Protokoll der Sitzung vom 05.04.2005

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 39. Vollsitzung. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Sie ist wie immer erteilt worden.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Vorab möchte ich eine Veränderung bekannt geben, die den Ablauf der Plenarsitzung von morgen, Mittwoch, den 6. April, betrifft. Die Fraktionen sind übereingekommen, dass wir das Plenum – statt wie ursprünglich beschlossen um 18.00 Uhr – bereits um 17.00 Uhr beenden werden. Damit ist allen die Möglichkeit gegeben, rechtzeitig zum Beginn des Requiems für den verstorbenen Papst Johannes Paul II. um 18.00 Uhr im Dom zu sein.

(Die Anwesenden erheben sich.)

Meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Reaktionen auf das Leiden und Sterben von Papst Johannes Paul II. bei uns in Bayern und in der ganzen Welt haben deutlich gemacht: Nicht nur die Katholiken trauern um ihr kirchliches Oberhaupt. Über Grenzen von Religionen, Kulturen, politischen Systemen und Kontinenten hinweg bekunden Zigmillionen von Menschen ihre Trauer, ihren Respekt und ihre Dankbarkeit. In den politischen Hauptstädten der Welt wurde das politische Wirken des Papstes gewürdigt, in West und Ost, in Nord und Süd.

Unabhängig von ihren eigenen religiösen Überzeugungen, ihrer Einstellung zur katholischen Kirche und zum Papsttum kommen viele Menschen zu dem Ergebnis: Dieser Mann war mit seinem Wirken, seiner Persönlichkeit für uns wichtig.

Die historischen Verdienste des Papstes aus Polen für den Wandel im früheren Ostblock wurden in diesen Tagen vielfach gewürdigt. Wir alle können dafür nur dankbar sein.

Ob gelegen oder ungelegen, in Ländern der Armut und der Diktatur, wie ebenso in den Wohlstandsländern hat er sich für die Rechte der Armen eingesetzt. Wo Menschenrechte gefährdet waren oder verletzt wurden, hat er allen unmissverständlich ins Gewissen geredet. Ein Leitbild seines Wirkens war die Würde des Menschen. Diese zu schützen und zu verteidigen, war eines seiner zentralen Anliegen.

Papst Johannes Paul II. war unbeugsam gegen sich selbst und unbeugsam in seinen Überzeugungen auch gegenüber anderen. Damit war er vielen Orientierung, ebenso aber auch Herausforderung, ja sogar Provokation in der modernen Welt.

Aber auch Menschen, die seine Überzeugungen nicht teilten, auch Gegner seiner Positionen, sind von der Glaubwürdigkeit der Person, der Einheit von Wort und eigenem Leben beeindruckt. Darin hat auch die besondere Anziehungskraft auf viele junge Menschen ihre Quelle.

Der Bayerische Landtag gedenkt in Respekt und Dankbarkeit des Verstorbenen.

Ich darf Sie nun bitten, zweier ehemaliger Kollegen zu gedenken.

Am 7. März wurde Herr Staatsminister a. D. Alfred Dick jäh aus dem Leben gerissen. Er starb im Alter von 77 Jahren in seiner Heimatstadt Straubing an den Folgen eines schweren Herzversagens, während er in einer Stadtratssitzung das Wort hatte. Alfred Dick gehörte dem Bayerischen Landtag von 1962 bis 1994 an.

Er vertrat für die Fraktion der CSU den Stimmkreis Straubing – Stadt und Land/Bogen.

Alfred Dick war wesentlich durch seine Erfahrungen in der Kriegszeit geprägt. Als junger Mensch war er stark geprägt durch sein Engagement in der Katholischen Jugend.

Seine politischen Wurzeln hatte Alfred Dick in der Kommunalpolitik. Die dabei gesammelten Erfahrungen brachte er in seine parlamentarische Arbeit als Abgeordneter und Vorsitzender des Ausschusses für den Staatshaushalt und Finanzfragen ein.

Als 1970 in Bayern das weltweit erste Umweltministerium gegründet wurde, berief ihn Ministerpräsident Alfons Goppel zum Staatssekretär. 1977 übernahm er das Amt des Ressortchefs, wobei er in einer Zeit heftiger Auseinandersetzungen in der Umweltpolitik Ressortminister war. Als Stichworte nenne ich nur: Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf, die Folgen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, das Waldsterben, die grenzüberschreitenden Umweltverschmutzungen an der Grenze zur damaligen Tschechoslowakei. Es ging aber auch um zukunftsorientierte Fragen der Landesentwicklung, der Raumplanung und der demographischen Entwicklung.

Alfred Dick handelte aus Überzeugung und um der Sache willen. 1994 nahm er Abschied von der aktiven Landespolitik und widmete sich erneut und bis zuletzt den Aufgaben im Stadtrat von Straubing. Er blieb ein engagierter Anwalt seiner niederbayerischen Heimat.

Am 20. März verstarb im Alter von 89 Jahren Herr Heinrich Eiber. Er gehörte dem Landtag von November 1954 bis November 1966 an und vertrat für die Fraktion der CSU den Stimmkreis Cham – Waldmünchen – Neunburg vorm Wald. Heinrich Eiber war Mitglied in mehreren Ausschüssen, zuletzt im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft und im Ausschuss für Grenzlandfragen.

Der Landwirt Heinrich Eiber war auch Kommunalpolitiker. Er war ein Vorreiter in der Entwicklung des ländlichen Raums, und zwar in der Zeit der Umbrüche in den Sechzigerjahren. Er war Bezirkspräsident des Bauernverbandes und Landes- und Kommunalpolitiker.

Werte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, der Bayerische Landtag wird dem verstorbenen Papst und den beiden verstorbenen ehemaligen Kollegen ein ehrendes Gedenken bewahren.

Sie haben sich zu Ehren der Toten erhoben. Ich danke Ihnen.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich zwei Gratulationen aussprechen.

Herr Kollege Reinhold Bocklet feiert heute seinen Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch.

(Allgemeiner Beifall)

Ebenso feiert heute Kollege Herbert Rubenbauer seinen Geburtstag. Ich gratuliere herzlich.

(Allgemeiner Beifall)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir treten damit in die Tagesordnung ein. Es gibt eine Veränderung im Ablauf. Der Staatsminister für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz hat gebeten, ihm zu Beginn der heutigen Sitzung Gelegenheit zur Abgabe einer Erklärung nach § 177 Absatz 1 der Geschäftsordnung zum Thema „Maßnahmenpaket zur Luftreinhaltung“ zu geben.

Der Herr Staatsminister hat das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Ich habe um das Wort zur Abgabe dieser Erklärung aus aktuellem Anlass gebeten, nachdem in den letzten Tagen die Diskussion um die Feinstaubwerte in unserem Land kräftig geführt worden ist und das Kabinett heute dazu ein weit reichendes Maßnahmenpaket zur Reduzierung der Feinstaubbelastung geschnürt hat. Diese Situation möchte ich vor dem Parlament ansprechen und das Maßnahmenbündel vorstellen.

Wir setzen alles daran, im Interesse der Gesundheitsvorsorge und des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung die neuen, strengen, ehrgeizigen EU-Feinstaubgrenzwerte an allen Stellen in Bayern einzuhalten. Wir haben in den letzten Jahren dazu die notwendigen Vorbereitungen getroffen. Das landesweite lufthygienische Messnetz ist entsprechend ausgebaut worden. Wir erfassen heute an 55 vollautomatischen Messstationen die Feinstaubbelastung im Freistaat Bayern. Drei weitere Verkehrs-Messstationen kommen noch hinzu. Darüber hinaus verfügen wir über fünf Messwägen.

Wir messen ehrlich, das heißt auch an den Stellen, wo die denkbar höchsten Belastungen auftreten können. Dies steht ganz im Gegensatz zu anderen Ländern wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen, wo in der Zuständigkeit der grünen Umweltministerin Bärbel Höhn bis heute an den Verkehrsknotenpunkten, zum Beispiel in der Millionenstadt Köln, nicht eine einzige verkehrsnahe Messstation aufgebaut wurde.

(Zuruf von der CSU: Hört! Hört!)

Bayern misst ehrlich und kommuniziert offen, weil wir die Situation exakt erfassen und daraus die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen wollen. Das Kabinett hat heute auf Basis der Messergebnisse und der bereits aufgestellten Luftreinhalte- und Aktionspläne, die im vergangenen Jahr 2004 vorgelegt worden sind, die Initiative ergriffen. Wir haben für Bayern bereits zehn Pläne vorgelegt, während Nordrhein-Westfalen, ein Land mit noch mehr Bevöl

kerung und noch mehr Verkehr, gerade einmal drei Pläne vorgelegt hat. Das bedeutet, alles, was in Sachen Messen und Luftreinhaltung in die Zuständigkeit der Länder fällt, ist von Bayern getan worden.

Die Ursache der erhöhten Belastungen ist vielfältiger Art. Es kommen viele Einflussfaktoren zusammen. Da spielen die Meteorologie, zum Beispiel das Wetter, die Inversionswetterlage etc. eine wichtige Rolle.

Summarisch gesagt sind etwa ein Viertel der Belastungen lokal verkehrsbedingt. Ein weiteres Viertel der Belastungen kommt von Industrie, Gewerbe, Hausbrand und Verkehr im Umfeld der Messpunkte.

Etwa die Hälfte der Belastungen – zum Teil, je nach Messstation, auch deutlich mehr als die Hälfte – kommt aus dem größeren Umfeld der Ballungsräume, also aus den Stadtumlandgemeinden.

Allein schon diese Quellenzusammensetzung bei den Feinstäuben zeigt, dass dieses Thema nicht mit Einzelmaßnahmen, mit Aktionismus angegangen werden kann, sondern die Quellen der Feinstäube bestätigen, dass nur eine ganzheitliche Herangehensweise Erfolg versprechend ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in den vergangenen Jahren mit unserer bayerischen Umweltpolitik vielfältigste Erfolge erzielen können. Wir haben es geschafft, die Schwefeldioxidbelastung um 90 % und die Gesamtstaubbelastung um 80 % zu reduzieren – alles mit der gleichen Strategie, nämlich umfassend anzusetzen und konsequent an der Quelle den Ausstoß der Schadstoffe zu verringern.

Mit der gleichen Strategie wollen wir auch in Sachen Feinstaub vorgehen. Das heißt also, überall dort, wo Feinstäube freigesetzt werden, ob beim Verkehr, ob bei den Hausheizungen, ob bei Industrie, Gewerbe oder wo auch immer, werden wir eine konsequente und zügige Reduktionsstrategie verfolgen, um damit an der Quelle die Emission, die Freisetzung der Feinstäube zu verhindern. Aus diesem Grunde haben wir heute im Kabinett sechs Schwerpunktmaßnahmen beschlossen.

Die erste Maßnahme betrifft die Diesel-Pkws. Hier wollen wir einen steuerlichen Anreiz, der aufkommensneutral gestaltet wird. Das heißt, der Freistaat Bayern fordert die Bundesregierung auf, jetzt endlich tätig zu werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aufforderungen von zwei Umweltministerkonferenzen reichen zurück bis in das Jahr 2001. Der Bundesrat hat im Jahr 2004 in einer Entschließung gefordert, die Bundesregierung möge endlich ein aufkommensneutrales steuerliches Anreizprogramm vorlegen, um dem sauberen Diesel-Pkw zum Durchbruch zu verhelfen. Die Technologien mit dem Dieselpartikelfilter sind verfügbar. Aber bis heute hat die Bundesregierung kein Konzept für ein aufkommensneutrales Förderprogramm vorgelegt. Im Gegenteil, Bundeskanzler Gerhard Schröder hat noch beim Autogipfel im Juni vergangenen Jahres erklärt, dass dies die falsche Maßnahme sei. Das ist eine Erklärung dafür, meine sehr verehrten Damen und Herren, warum wir heute dort stehen, wo wir stehen. Der Bundeskanzler hat noch vor einem Dreivierteljahr dem

Dieselpartikelfilter und einem steuerlichen Anreizprogramm eine klare Absage erteilt. Damit hat der Autokanzler einmal mehr aufs falsche Pferd gesetzt. Die Bundesregierung hat es versäumt, rechtzeitig ein steuerliches Anreizprogramm vorzulegen, um dem sauberen Diesel-Pkw in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen. Ein klares Versagen der Bundesregierung.

(Beifall bei der CSU)

Das Gleiche gilt für den Lkw. Bis heute ist nicht ein einziger aktueller Vorschlag auf dem Tisch, wie dem sauberen Lkw zum Durchbruch verholfen werden könnte. Bayern schlägt vor, die Lkw-Maut noch stärker zu spreizen, um damit den Anreiz, auf saubere Lkws zu setzen, noch weiter zu vergrößern. Damit sich ein sauberes Fahrzeug, ein sauberer Lastwagen schnellstmöglich rechnet, sollte durch eine Spreizung der Lkw-Maut ein Anreiz für Spediteure, für alle Lkw-Betreiber geschaffen werden, zumal die neuen Technologien, z. B. neue Lkw-Katalysatoren auch noch Sprit sparen helfen. In einem Modellversuch, den der Freistaat Bayern mit über 1 Millionen Euro gefördert hat, konnte in einem Flottenversuch nachgewiesen werden, dass der neue Lkw-Katalysator nicht nur die Feinstäube reduziert, nicht nur die Stickoxide reduziert, sondern auch den Spritverbrauch um 6 % senkt, sodass mit weniger Sprit und mit weniger Lkw-Maut ein echter Anreiz zu schaffen ist, um die sauberen Lkws schnellstmöglich auf die Straße zu bringen.

Ein dritter Punkt: Der Freistaat Bayern will mit gutem Beispiel vorangehen. Wir haben heute im Ministerrat beschlossen, dass alle Ministerien und alle Behörden in Bayern nur noch Fahrzeuge mit Rußpartikelfiltern beschaffen sollen. Bestehende Leasing-Verträge sollen schnellstmöglich umgestellt werden. Darüber hinaus gibt es vonseiten des Bayerischen Wirtschaftsministeriums eine Förderung für Dieselpartikelfilter für den ÖPNV bzw. für die Umstellung auf Erdgas, sodass der Freistaat hier schnellstmöglich mit gutem Beispiel vorangeht.

Aber wir fordern auch die Kommunen auf, jetzt nicht zu warten, auch wenn sie den 35-er Grenzwert Europas noch nicht erreicht haben, sondern diesen Vorbildmaßnahmen des Freistaates zu folgen und ebenfalls zum Beispiel im ÖPNV Maßnahmen zur Feinstaubreduzierung einzuleiten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade an dem Beispiel München zeigt sich, dass ein Teil der Probleme auch hausgemacht ist. Man kann nicht über Jahre hinweg eine Politik machen, die den Verkehr behindert, und sich dann wundern, dass durch den Verkehr verstärkt Emissionen freigesetzt werden.

(Franz Maget (SPD): So ein Blödsinn!)

Die rot-grüne Stadtregierung hat über die Jahre hinweg – Stichwort kreuzungsfreier Ausbau des Mittleren Rings, Stichwort Südring und vieles andere mehr – alles getan, um den Verkehrsfluss in der Stadt zu behindern.

(Franz Maget (SPD): Landshuter Allee, da ist es am schlimmsten!)