Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

Lieber Kollege Spaenle, dazu zweierlei: Erstens, wir wissen, dass an den Hochschulen massiv gespart wurde und zwar bereits vor den Maßnahmen, die Sie jetzt ansprechen. Zum Zweiten haben Sie ganz deutlich gesagt, nach 2008. Die Studiengebühren kommen im Jahr 2007. Und im Jahr 2008, wenn das Bündnis ausläuft, werden wir sehen, wie es weitergeht. Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, dass wir genau das haben werden, und dass das eintreten wird, was ich gesagt habe: Der Staat wird sich zurückziehen und die private Hand wird noch mehr dazu beisteuern müssen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Weidenbusch?

(Unruhe)

Nein, ich bin fast am Ende meiner Redezeit. Ich frage: Wollen wir mehr soziale Gerechtigkeit? Dann sind Studiengebühren der falsche Weg. Wollen wir mehr Chancengerechtigkeit? Dann müssen wir den Schwachen helfen, sie unterstützen, und deswegen müssen wir auf die Studiengebühren verzichten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Als nächste Rednerin hat Frau Kollegin Rupp das Wort.

Herr Kollege Spaenle, sind Sie denn noch dran? Nach mir dann, oder? – Alles klar.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zunächst möchte ich kurz zum Kollegen Wägemann etwas sagen. Wo ist er denn? Er ist nicht zu sehen. Ich habe den Eindruck, auf der Ausschussreise hat er nicht richtig zugehört. Uns wurde in Kanada ganz klar gesagt, dass sich die Ausbildungssituation so darstellt, dass der Akademikerbedarf durch Zuwanderung gedeckt wird, weil nicht ausreichend Studierende da sind, und dass gerade aus bildungsfernen Schichten fast keine Studierenden an den Universitäten sind. So etwas sollte man doch auch wahrnehmen und besprechen.

Zu einem zweiten Punkt, Frau Gote hat vorhin gesagt, dass Direktoren sagen, der Bereich soziale Verträglichkeit sei eigentlich für sie nicht verträglich, weil der Verwaltungsaufwand riesengroß würde.

Rektor Krüske von der Universität Erlangen, Herr Spaenle, hat ganz klar gesagt, dass er diese ganzen Ausnahmetatbestände streichen möchte. Das ist die Situation. Wir dürfen gespannt sein, was uns von der Universität Bayern e. V. in dieser Frage noch erwartet, weil das, was Sie vorlegen, ist im Ergebnis ein gigantischer Verwaltungsaufwand ohne großen Effekt.

Zu einem weiteren Punkt; hier werden Sie einfach unlogisch; denn Sie erklären uns jetzt seit zwei Jahren, Sie hätten gerne einen ausgeglichenen Haushalt, weil sie den späteren Generationen keine Schulden überlassen möchten. Das gilt anscheinend nur für den Staatshaushalt, aber nicht für die privaten Schulden. Wie das logisch sein soll, sollten Sie mir vielleicht an anderer Stelle einmal erklären.

(Beifall bei der SPD)

Grundsätzlich muss man sagen – das ist eine Diskussion, die hier in Ruhe geführt werden müsste, – dass Ihre Betrachtungsweise des Studiums und von Studiengebühren rein ökonomisch ist. Sie wollen, dass das Studium ein „verkäufl iches Gut“ ist und Sie wollen die Hochschulen zu einem Wirtschaftsbetrieb umstrukturieren. Meiner Ansicht nach müssten auch Sie begriffen haben, dass Forschung und Lehre, dass Wissenschaft in dieser Gesellschaft eine andere Aufgabe hat als allein und ausschließlich der Wirtschaft zu dienen.

Was unter ausländischen Ökonomen längst opportun ist, nämlich genau diese Frage zu diskutieren, wird bei uns nicht gemacht. Vielmehr weist man das von sich und es werden mit purer Ideologie Studiengebühren eingeführt, ohne dass wir tatsächlich dazu kommen, über diese ideologische Frage mit Ihnen zu diskutieren.

Im Übrigen wird auf die USA verwiesen. Die USA haben circa 3000 Universitäten. Ein paar Dutzend davon sind wirklich gute, aber wahnsinnig viele sind schlechte Uni

versitäten. Sie können uns doch nicht erklären, dass Studiengebühren zwingend dazu führen, dass die universitäre Ausbildung tatsächlich besser wird. wir haben als schlechtes Beispiel die USA vor Augen.

Ihre Begründung für Studiengebühren ist meiner Ansicht nach schlicht falsch, weil Sie einige Punkte nicht berücksichtigen. Die Frage wird doch sein: Wird es eine Nachfragesättigung nach dem Gut Studium geben? Unserer Ansicht nach besteht die Gefahr einer Fehlsteuerung des Studienangebots an den Hochschulen und es entsteht auch das Risiko einer Fehlsteuerung bei der Studienauswahl. Es müsste Ihnen doch genauso gut klar sein wie uns, dass dann, wenn man für eine Ware den Preis höher setzt, nicht zwingend damit die Nachfrage steigt – wir brauchen aber mehr Studierende –, sondern dass in der Regel die Nachfrage sinkt.

(Ernst Weidenbusch (CSU): Das Wort Ware müssen Sie mir in diesem Zusammenhang einmal erklären!)

Herr Weidenbusch, ich habe wenig Redezeit. Ich mag jetzt nicht darauf eingehen.

(Zurufe von den GRÜNEN und von der SPD)

Hören Sie doch einfach einmal zu, Sie dürfen danach draußen mit mir reden. Ich kann auch nichts dafür, dass Sie Ihre Fraktion hier nicht reden lässt.

(Beifall bei der SPD)

Also welche Barriere privater Kosten sich für die Aufnahme eines Studiums darstellt, kann man daran erkennen, wie es war, als die Verbesserung des BAföG kam; es war nämlich so, dass sich der Studierendenanteil bis heute von 27,7 % auf 35,7 % erhöht hat. Also sagen Sie uns doch nicht, dass die Finanzierung des Studiums darauf keinen Einfl uss hätte. Wir sagen: Wir brauchen mehr Studierende und dürfen deshalb den Zugang zum Studium nicht erschweren.

Dass das Thema für sogenannte bildungsferne Schichten ein Riesenproblem ist, zeigt sich allein daran, dass der Anteil der Studierenden zwischen 1982 und 2000, also hauptsächlich in der Ära Kohl, aus dem Bereich so genannter bildungsferner Schichten von 23 % auf 13 % gesunken ist. Das sollten Sie sich, bitte schön, deutlich merken. Das kann wohl nicht das sein, was wir künftig wollen.

(Beifall bei der SPD)

Eine Anmerkung am Rande: 67 % der Studierenden arbeiten bereits heute. Sie wissen genau, was das künftig bedeuten wird. Ich weiß, die Zeit ist heute relativ knapp, deshalb möchte ich auf einen Punkt noch etwas intensiver eingehen, nämlich auf die Frage: Was bedeutet das für einen Studierenden? Gehen wird davon aus, dass 600 Euro im Monat tatsächlich erforderlich sind für ein Studium, das macht 7200 Euro im Jahr. Davon sollen 1000 Euro möglicherweise an Studiengebühren bezahlt

werden. Das macht 14 % des Geldes aus. So, jetzt frage ich Sie: Warum setzen Sie sich denn bitte um alles in der Welt nicht mit uns gemeinsam für eine Reichensteuer ein, wo es nur 3 % sind und zwar bei Beträgen, wo es für die Menschen und das Leben dieser Menschen wenig relevant ist?

Nein, Sie wollen die Studierenden zusätzlich mit 14 % belasten. Das fi nde ich schlicht einen Skandal.

Ebenso mutet eines noch seltsam an, das möchte ich schon noch erwähnen, weil Sie an dieser Stelle im Grunde den Generationenvertrag aufkündigen: Es ist schon merkwürdig, dass die Gewinner der Bildungsexpansion aus den Siebzigerjahren sagen: Die heute Studierenden sollen aber bitte schön bezahlen. – Also lassen Sie uns doch darüber diskutieren, wie man solche Fragen über Steuern regeln kann, was auch weniger Verwaltungsaufwand verursachen würde. Aber belasten Sie nicht die Studierenden und halten damit junge Menschen vom Studium ab.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin, vielen Dank. – Herr Dr. Spaenle, es hätte mir ja etwas gefehlt. Bitte schön.

Sehr geehrter Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Diese Vorstellung aus der ideologischen Mottenkiste, die wir zum Thema Studiengebühren geboten bekommen haben, war eindrucksvoll.

Wir stehen vor einem gesellschaftspolitischen Paradigmenwechsel, der aus folgenden Gründen für uns vertretbar und nachvollziehbar ist.

(Zuruf der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Frau Gote, ich erkenne Sie an Ihrer schönen Stimme, ohne dass ich Sie sehe.

Wir haben die Notwendigkeit, aus wissenschaftspolitischer Verantwortung und sozialpolitischer Gebotenheit Studiengebühren als Regelinstrument einzuführen, wie sie bereits in vielen anderen Ländern, in denen Kollegen auch Ihrer Parteien Verantwortung tragen, längst Gang und Gäbe sind, wenn Sie der strategischen Anforderung gerecht werden, um die Studienbedingungen der Studierenden nachhaltig zu verbessern und wenn die Gefahr einer sozialpolitischen Verdrängungswirkung glaubhaft und nachprüfbar vermieden wird.

Genau diese beiden Tatbestände werden durch den vorliegenden Gesetzentwurf und durch den Beschluss der Staatsregierung zur Erstellung eines Kreditmodells nach den von meinen beiden Vorrednern meiner Fraktion bezeichneten Kriterien erfüllt.

Die Tatsache, dass der bayerische Staatshaushalt nicht um das Gebührenaufkommen anwachsen wird, sondern dass dieses Gebührenaufkommen im vollen Umfang den Hochschulen zur Verfügung steht, ist verbunden mit der Tatsache, dass selbstverständlich, wie das bei anderen

Modellen auch der Fall ist, ein Teil des Gebührenaufkommens für den Aufbau der Rückzahlung reserviert wird. Dadurch werden die Studienbedingungen an unseren Hochschulen erstens nachhaltig verbessert. Zweitens wird die Position der Studierenden an den Hochschulen im Evaluationskreislauf nachhaltig gestärkt, und drittens wird die Frage der Wertigkeit des Studiums als die persönliche individuelle Investition für den Berufsweg noch deutlicher herausgestrichen.

Wenn wir das schon anführen wollen, dann haben wir eine Umverteilung von unten nach oben von denen, die einen akademischen Weg nicht einschlagen zu jenen, die eine akademische Ausbildung genießen, weil die zum ganz großen Teil die Finanzierung tragen.

Die akademische Ausbildung ist das Positivste, was an persönlicher Vorbereitung für den Berufsweg nach wie vor erreicht werden kann, weil hier die Erlössituation und die Arbeitsmarktsituation nachhaltig besser sind, als bei jeder anderen Berufsausbildung.

Das heißt, ein Eigenbeitrag der Studierenden erfüllt sowohl die sozialpolitische Voraussetzung, dass keine Verdrängung von sozial schwächeren Studierwilligen erfolgt, zweitens die Studiensituation nachhaltig und deutlich verbessert werden kann, sich zum Dritten der Staat in Bayern in gar keiner Weise aus der Finanzierung der Hochschulen zurückzieht und sich viertens die individuelle Startsituation der Studierenden in Bayern, wenn sie einen Eigenbeitrag für ihr Studium leisten, nachhaltig verbessern wird. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/4221 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist der Antrag mit den Stimmen der CSU gegen die Stimmen der beiden anderen Fraktionen abgelehnt.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steuersubventionen abbauen statt Umsatzsteuer zu erhöhen (Drs. 15/4222)

Ich eröffne die Aussprache. Als Erster hat sich Herr Kollege Mütze zu Wort gemeldet. – Ist das eine Schlafmütze? Darf ich das so feststellen?

(Allgemeine Heiterkeit)

Herr Mütze ist nicht da, tut mir Leid. Dann fahren wir in der Rednerliste fort, und es spricht Herr Kollege Dupper.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr

verehrten Damen und Herren, dieser Antrag bedarf selbstverständlich einiger Anmerkungen. Lassen Sie mich deswegen drei Vorbemerkungen machen.