Protokoll der Sitzung vom 09.06.2005

(Beifall bei den GRÜNEN)

So geht das nicht.

Und noch einmal die andere Botschaft: Wir dürfen uns nicht nur darüber unterhalten, wie die Mittel verteilt werden, basierend auf den bisherigen alten Zielen, die jetzt neu gefasst werden, sondern wir müssen uns auch darüber unterhalten, wie die Mittelverteilung innerhalb des europäischen Budgets insgesamt aussieht. Da könnte man dann auch sagen: Die Strukturförderung ist uns so wichtig, weil wir möglichst viel Strukturförderung für Bayern erhalten wollen. Deswegen müssen wir bei anderen Feldern kürzen, weil wir wissen, dass wir insgesamt ein begrenztes Budget haben. Darüber, dass dieses Budget nicht überstrapaziert werden sollte, besteht ein großer Konsens.

Dies ist unsere Botschaft, und ich freue mich, wenn wir uns dort einigermaßen vernünftig und sachlich auseinander setzen, aber häufi g sind die Voraussetzungen dazu leider nicht gegeben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/3507 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – CSU-Fraktion, SPD-Fraktion. Gegenstimmen? – Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

Ich gebe zwischendurch das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion „Für eine gerechte Lohn- und Einkommensteuer“, Drucksache 15/3505, bekannt: Mit Ja haben 30, mit Nein haben 99 gestimmt; es gab 11 Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 3)

Ich rufe zur gemeinsamen Behandlung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Helga Schmitt-Bussinger, Florian Ritter u. a. u. Frakt. (SPD) Keine Abschaffung der kommunalen Stichwahlen (Drs. 15/3508)

und den nachgezogenen

Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Keine Abschaffung der Stichwahl bei Bürgermeister- und Landratswahlen (Drs. 15/3514)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Als Erste hat sich Frau Kollegin Schmitt-Bussinger gemeldet. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zu den vorliegenden Anträgen spreche, beantrage ich namentliche Abstimmung.

Vor genau vier Wochen haben Sie, Herr Innenminister Dr. Beckstein, das Thema „Abschaffung der Stichwahlen“ in die politische Diskussion eingebracht. Die Jahrestagung der Landräte schien Ihnen geeignet, diesen Vorstoß öffentlich zu machen. Die entsprechende Wirkung wurde – so muss man sagen – nicht verfehlt. Seit vier Wochen sorgt dieses Thema nun wieder für Schlagzeilen.

Kurz bevor die parlamentarische Debatte stattfi nden konnte, wollten Sie, Herr Innenminister, Ihre Überlegungen zur Abschaffung der Stichwahlen doch nicht weiter verfolgen. Sie begründeten dies damit – so war zumindest in den Medien zu lesen –, dass durch die Gegenargumente der Opposition und anderer Gegner die Diskussion in eine Schiefl age geraten sei, die unangemessen, unangebracht sei.

Es ist schon erstaunlich, wie schnell Pläne fallen gelassen werden können; es ist schon erstaunlich, wie die Staatsregierung hier auf Widerstand vermeintlich sensibel reagiert. Fürchten Sie den Widerstand etwa? Das tun Sie doch sonst auch nicht. Bei anderen Themen – ich nenne zum Beispiel das Büchergeld – sind Sie durchaus hartnäckiger.

Woran liegt es also, dass Sie hier aufgeben? Ist es die Ankündigung einer Verfassungsklage, sind es die widerspenstigen Kommunalpolitiker, oder ist es die anstehende Bundestagswahl? Werden jetzt womöglich bis zur Bundestagswahl alle Themen, die Kritik, die Widerstand erzeugen, in der Schublade verschwinden? Werden auch so umstrittene Themen wie die Verlagerung von Bezirksaufgaben oder sogar das Kindertagesstättengesetz in der Schublade verschwinden?

(Alexander König (CSU): Nein!)

Zutrauen würde ich es Ihnen auf jeden Fall. Alles, was Ihnen Kritik einbringen könnte, muss jetzt vom Tisch. So könnte die Denkweise sein. Wir werden sehen, Herr Kollege König.

Aber zurück zum Thema. Die Abschaffung von Stichwahlen bei Oberbürgermeister-, Bürgermeister- und Landratswahlen kam auch in der vergangenen Wahlperiode auf die Tagesordnung. Zuletzt gab es im Jahr 2000 Dringlichkeitsanträge dazu von SPD und GRÜNEN. Damals haben Sie, Herr Innenminister, das Thema nicht vorher für erledigt erklärt; vielmehr hat Ihr Staatssekretär

Herr Regensburger die Aussprache zu den Dringlichkeitsanträgen mit der Aussage eröffnet und gleichzeitig beendet, dass – ich zitiere – „weder bei der Staatsregierung noch beim Innenministerium solche Überlegungen existieren. Deshalb meine ich, dass auf die Beratung der Anträge verzichtet werden kann.“

Die SPD-Landtagsfraktion will die notwendige Debatte hier und heute führen. Deswegen haben wir unseren angekündigten Dringlichkeitsantrag auch nach Ihrem Rückzieher, Herr Minister, gestellt. Wir wollen, Kolleginnen und Kollegen, einen Austausch der Argumente, wir wollen ein Votum des Hohen Hauses, und wir wollen wissen, wie die CSU-Fraktion zu diesem Thema steht.

In Pressemitteilungen werden Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der CSU, ja höchst unterschiedlich zitiert. Sagen Sie also jetzt, was Sie denken! Wie stehen Sie zu den Argumenten Ihres Innenministers, der überzeugt davon zu sein scheint, dass es eine Reihe guter Argumente gebe, die man in Ruhe und sorgfältig diskutieren könne? Die Argumente, die ich bisher von Ihnen, Herr Innenminister, gehört habe, sind keine sehr guten Argumente. Damit auseinander setzen muss man sich dennoch.

Sie sagen, Herr Innenminister, der Erstplazierte des ersten Wahlgangs würde in der Regel auch die Stichwahl gewinnen. Sie bemängeln die geringe Wahlbeteiligung bei Stichwahlen, und Sie sagen, man könne das Geld, das für die Stichwahlen ausgegeben würde, einsparen.

Meine Damen und Herren, das Kostenargument kann hier nicht greifen. Demokratie darf nicht an den Kosten scheitern. Landrat Grein zum Beispiel spricht von 41 Cent pro Einwohner an Kosten und, Herr Minister, zumindest Ihr Sprecher Herr Ziegler gesteht nach einem Pressebericht ein, dass im Ministerium gar keine Zahlen dazu vorliegen. Was soll dann das Gerede von angeblich zu hohen Kosten?

Die Wahlbeteiligung, die von Ihnen als zweiter Grund angeführt wird, kann auch nicht das ausschlaggebende Argument sein. Die Wahlbeteiligung lag bei Stichwahlen in deutlich überwiegenden Fällen zwischen 55 und 91 %. Das ist doch keine geringe Beteiligung.

Was die Chancen des Erstplazierten des ersten Wahlgangs betrifft, so stimmt die Aussage, der Erstplazierte würde in der Regel auch die Stichwahl gewinnen, bei etwa einem Drittel aller Stichwahlentscheidungen auch nicht. Bei den Kommunalwahlen 2002 und bei den Kommunalwahlen 1996 habe ich das nachgerechnet. Bei den Kommunalwahlen 2002 gab es zusammen 46 Stichwahlen in Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern und bei den Landratswahlen. In 15 dieser 46 Stichwahlentscheidungen siegte der Bewerber/die Bewerberin mit dem zweithöchsten Stimmenergebnis. Dass dies nicht immer der Bewerber oder die Bewerberin der CSU war, steht auf einem anderen Blatt. Hier mag aber der eigentliche, der tiefere Grund Ihrer Überlegungen zu suchen sein, und genau hier vermute ich das tatsächliche Problem.

Ihr Problem heißt zum Beispiel Lindau. Dort hat der CSUMann geführt, gewonnen hat in der Stichwahl Herr Dr. Leifert von der SPD. Ihr Problem heißt zum Beispiel Neustadt/ Aisch. Auch dort hat der CSU-Mann geführt, gewonnen hat Herr Schneider von den Freien Wählern.

Sie haben noch 14 weitere ähnliche Probleme. In 14 kreisfreien Städten und Landkreisen von insgesamt 15 lag die CSU 2001 im ersten Wahlgang noch vorne. 14 haben Sie in den Stichwahlen verloren, nur einen Bewerber haben Sie bei den Stichwahlen durchgebracht. Da liegt der tatsächliche Beweggrund. Sie wollen das Wahlrecht instrumentalisieren. Sie wollen die Listenverbindungen an die Leine nehmen. Sie wollen den Wählerinnen eine Wahlalternative nehmen, und Sie versuchen totzuschweigen, dass davon vor allem eine Partei profi tieren würde, nämlich die CSU.

(Wolfgang Hoderlein (SPD): Sehr interessant!)

Meine Damen und Herren, die Wahl von Oberbürgermeistern, Bürgermeistern und Landräten ist seit jeher eine echte Persönlichkeitswahl, und da ist der bisherige Wahlmodus angemessen, vor allem angesichts der starken Stellung, die ihm das Kommunalrecht zuweist. Unsere Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte haben auch deshalb eine starke Stellung, weil sie unabhängig sind, und unabhängig sind sie vor allem, weil sie direkt gewählt sind und dank des gültigen Wahlmodus eine absolute Mehrheit und einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung haben. Den brauchen wir, und den wollen wir erhalten.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen. Dem Antrag der GRÜNEN, der inhaltlich mit unserem übereinstimmt, stimmen wir ebenfalls zu.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Als Nächste hat Frau Kollegin Kamm das Wort.

Christine Kamm (GRÜNE)(von der Rednerin nicht autori- siert): Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir begrüßen außerordentlich die Erklärung des Innenministers Beckstein, den Vorstoß zur Abschaffung der Stichwahl nicht weiterzuverfolgen. Ich hoffe sehr, dass ein derartiger Vorstoß nicht alle paar Jahre wieder auftaucht.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Die nächste Situation, wann er wieder auftauchen könnte, wäre im Rahmen der turnusmäßigen Überarbeitung des Kommunalwahlrechts zu den Kommunalwahlen 2008. Das Beispiel, dass ein solcher Vorstoß im Jahr 2000 schon einmal da war, zeigt eigentlich, dass offensichtlich ein Wille da ist, an diesem demokratischen Grundprinzip zu rütteln. Ich hoffe, dass der Landtag heute feststellt, dass wir diesen Anschlag auf die kommunale Selbstver

waltung, nicht weiterverfolgen und dass er in Zukunft nicht mehr aufgegriffen wird, auch nicht in zwei oder drei Jahren.

Ich weiß auch nicht, warum es überhaupt zu diesem Vorstoß kam. Es wurde ja bereits im Jahre 2000 durch Herrn Staatssekretär Regensburger im Landtag erklärt, dass dieser Vorstoß nicht weiterverfolgt wird. Warum er jetzt wieder auf der Tagesordnung steht, wissen wir nicht. Die Debatte erinnert mich etwas an die Diskussion, die wir vor wenigen Monaten hatten. Damals ging es um die Reduzierung der Standesämter in der Kommune von 1300 auf 100, also um eine erhebliche Reduzierung der Funktionen, die die Gemeinden vor Ort haben. Erst nach erheblichen öffentlichen Debatten wurde dieser Vorstoß zurückgezogen.

Ich hoffe, dass wir zukünftig vor weiteren Vorstößen dieser Art verschont werden. Doch die Erklärung, die wir gestern im Internet lesen konnten, nach der weiterverfolgt wird oder neu verfolgt werden soll, dass die kommunalen Zwischenwahlen generell mit den Landtags- und Bundestagswahlen zusammengelegt werden sollen, zeigt eigentlich, dass weitere Vorstöße gemacht werden, die rechtlich fragwürdig und praktisch kaum umsetzbar sind. Wir hoffen, dass zukünftig anders gearbeitet wird und dass auch dieser Vorstoß in der Versenkung verschwindet.

Einige Argumente, warum die Abschaffung der Stichwahlen dazu führen würde, dass die kommunale Landschaft in Bayern weniger bunt und mehr schwarz werden würde, wurden schon genannt. Wir hatten in Bayern bei den letzten Kommunalwahlen eine erhebliche Anzahl von Stichwahlen, immerhin 217 in den Gemeinden und immerhin 7 in Landkreisen. In immerhin einem Drittel der Fälle ging der Kandidat mit den zweitmeisten Stimmen im ersten Wahlgang aus der Stichwahl als Sieger hervor. Es war insbesondere bei den Gemeinden über 10 000 Einwohnern so, dass der Kandidat, der eben nicht der CSU angehörte, dank der Stichwahl Bürgermeister wurde.

Schon im Vorfeld, bei der Aufstellung der Kandidaten ist es wichtig, dass das Instrument der Stichwahl existiert, weil Außenseiterparteien, Außenseitergruppierungen häufi g keinen eigenen Bürgermeisterkandidaten ins Rennen schicken – die aber dann doch als Sieger hervorgehen –, weil sie fürchten, dass sie in einer Gemeinde, in der eine bestimmte Partei eine Mehrheit hat, nicht zum Zuge kommen können. Die Wahrheit in Bayern sieht aber anders aus. Häufi g haben wir Bürgermeister, die ein anderes Parteibuch haben als die Mehrheit der Abgeordneten im Gemeinderat.

Ohne die Stichwahl würde sich die Landschaft in Bayern verändern, und ohne die Stichwahl hätten wir auch eine schlechtere Stellung des Bürgermeisters in bayerischen Kommunen. Ohne die Stichwahl hätte der Bürgermeister, der in Bayern eine überragende Stellung hat, auch als Hauptverwaltungsbeamter, eine schlechtere Position, und allein das ist es wert, dass wir dafür Sorge tragen, dass Bürgermeister und Landräte wirklich mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen und nicht nur mit 25 oder 30 % ihr Mandat erhalten können.

Wir sehen im Vorstoß zur Abschaffung der Stichwahl ein parteitaktisches Manöver, das etwas unglücklich als Beitrag zum Sparen kaschiert werden soll. Beiträge zum Sparen sehen anders aus; wir haben schon viele Beispiele dafür genannt. Sie sollten mehr bei den Bürgermeistern nachfragen, bei den Landräten nachfragen, wie die Finanzen der Kommunen entlastet werden können. Die Abschaffung des demokratischen Selbstverwaltungsrechts in der Kommune gehört nicht dazu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als Nächster hat sich Herr Minister Beckstein zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich will zunächst deutlich erklären: Das Innenministerium und ich als Innenminister werden in dieser Legislaturperiode das Thema in jedem Fall nicht weiterverfolgen.