Protokoll der Sitzung vom 21.04.2005

(Beifall bei der CSU)

Das Wort hat Herr Staatsminister Dr. Goppel.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will mit drei Vorstellungen aufräumen. Erstens. Die Behauptung, dass die Staatsregierung hier einen sehr engen Elitebegriff vertreten würde, stimmt nicht. Ich will das nicht aus dem Protokoll vortragen, sondern mich auf das beschränken, was ich vorher vorgetragen habe. Wer die Freundlichkeit hat, über die ersten drei Sätze hinaus zuzuhören, wird feststellen, dass das alles in der Differenzierung und auch in den Begriffl ichkeiten enthalten war und dass zwischen den Referenten und den Minister kein Blatt Papier passt. Das kann man nicht unterscheiden; wir machen die Dinge gemeinsam. Dabei bleibt es.

Zweitens. Herr Kollege Vogel, Sie haben zwischen Gebirge und Gipfel unterschieden. Diesen Unterschied würde ich gerne herausarbeiten. In der Auseinandersetzung über das Eliteförderungsgesetz geht es nicht um Gebirge und Gipfel, sondern um Menschen mit individueller Begabung und individuellen Anlagen, denen wir eine Förderung dort zuteil werden lassen, wo sie besonders tüchtig sind. Da können Sie nicht zwischen Gebirge und Gipfel unterscheiden, jedenfalls nicht, wenn Sie redlich argumentieren.

Hier bestehen ganz unterschiedliche Begriffspaare; ich nenne als erstes Begriffspaar internen und externen Wettbewerb. Beim internen Wettbewerb geht es um die Frage, wen wir bei uns fördern, und gleichzeitig darum, wen wir fördern müssen, damit wir extern, also international, weiterhin wettbewerbsfähig bleiben. Unser größter Fehler in den letzten Jahren bestand darin, dass wir uns immer nur auf unsere Leistung beschränkt haben. Weil wir den Blick immer nur auf unsere eigene Leistung gerichtet haben, hat die Pisa-Studie zwar für Bayern ganz gute Ergebnisse er

bracht, aber für alle Deutschen einen Nachholbedarf ergeben. Das wissen wir alle. Dort, wo Sie die Verantwortung tragen, ist der Nachholbedarf etwas größer als bei uns.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Wir tragen hier die Verantwortung!)

Herr Kollege Dürr, diejenigen, die schweigen und zuhören und erst dann reden, wenn sie, nachdem sie sich zu Wort gemeldet haben, dran sind, sind in der Diskussion besser dran als die, die immer sofort alles loswerden müssen.

Im Leistungsbegriff fi nden wir das zweite Begriffspaar: individuelle und mannschaftliche Leistung. Zuerst wird gemessen, was der Einzelne kann, dann im Interesse des Wettbewerbs das, was die Mannschaft insgesamt leistet. Wir wissen sehr wohl, dass die Leistung von Mannschaften besser wird, wenn wir dem Individuum dabei helfen, seine Meisterleistung zu erbringen. Das wird in allen Sportarten jederzeit von allen anerkannt. Ich sehe vor den Fernsehübertragungen von Fußballspielen immer alle Parteien treulich vereint beim Zuruf für den besonders Tüchtigen. Also wollen wir doch den besonders Tüchtigen nicht einfach herabsetzen, sondern das Gegenteil tun: Was beim Sport gilt, gilt anderswo auch, wenn auch unter anderen Bedingungen.

Das nächste Begriffspaar stammt aus dem Bereich der Verantwortung. Da geht es um das Subjektive und das Objektive. Nicht das, was wir subjektiv als Verantwortung empfi nden, ist ausschlaggebend für die Diskussion, sondern was für diese Gesellschaft im Sinne des Grundgesetzes sinnvoll, vernünftig, ertragreich, einleitbar und erreichbar ist. Auf der Basis dieses Ansatzes habe ich die Verpfl ichtung, den individuellen Spitzenleistungen Rückendeckung zu verschaffen, damit sie in der Zukunft unser gesamtes Niveau heben. Wer aufhört, Spitzen zu fördern, dessen Niveau wird niedriger als vorher. Dafür brauchen Sie keine Beispiele in Bayern zu suchen, sondern Sie können Beispiele dort suchen, wo Sie selbst Verantwortung tragen. Ich gehe überhaupt nicht davon aus, dass Sie Bayern zum Maßstab erheben; dann würden Sie anders argumentieren. Das gilt an dieser Stelle speziell für Kollegen Vogel.

Frau Kollegin Gote, Sie haben gefragt, wen wir wie fördern wollen. Es gibt keine Richtlinien, wenn man eine unterschiedliche Begabung der Menschen annimmt, sondern es gilt das jeweilige Maß des Einzelnen, das Sie anzunehmen haben und das Sie in unterschiedlicher Weise ansetzen. Deswegen gibt es sehr wohl plurale Eliten. Es gilt, sie in allen Bereichen zu fördern. Es reicht nicht, generell davon auszugehen, dass ein sozialer Maßstab schon Eliteförderung bedeutet, wie das von Ihnen beiden gewünscht wird. Leistung bemisst sich an etwas anderem; sie bemisst sich an dem, was der Einzelne nachweisbar erbringt. Wenn wir merken, dass es am Sozialen fehlt, fördern wir das Soziale. Das hat aber nichts mit Leistungs- und Eliteförderung zu tun. Wer das miteinander koppelt, muss sich das nachsagen lassen. Wer dann immer noch darauf besteht, dass das so kommen muss, fördert in Wirklichkeit keine Eliten, sondern fördert ein allgemeines Niveau. Dagegen ist zwar nichts einzuwenden, aber das

ist nicht die gleiche Kasse. Das sind unterschiedliche Ansätze. Wir sind dafür, das unterschiedlich anzusetzen. Deshalb bleibt es bei unserem Vorschlag für dieses Gesetz.

Ich bin der CSU-Fraktion sehr dankbar dafür, dass sie allen Anmutungen von Menschen, die den Einzelnen mit all seinen Benachteiligungen im Auge gehabt haben, widerstanden und gesagt haben, dass es nicht um dieses Kapitel geht. Man muss die richtige Förderung an der richtigen Stelle ansetzen. Darum sind wir bemüht. Das wird dem Individuum besser gerecht als eine pauschale und auf Klassen bezogene Förderung. Dagegen verwahre ich mich zusammen mit allen anderen in der Fraktion.

(Beifall bei der CSU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 15/2097, der Änderungsantrag auf Drucksache 15/2321 und die Beschlussempfehlung mit Bericht des federführenden Ausschusses für Hochschule, Forschung und Kultur auf Drucksache 15/3137 zugrunde.

Ich lasse zunächst über den vom federführenden Ausschuss für Hochschule, Forschung und Kultur zur Ablehnung empfohlenen Änderungsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 15/2321 abstimmen. Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und die SPD-Fraktion. Wer ist dagegen? – Die CSU-Fraktion. Stimm enthaltungen? – Keine. Damit ist der Änderungsantrag ab gelehnt.

Zum Gesetzentwurf 15/2097 empfi ehlt der federführende Ausschuss für Hochschule, Forschung und Kultur Zustimmung mit der Maßgabe verschiedener Änderungen. Ich verweise insoweit auf Drucksache 15/3137. Wer dem Gesetzentwurf mit den vom federführenden Ausschuss für Hochschule, Forschung und Kultur empfohlenen Änderungen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CSU-Fraktion. Gegenstimmen? – Die SPD-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Dann ist das so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Ich schlage vor, sie in einfacher Form durchzuführen. Widerspruch erhebt sich nicht. Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung des federführenden Ausschusses für Hochschule, Forschung und Kultur seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Das ist die CSU-Fraktion. Wer ist dagegen? – Das ist die SPD-Fraktion. Wer enthält sich der Stimme? – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Das Gesetz ist damit so angenommen. Es hat den Titel: „Bayerisches Eliteförderungsgesetz“.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Gesetzentwurf der Abg. Hans-Ulrich Pfaffmann, Dr. Hildegard Kronawitter (SPD) zur Änderung des Bayerischen Schulfi nanzierungsgesetzes (Drs. 15/1235) – Zweite Lesung –

Zu diesem Gesetzentwurf gibt es keine Aussprache. Wir kommen deshalb gleich zur Abstimmung. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf auf Drucksache 15/ 1235 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen empfi ehlt die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die SPD-Fraktion. Gegenstimmen? – Das ist die CSUFraktion. Stimmenthaltungen? – Darf ich das Abstimmungsverhalten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erfahren?

(Zuruf der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Also Zustimmung. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Joachim Herrmann, Dr. Otmar Bernhard, Markus Sackmann u. a. u. Frakt. (CSU) Keine Lockerung des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts (Drs. 15/2615)

Änderungsantrag der Abg. Joachim Herrmann, Dr. Otmar Bernhard, Markus Sackmann u. a. u. Frakt. (CSU) (Drs. 15/3071)

Ich eröffne die Aussprache. Die Redezeit pro Fraktion beträgt 15 Minuten. Ich gehe davon aus, dass sie nicht mehr ausgeschöpft wird. Das Wort für die CSU-Fraktion hat Herr Kollege Dr. Bernhard. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute den Stabilitätspakt, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist. Sie haben den Stabilitätspakt inzwischen ausgehebelt, und die Perspektive für Deutschland ist jetzt wohl der Münteferingsche Radikalsozialismus und uferlose Verschuldung. Die Drei-Prozent-Grenze hat in Zukunft keinerlei Bedeutung mehr. Es gibt keinen blauen Brief, es gibt keine Sanktionen mehr. Der Pakt ist zur Makulatur geworden, auch wenn man schöne Dinge drum herumgebaut hat. Der Pakt ist der politischen Beliebigkeit anheim gegeben. Es gibt keine Konsequenzen mehr.

Das ist deshalb dramatisch, meine Damen und Herren, weil der Stabilitätspakt die einzige rechtliche Klammer für diese Währung war. Wir haben keine Union, die eine gemeinsame Wirtschaftspolitik und eine gemeinsame Finanzpolitik hätte. Es gibt keine zentrale Steuerung. Früher war man der Auffassung, eine Währung könne überhaupt nur eingeführt werden, wenn man eine solche zentrale Steuerung hat. Der Ersatz sozusagen war der Stabilitäts

pakt, den Sie jetzt praktisch beseitigt haben. Das heißt, das Korsett und die einzige Garantie für Vertrauen, Stabilität und – das ist das Dramatische – für langfristige Wachstumsperspektiven, sind entfallen. Damals gab es den Schwur: Der Euro ist so stabil wie die D-Mark.

Dabei geht es nicht um eine kurzfristige Betrachtung, ob es mehr oder weniger Preissteigerung gibt, sondern es geht um die langfristige Vertrauenssituation. Sie haben dabei nahezu den gesamten ökonomischen Sachverstand in Deutschland und im Ausland ignoriert. Herr Trichet sagte vor längerer Zeit schon, sollte man dieses Projekt verwirklichen, würde die europäische Währung unterminiert. Die Deutsche Bundesbank sprach von einer „gefährlichen Schlagseite“. Das alles hat Sie aber nicht gestört. Im Moment stehen konjunkturelle Maßnahmen in Höhe von zwei Milliarden Euro in Rede. Die Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass unter den heutigen Bedingungen – offene Märkte und Ausschreibungspfl icht in der Europäischen Union etc. – solche Konjunkturprogramme nicht mehr wirksam sind. Sie erzeugen damit wieder nur einen „Strohfeuer-Effekt“ mit der Folge der weiteren Beschädigung des Wachstumspotenzials und der weiteren Verschuldung und Zinslasten. Das Argument der antizyklischen Finanzpolitik ist leider – so richtig es in der Theorie wäre – eine Illusion, weil es noch nie funktioniert hat. Man kann die Schulden in positiven Konjunkturzyklen nie mehr auffangen. Das hat noch nie funktioniert und ist ein vorgeschobenes Argument. Der Stabilitätspakt war fl exibel genug, um alles abzudecken, was abgedeckt werden soll.

Klar ist, dass Sie eine Schuldenstrategie vor der Bundestagswahl 2006 gefahren haben. Sie haben den Stabilitätspakt zerstört. Er existiert nicht mehr, und Sie – ich will das betonen, weil das dramatisch ist - beschädigen vor allem die Wachstumsperspektiven in Deutschland, obwohl wir ohnehin das wachstumsschwächste Land in der Europäischen Union sind.

Der Internationale Währungsfond – IWF – hat Ihnen bescheinigt, dass Ihr Handeln negative Auswirkungen auf das Vertrauen der Finanzmärkte in Deutschland haben wird. Sie sind aber fi nanzpolitisch völlig hemmungslos. Sie zeigen keinerlei Verantwortung gegenüber der nachfolgenden Generation, die diese Schulden abtragen muss. Schon heute weiß jeder, dass wir 1,4 Billionen Euro Schulden, die wir bereits haben, nie abtragen werden können. Das einzige Instrument, das hinter vorgehaltener Hand bereits diskutiert wird, ist eine viel stärkere Infl ation, weil man in den öffentlichen Haushalten nicht anders damit umgehen kann.

Richtig wäre gewesen, den Stabilitätspakt in die andere Richtung zu verändern. Das hatten wir vorgeschlagen. Der Kommission sollten mehr Rechte gegeben und die Eingriffe und Überwachung der europäischen Währung unabhängiger von der Politik gemacht werden. Sie haben das Gegenteil getan. Meine Damen und Herren, das ist ausgesprochen schädlich und verhängnisvoll und eine wirklich dramatische Entwicklung.

(Beifall bei der CSU)

Ich möchte niemanden in seiner Rede einschränken. Wenn wir aber heute noch abstimmen könnten, wäre das dem Antrag dienlich. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaubte schon gar nicht mehr daran, dass wir diesen Antrag behandeln werden, denn er wurde sogar über das Datum hinaus, dessentwegen er behandelt werden sollte, verschoben. Es war klar, dass die Diskussion noch kommen würde, damit Sie auf der „Schaubühne“ des Plenums ein bisschen polemisieren können, wie Sie das getan haben, Herr Dr. Bernhard.

Ich fi nde schlimm daran, dass am 3. März 2005, als der Antrag das zweite Mal auf der Tagesordnung stand, Angela Merkel und Dr. Edmund Stoiber einen Brief an den Kanzler geschrieben und ihm angeboten hatten, sich endlich konstruktiv an einem Pakt für Deutschland beteiligen zu wollen. Daraus ist nichts geworden. Das konnte ich den Medien entnehmen. An diesem Plenumstag gab es in meiner Heimatzeitung, der „Augsburger Allgemeinen“, einen Leitkommentar, aus dem ich zitieren möchte:

Was macht die fromme Offerte so tückisch? – Die Tatsache, dass wir Wähler darauf warten, dass die Parteien ihr ewiges Gegeneinander vergessen und gemeinsam gegen die Arbeitslosigkeit vorgehen. Wer sehnte sich nicht danach?

Im selben Kommentar,

Welche Zeitung war das? – Die „Augsburger Allgemeine Zeitung“. der mit dem Titel „Gemeinsam gegeneinander“ überschrieben ist, wird auch festgestellt, dass der Bürger/die Bürgerin Ihnen das nicht mehr abnimmt und sich diese an den Kopf fassen und fragen, wohin es mit der Politik in Deutschland gehen solle; denn der Bürger/die Bürgerin hat das Gefühl, dass die Politik – nicht die einzelne Partei - Prozesse blockiert. Wenn den Politikern nichts mehr einfällt, entgleisen sie und stehen wenigstens in der Zeitung. An dem Tag hat CSU-Generalsekretär Söder uns das vorgemacht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bürger und die Bürgerin in diesem Staat können nicht verstehen, dass Sie als große Volkspartei, die ansonsten Wohlwollen genießt, immer wieder Strafverfahren – – (Dr. Otmar Bernhard (CSU): Meinen Sie, dass 62 % das nicht verstehen?)

Ich sagte nicht, Sie hätten laut der Umfrage keine Mehrheit.

Allerdings sagen der Bürger und die Bürgerin auch, dass sie in diesem Zusammenhang nicht verstehen könnten – nach „Augsburger Allgemeiner Zeitung“ –, dass es nur die übliche ritualisierte parteipolitische Schuldzuweisung gibt

und andererseits die Forderung, von Bürgern in Deutschland und im Freistaat Bayern Strafgelder bei Verfehlungen von Kriterien einzufordern. Das sei übliche ritualisierte parteipolitische Schuldzuweisung, schreibt die „Augsburger Allgemeine Zeitung“. Apropos ritualisiert: Kollege Dr. Runge hat recherchiert. In den letzten zwölf Monaten ist es das vierte Mal – mit der Behandlung im Ausschuss das fünfte Mal –, dass wir uns mit ein- und demselben Thema beschäftigen, einem Dringlichkeitsantrag, der überholt ist.

(Dr. Otmar Bernhard (CSU): Der Dringlichkeitsantrag wurde kurz vor der Entscheidung eingereicht. Er war sehr dringlich, wie sich jetzt erwiesen hat!)

Na ja. Am 22./23. März 2005 hat der Europäische Rat einstimmig beschlossen, nicht nur die Kosten für tief greifende Maßnahmen zum Umbau des Sozialsystems, sondern auch die Ausgaben für die Wiedervereinigung Deutschlands bei der Betrachtung der Kriterien besondere Berücksichtigung fi nden soll. Das bedeutet auf keinen Fall die Aufweichung des Stabilitätspakts, und es bedeutet auch nicht, dass die Drei-Prozent-Grenze nicht mehr von Bedeutung wäre, wie Sie das behauptet haben. Beim Frühjahrsgipfel der EU wurde beschlossen, dass sich die Mitgliedsstaaten in Phasen positiver Konjunkturentwicklung zum Schuldenabbau verpfl ichten müssen.

Der EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Almunia hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, die Kommission werde beweisen, dass der Pakt nicht tot ist, sondern voll und kräftig dasteht – so ein Zitat. Offenbar hat am Rande des EU-Rates im März auch im Kreise der europäischen Konservativen die Vernunft über ein wahltaktisches Kalkül gesiegt. Der Einzige, der bei der Besprechung der EVP-Vertreter noch versuchte, die Teilnehmer zu dieser Blockadehaltung zu bewegen, war Ihr Parteivorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU – ebenso wie Sie jetzt wieder einmal im Plenum des Bayerischen Landtags.

Zurück zu den Anträgen: Gerne möchte ich an dieser Stelle klipp und klar sagen: Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Bayerischen Landtag bekennen uns, ebenso wie die Bundesregierung, zum Stabilitäts- und Wachstumspakt. Der ökonomische Sachverstand und die Erfahrung, die wir in der wirtschaftspolitischen Situation innerhalb der EU zuletzt gemacht haben – das ist auch durch die Beschlüsse des Europäischen Parlaments bezüglich der Gültigkeit bestätigt worden – zeigen uns, dass es in der Praxis keine schematischen und automatischen Verfahrensschritte geben kann, sondern dass der Blick auf das betroffene Land und die Situation, in der agiert wird, gerichtet werden muss. Das bedeutet für uns von der SPD-Fraktion – wie wir in unserem Antrag formuliert haben, den wir aber inzwischen zurückgezogen haben, weil wir denken, der Europäische Rat hat eine abschließende Entscheidung getroffen –, dass sowohl die Europäische Kommission die Hintergründe und die Situation in den betreffenden Ländern genau analysieren sollte, bevor mögliche Schritte in einem Defi zitverfahren eingeleitet werden. Die Überlegungen, dass Kommission und Rat ihre jeweiligen Ermessensentscheidungen auf Basis einer ökonomisch fundierten Analyse des Einzelfalls treffen soll

ten, hat mit Aufweichungs- oder Verschuldungspakt, wie Sie es gern in den Redebeiträgen nennen, nichts zu tun. Lassen wir die Kirche im Dorf. Auch das Grundkonzept des EU-Stabilitätspakts wird damit nicht infrage gestellt.

Wir müssen uns an der Tatsache orientieren, dass der Pakt nicht nur ein Stabilitäts-, sondern auch ein Wachstumspakt ist. Die richtige Finanzpolitik, die Stabilität und Wachstum gleichermaßen fördert, kann nicht alleine durch das Einhalten der 3 %-Defi zitgrenze gemessen werden. Dies wird der Komplexität der fi nanzpolitischen Realität nicht gerecht.

Ich bitte Sie, darauf zu achten, dass der Maastrichter Vertrag ein öffentliches Defi zit von über 3 % nicht zwingend einem übermäßigen Defi zit gleichsetzt, bei dem ein Defi zitverfahren einzuleiten ist. Die Kommission muss in Prüfungen alle sonstigen einschlägigen Faktoren, einschließlich der mittelfristigen Wirtschafts- und Haushaltslage der Mitgliedsstaaten mit einbeziehen.