Protokoll der Sitzung vom 29.09.2005

In der Hauptschule steigen die Schülerzahlen zwar nicht an, aber in einer Sitzung des Bildungsausschusses hat das Kultusministerium selbst festgestellt, dass das Ziel der Ausbildungsreife oft nicht erreicht wird.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Das halte ich für ein Armutszeugnis. Wir müssen diesen jungen Menschen helfen. Deswegen brauchen wir eine strategische Bedarfsplanung, die mehr Lehrer und Lehrerinnen zur individuellen Förderung und zur Verbesserung der Berufschancen von Hauptschülerinnen und Hauptschülern vorsieht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Nun komme ich auf die Ganztagsschulen zu sprechen, Herr Minister Schneider, und zwar in Verbindung mit den Hauptschulen. In Bayern gibt es 51 Ganztagshauptschulen. Das halte ich, mit Verlaub, für etwas kläglich. Sie müssen mehr Werbung für diese Konzepte gerade an den Hauptschulen machen. Wenn die Bundesgelder weg sind, werden die Hauptschulen das Geld von Ihnen nicht bekommen. Deshalb muss man den Hauptschulen die Chance von Ganztagsschulen klarmachen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Um es noch einmal klar zu sagen: Wir wollen die Schule im Dorf belassen. Deshalb sei an dieser Stelle noch einmal bemerkt, dass wir die Aufl ösung der Teilhauptschulen nicht für zweckdienlich halten.

(Zuruf des Abgeordneten Georg Stahl (CSU))

Wenden wir nun, Herr Kollege Stahl, unseren Blick den Realschulen zu. Hier verschlechtern sich die Rahmenbedingungen dramatisch. Die Eltern haben in sehr vielen Pressemitteilungen Handlungen dringend angemahnt. Herr Minister Schneider, Sie tolerieren mittlerweile auch Klassenstärken von 38. Das sind Zustände, die man schon aus bloßer Anschauung heraus für nicht zumutbar halten sollte. Im vergangenen Schuljahr gab es 250 Klassen mit 34 bis 37 Kindern. Dieses Jahr kommen 5000 neue Schüler und Schülerinnen dazu. Wenn wir das

durch 25 teilen, kommen wir auf 200 neue Lehrer und Lehrerinnen allein für diese Schüler. Das ist eine ganz einfache Rechnung. Die Klassengrößen in den Realschulen haben sich um ein Prozent auf 28,8 erhöht. Zu den pädagogischen Problemen habe ich schon gesprochen. Ich denke, es gibt auch Raumnot; die Zahl der Klassenzimmer wird ziemlich wenig.

Die Kommunen müssen dann wieder investieren, um welche zu bauen.

Zum Pädagogischen sagte der Vorsitzende des Realschullehrerverbandes, eine individuelle Förderung sei nicht möglich. Auch wenn Sie immer behaupten, eine individuelle Förderung sei nicht von der Anzahl der Schüler in einer Klasse abhängig, so glaube ich, bei 38 Schülern pro Klasse ist die Grenze der Toleranz überschritten. Herr Schneider hat in der Presse als einziges Ziel genannt, er wolle dafür sorgen, dass die Klassenstärken nicht anstiegen. Diesen Anspruch halte ich für zu niedrig. Ich möchte, dass die Klassenstärken sinken, und ich möchte, dass Sie mir vorlegen, wie Sie diese Klassenstärken herunterbekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein erster Schritt wäre für mich der Grundsatz: keine Klasse mit mehr als 30 Schülern. Wir fordern von Ihnen doch nichts Unmögliches. Zweiter Schritt: Wir müssen auf 25 Schüler kommen, Herr Kollege Waschler. Das gilt auch für die anderen Schularten und auch für das Gymnasium. Die Presse schreibt: Sag mir, wo die Lehrer sind. Es fehlen nicht nur Mathe- und Physiklehrer, sondern Lehrer in allen Fächern. Deshalb denken Sie jetzt über die Kürzung von Sportstunden nach. Gleichzeitig fordert Herr Schnappauf mehr Bewegung. Ich kann ihm zustimmen, und zwar in zweierlei Hinsicht. Erstens: Unsere Kinder brauchen mehr Bewegung. Zweitens: Sie brauchen mehr Bewegung in Richtung der Erkenntnis, dass wir mehr Lehrer brauchen, und zwar nicht nur, um die sportliche Bewegung abzusichern.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Der Philologenverband stellt fest, dass man zur Abdeckung des akuten Bedarfs 300 Lehrerinnen und Lehrer braucht. Am Gymnasium stieg die Klassenstärke um 0,7 % auf 28 Schülerinnen und Schüler. Mehr als 50 % der Fünftklässler waren letztes Jahr in Klassen mit mehr als 30 Kindern. Sie selbst räumen in der Presse ein, dass der Lehrerbedarf um 15 % gestiegen ist. Sie sehen: Die Liste ist lang, der Mangel hat Geschichte. Der Mangel in der bayerischen Bildungspolitik muss aber Geschichte werden. Deshalb unser Antrag und ich freue mich auf Ihre breite Zustimmung, da unsere Argumente schlüssig sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als Nächster hat Herr Kollege Waschler das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde mich einigen Sätzen der Opposition nahtlos anschießen, nämlich den

Sätzen, in denen es darum gegangen ist, dass wir nichts Neues erfahren haben. Ein Dringlichkeitsantrag – ich darf Herrn Kollegen Pfaffmann zu seiner Wahl zum bildungspolitischen Sprecher der SPD gratulieren – der SPD-Fraktion ist im ersten Teil zu übernehmen. Dort heißt es: Schwacher Start ins neue Schuljahr. Das gilt aber eben nur für die Dringlichkeitsanträge der SPD und der GRÜNEN. Das war wirklich ein schwacher Start ins neue Schuljahr.

Ich möchte das begründen, da sonst ein falscher Eindruck entsteht. Obwohl – das hat mich gefreut – anerkannt wird, dass wir bildungspolitisch nach anerkannten Studien an einer hervorragenden Position stehen, wird trotzdem lamentiert. Deswegen hören wir auch sehr kritisch und konstruktiv auf Ihre Argumente und nehmen die Punkte ernst, die Sie anschneiden, bei denen wir ansetzen können und bei denen Lösungen realistisch sind. Wenn gesagt wird, dass genug Zeit wichtig ist, dann können wir von der CSU-Fraktion das nur mit allem Nachdruck bestätigen. Wir brauchen genug Zeit, um vermitteln zu können. Keine geringere Studie als die letzte Pisa-Studie belegt uns eindrucksvoll, dass wir in Bayern im Vergleich zu anderen Ländern – Pisa zitiert Bremen – unseren Schülerinnen und Schülern 1 ½ Jahre mehr Unterrichtszeit angedeihen lassen und diese deswegen besser als in anderen Ländern dastehen. Insofern kann man sagen: Bayern hat diesen Vorsprung, weil einfach mehr Unterricht erteilt wird und das ist auch gut so.

Die weiteren Punkte lasse ich in aller Eile Revue passieren, denn darüber haben wir uns in diesem Parlament schon ausführlich unterhalten: Wenn es um die Lehrereinstellungen geht, dann kann ich sagen: Natürlich ist es wünschenswert, wenn eine große Anzahl von Lehrerinnen und Lehrern zur Verfügung steht. Aber die Finanzierung muss im Interesse unserer Kinder entsprechend gesichert werden. Wenn es um Lehrereinstellungen geht, Frau Kollegin Tolle, dann möchte ich feststellen, dass eine Einstellungsgarantie mit Sicherheit für die Qualität für die Lehrerinnen und Lehrer nicht zielführend ist. Und eine einheitliche Note querbeet, schon am besten mit Beginn des Studiums, ist mit Sicherheit nicht der Weg, auf den wir uns einstellen werden.

Wenn man ein Konzept, ein Sofortprogramm anfordert, dann muss man auch sagen: Wenn eine Lehrerbedarfsanalyse – wir haben sehr gute Lehrerbedarfsanalysen – doch das eine oder andere nicht voraussagen kann, muss man die Ursachen hinterfragen. Die Ursachen liegen unter anderem in der Mobilität der Menschen. Wenn wir eine entsprechende Zuwanderung haben, können wir nicht mit Geburtenraten kalkulieren. Wenn wir in einzelnen Schularten eine Verschiebung haben, weil mehr Eltern ihre Kinder auf weiterführende Schulen schicken, dann müssen wir uns darauf einstellen und nach Maßgabe der vorhandenen Bedingungen ernsthaft den Unterricht sicherstellen. Ich stelle ausdrücklich fest, dass das Schuljahr sehr gut begonnen hat. Der Unterricht wird nach den Stundentafeln erteilt. Jeder, der einen Einwand hat, kann diesen im Detail vorbringen.

Ich möchte feststellen, dass Forderungen, wie Sie sie einbringen, wonach ein Konzept für die schulische Situation in Bayern angeblich fehle, nicht gerechtfertigt sind. Wir

haben eine Konzeption, die reiche Früchte getragen hat; ich meine damit nicht nur Pisa. Herr Kollege Pfaffmann, auch wenn Sie Pisa nicht mehr hören können, so ist das dennoch ein großer Erfolg. Ich glaube, wir freuen uns beide und wir freuen uns alle darüber. Aber es gibt auch andere Studien wie zum Beispiel TIMSS und andere von der OECD oder der deutschen Wirtschaft, in denen belegt wird, dass wir uns wahrlich sehen lassen können.

Wenn Sie dann noch reklamieren, uns fehle die Chancengleichheit und es wäre angeblich eine soziale Sonderung gegeben, dann muss ich sagen: Auch hier hat der PisaBericht eindrucksvoll und statistisch nachweisbar belegt, dass die Chancengleichheit gerade in Bayern in besonderer Weise vorhanden ist. Auch das ist nachweisbar und deutschlandweit belegen wir eine Spitzenposition.

Herr Kollege Schindler, ich kann Ihnen den Bericht an die Hand geben; es steht wörtlich so drin, weil Sie den Kopf schütteln; wir sind gerne bereit, Material weiterzugeben. Die Studien sind auch im Internet ersichtlich.

(Franz Schindler (SPD): Ich rede aus der Praxis, Herr Waschler!)

Wir wollen auch feststellen, dass wir verschiedene Ziele haben und nicht alle Ziele vollständig realisiert sind. Es sind Ganztagsschulen und Ganztagsangebote erwähnt worden. Der Ministerpräsident hat 100 Ganztagsschulen als Zielstellung genannt, wir haben aktuell 68 erreicht. Wir haben uns 1000 Ganztagsangebote als Ziel gesetzt und aktuell sind 600 erreicht. Allein in diesem Schuljahr hat sich eine ganz gute Steigerung ergeben. Wir bewegen uns in die richtige Richtung und dagegen können auch Sie von der Opposition nichts haben.

Wenn in Ihrem Antrag steht, dass die Unterrichts- und Betreuungssituation unerträglich sei, dann kann ich nur feststellen: Wir haben eine Fülle von individuellen Betreuungsmöglichkeiten. Dies betrifft einerseits die Lehrplanseite. Hier gilt es, die Freiräume des Lehrplans entsprechend zu nutzen und ich nehme gerne Angebote auf, sich an Schulen, an denen das eine oder andere nicht so läuft, die Situation näher anzusehen. Solche Schulbesuche freuen mich ganz besonders. Wenn man dann dort ist und sich die Gegebenheiten ansieht, stellen sich manche Dinge ganz anders dar.

Wir haben in Bayern verglichen mit der Situation in den anderen Bundesländern eine Einmaligkeit; auch das muss in diesem Hause deutlich gemacht werden. Wir haben 1500 Förderlehrer. Kein anderes Land in Deutschland ist derart ausgestattet. Und diese Förderlehrer wirken segensreich. Deswegen stehen wir auch besser da als andere Länder.

Einen Kritikpunkt haben wir gemeinsam und den stellen wir uns auch als Hausaufgabe, nämlich den, dass die Zahl der Wiederholer deutlich gesenkt werden muss. Das ist eine gemeinsame Aufgabe; ich gebe Ihnen dabei völlig Recht. Das ist einer der wenigen Punkte, den wir in Ihren Dringlichkeitsanträgen unterschreiben können.

Zur Senkung der Klassenstärken: Frau Kollegin Tolle, das klingt hervorragend. Von der pädagogischen Bewertung ist eine große Klasse – das ist eindeutig nachgewiesen – nicht automatisch gleichbedeutend mit einem schlechteren Unterricht und einer schlechteren Vermittlung.

Das ist durch internationale Studien eindeutig belegt worden. Mit einer großen Klasse erzielt man genauso gute Ergebnisse. Was die Betreuung betrifft, ist die Aufgabe durch den Lehrer intensiver wahrzunehmen. Aber wir haben ja hervorragend ausgebildete Lehrer, die diese Situation gut meistern können.

Frau Kollegin Tolle hat das Jahr 1985 als Maßstab genommen. Aus den Kindern, die im Jahr 1985 in der Schule waren, ist – das ist belegt – Hervorragendes geworden. Ich will jetzt nicht all die Dinge aufführen, die einen Vergleich mit anderen Bundesländern erfordern, aber wir brauchen uns auch hier nicht zu verstecken, auch nicht bezüglich des Erhalts der wohnortnahen Schulen. Dass sich die Teilhauptschulen I seit Einführung der R 6 pädagogisch überholt haben und dass durch die demografi sche Entwicklung ein Wandel eintritt, können wir nicht wegdiskutieren.

Ich sage ein Letztes als Hinweis. Es ist richtig, dass die Pensionierungswelle kommen wird; das ist keine Frage. Aber wer heute für das Lehramt studiert, hat nach wie vor gute Chancen, wenn er das Studium engagiert durchführt und auch im Bereich der so genannten Mangelfächer studiert. Wenn er Hauptschullehrer oder Realschullehrer oder Gymnasiallehrer werden will – ich denke an Mathe, Physik, Latein –, dann ist es gar keine Frage, dass seine Aussichten sehr gut sind. Hier gibt es also gute Perspektiven.

Es ist nicht richtig, pauschal so zu tun, als machte der Freistaat Bayern bezüglich der Lehrereinstellungen nichts. Wir haben eine exzellente Einstellungssituation im Hauptschulbereich. Niedrige Grenznoten im Gymnasium werden erreicht. Kollege Sibler weiß, wovon ich spreche. Solche Noten waren schon lange nicht mehr da. Wer im Referendariat an Schulen in Bayern tätig ist oder Lehrer werden will, hat jedenfalls gute Perspektiven.

Als Fazit kann ich feststellen, Herr Kollege Pfaffmann: Eine Nettoneuverschuldung werden wir schon mit Rücksicht auf unsere Kinder nicht in der Form, wie Sie es gern hätten, in Angriff nehmen können. Wir tragen da Verantwortung.

Wir werden als Fraktion den Dringlichkeitsantrag der beiden anderen Fraktionen ablehnen.

Ich bedanke mich für Ihre Anregungen. Wir wissen, wohin die Reise gehen wird. Wir nehmen die kritischen, konstruktiven Anmerkungen auch im Ausschuss immer ernst. Dabei haben wir das Gesamtwohl im Blick.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege.

Zu Wort hat sich jetzt Herr Staatsminister Schneider gemeldet.

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Waschler hat vieles richtig gestellt. Aber ich muss hier die Gelegenheit nutzen, manche Behauptungen, die möglicherweise auf falscher Interpretation und falscher Berechnung beruhen, zurückzuweisen, weil sie den Tatsachen und der Wahrheit nicht entsprechen.

Der Start in das neue Schuljahr ist gelungen. Aus meiner Sicht ist er gut gelungen, auch wenn wir in manchen Bereichen eine angespannte Situation haben; dies dürfen wir überhaupt nicht zur Seite schieben.

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Im Bereich der Volksschule haben wir eine durchschnittliche Klassenstärke von 22,7. Wir haben kaum Klassen über 30. In der Volksschule haben wir eine sehr, sehr entspannte Situation zu verzeichnen.

Im Bereich der Realschulen war es mir ein großes Anliegen, gerade die übergroßen Klassen mit mehr als 33 Schülern nicht weiter wachsen zu lassen, sondern, wenn irgend möglich, abzubauen. Es ist in diesem Jahr gelungen, die Zahl der Klassen an der Realschule mit 34 oder mehr Schülern abzubauen. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen und nicht davon zu reden, in diesem Bereich hätten wir eine dramatische Verschlechterung; denn das stimmt nicht. Diese Klassen wurden abgebaut. Es ist mein Ziel, weiter daran zu arbeiten.

Aber man kann Bildungspolitik nicht losgelöst von den Rahmenbedingungen betreiben, die wir in der Finanz- und Wirtschaftssituation vorfi nden.

Frau Kollegin Tolle, Sie haben mich in einem Punkt falsch interpretiert. Ich habe gesagt: Wir haben zusätzliche Mobile Reserven in den Bereichen der Gymnasien und der Volksschulen eingestellt. Damit kann ich aber nicht zusichern, dass kein Unterricht ausfällt. Ich habe nicht gesagt, dass ich Unterrichtsausfall erwarte. Es wäre aber unverantwortlich, sich hier hinzustellen und zu behaupten, dass überhaupt kein Unterricht ausfallen wird. Ich bitte, dies einfach so zur Kenntnis zu nehmen.

Was Neueinstellungen betrifft, so haben wir 4600 junge Kolleginnen und Kollegen in die Schulen eingestellt. Davon 736 auf zusätzlichen Lehrerstellen. Das geht dankenswerterweise auf den Beschluss der CSU-Fraktion in Kreuth und auf den Beschluss des Ministerrats zurück, 50 Stellen zusätzlich in den Bereichen Fachoberschule und Berufsoberschule zu schaffen.

Die Staatsnote beträgt in manchen Bereichen 3,5. Dieser Wert gilt seit Jahren und Jahrzehnten. Es gilt: Wer seinen Abschluss schlechter als mit 3,5 macht, wird nicht eingestellt.