Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Runge, Sie haben eben über alles Mögliche geredet, nur nicht über das Thema des Dringlichkeitsantrages, der gerade zur Debatte steht: „Bedingungen für strukturschwächere Regionen in Bayern bei den anstehenden EU-Strukturfondsverordnungen für 2007 bis 2013 verbessern“.
Ich bin sehr dankbar, dass die CSU-Fraktion dieses Thema aufgegriffen hat. Es geht in der Tat darum, wie wir in der Zukunft, in den Jahren 2007 bis 2013, in unseren Grenzregionen, die seit dem 1. Mai 2004 inzwischen im Mittelpunkt Europas liegen, nicht an dessen Grenzen, Strukturveränderungen abfedern. Das ist etwas, das Europa interessiert, ganz im Gegensatz zu dem, was Herr Dr. Runge hier behauptet. Hier gibt es ein Lohngefälle, es gibt ein Gefälle in der Steuerpolitik, in sozialen Fragen und ein Fördergefälle. Es macht deshalb Sinn, sich zu überlegen, was in diesem Grenzbereich passiert. Das darf keine Laufmasche werden, sondern das muss ein Reißverschluss werden.
Für das Ziel 1, das heißt für eine Förderung in einem relativ hohen Rahmen, muss das Durchschnittseinkommen unter 75 % des durchschnittlichen Einkommens der Europäischen Union liegen.
Richtig. So ein Gebiet haben wir Gott sei Dank in Bayern nicht. Wir liegen zwischen 110 und 160 %. Bayern wird deshalb von diesem Ziel 1 nicht profi tieren. Das ist das Erste. Das Zweite ist, dass die Europäische Kommission ein Ziel 2 und auch ein Ziel 3 vorgeschlagen hat. Der Gesamttopf der Strukturförderung beträgt 336,1 Milliarden Euro. Für das Ziel 2 stehen 57,9 Milliarden Euro für den vorgesehenen Zeitraum von sieben Jahren zur Verfügung. Nun stelle ich mir folgende Frage: Wenn es dem österreichischen Bundeskanzler gelingt, dass in Artikel 220 der neuen Verfassung hineingeschrieben wird, dass die Grenzregionen – und zwar genau die, um die es hier geht – besonders gefördert werden sollen, dann wollen Sie als bayerischer Abgeordneter sich hier hinstellen und sagen: Das interessiert mich nicht, das ist kein europäisches Thema!?
Sie sind von einem anderen Stern, Herr Kollege Runge. Sie stehen den bayerischen Grenzregionen feindlich gegenüber.
Wir haben dann auf der Grundlage dieses Verfassungsartikels versucht, einiges in der Strukturfondsgrundverordnung zu erreichen. Herr Kollege Runge, das ist auch gelungen, aber nicht durch die Bundesregierung. Wir haben direkt mit der Kommission verhandelt.
(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Wenn Sie mich ansprechen, dann sollten Sie mir vorher zuhören! Ich habe genau die Beteiligung Bayerns und Österreichs herausgestellt!)
Ich habe genau zugehört. – Wir haben nach dem ersten Vorschlag der Kommission in der Strukturfondsgrundverordnung sogar die Möglichkeit, die Grenzregionen mit 5 % mehr zu fördern. In der Strukturfondsgrundverordnung sind genau diese Grenzregionen ebenfalls anerkannt. Dies war möglich, weil Regionen in Europa, die ähnlich betroffen sind – Friaul-Julisch Venetien, mehrere österreichische Länder, Bayern –, eine gemeinsame Initiative unternommen haben.
Ich sage noch etwas dazu: Die luxemburgische Präsidentschaft hat diese Vorschläge genauso übernommen. Sie befi nden sich nach wie vor im Verhandlungspaket der luxemburgischen Präsidentschaft. Das zeigt ganz deut
Ich habe natürlich nicht nur mit den Regionen außerhalb Bayerns verhandelt. Ich habe auch die Bundesregierung gebeten, tätig zu werden. Der von Ihnen gestellte NochFinanzminister Eichel schrieb mir dann mit Datum vom 26. Januar 2005 zurück:
Ich bitte um Verständnis, dass ich den Vorschlag, die Grenzregionen in den strategischen Kohäsionsleitlinien hervorzuheben, nicht aufgreifen möchte.
Der eigentliche Skandal ist, dass die Bundesregierung die Grenzregionen im Stich lässt und nicht unterstützt.
Herr Kollege Hoderlein, Sie haben natürlich Recht: Sie haben Initiativen ergriffen. Aber Sie haben Ihren eigenen Bundesminister davon noch nicht in Kenntnis gesetzt. Bundesminister Eichel fällt eigentlich den Grenzregionen in den Rücken. Wir haben internationale Unterstützung, und Eichel sagt: Das ignoriere ich; das interessiert mich nicht; das greife ich nicht auf. Diese Situation ist für uns unerträglich.
Meine Damen und Herren, darin, dass das Fördergefälle zu hoch ist, stimmen wir mit der Bundesregierung überein. Bayern hat mit den anderen Regionen eine gemeinsame Position erarbeitet. Es kommt ja nicht auf die absolute Höhe, sondern auf den Unterschied an. Der entscheidende Punkt ist, dass wir nicht einen zu großen Unterschied bekommen. Unsere Forderung lautete: maximal 20 % Unterschied bei der Förderung privater Investitionen. Diese Forderung konnte bisher noch nicht durchgesetzt werden. Wir liegen jetzt bei einem Wert von 30 %. Insoweit unterstützt uns die Bundesregierung. Das erkenne ich an. Aber es ist noch viel Arbeit zu erledigen, um letzten Endes auch diesem Ziel etwas näher zu kommen.
Wir haben natürlich auch einiges im Hinblick auf die Deminimis-Regelung erreicht. Von 100 000 Euro ist der Betrag nunmehr auf 150 000 Euro erhöht worden. Wir wollten 200 000 Euro haben. Für mich ist es schlichtweg unverständlich, dass Bundesminister Eichel, wenn wir eine solche Forderung an ihn richten – diese bedeutet auch Bürokratieabbau – zurückschreibt, eine Anhebung der De-minimis-Schwelle über die derzeit geltende Grenze von 100 000 Euro erscheine „bereits aus rechtlichen Gründen nicht möglich, da das EU-Primärrecht dieser Art von Freistellung enge Grenzen“ ziehe.
Nun frage ich mich: Wenn sich die Kommission selber für 150 000 Euro entscheidet, wo ist eigentlich die Bundesregierung tätig, um für weniger Bürokratie, für mehr Flexibilität, für mehr Spielräume einzutreten? Diese Situation hat doch die Bundesregierung total verschlafen. – Und dann schreibt Eichel noch darunter:
Wir müssen hier noch einmal nachlegen. Was die Verhandlungen über den EU-Finanzrahmen angeht, so ist es richtig, dass die Forderung nach 1 % von der Bundesregierung stammt.
Herr Runge, vielleicht denken Sie schon daran, dass Sie bald nicht mehr die Bundesregierung stellen. Dafür habe ich Verständnis. Aber diese Forderung kommt von der Bundesregierung und ist von uns unterstützt worden. Herr Hoderlein, wenn wir kürzen, kommt es jetzt entscheidend auf eines an. Bayern ist in keinem Fall im Ziel-1-Gebiet. Diese Kürzung darf nicht überproportional zulasten der Ziel-2-Gebiete gehen. Momentan wird eine sehr deutliche Absenkung des Anteils an den 336,1 Milliarden Euro von 18 % auf 15 % vorgeschlagen. Das geht zulasten der Ziel-2-Gebiete. Deswegen kann eine solche Kürzung nach unserer Auffassung nur linear erfolgen, und wir müssen auch Überlegungen bezüglich der Förderhöhe anstellen. Es gibt ja zwei Stellschrauben, einmal die Stellschraube für das, was bei uns gefördert wird, und die andere Stellschraube ist die Höhe des Fördersatzes zum Beispiel in der Tschechischen Republik. Ich denke, dass wir insoweit noch einmal – vielleicht gemeinsam – antreten müssen. Deswegen ist es hoch interessant, wie Sie sich bei der Abstimmung verhalten. Das werden wir natürlich in den Grenzregionen auch sehr deutlich sagen.
Meine Damen und Herren, in den letzten Tagen haben die Verhandlungen im Europäischen Parlament stattgefunden. Unser Kollege Manfred Weber hat sich sehr intensiv eingesetzt. Vieles wurde erreicht. Nicht erreicht haben wir, dass die Mitgliedstaaten die Grenzregionen nach den strategischen Kohäsionsleitlinien im Sinne einer Basisförderung unterstützen müssen. Aber genau da hat Herr Eichel auch nicht mitgemacht und nicht befürwortet, dass die Grenzregionen bei der Verteilung der Mittel zwischen den Mitgliedstaaten besondere Berücksichtigung fi nden.
Ich komme noch einmal auf die Grundverordnung zurück. Das Wort „Grenzregionen“ ist ein schillernder Begriff. Aber es ist ein wichtiges Signal, dass die Grenzregionen von der Kommission als stark benachteiligte Gebiete eingestuft wurden. Diese Position hat jetzt auch die luxemburgische Ratspräsidentschaft übernommen.
Ich komme zur Zusammenfassung. Gott sei Dank gibt es – das ist aus unserer Sicht eine Vereinfachung – keine Förderkulisse für das Ziel 2 mehr. Wir sind also in Bayern fl exibel, und wir können – natürlich mit Zustimmung der Bundesregierung; entsprechende Vereinbarungen müssen geschlossen werden – unsere eigenen regionalen Förderschwerpunkte setzen.
Für uns wäre es wichtig, dass wir in den Verhandlungen mit den anderen Bundesländern Unterstützung hätten; denn dann könnten wir das ostbayerische Grenzland besser fördern. Dafür steht die Staatsregierung. Das
zeigen unsere Ertüchtigungsprogramme, das zeigt unsere ständige Forderung, auch bei der Gemeinschaftsaufgabe nachzulegen. Das zeigt auch die Arbeit von Minister Wiesheu, der dafür gekämpft hat, dass die klassische KMU-Förderung auch im künftigen Ziel-2-Kontext erhalten bleibt. Das hat jetzt auch das Europäische Parlament auf Initiative des Kollegen Weber aufgegriffen.
Wir haben also Möglichkeiten. In den nächsten Tagen und Wochen, wenn Luxemburg zu einem Ergebnis kommt, wird sich das entscheiden. Deswegen macht es sehr viel Sinn, dass wir als Bayerischer Landtag noch einmal möglichst geschlossen auftreten und dies unterstützen. Wir sollten damit nicht nur sicherstellen, dass ganz Bayern in den Genuss von Strukturförderungsmitteln kommt, sondern wir sollten damit nach wie vor speziell dem Grenzland helfen, das Anpassungs- und Strukturprobleme hat. Ich würde es bedauern, wenn der Bayerische Landtag in dieser Frage auseinander fallen würde.
Die Staatsregierung begrüßt diesen Entschließungsantrag. Wir tun alles, um uns durchzusetzen. Je geschlossener die Position des Bayerischen Landtags ist, je mehr Sie auf Ihre Bundesregierung hinwirken, desto besser können wir uns in Brüssel positionieren. Die Bundesregierung hat ja nicht mehr viel Zeit; aber in dieser kurzen Zeit könnte sie noch etwas Gutes für Bayern tun.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Sinner, dass wir diesem Antrag nicht zustimmen können und werden, dürfte auch für Sie selbstredend sein. Das ergibt sich schon aus dem Verkehrsteil. Es ist bekannt, dass wir nicht jede Forderung, nicht jedes TEN-Projekt unterstützen.
Nun zu dem Teil „Strukturförderung, Strukturpolitik“. Wenn Sie mich schon immer anschauen und ansprechen, dann hören Sie mir doch bitte auch zu. Ich habe dezidiert und wortwörtlich gesagt: Die Kommission hat sich bewegt, zugegebenermaßen auf Initiative Österreichs, Bayerns und anderer Regionen; jetzt geht es um die Platzierung und Konkretisierung.
Dann ging es aber weiter. Dazu müssen wir uns wirklich anschauen, wie sich die Strukturförderung innerhalb der bisherigen Ziele 1, 2 und 3 bewegt. Sie sagen: Bayern war nie Ziel 1 und wird erfreulicherweise nie Ziel 1 sein, weil wir keine Regionen mit besonderem Rückstand haben; also müssen wir als Bayern sagen, das, was die Kommission und nicht ganz so scharf die Ratspräsidentschaft vorschlagen, muss noch einmal eingeebnet werden, wir brauchen eine etwas gleichmäßigere Verteilung der künftigen Mittel auf die alten Ziele 1, 2 und 3.
Dazu sagen wir: Nein, das ist Gießkannenprinzip. Das sagen wir ganz klar, es gibt nämlich sehr rückständige Regionen, die dann weiter rückständig bleiben werden. Dann aber sagen Sie, Herr Sackmann, dass Bayern gefährdet ist. Es kann doch nicht sein, dass Sie immer nur auf die anderen zeigen und immer fordern, während in Bayern die Mittel der regionalen Strukturförderung und der regionalen Wirtschaftsförderung zurückgefahren werden.