Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch einmal darauf eingehen, was es bedeutet, wovon einige von Ihnen sagen, dies wäre ein „maßvoller Beitrag der Familien zur Bildungspolitik“. Was heißt das, denn es zeigt, wie weit Sie mittlerweile von der Realität entfernt sind. Dies zeigen solche Äußerungen.

Tatsache ist nämlich, dass in Bayern die Beschulung von Kindern immer mehr zu einem fi nanziellen Problem wird. das können Sie überhaupt nicht mehr wegdiskutieren. Ich zähle es Ihnen noch einmal auf, ich habe es schon einmal gemacht, aber das interessiert Sie anscheinend nur ganz wenig.

Sie haben schon heute enorme Kosten in den Schulen: Ich erwähne nur die Kopien die Hefte, die Stifte, die Zirkel,

die Farben für den Kunstunterricht, alle diese Dinge kosten Hunderte von Euro heute schon; das G 8, das Mittagessen, die Hortbetreuung verursachen heute schon enorme Kosten für die Familien im Zusammenhang mit der Beschulung ihrer Kinder; die Ausfl üge, das Schullandheim, die Busfahrten, die Eintritte all das müssen die Eltern bereits heute schon zahlen. Im Sportunterricht sind es die Hallenschuhe, die Fußballschuhe, die Trikots und was alles dazu kommt. All das müssen die Eltern heute schon bezahlen. Es kommen dazu die Nachhilfestunden, weil ihr Schulsystem ohne Nachhilfe gar nicht mehr zu bewältigen ist. Das ist doch das Problem. Jeder dritte bis vierte Schüler in Bayern muss Nachhilfeunterricht haben, damit er den Stoff überhaupt noch in den Kopf kriegt. Es ist anders gar nicht mehr zu schaffen.

Das müssen die Eltern alles bezahlen. Unterstützende Lernsoftware, unterstützende Übungshefte auf Schulaufgaben hin, das muss alles schon von den Familien bezahlt werden. Das sind nach Auskunft des Elternverbandes in einem Schuljahr bereits über 1200 Euro pro Kind. Und dann stellen Sie sich hierher, liebe Kolleginnen und Kollegen, und sagen: Das Büchergeld wäre ein maßvoller Beitrag der Eltern. Was Sie hier machen, ist eine Unverschämtheit und dabei bleibe ich. Es ist Armutszeugnis der CSU-Bildungspolitik und vor allem ein falsches sozialpolitisches Signal in diesem Lande.

Die anderen Dinge, die meine Kollegin Frau Tolle schon angesprochen hat, will ich gar nicht wiederholen. Und nur ein Punkt noch: Der Bayerische Philologenverband sagt aktuell in seinem neuen Heft, er gehe davon aus, dass die Erhebung des Büchergeldes, Herr Minister, 60 000 Unterrichtsstunden kostet. Wissen Sie, was Sie hier treiben angesichts des Lehrermangels an bayerischen Schulen? Sie nehmen in Kauf, dass Lehrerinnen und Lehrer vom Unterricht abgezogen werden, damit sie Büchergeld einkassieren können.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Stimmt doch gar nicht!)

eine solche Verrücktheit kann man ja gar nicht mehr glauben, wenn Sie, Herr Waschler sagen, das stimmt doch nicht, dann sagen Sie dies doch nicht mir, sondern sagen es dem Max Schmid vom Bayerischen Philologenverband, denn er sagt 60 000 Unterrichtsstunden kostet das Büchergeld an den Schulen.

Zur Bürokratie ist auch genug gesagt worden. Der Städtetag beziffert die Kosten für den entstehenden Verwaltungsaufwand als um ein Vielfaches höher als das Büchergeld.

(Zuruf von der CSU: So ein Schmarrn!)

Ja also, Sagen Sie es dem Bayerischen Städtetag, dass er einen Schmarren redet und nicht in diesem Hause. Das sind nämlich Zitate, die von dort kommen, und nicht von uns.

Ich möchte an die Regierungserklärung ihres Ministerpräsidenten vom 06.11.2003 erinnern. Damals hat er in diesem Hause noch etwas zu sagen gehabt und in der

CSU. Am 06.11.2003 hat er erklärt: Priorität der Bayerischen Staatsregierung und der CSU habe die Bildungspolitik. – Heute wissen wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, was dies bedeutet. Es bedeutet nämlich eine chronische Unterfi nanzierung der Schulen, es bedeutet Studiengebühren, es bedeutet Büchergeld, es bedeutet ein achtjähriges Gymnasium als Sparmodell. All dies bedeutet Priorität der Bildung für die CSU.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, schaffen Sie das Büchergeld ab und zwar nicht erst im Frühjahr nächsten Jahres! Sie meinen wohl, dass die Aufregung der Eltern sich bis dahin gelegt hätte, sodass Sie das Büchergeld klaglos bezahlen. Darin werden Sie sich täuschen. Das Büchergeld ist nichts anderes als eine dreiste Abzockerei zulasten der Familien in diesem Lande.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

aus diesem Grunde kann es nur eine Antwort geben: Weg damit! Wir werden jeden Versuch unternehmen, zusammen mit den Schülerinnen und Schülern, den Lehrern und Eltern, dieses Büchergeld zu Fall zu bringen. Da werden wir nicht nachlassen. Vielen Dank.

Nächste Wortmeldung Herr Kollege Eisenreich.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir befassen uns heute zum vierten Mal im Plenum mit diesem Thema.

(Zuruf von den GRÜNEN: Nicht zum letzten Mal!)

Wohl nicht zum letzten Mal, da haben Sie völlig Recht. Vor der Sommerpause in der Ersten und Zweiten Lesung, bei der Einführung, nach der Sommerpause, beim Gesetzentwurf zur Abschaffung des Ganzen, heute anlässlich der Petitionen, dann kommt noch eine Zweite Lesung. Ich muss Ihnen sagen, der Sachverhalt hat sich jeweils nicht geändert. Insofern habe ich ein eher überschaubares Verständnis für dieses Vorgehen.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Aber wir haben kein Verständnis, schafft es ab!)

Ich habe dafür ein überschaubares Verständnis und möchte noch mal an das anknüpfen, was ich schon in der Aktuellen Stunde gesagt habe: Wunsch und Wirklichkeit; Sie haben das Privileg dass bei Ihnen Wunsch und Wirklichkeit einfach auseinander fallen können. Sie können einfach fordern, fordern und wieder fordern, denn Sie müssen sich um die Finanzierung nicht kümmern. Wenn man sich um Finanzierungen kümmern muss, wie zum Beispiel Ihre Kollegen in Berlin dann ist die Verantwortung und sind die Maßnahmen ganz anders. Dann wird klar, dass man sich in einer Zeit wie der jetzigen leider für unpopuläre Maßnahmen entscheiden muss. Das ist eben der Unterschied zwischen Verantwortung tragen und keine Verantwortung tragen.

Mit dem Büchergeld ist das Ziel verbunden, dass wissen Sie, den Bücherbestand, der zum Teil veraltet ist, zu

erneuern. Leider ist in Zeiten knapper Kassen eine Elternbeteiligung notwendig. Ich habe es schon öfter gesagt, leider sind solche Maßnahmen notwendig. Ich werbe auch nicht um Begeisterung dafür, aber ich werbe um die Einsicht in die Notwendigkeit dieser Maßnahmen. Andere Länder und verantwortliche Regierungen und Fraktionen haben diese Einsicht auch gehabt, weil Sie es tun müssen. Bayern geht hier keinen Sonderweg. Ich habe es schon öfters erwähnt, dies tun auch Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, SachsenAnhalt und von diesem Schuljahr an auch Thüringen. Auch sie haben eine Elternbeteiligung für das Büchergeld, eine Mitfi nanzierung - wie auch immer ausgestattet - durch die Eltern eingeführt, weil sie es mussten. Diese Länder sind nicht unsozial und wir sind es deswegen auch nicht.

Der Vorwurf, dass in Bayern Bildung vom Geldbeutel der Eltern abhängt, wird nicht dadurch wahrer, dass man ihn zum vierten Mal wiederholt und vielleicht in Zukunft wiederholen wird.

Ich möchte nur darauf hinweisen, Pisa hat gezeigt, der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Kompetenzerwerb ist nirgends so gering wie in Bayern. Ich bitte, dies doch einfach mal zur Kenntnis zu nehmen.

Die Aussage, dass es sich hierbei um einen maßvollen Beitrag handelt, stammt von mir. Ich bleibe dabei. Er ist maßvoll er ist nämlich mit 20 bis 40 Euro nicht übermäßig hoch. Vor allem ist er sozial abgefedert, denn Familien mit geringem Einkommen und Familien ab dem dritten Kind müssen kein Büchergeld bezahlen. Dort bleibt es bei der Vollfi nanzierung durch den Staat.

Es sind insgesamt 18 %, die kein Büchergeld zahlen müssen. Ich habe letztes Mal im Ausschuss schon gesagt: Es gibt einen Unterschied zwischen sozial reden und sozial handeln. Sozial reden ist einfach, sozial eingestellt sein ist auch einfach – das nehme ich Ihnen auch ab –, aber zum sozialen Handeln gehört mehr: Man muss immer dafür sorgen, dass auch das Geld für soziale Maßnahmen da ist, und darum kümmern Sie sich überhaupt nicht.

Das Büchergeld wird vom Sachaufwandsträger erhoben, die Schulen wirken dabei mit, der Datenschutz wird aus meiner Sicht eingehalten, weil die Lehrer mit sensiblen Daten umgehen können.

Nun zum letzten Punkt, Stichworte dilettantische Ausführung und bürokratisches Monster: Hier wird ein Thema künstlich und in unlauterer Art und Weise hochgespielt. Die Schulen können ihren Beitrag leisten – ich verweise auf das Einsammeln des Kopiergeldes –, und die Kommunen können das genauso. Ich möchte Ihr Augenmerk darauf richten, wodurch der hohe Aufwand vor allem begründet ist: Das ist die soziale Komponente. Die Einzelfallprüfung, ob die Voraussetzungen für eine Befreiung vorliegen, verursacht diesen Aufwand. Sie greifen das an. Diese Bürokratie kann man aber wirklich verteidigen, weil sie den sozial Schwächeren in unserer Gesellschaft dient.

Die Lernmittelfreiheit bleibt erhalten. Der Vorwurf der Privatisierung stimmt einfach nicht. Für jeden Schüler werden – je nach Schulart – zwischen 3700 und 5000 Euro ausgegeben. Das Büchergeld in Höhe von 40 Euro ist ein Prozent. Dieser Vorwurf ist also einfach unsinnig.

Mir fällt es zwar nicht leicht, diese Maßnahme zu verteidigen, aber wer Verantwortung trägt, muss das tun. Deshalb bleiben wir dabei.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Prof. Dr. Waschler.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Opposition beschäftigt sich immer gern mit dem Thema „Büchergeld“. Heute können wir folgende Überschrift formulieren: Es gibt hierzu nichts Neues.

Ich möchte dazu einige Dinge nochmals in aller Deutlichkeit klarstellen. Wir haben nicht nur im Ausschuss, sondern wir haben uns grundsätzlich und intensiv mit diesem Thema auseinander gesetzt. Wir nehmen die Petitionen und die Kritik der Bürger sehr, sehr ernst. Alles wird auf den Prüfstand gestellt. Wir haben im Ausschuss auch ganz klar und deutlich gesagt, dass wir uns berechtigter Kritik am Verfahren und an der Abwicklung überall intensiv annehmen werden. Es kann aber in keiner Weise die Rede davon sein, Frau Kollegin Tolle, dass die Lernmittelfreiheit abgeschafft wird. Von einer Abzockerei, wie Herr Pfaffmann das formuliert hat, kann ebenfalls keine Rede sein.

Ich möchte Sie auf eine Aussage hinweisen, angesichts derer man die Frage stellen könnte, ob denn nicht mehr Ehrlichkeit bei der Opposition einkehren könnte. Man höre und staune: Eine grüne Gemeinderätin aus dem Würzburger Umland erklärte zum Ablauf der Büchergeldzahlungen, wenn sie gewusst hätte, dass das so einfach sei, hätte sie sich nicht derart dagegen gewehrt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich behaupte: Wenn Sie bei diesem Thema nicht Populismus großen Stils betreiben würden, würden Sie anerkennen, dass die Eltern einen moderaten und wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Rahmenbedingungen an den Schulen leisten und dass es schon immer üblich war, an den Schulen für gebotene Leistungen auch Geld einzufordern.

(Zuruf der Abgeordneten Gudrun Peters (SPD))

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie im Ernst fordern, dass ein kostenloses Mittagessen angeboten werden soll, dass vom Staat Turnschuhe bezahlt werden sollen oder dass, wie Kollege Pfaffmann erwähnt hat, Fußballschuhe bezahlt werden sollen.

(Zuruf der Abgeordneten Gudrun Peters (SPD))

Man muss hier wirklich die Kirche im Dorf lassen. Ich kann nur feststellen, dass die Erhebung des Büchergelds sozial abgefedert ist. Wir wissen sehr wohl, dass wir die Situation der einzelnen Familie genau im Auge haben müssen.

Ich höre mit großem Interesse, dass von einigen Schulen berichtet wird, dass wir wegen der Erhebung des Büchergelds bei den Kopierkosten, die in meinen Augen viel zu hoch sind, bereits schon jetzt eine Minderung verzeichnen können.

(Zuruf der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bin sehr gespannt, was uns bei der Vorlage der Bilanz im Frühjahr berichtet wird.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Derzeit haben wir keine Veranlassung, von der Erhebung des Büchergelds abzusehen. Ich betone: Derzeit gibt es dazu keine Alternative. Wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, wobei wir alle Anregungen der Eltern und der Öffentlichkeit sehr ernst nehmen, werden wir gern bereit sein, in der Fraktion erneut darüber zu diskutieren.

(Beifall bei der CSU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.

Der Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport hat beschlossen, die Eingaben gemäß § 80 Nummer 3 der Geschäftsordnung der Staatsregierung als Material zu überweisen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich darf um Aufmerksamkeit für die Abstimmungen bitten. Wer dem Votum des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Ersteres war die Mehrheit. Damit ist dem Votum des Ausschusses entsprochen.