten zwanzig, dreißig Jah

ren die Anzahl der Lehrkräfte erhöht und die Anzahl der Klassen fast exakt gehalten, obwohl die Schülerzahl um die Hälfte zurückgegangen ist. Schauen Sie die Entwicklung an den bayerischen Hauptschulen doch mit an! – Wir wollen die wohnortnahe Hauptschule erhalten. Dabei helfen uns keine Fehl- und Falschinformationen, wie Sie sie in die Öffentlichkeit tragen, Frau Kollegin Schieder,

(Marianne Schieder (SPD): Ja freilich!)

indem Sie in Ihren Briefen an die Bürgermeister, zumindest in der Oberpfalz, falsche Versprechungen machen.

(Susann Biedefeld (SPD): Was versprechen denn Ihre Kollegen draußen im Land den Bürgermeistern?)

Nun ja, sollte draußen jemand etwas Falsches versprechen, rechtfertigt das noch lange nicht das, was Frau Schieder macht.

(Lachen bei der SPD)

Ihre Krokodilstränen können Sie sich sparen. Ich sage ganz deutlich: Ich habe manchmal das Gefühl, Sie laben sich daran, die Menschen aufzuhetzen.