Herr Goppel, ich habe nicht nur die sprichwörtlichen Pferde vor der Apotheke gesehen. Ich habe gerade in den letzten drei Jahren schon oft erlebt, dass diese Staatsregierung im Bildungs- und Wissenschaftsbereich ihr Wort gebrochen hat, sodass hier Vorsicht die Mutter der Porzellankiste ist.
Wiederholen Sie bitte nicht wieder Ihre mit Krokodilstränen vorgetragene Scheinrechtfertigung, Sie hätten gar kein Gesetz vorlegen können, weil die Urteile von Karlsruhe noch ausgestanden hätten! Zum einen war es doch die Staatsregierung, die nach Karlsruhe gegangen ist und die bei all den vollmundigen Gesetzesankündigungen der letzten zwei Jahre doch gewusst haben müsste, dass noch Urteile ausstehen. Warum, Herr Goppel, kündigen Sie auf der einen Seite immer wieder ein Gesetz sofort, umgehend, gleich – das waren Ihre Worte im Jahr 2003 – an, wenn Sie auf der anderen Seite noch einen Richterspruch abwarten wollten? Wenn Sie das wirklich für so wichtig halten, müssen Sie halt auch mit dem Innovationsbündnis noch warten, bis das Gesetz vorliegt. Aber das öffentlichkeitswirksame Hinhuscheln dieses Innovationsbündnisses ist Ihnen anscheinend wichtiger als eine fundierte, systematische Arbeit.
Zum anderen hätten Sie ja ohne weiteres einen Gesetzentwurf einbringen können, der die wenigen fraglichen Bereiche noch ausspart. Gesetzesnovellierungen nach kurzer Zeit haben wir hier schon öfter erlebt. 85 bis 90 % des neuen Hochschulrechts hätten ohne den Richterspruch aus Karlsruhe schon auf den Weg gebracht werden können. Aber das wollten oder konnten Sie nicht.
Als Sie dann Ihre legendären Schubladen geöffnet haben, in denen angeblich alles schon beratungsreif gelegen hat, waren diese Schubladen leer. Von den Hochschulen erwarten Sie aber jetzt eben diese bedenkliche Blankounterschrift, vor der wir nur warnen können.
Zur fehlenden Rechtssicherheit zähle ich auch das in § 2 angesprochene hochschulübergreifende Optimierungskonzept. Ich kenne bisher lediglich den Bericht der Mittelstandskommission und eine darauf basierende ansatzweise Diskussion im Ausschuss ohne konkret fassbare Ergebnisse.
Gestern hat die CSU-Mehrheit im Ausschuss etliche Streichungen von Studiengängen beschlossen, ohne auch nur ansatzweise die inhaltlichen Fragen zu klären, die offen sind. Sicher, auf unsere Nachfrage hin haben Sie dann zugestanden, dass noch kein Konzept der Lehrerbildung vorliegt. Aber die Aufhebung der Teilstudiengänge für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen in Bayreuth wurde vorsorglich schon einmal beschlossen. Eine Zwei Drittel Mehrheit verleitet zwar dazu, machtausübend und unref
lektiert Beschlüsse zu fassen; wer die Mehrheit hat, verfügt aber nicht gleichzeitig über die inhaltliche Unfehlbarkeit.
Lieber Kollege Spaenle, der Papst stammt zwar aus Bayern, daraus können Sie aber nicht für sich die Kompetenz ableiten, ex cathedra über Wahrheiten zu verfügen. Und so konnte die Frage, was denn mit einer in der Fläche zu verankernden Lehrerbildung passieren soll, wenn man sich aus dieser Fläche zurückzieht, wie das in Bayreuth geschieht, nicht beantwortet werden. Sie haben auch nicht die Überlebensfähigkeit von Studiengängen für das Realschul- und Gymnasiallehramt geprüft, wenn die Ausbildung für Grund- und Hauptschulen wegfällt. All das ist aber Bestandteil Ihres vage angepeilten Optimierungskonzepts, das in seiner Tragweite für die Hochschulen fatal sein kann, auf das sie aber heute verpfl ichtet werden sollen.
Und noch ein weiterer Aspekt lässt mich die juristische Redlichkeit Ihres Vorgehens in Zweifel ziehen. Der mitberatende Haushaltsausschuss hat wie der federführende Hochschulausschuss intensiv die Frage diskutiert und letztlich offen gelassen, wie verbindlich ein haushaltsrelevantes Innovationsbündnis sein kann, wenn das Haushaltsrecht des Landtags in der bisherigen Form weiter besteht. Das gilt für die in die Zukunft gerichteten Finanzzusagen ebenso wie für die Zusicherung der generellen Übertragbarkeit von Haushaltsresten – eine Tragödie in unendlich vielen Aufzügen im Faltlhauserschen Finanztheater. Endlich ist es uns nach langem intensivem Bemühen gelungen, im Doppelhaushalt 2005/2006 die Übertragbarkeit von Haushaltsresten in Teilbereichen haushaltsrechtlich zu verankern, da prescht das Innovationsbündnis – ohne gesetzliche Fundierung und damit wieder einmal unverbindlich – vor, relativiert aber gleichzeitig durch die Einschränkung „grundsätzlich“. Das Zittern geht also von Jahr zu Jahr weiter.
Für all diese Punkte gilt: Der Haushaltsvorbehalt kann, wie es meine Kollegin Monica Lochner-Fischer im Haushaltsausschuss richtig festgestellt hat, durch diese Art von Verträgen nicht außer Kraft gesetzt werden. Da hätten Sie sich schon andere Wege einfallen lassen müssen. Sie mogeln sich um die Frage herum, was nichts anderes bedeutet, als dass die haushaltsrechtliche Verbindlichkeit dieses Bündnisses nicht gegeben ist.
Abgeordneter Engelbert Kupka (CSU) gibt Abgeordneter Lochner-Fischer Recht, dass der Haushaltsvorbehalt grundsätzlich festgeschrieben werden müsse. Im vorliegenden Fall gehe es aber wohl darum, im Rahmen des Vollzugs beschlossener Haushalte Spielräume zu öffnen, und nicht darum, den Landtag zu binden. Bei dem Vertrag handele es sich um eine Rahmenvereinbarung mit Absichtserklärungen.
Der Landtag sei aber selbstverständlich frei, Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Innovationsbündnis in seinem Inhalt berühren. Diese Kompetenz könne nicht in einem Vertrag mit den Hochschulen außer Kraft gesetzt werden.
So weit die Einsicht in Teilen der CSU. Folglich bedeutet das also nur, dass die CSU-Mehrheit für sich eine haushaltsrechtlich unverbindliche Absichtserklärung fi xiert, die mit jeder Beratung eines Nachtragshaushalts oder eines Doppelhaushalts aufgehoben werden kann.
Das Innovationsbündnis beinhaltet somit in die Zukunft gerichtete Versprechen der CSU, deren Lebensdauer und Zuverlässigkeit wir schon in der Vergangenheit kennen gelernt haben.
Das sind Versprechen wie: Kein G 8 in Bayern! Keine Arbeitszeiterhöhung für Beamte! Das sind Versprechen wie die Erhaltung der Zweigstellen der Amtsgerichte, wie das Nein zu Studiengebühren und zu Kürzungen bei der Polizei und wie noch vieles mehr.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CSU: Das ist aber ein spärlicher Beifall! – Sus- ann Biedefeld (SPD): Wie war denn der Beifall bei Ihrem Minister vorhin?)
Meine Damen und Herren der Hochschulleitung, das sind Ihre Vertragspartner, deren Wortbruch allein in den letzten drei Jahren Aktenordner und Zeitungsschlagzeilen füllt. Wir glauben dem nicht.
Dritter Punkt: Die Planungs- und Finanzzusagen vonseiten des Staates wiederholen bereits Beschlossenes, bleiben in die Zukunft gerichtet unverbindlich und unzulänglich, legen aber die Gegenleistung der Hochschulen verbindlich fest. Die in § 5 des Innovationsbündnisses gewährte angeblich ausreichende Finanzausstattung ist ein Gebräu aus mehrfach verkauften Beschlüssen, vagen Zusicherungen und unkalkulierbaren Risiken. Damit wird dieses Innovationsbündnis auch nicht in Ansätzen der wesentlichen Erkenntnis aus dem Mittelstraß-Bericht gerecht, der für die Hochschulen eine drastische Unterfi nanzierung feststellt.
Nach einem eingängigen Vergleich zum Beispiel der in Bayern sehr gut ausgestatteten TU München mit der ETH Zürich, wonach zum Beispiel pro Studierenden in der Schweiz fast dreimal mehr Mittel zur Verfügung stehen als in München, und unter Vernachlässigung der sehr viel
schlechteren Relationen an allen anderen bayerischen Universitäten und Fachhochschulen schreibt Mittelstraß: „Der Freistaat Bayern wird, wenn er Spitzenuniversitäten auf internationalem Niveau halten will, in Zukunft zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen müssen, um dieses Ziel zu erreichen.“
Natürlich – der Kollege Spaenle hat es schon bewiesen – wird jetzt in refl exartiger Art und Weise „Rot-Grün!“ oder „Berlin!“ dazwischengerufen, um vergessen zu machen, was 16 Jahre Kohl/Waigel an fi nanziellem Chaos hinterlassen haben.
Natürlich werden Sie jetzt mit dem Finger auf andere Bundesländer zeigen, ohne zu berücksichtigen, dass vier Finger Ihrer Hand auf Sie selbst zurückweisen und sie an Ihre Verantwortung für dieses Land, für das wir alle gewählt wurden, zu erinnern.
Herr Spaenle, ich kenne Sie schon lange genug, um zu wissen: Je lauter Sie werden, um so mehr haben wir Recht!
Und keine Rede ist davon, dass mit unverantwortlichem Gerede von Steuersenkungen, mit Ihrer Verweigerung des Subventionsabbaus, mit Ihrem Nein zur sofortigen Beseitigung des Umsatzsteuerbetruges und vielem anderen mehr die unglückselige Finanzmisere der öffentlichen Hand noch weiter vergrößert werden soll.
Eines steht fest: Mit Ihren lückenhaften, halbherzigen und vermeintlichen Finanzzusagen im Innovationsbündnis zeigen Sie überhaupt keinen Weg auf, der aus der Finanzmisere für die Hochschulen führt.
Auf die fragwürdige Fixierung des Basisjahres 2004 mit seinem Kürzungshaushalt habe ich schon hingewiesen. Was ist aber der inhaltliche Kern der weiteren Finanzzusagen im Vertragstext? Da werden einmal mit Hinweis auf den bereits beschlossenen Doppelhaushalt 2005/2006 die vom Landtag bereits genehmigten Mittel zum wiederholten Male als neue Leistungen verkauft.
Das haben wir im Vorfeld der Haushaltsberatungen im Winter schon erlebt, dass ein und dieselben Beiträge immer wieder als neue großzügige Finanzleistungen der Staatsregierung in nicht enden wollenden Pressemitteilungen sozusagen im Prozess einer multiplen Haushaltsmittelschöpfung überstrapaziert wurden.
Dann setzte dieses Vorgehen jetzt aber der bisherigen Praxis die Krone auf. Die Hochschulen bekommen jetzt schon wieder das gleiche, bereits nach Haushaltsbe
schluss gesetzlich bereitzustellende Geld als angeblich neue Finanzmittel für ihre zu erbringenden Gegenleistungen bis zum Jahre 2008. Das gilt ebenso für die bereits im Haushalt festgelegten Hochschuleinnahmen aus den Gebühren für Langzeit- und Zweitstudium und natürlich auch für die Kapazitätsgewinne aus der Erhöhung der Arbeitszeit der Beamten, die ebenfalls den Hochschulen schon belassen wurden, abgesehen davon, dass diese circa 300 Stellen Minister Zehetmair bei seiner Regierungserklärung im Jahre 2003 bereits für das Elitenetz Bayern verfrühstückt hat. Im Klartext heißt das in allen Fällen, der Landtag hat gestern Mittel per Beschluss gewährt und bereitgestellt für die Finanzierung der vorhandenen Aufgaben der Hochschulen und heute sagt die Staatsregierung, weil ich dir großzügigerweise gestern Mittel gegeben habe, musst du aber morgen und übermorgen eine Reihe von weiteren Profi lierungsaufgaben erfüllen.
Verbindliche Zusagen für die auf die Hochschulen zukommenden starken Jahrgänge: Fehlanzeige! Verbindliche Zusagen für eine Erhöhung der Studierendenquote: Fehlanzeige! Verbindliche Zusagen für die G-8-bedingten Doppeljahrgänge 2011: Fehlanzeige! – Vage, unkonkrete Aussagen! Das nenne ich ein solides, kalkulierbares und ehrliches Vorgehen à la Staatsregierung. Der von uns abgelehnte Verwaltungskostenbeitrag hätte nun aber nach der Logik von Staatsregierung und CSU tatsächlich ein Plus sein können, um die Finanzierung der Hochschulen wirklich zu verbessern, zumal sie diese Verwaltungsleistungen doch auch erbringen müssen. Aber wieder: Fehlanzeige! Es heißt ausdrücklich in § 5 letzter Spiegelstrich 3. Satz: Der Verwaltungskostenbeitrag verbleibt weiterhin im Staatshaushalt. – So gewähren CSU und Staatsregierung eine ausreichende Finanzausstattung. Alle weiteren zukünftigen Mittelzusagen werden „geplant“, „in Aussicht gestellt“, „beabsichtigt“ und was sich sonst noch an Unverbindlichkeiten formulieren lässt. Sicher, das ist, wie oben aufgezeigt, haushaltsrechtlich richtig formuliert, relativiert aber gleichzeitig die beabsichtigte Selbstverpfl ichtung von Staatsregierung und CSU. Hätte man es ehrlich gemeint, dann wäre sicherlich eine juristisch unbedenkliche Formulierung zu fi nden gewesen, die die politischen Mehrheiten in diesem Hohen Hause tatsächlich gebunden hätte, entsprechende Anträge und Entwürfe in die Beratungen des Landtags einzubringen.
Herr Goppel, der von Ihnen so oft reklamierte fi nanzielle Aufwuchs ist weit und breit nicht zu sehen. Zur Ehrlichkeit hätte es auch gehört, den Hochschulen zumindest bei der Mittelbewilligung einen Infl ationsausgleich zu gewähren oder die Jahr für Jahr die Hochschulen in unkalkulierbare Finanznöte bringenden Kostensteigerungen bei den Betriebskosten aufzufangen. Auch davon ist nicht die Rede. Allein die tarifl ichen Steigerungen beim Personal werden berücksichtigt.
Geradezu unverfroren wird das Vorgehen im Bereich der Studiengebühren. Nun sollen diese von uns aus bekannten Gründen abgelehnten Finanzmittel neuerdings erst 2007 fl ießen. Anscheinend waren auch hier die angeblich schon beratungsreifen Gesetzesvorlagen auf wundersame Weise aus den Schubladen des Ministeriums verschwunden. Wie ist es sonst zu erklären, dass sich die vollmundigen Ankündigungen am Tag vor dem Karlsruher
Urteil, übermorgen wolle man an die Umsetzung der unseligen Gebührenpläne gehen, als Dampfplaudereien erwiesen haben?
Zugegeben: Jeder Tag ohne Studiengebühren ist für die Studierenden in diesem Lande ein Segen. Wir können uns gern auf eine Politik verständigen: Sie kündigen an, aber Sie setzen nicht um.
Die Jugendlichen in unserem Lande, die in ihrer Bildungskarriere ohnehin schon unerträglichen sozialen Ausleseprozessen unterworfen sind, und ihre Eltern werden darüber nicht unglücklich sein, aber Ihr Vorgehen ist durchschaubar. Bis zur Bundestagswahl 2006 können Sie es sich nicht leisten, der bayerischen Bevölkerung reinen Wein über die Höhe der Gebühren und die damit einhergehenden enormen sozialen Belastungen einzuschenken. Außerdem scheint sich unser schlagkräftiges Gegenargument gegen Studiengebühren zu bewahrheiten. Es gibt kein Gebührenmodell, das die soziale Abfederung sichert und gleichzeitig fi nanzierbar ist.